Anfrage: Umwelt-Kartierung von Brachflächen

Anfrage zur schriftlichen Beantwortung in der Ratsversammlung am 18. Januar 2017

Die Natur hat in den vergangenen Jahrzehnten Nischen in vielen brach liegenden Flächen erobert. Es sind zwischenzeitlich teilweise wertvolle, angepasste Ökosysteme entstanden, unabhängig vom Eigentümer und dessen Absichten für die Liegenschaft. Insofern nun Eigentümer Bauabsichten hegen und diese bei der Stadt Leipzig anmelden, muss entsprechend der EG-Artschutzverordnung oder Bundesartenschutzverordnung im Vorhinein geprüft werden, bevor Veränderungen am Grundstück vorgenommen werden, welche Arten am Ort leben und ob eine Unterschutzstellung angebracht ist. Sollte das so sein, sind in der Folge verschiedene Möglichkeiten, wie zum Beispiel ein Integration von Populationen in das Bauprojekt, Umsiedlung, Ausgleichsmaßnahmen oder notfalls z. B. bei Baumfällungen Ausgleichszahlungen an die Kommune angezeigt. Für Interessentinnen und Interessenten mit Grundstückskaufabsichten ist es mit Sicherheit vor dem Kauf von großer Wichtigkeit, dass sie wissen und von der Kommune erfragen können, ob unter Naturschutz stehende Arten auf dem Grundstück bekannt sind und welche Forderungen im positiven Fall auf sie zukommen werden.

Wir fragen an:

  1. Gibt es eine regelmäßige Brachflächen-Umwelt-Kartierung in Leipzig? Wie viele Flächen sind bisher (prozentual) untersucht worden? Wie viele Flächen wurden noch nicht untersucht? Arbeitet die Stadtverwaltung dazu auch mit der Artendatenbank des Freistaates Sachsen?
  2. Welche konkreten Schritte unternimmt die Stadt Leipzig innerhalb von B-Plan-Verfahren für den Natur- und Artenschutz? Welche Ämter müssen dazu beteiligt werden? Werden die Daten fachkundiger Ehrenamtlicher und von Umweltverbänden bei einer Beurteilung von Vorhaben hinzugezogen? Wann werden im Verfahren die Flächen kartiert?
  3. Welche konkreten Schritte unternimmt die Stadt Leipzig bei Bauanträgen außerhalb von B-Plan-Verfahren für die Feststellung von geschützten Arten entsprechend geltender Natur- und Artenschutzverordnungen? Welche Ämter müssen beteiligt werden? Werden die Daten fachkundiger Ehrenamtlicher und von Umweltverbänden bei einer Beurteilung von Vorhaben hinzugezogen? Wann werden im Verfahren die Flächen kartiert?
  4. Welche Fristen gelten bei Bauanträgen für die Vorort-Umwelt-Prüfung? In wie vielen Fällen konnte keine Prüfung aus Zeit- bzw. Personalgründen keine Prüfung vor Ort durchgeführt werden? Entgehen der Stadt Leipzig damit Ausgleichszahlungen?
  5. Bedient sich die Stadtverwaltung dazu auch externer Gutachter? Welche Befähigungs-nachweise und Zertifikate werden von Gutachtern in diesem Zusammenhang gefordert? Welche Kosten entstehen für Bauherren durch Umweltverträglichkeitsprüfungen?
  6. Wie wird sichergestellt, dass erfolgte Auflagen und einzuholende Genehmigungen tatsächlich umgesetzt werden? In wessen Zuständigkeit liegt die Kontrolle? Wie wird diese Kontrolle belegt?

Antwort der Verwaltung:

Die Anfrage geht in ihrer Sachverhaltsdarstellung von der Annahme aus, dass bei Bauvorhaben im Vorgriff nach EG-Artenschutzverordnung und Bundesartenschutzverordnung ermittelt werden müsste, welche Arten am Ort leben und ob eine Unterschutzstellung angebracht sei. Ziel der EG-Artenschutzverordnung ist jedoch der Schutz und die Erhaltung wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels mit diesen („Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels“). Die Bundesartenschutzverordnung setzt diese EG-Verordnung in deutsches Recht um - beide Verordnungen sind daher im Zusammenhang mit einer geplanten Bebauung oder sonstigen Veränderung von Grundstücken nicht relevant.  

Auch jenseits dieser beiden Verordnungen gibt es in Sachsen keine Vorschrift, die grundsätzlich eine Prüfung „welche Arten am Ort leben und ob eine Unterschutzstellung angebracht ist“ verlangt.

Die einzelnen Fragen der Anfrage können ansonsten wie folgt beantwortet werden:

1. Gibt es eine regelmäßige Brachflächen-Umwelt-Kartierung in Leipzig?

Wie viele Flächen sind bisher (prozentual) untersucht worden? Wie viele Flächen wurden noch nicht untersucht? Arbeitet die Stadtverwaltung dazu auch mit der Artendatenbank des Freistaates Sachsen?

Das Amt für Stadtgrün und Gewässer führt für das Gebiet der Stadt Leipzig ein Brachflächenkataster (außer Wohnbrachen). Es erfolgt dabei jedoch keine Umwelt- oder Artenkartierung, wozu es auch keine rechtlichen Vorgaben gibt. Für das Brachflächenkataster erfolgt daher auch keine Arbeit mit der Artenschutzbank des Freistaates. Aktuell sind 3.814 Flurstücke mit 10.263.008 m² in diesem Kataster erfasst.

2. Welche konkreten Schritte unternimmt die Stadt Leipzig innerhalb von B-Plan-Verfahren für den Natur- und Artenschutz? Welche Ämter müssen dazu beteiligt werden? Werden die Daten fachkundiger Ehrenamtlicher und von Umweltverbänden bei einer Beurteilung von Vorhaben hinzugezogen? Wann werden im Verfahren die Flächen kartiert?

B-Planverfahren werden vom Stadtplanungsamt entsprechend der Regelungen des Baugesetzbuches durchgeführt.

Die gesetzlich vorgeschriebene Umweltprüfung als implizierter Bestandteil des Verfahrens zur Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bebauungsplänen erfordert eine zweistufige umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und Träger öffentlicher Belange, um Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und bewerten zu können. Soweit vorhanden und nutzbar werden die Daten fachkundiger Ehrenamtlicher und der Umweltverbände hinzugezogen. Die im Freistaat Sachsen anerkannten Naturschutzverbände sind im B-Plan-Verfahren als Träger öffentlicher Belange zwingend zu beteiligen, erhalten die entsprechenden Planentwürfe und können dazu – auch mit entsprechenden Daten – Stellung nehmen. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse finden Eingang in die Planinhalte zur baulichen und sonstigen Nutzung der Grundstücke, wobei dem Natur- und Artenschutz im Rahmen einer Gesamtabwägung aller zu berücksichtigenden Belange besondere Bedeutung zukommt. Dabei erfolgt eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit allen beteiligten Ämtern, insbesondere dem AfU und dem ASG. Eine Kartierung der Flächen erfolgt möglichst frühzeitig im Verfahren, in Abhängigkeit vom Kartierungsziel.  

Die Ergebnisse – auch in Form der Abwägung zu den eingegangenen Stellungnahmen - beschließt der Stadtrat mit dem Satzungsbeschluss zu den B-Plänen.

3. Welche konkreten Schritte unternimmt die Stadt Leipzig bei Bauanträgen außerhalb von B-Plan-Verfahren für die Feststellung von geschützten Arten entsprechend geltender Natur- und Artenschutzverordnungen? Welche Ämter müssen beteiligt werden? Werden die Daten fachkundiger Ehrenamtlicher und von Umweltverbänden bei einer Beurteilung von Vorhaben hinzugezogen? Wann werden im Verfahren die Flächen kartiert?

Die Genehmigung von Bauanträgen obliegt dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege. Dabei wird bei Bauanträgen außerhalb von B-Plänen i.d.R. das Umweltamt beteiligt.

Gemäß § 68 Abs. 2 Sächsische Bauordnung (SächsBO) hat der Antragsteller alle für die Beurteilung und Bearbeitung des Bauvorhabens erforderlichen Bauvorlagen erstellen zu lassen und einzureichen. Das Naturschutzrecht ist nach § 63 Satz 1 Nr. 3 und § 64 Satz 1  Nr. 3 SächsBO als aufgedrängtes Fachrecht von Amts wegen im Baugenehmigungsverfahren mit zu prüfen. Sofern sich das Bauvorhaben auch auf Schutzgebiete nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) oder Sächsisches Naturschutzgesetz (SächsNatSchG) auswirken kann, sind schon dem Bauantrag entsprechende gutachterliche Bauvorlagen beizufügen. Gemäß § 88 Abs. 3 SächsBO i.V.m. § 9 Abs. 4 Nr. 11 der Durchführungsverordnung zur Sächsischen Bauordnung (DVOSächsBO) sind vom Bauherrn beispielsweise dem Bauantrag konkrete Aussagen zu geschützten Baumbeständen, gemäß § 9 Abs. 4 Nr. 13 DVOSächsBO Aussagen zu Abständen des Bauvorhabens zu Grün-, oder Wasserflächen zu tätigen.

Nach Antragseinreichung hat das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege die Vollständigkeit der Unterlagen zu prüfen. Nach Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen werden die Fachämter beteiligt. Welche Fachämter in dem jeweiligen Bauantragsverfahren beteiligt werden müssen, richtet sich nach dem gestellten Antrag. Innerhalb der Fachamtsbeteiligung erfolgt dann die naturschutzfachliche bzw. artenschutzfachliche Prüfung. Die Untere Naturschutzbehörde im AfU prüft, ob auf der Grundlage eigener Daten  naturschutzrechtliche und artenschutzrechtliche Belange betroffen sind. Für diese Prüfung werden alle in der Behörde verfügbare Informationen z.B. der Naturschutzhelfer, der anerkannten Naturschutzverbände und insbesondere auch die Daten aus der zentralen Artendatenbank des SMUL genutzt. Festlegungen zu Art und Umgang der ggf. noch erforderlichen Erfassung besonders geschützter Arten werden im Ergebnis der vorgenannten Prüfung bzw. im Ergebnis einer Ortsbesichtigung getroffen. Eine Kartierung erfolgt nur sofern erforderlich und nur innerhalb des jeweiligen Bauantragverfahrens.

4. Welche Fristen gelten bei Bauanträgen für die Vorort-Umwelt-Prüfung? In wie vielen Fällen konnte keine Prüfung aus Zeit- bzw. Personalgründen keine Prüfung vor Ort durchgeführt werden? Entgehen der Stadt Leipzig damit Ausgleichszahlungen?

Bei der Bearbeitung eines Bauantrages sind die in der Sächsischen Bauordnung geregelten Fristen maßgeblich. Für das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren ist hier eine Bearbeitungsfrist von 3 Monaten ab Bestätigung der Vollständigkeit der einzureichenden Bauantragsunterlagen vorgesehen, § 69 Abs. 4 Satz 1 SächsBO. Eine Verlängerung um bis zu 2 Monaten ist möglich. Eine Bearbeitungsfrist für das Sonderbauverfahren ist in der SächsBO nicht geregelt worden, da diese Verfahren i.d.R. eine Prüfung komplexer Rechtsnormen und die Beteiligung vieler Fachämter voraussetzt.

Die Erstellung der Bauvorlagen, die der Bauherr beim Amt für Bauordnung und Denkmalpflege einreichen muß, setzt üblicher Weise die konkrete Beurteilung vor Ort durch einen vom Antragsteller beauftragten Fachgutachter voraus. Sofern unbeschadet dessen die Untere Naturschutzbehörde im Genehmigungsverfahren eine Vorort-Umwelt-Prüfung für erforderlich hält, findet immer eine Ortsbesichtigung statt. Die Pflicht zur Durchführung einer solchen Prüfung sieht das Gesetz (hier UVPG) nur für Vorhaben ab einer dort genannten Größen- und Leistungsgrenze als eigene Umweltverträglichkeitsprüfung vor. Es gelten dann die im UVP-Gesetz geregelten Verfahrensvorschriften.

Bei Eingriffen in Natur und Landschaft im Sinne von § 14 Bundesnaturschutzgesetz sind diese Eingriffe nach den Regelungen des BNatSchG auszugleichen (Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen). I.d.R. sind dies Vorhaben, die eines B-Planes bedürfen und wo notwendige Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bereits im B-Plan festgelegt werden. Zu leisten sind die Maßnahmen i.d.R. jedoch erst mit Ausübung des Baurechtes. Ob ein solcher Ausgleich naturschutzfachlich korrekt angenommen werden kann, ist vom Antragsteller in den vorzulegenden Bauvorlagen nachzuweisen. Welche Kompensationsmaßnahmen der Bauherr wählt, kann nicht vorgegeben werden. Entscheidend ist, dass aus den Bauvorlagen und den dann eingeholten Stellungnahmen der Fachämter ersichtlich ist, dass die Eingriffe in Natur und Landschaft fachlich korrekt ausgeglichen werden. Die Ersatzzahlung nach § 15 Abs. 6 BNatSchG ist dabei regelmäßig nur die ultima ratio, wenn andere Kompensationsmaßnahmen nicht möglich sind.

Soweit Bauanträge außerhalb von B-Plänen nach §34 BauGB gemeint sind (z.B. ein Lückenschluss in einer Blockrandbebauung der Gründerzeit, entstehen hier keine Ausgleichszahlungsverpflichtungen für Bauherren.

5. Bedient sich die Stadtverwaltung dazu auch externer Gutachter? Welche Befähigungsnachweise und Zertifikate werden von Gutachtern in diesem Zusammenhang gefordert? Welche Kosten entstehen für Bauherren durch Umweltverträglichkeitsprüfungen?

Sofern bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben artenschutzrechtliche Verbote betroffen sind, bedarf es zwingend einer Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde. Die Kosten, auch für den Gutachter, hat der Antragsteller zu tragen. Bei eigenen B-Plänen der Kommune trägt i.d.R. die Stadt die Kosten. Zur Höhe der Kosten können keine allgemeine Angaben geliefert werden. Die Notwendigkeit von Umweltverträglichkeitsprüfungen entsprechend UVP-Gesetz richtet sich zudem allein nach dem Vorliegen der vom Gesetz bestimmten sachlichen Voraussetzungen und nicht nach dafür anfallenden Kosten. Für Befähigungsnachweise oder Zertifikate von Artenschutzgutachtern gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Relevant ist allein die Qualität des eingereichten Gutachtens. ofern ein Artenschutzgutachten den Anforderungen nicht genügt, kann nicht über einen Antrag entschieden bzw. kann ein Vorhaben noch nicht begonnen werden.

 6. Wie wird sichergestellt, dass erfolgte Auflagen und einzuholende Genehmigungen tatsächlich umgesetzt werden? In wessen Zuständigkeit liegt die Kontrolle?

Wie wird diese Kontrolle belegt?

Kommen die beteiligten Fachämter nach Prüfung des Bauantrages zu dem Ergebnis, dass Nebenbestimmungen in Form von Auflagen, Bedingungen zu erlassen sind, werden diese nach Prüfung des Amtes für Bauordnung und Denkmalpflege im Genehmigungsbescheid auf Grundlage von § 72 Abs. 3 SächsBO und § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i.V.m. § 1 Sächsisches Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungszustellungsgesetz (SächsVwVwZG) als Nebenbestimmung formuliert.

Grundsätzlich ist der Bauherr dann dafür zuständig, sein Vorhaben (nur) im Rahmen und nach Maß der erteilten Genehmigungen und der mit ihnen ggf. erteilten Auflagen umzusetzen.

Eine Kontrolle aller erteilten (Bau)genehmigungen und Auflagen ist weder gesetzlich vorgesehen noch kapazitär Gegenstand des behördlichen Handelns. Durch das Bauordnungsamt werden bei Kontrollen die bauordnungsrechtlichen Belange geprüft. Sofern andere Zuständigkeiten berührt sind, obliegt die Kontrolle dem zuständigen Fachamt. Durchgeführte Kontrollen werden i.d.R durch Aktenvermerke belegt.

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