Anfrage: Welche Risiken und Alternativen gibt es zur Fernwärme aus Leuna?

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 8. Februar 2023

Wie die LVZ vom 14./15. Januar 2023 berichtete, planen die Stadtwerke Leipzig künftig Abwärme der Total-Raffinerie in Leuna über eine Fernwärmetrasse nach Leipzig zu transportieren. Ungefähr 38% des aktuellen Leipziger Wärmebedarfs könnten damit laut den Leipziger Stadtwerken gedeckt werden. Es wird geprüft, ob zusätzlich eine Wasserstoff-Pipeline verlegt werden kann. Die Abwärme der Raffinerie gilt als bilanziell klimaneutral und ist momentan ungenutzt. Dennoch würde man sich damit von der Erzeugung fossiler (Erdöl-) Produkte abhängig machen. Vor dem Hintergrund der notwendigen Dekarbonisierung aller Wirtschaftsbereiche und des perspektivisch steigenden CO2-Preises sehen wir diverse Risiken, weiterhin auf fossile Energiequellen zu setzen – auch wenn ihre Emissionen nicht auf die Abwärme angerechnet werden. So bricht derzeit beispielsweise die Produktion in Leuna um 50 % ein (LVZ 24. Januar 2023).

Der Stadtrat hat letztes Jahr eine kommunale Wärmeplanung beauftragt (VII-A-02889), welche eine klimaneutrale Wärmeversorgung der Stadt Leipzig bis 2038, möglichst 2035, vorsieht. Die Planung soll bis Ende dieses Jahres vorliegen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir an:

  1. Welche Szenarien berücksichtigt die kommunale Wärmeplanung für die Klimaneutralität? Welche Alternativen aus erneuerbaren Wärmequellen werden zur Fernwärme aus Leuna geprüft?
  2. Im LVZ-Artikel vom 14./15. Januar wird davon gesprochen, eventuell zusätzlich zur Fernwärmetrasse eine Wasserstoff-Pipeline zu verlegen. Inwiefern ist die Planung der Fernwärmetrasse von einer Förderung der Wasserstoff-Pipeline abhängig?
  3. Wie wird sichergestellt, dass in Leuna grüner Wasserstoff durch erneuerbare Energien hergestellt wird, die auch in relevanten Mengen für Leipzig zur Verfügung stehen können?
  4. Die Trasse selbst ist auf 80 Jahre Nutzung ausgelegt. Wie wird sichergestellt, dass Leuna als Produktionsstandort, im Besonderen die Total Raffinerie, zukünftig CO2-neutral produzieren und im Zuge der Dekarbonisierung Bestand haben wird? Welche Abwärmemengen könnten perspektivisch in den 2030er und 2040er Jahren und darüber hinaus noch geliefert werden und wie gestalten sich dazu die vertraglichen Preisabsprachen?
  5. Gibt es Gespräche mit weiteren Unternehmen in Leuna, welche Abwärme über die Trasse liefern können? Welche weiteren Abwärme- oder erneuerbare Wärmequellen könnten entlang der geplanten Fernwärmetrasse eingespeist werden bzw. welche weiteren Abnehmer für Fernwärme gibt es entlang der geplanten Trasse?

Antwort vom 7. Februar 2023

Einleitend wird auf die im Verfahren befindliche Vorlage (VII-DS-07720) zur Vergabe eines Auftrages zur Generalkoordination im Zuge der Erstellung eines kommunalen Wärmeplanes verwiesen. Darüber hinaus sind zur grundsätzlichen Einordnung der Thematik in den Gesamtkontext diesbezüglich relevante bzw. einschlägige öffentliche Grundlagen und Hintergrundinformationen als Anlagen der Antwort beigefügt. Diesen können strategische Zielstellungen, technologische Aspekte, sowie Chancen und Risiken zur Nutzung industrieller Abwärme einerseits, sowie bestehender Netze bzw. deren Aus-/Umbau zur Wasserstoffdurchleitung andererseits, insbs. in Mitteldeutschland, entnommen werden.

Die Beantwortung der Anfragen erfolgt insbesondere auf Basis einschlägiger Zuarbeit der L-Gruppe (hier: Stadtwerke Leipzig):

  1. Welche Szenarien berücksichtigt die kommunale Wärmeplanung für die Klimaneutralität? Welche Alternativen aus erneuerbaren Wärmequellen werden zur Fernwärme aus Leuna geprüft?

Die Erstellung der kommunalen Wärmeplanung ist ein komplexes Vorhaben, welches Ende 2023 abgeschlossen wird. Eine Vorstellung der Ergebnisse, einschließlich der berücksichtigten Szenarien unter Berücksichtigung von Bevölkerungsentwicklung und Sanierungspfaden, wird im Anschluss erfolgen.

Durch die Nutzung der industriellen Abwärme aus Leuna können voraussichtlich ca. 600 GWh Wärme pro Jahr CO2-neutral und preisstabil über das Fernwärmesystem verteilt werden ohne große Eingriffe in die Natur und ohne Verbrauch von Flächenpotenzialen in der Stadt. Die Menge entspricht dem Wärmebedarf von ca. 100.000 Haushalten und stellt somit einen wesentlichen Baustein der Fernwärmetransformation dar, ohne den die klimapolitischen Ziele der Stadt im gesetzten Zeitrahmen nicht erreicht werden können.

Ergänzend werden kontinuierlich weitere Technologien und diesbezügliche Innovationen betrachtet. Insbesondere wurden Studien zu den theoretische Potenzialen von Geothermie, Solarthermie, Luftwärme, Abwasser, Biomasse, Industrielle und Gewerbliche Abwärme, Nutzung von Oberflächengewässer und auch Saisonalspeichern durchgeführt. Diese Studien werden aktuell durch eine Projektgruppe in Zusammenarbeit zwischen den Leipziger Stadtwerken, städtischen Ämtern und Referaten und der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft geprüft und bewertet. Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen.

  1. Im LVZ-Artikel vom 14./15. Januar wird davon gesprochen, eventuell zusätzlich zur Fernwärmetrasse eine Wasserstoff-Pipeline zu verlegen. Inwiefern ist die Planung der Fernwärmetrasse von einer Förderung der Wasserstoff-Pipeline abhängig?

Die Planung der Fernwärmetrasse ist von keiner Förderung der Wasserstoff-Pipeline abhängig. Beide Trassen würden aus Synergiegründen parallel geplant und unabhängig voneinander genehmigt. Eine gemeinsame Realisierung würde Baukostensynergien mit sich bringen. Die Entscheidung über den Bau hängt für beide Trassen von einer separaten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und den jeweiligen Fördermitteln ab.

Der derzeitige überregionale konzeptionelle Ansatz der Stadtwerke stellt sich wie folgt dar:

  1. Wie wird sichergestellt, dass in Leuna grüner Wasserstoff durch erneuerbare Energien hergestellt wird, die auch in relevanten Mengen für Leipzig zur Verfügung stehen können?

Durch eine Verbindungstrasse nach Leuna entstünde zunächst überhaupt erst die Möglichkeit, die Stadt Leipzig mit geplanten Wasserstofferzeugungsanlagen zu vernetzen. In Leuna sind bereits erste große Elektrolyseanlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff geplant. Hieraus können notwendige Mengen für die Wärmeversorgung in Leipzig resultieren. Die Leipziger Stadtwerke sind in regelmäßigem Austausch mit geeigneten Unternehmen vor Ort, die Wasserstofferzeugungsprojekte konkret planen. Nach gegenwärtigem Stand liegen weder den Stadtwerken, noch der Stadt Erkenntnisse vor, die darauf hindeuten würden, dass es nicht möglich wäre, für Leipzig relevante Mengen zur Verfügung zu stellen. Konzeptionell ist dabei das Vorhaben vereinfacht wie folgt angelegt:

Quelle: https://hypower-mitteldeutschland.com/projekte/

  1. Die Trasse selbst ist auf 80 Jahre Nutzung ausgelegt. Wie wird sichergestellt, dass Leuna als Produktionsstandort, im Besonderen die Total Raffinerie, zukünftig CO2-neutral produzieren und im Zuge der Dekarbonisierung Bestand haben wird? Welche Abwärmemengen könnten perspektivisch in den 2030er und 2040er Jahren und darüber hinaus noch geliefert werden und wie gestalten sich dazu die vertraglichen Preisabsprachen?

Das politische Ziel der Klimaneutralität Deutschlands bis 2045 ist gesetzt und wird in den strategischen Überlegungen aller beteiligten Partner berücksichtigt. Die zentralen Fragen bei diesem Projekt sind, ob sich die Investition wie geplant über einen Zeitraum von 20 Jahren (ab Inbetriebnahme im Jahr 2027) amortisiert und ob am Standort Leuna auch über diesen Zeitraum hinaus dauerhaft unvermeidbare Abwärme auf hohem Temperaturniveau zur Verfügung stehen wird.

Die Total Raffinerie Mitteldeutschland am Chemiestandort Leuna hat auf Basis der bisher durchgeführten Untersuchungen, sowohl hinsichtlich der erforderlichen Versorgungs-strukturen in Deutschland als auch der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Kontext, eine positive Zukunftsprognose im Betrachtungszeitraum abgegeben. Die erwarteten Bezugsmengen bleiben demnach im Betrachtungszeitraum auch bei einer verstärkten Defossilisierung der chemischen Industrie relativ konstant. Bis zum finalen Start der Trassenverlegung wird dessen ungeachtet noch eine vertiefte Betrachtung auch mit Blick auf die aktuellen und absehbaren geopolitischen Entwicklungen vorgenommen und in der Entscheidung berücksichtigt. Was in den 2030er oder 2040er Jahren sein wird, kann heute niemand mit Sicherheit für irgendeine Technologie und/oder benötigte Fernwärmekapazität und/oder Industrieproduktionsform abschätzen.

  1. Gibt es Gespräche mit weiteren Unternehmen in Leuna, welche Abwärme über die Trasse liefern können? Welche weiteren Abwärme- oder erneuerbare Wärmequellen könnten entlang der geplanten Fernwärmetrasse eingespeist werden bzw. welche weiteren Abnehmer für Fernwärme gibt es entlang der geplanten Trasse?

Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit weitere Abwärmequellen der angesiedelten Unternehmen im Chemiepark Leuna einzubeziehen. Die geplante Trasse bietet für die langfristige Nutzung weitere strategische Optionen. Dies gilt auch für die Einspeisungen und Abnahmen entlang der geplanten Trasse und Möglichkeiten erneuerbare Energien sinnvoll zu nutzen. Entsprechende Gespräche in diesem Zusammenhang werden von unterschiedlichen Akteuren auf vielen Ebenen (Bundes- und Landesregierungen, Unternehmen, Kommunen, Forschungsinstitute u.a.) Gespräche geführt, über deren Inhalte in der Regel keine Kenntnis vorliegt. Der aktuelle offizielle Sachstand zu diesbezüglichen Entwicklungen in der Region kann den jeweiligen öffentlichen Verlautbarungen der hierfür in der Region aktiven Akteure bzw. Institutionen entnommen werden. Insbesondere kann dabei – neben den Informationen der L-Gruppe vor Ort -  auf die Aktivitäten des HYPOS-Netzwerkes (s.a. https://www.hypos-eastgermany.de/) oder einschlägige Veröffentlichungen der Metropolregion Mitteldeutschland verwiesen werden (https://www.mitteldeutschland.com/de/metropolregion-mitteldeutschland/; s. a. Anlage).

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