Anfrage: Waffenscheine für Reichsbürger*innen?

Anfrage zur Beantwortung am 15. März 2023

Der Besitz einer Waffenbesitzkarte, die bei der Stadt beantragt werden kann, ist an besondere Voraussetzungen geknüpft, unter anderem an die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit (§§ 5, 6 WaffG). In mehreren Entscheidungen haben Verwaltungsgerichte noch einmal deutlich gemacht, dass sogenannten Reichsbürger*innen oder Selbstverwalter*innen die Zuverlässigkeit fehle. Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Koblenz etwa (AZ 7B 11152/18 OVG) fehlt Personen, die die Geltung von in der Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften in Abrede stellen, die waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Dies dürfte auch für Personen mit einer verfestigten neonazistischen Gesinnung gelten.

Die Reichsbürgerszene in Sachsen wächst. Nach einer Anfrage im sächsischen Landtag durch Kerstin Köditz (MdL) hat sich die Zahl von Reichsbürger*innen von 1.050 Personen 2020 auf nun 2.500 Personen im Jahr 2022 mehr als verdoppelt. Auch im Bereich der sogenannten Leipziger Montagsdemonstrationen bewegen sich Reichsbürger*innen. Eine der für die Leipziger Szene größten Telegramplattform (mehr als 8.000 Follower) ist dem Reichsbürgerspektrum zuzuordnen. Dieses veranstaltet regelmäßig Demonstrationen, an denen Personen, die aufgrund von Postings in den sozialen Netzwerken der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen sind, teilnehmen – zu erkennen unter anderem an Fahnen des deutschen Reiches.

Vor diesem Hintergrund fragen wir an:

  1. Wie viele Personen in Leipzig haben eine Waffenbesitzkarte und wie wird die Zuverlässigkeit der Personen überprüft, insbesondere ihre Einstellung zur Geltung der in der Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften?
  2. Wie viele Waffenbesitzkarten wurden seit 2020 wieder entzogen oder zurückgegeben und aus welchen Gründen?
  3. Wie stellt sich die Zusammenarbeit der Stadt Leipzig als zuständige Behörde für die Waffenscheine und den sächsischen Sicherheitsbehörden zur Frage der Reichsbürger*innen oder anderer Personen mit verfassungsfeindlichen Gesinnungen dar?
  4. Wurden aufgrund von Informationen der sächsischen Sicherheitsbehörden auch in Leipzig Waffenbesitzkarten entzogen? Wenn ja, wie viele waren das in den vergangenen Jahren?
  5. Wie beurteilt die Stadt die Entwicklung der Reichsbürgerszene innerhalb der Stadt und ihr Auftreten im Bereich der sogenannten Montagsdemonstrationen?
  6. Welche Aktivitäten entfaltet die Stadt in Absprache mit sächsischen Sicherheitsbehörden im Übrigen im Umgang mit sogenannten Reichsbürger*innen?

Antwort vom 14. März 2023

1. Wie viele Personen in Leipzig haben eine Waffenbesitzkarte und wie wird die Zuverlässigkeit der Personen überprüft, insbesondere ihre Einstellung zur Geltung der in der Bundesrepublik geltenden Rechtsvorschriften?

In Leipzig sind mit Stand 28.02.2023 2.191 natürliche Personen im Nationalen Waffenregister gespeichert, die Besitzer einer Waffe oder eines Waffenteils und dementsprechend Inhaber einer Waffenbesitzkarte sind.

Die Prüfung der Zuverlässigkeit dieser Personen erfolgt entsprechend § 5 Abs. 5 des Waffengesetzes. Dementsprechend holt die zuständige Behörde im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung folgende Erkundigungen ein:

  1. die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister
  2. die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister
  3. die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen
  4. die Auskunft des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen (LfV Sachsen), ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen

Das LfV Sachsen übermittelt insbesondere Auskünfte in Bezug auf die Mitgliedschaft in einem Verein, der unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot unterliegt, oder in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.

Aber auch bei Tatsachen die die Annahme rechtfertigen, dass durch die Person allein Bestrebungen verfolgt wurden, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, oder durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen, die auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.

Eine Mitgliedschaft oder die Unterstützung in einer Vereinigung, welche solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, wird ebenfalls übermittelt.

Auf Grundlage der oben genannten Erkundigungen erfolgt die Prüfung ob eine absolute Unzuverlässigkeit nach § 5 Absatz 1 des Waffengesetzes bzw. einer Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 des Waffengesetzes vorliegt.

Erlangt das LfV Sachsen im Nachhinein für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutsame Erkenntnisse, teilt sie dies der Waffenbehörde unverzüglich mit.

2. Wie viele Waffenbesitzkarten wurden seit 2020 wieder entzogen oder zurück-gegeben und aus welchen Gründen?

Vom 01.01.2020 bis 31.12.2022 wurden im Zusammenhang mit fehlender Zuverlässigkeit, fehlender persönlicher Eignung oder fehlendem Bedürfnis insgesamt 20 Waffenbesitzkarten widerrufen bzw. zurückgegeben. Für die einzelnen Jahre schlüsselt sich dies wie folgt auf:

2020: sieben Waffenbesitzkarten, davon vier wegen fehlender Zuverlässigkeit und drei wegen fehlendem Bedürfnis,

2021: sieben Waffenbesitzkarten, davon fünf wegen fehlender Zuverlässigkeit und zwei wegen fehlendem Bedürfnis und

2022: sechs Waffenbesitzkarten, davon vier wegen fehlender Zuverlässigkeit und zwei wegen fehlendem Bedürfnis.

Darüber hinaus gab es noch eine statistisch nicht gesondert erhobene Anzahl zurückgegebener Waffenbesitzkarten auf Grund von zum Beispiel der Aufgabe des Schießsportes bzw. der Jagd.

3. Wie stellt sich die Zusammenarbeit der Stadt Leipzig als zuständige Behörde für die Waffenscheine und den sächsischen Sicherheitsbehörden zur Frage der Reichsbürger*innen oder anderer Personen mit verfassungsfeindlichen Gesinnungen dar?

Die Mitteilung von Erkenntnissen erfolgt - wie in der Antwort zu Frage 1 beschrieben - im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung durch eine Anfrage beim LfV Sachsen. Dieses teilt entsprechende Erkenntnisse mit, bzw. meldet diese für die Inhaberinnen und Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse unverzüglich nach.

Wird aufgrund der Mitteilung durch das LfV Sachsen eine waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen bzw. zurückgegeben, informiert die zuständige Waffenbehörde dieses darüber.

4. Wurden aufgrund von Informationen der sächsischen Sicherheitsbehörden auch in Leipzig Waffenbesitzkarten entzogen? Wenn ja, wie viele waren das in den vergangenen Jahren?

Vom 01.01.2020 bis 31.12.2022 wurden auf Grund von Informationen der sächsischen Sicherheitsbehörden insgesamt drei Waffenbesitzkarten widerrufen. Für die einzelnen Jahre schlüsselt sich dies wie folgt auf: 2020 - keine, 2021 - zwei, 2022 - eine Waffenbesitzkarte.

5. Wie beurteilt die Stadt die Entwicklung der Reichsbürgerszene innerhalb der Stadt und ihr Auftreten im Bereich der sogenannten Montagsdemonstrationen?

Der Versammlungs- und Veranstaltungsbehörde sind im Zusammenhang mit Versammlungen keine Entwicklungen in Bezug auf die Reichbürgerszene bekannt. Es kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelte Reichsbürgerinnen und Reichbürger an Demonstrationen teilgenommen haben, für eine Bestätigung dieser Annahme liegen hier jedoch keine Erkenntnisse vor.

6. Welche Aktivitäten entfaltet die Stadt in Absprache mit sächsischen Sicherheitsbehörden im Übrigen im Umgang mit sogenannten Reichsbürger*innen?

Im Zusammenhang mit waffenrechtlichen Erlaubnissen entfaltet die Stadt keine weiteren Aktivitäten im Umgang mit sogenannten Reichbürgerinnen und Reichsbürgern.

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