Anfrage: Werden Bäume nur auf dem Papier nachgepflanzt?

Anfrage vom 1. Juni zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 21. Juni 2017

Der Antwort vom 20.04.2016 auf die Stadtratsanfrage „Baumschutz oder doch nicht?“ war u.a. zu entnehmen, dass im Jahr 2009 4.856 Genehmigungen zur Beseitigung von Bäumen erteilt sowie 8.961 Ersatzpflanzungen beauflagt wurden. 2015 wurden 1.404 Genehmigungen zur Beseitigung erteilt und 3.934 Ersatzpflanzungen beauflagt. Es steht durch die anhaltende Wahrnahme an unterschiedlichsten Stellen zu vermuten, dass auch im vergangenen und in diesem Jahr zahlreiche weitere Bäume durch die weitere starke Bautätigkeit im gesamten Stadtgebiet gefällt wurden.

In Bebauungsplänen werden stets Festlegungen zur Nachpflanzung von Bäumen, Hecken, Sträuchern etc. beschlossen, währenddessen bei Baugenehmigungen unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen dahingehend Auflagen erteilt werden, um einen Ausgleich für die im Baugebiet beantragten Fällungen zu gewährleisten. Während diese Festsetzungen in B-Plänen öffentlich einsehbar sind, werden die Pflanz- und Fällauflagen im Rahmen von Baugenehmigungen nicht öffentlich bekannt.

Daher bitten wir bis zum 21. Mai 2017 um schriftliche Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wie haben sich die Zahlen der beantragten Fällungen und beauflagten Nachpflanzungen fortentwickelt?
  2. Wie viele Jahre rückwirkend wurden die tatsächlich durchgeführten Nachpflanzungen ermittelt und zu welchem Ergebnis kommt man dabei?
  3. Wie hoch ist der Anteil an Bäumen, Hecken und Sträuchern der geforderten Ersatzpflanzungen, die bislang nicht nachgepflanzt wurden und in welchem Umfang sind dabei gesetzte Fristen bereits verstrichen?
  4. Wie wird mit festgestellten Fällen, in denen nicht fristgerecht nachgepflanzt wurde, umgegangen? (Bußgelder, Forderung von Ersatzpflanzungen, Ausgleichszahlungen…)?
  5. In welchem Umfang wurden Ausgleichszahlungen, alternativ zu umgesetzten Ausgleichsmaßnahmen, tatsächlich geleistet und in welchem Umfang sind diese offen?

 

Des Weiteren bitten wir um mündliche Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wie wurde bislang durch die Verwaltung die Umsetzung der beauflagten Nachpflanzungen überprüft?
  2. Wie wird künftig sichergestellt, dass beauflagte Nachpflanzungen nicht nur auf dem Papier, sondern auch tatsächlich durchgeführt werden?
  3. Inwieweit kontrolliert die Verwaltung, ob Baumfällungen, die nicht genehmigt wurden, nicht doch durchgeführt wurden? Wie viele Fälle sind bekannt und wie wird damit umgegangen?

 

Antwort der Verwaltung vom 21. Juni 2017


In Folge nicht zuletzt der weiterhin regen Bautätigkeit im Stadtgebiet wurden auch 2016 und 2017 u. a. im Zusammenhang mit Bauvorhaben Genehmigungen zum Entfernen von durch die Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig geschützten Gehölzen erteilt. 

Der Trend der vergangenen Jahre setzt sich fort.

Im Gegensatz zu Verfahren der Bauleitplanung ist bei Baugenehmigungsverfahren und Genehmigungsverfahren auf der Grundlage der Baumschutzsatzung durch den Gesetzgeber keine Öffentlichkeitsbeteilung vorgesehen.

Da diese Verfahren im Zusammenhang mit privatrechlichem Eigentum stehen, ist aus Datenschutzgründen keine grundstücksbezogene Offenlegung der entsprechenden Genehmigungen und Auflagen zulässig.

zu Frage 1.)

Eine Übersicht über die beantragten Fällungen von geschützten Gehölzen und der beauflagten Ersatzpflanzungen für die Jahre 2016 und 2017 (Stand 31.05.2017) finden Sie nachfolgend:

 

 

 

Übersicht 2016

 

Genehmigungsverfahren im Zusammenhang mit der Herstellung der Verkehrssicherheit oder Maßnahmen zum Abbau erheblicher Nutzungseinschränkungen

 

Anzahl der Bäume (Antragsgegenstand) gesamt

davon Antrag = Beseitigung

davon Entscheidung = Schutz aufgehoben (Genehmigung zur Fällung)

dafür Ersatzpflanzung nach Anlage 3 BSchS

-          Klasse A   (Heister bis 3 m)

-          Klasse B   (Hochstamm STU 8 - 14 cm)

-          Klasse C   (Hochstamm STU 14 - 20 cm) 

-          Klasse D   (Hochstamm STU 20 - 30 cm)

-          Klasse E   (Solitär STU 30 - 40 cm)

 

Stückzahl

 

 

431

 

1.033

361

300

 

91

142

117

15

0

 

Genehmigungsverfahren im Zusammenhang mit baulichen Maßnahmen

 

Anzahl der Bäume (Antragsgegenstand) gesamt

Entscheidung = Schutz aufgehoben (Genehmigung zur Fällung)

dafür Ersatzpflanzung nach Anlage 3 BSchS

-          Klasse A   (Heister bis 3 m)

-          Klasse B   (Hochstamm STU 8 - 14 cm)

-          Klasse C   (Hochstamm STU 14 - 20 cm) 

-          Klasse D   (Hochstamm STU 20 - 30 cm)

-          Klasse E   (Solitär STU 30 - 40 cm)

 

390

 

3.607

1.399

 

1.233

923

1.138

432

45

 

 

 

Übersicht 2017 (Stand 31.05.)

 

Genehmigungsverfahren im Zusammenhang mit der Herstellung der Verkehrssicherheit oder Maßnahmen zum Abbau erheblicher Nutzungseinschränkungen

 

Anzahl der Bäume (Antragsgegenstand) gesamt

davon Antrag = Beseitigung

davon Entscheidung = Schutz aufgehoben (Genehmigung zur Fällung)

dafür Ersatzpflanzung nach Anlage 3 BschS

-          Klasse A   (Heister bis 3 m)

-          Klasse B   (Hochstamm STU 8 - 14 cm)

-          Klasse C   (Hochstamm STU 14 - 20 cm) 

-          Klasse D   (Hochstamm STU 20 - 30 cm)

-          Klasse E   (Solitär STU 30 - 40 cm)

 

Stückzahl

 

 

132

 

370

110

95

 

26

35

38

6

0

 

Genehmigungsverfahren im Zusammenhang mit baulichen Maßnahmen

 

Anzahl der Bäume (Antragsgegenstand) gesamt

Entscheidung = Schutz aufgehoben (Genehmigung zur Fällung)

dafür Ersatzpflanzung nach Anlage 3 BschS

-          Klasse A   (Heister bis 3 m)

-          Klasse B   (Hochstamm STU 8 - 14 cm)

-          Klasse C   (Hochstamm STU 14 - 20 cm) 

-          Klasse D   (Hochstamm STU 20 - 30 cm)

-            Klasse E   (Solitär STU 30 - 40 cm)

 

 

163

 

1.468

508

 

676

279

529

177

11

 

Zu Fragen 2. bis 4.)

Aussagen über die Zahl der durchgeführten Ersatzpflanzungen sind nicht möglich.

Gemäß § 10 (3) der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig hat der zu Ersatzpflanzungen Verpflichtete die Erfüllung der Ersatzpflanzungen schriftlich anzuzeigen. Die Meldequote liegt jedoch lediglich zwischen 15 und 30 %. 

Mahnverfahren bei nicht erfolgten Meldungen der Ausführung der Ersatzpflanzung gestalten sich außerordentlich schwierig und sind mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Dies ist u. a. begründet in Eigentümerwechsel, Tod des Bescheidadressaten, Aufteilung des ursprünglichen Bescheidareals unter einer Vielzahl von Neuerwerbern, Einstellung des Geschäftsbetriebes oder Insolvenz von Bauherren und Bauträgern, Anschriftenwechsel usw.

Die Durchführung eines Mahnverfahrens kann durchaus mehrere Jahre dauern.

Mahnverfahren können naturgemäß erst nach Ablauf der eingeräumten Fristen eröffnet werden. In vielen Fällen wird vom Säumigen eine Verlängerung der Frist beantragt, die bei Vorliegen plausibler Gründe auch gewährt wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Bauvorhaben nicht oder nur schleppend realisiert werden.

Obwohl die Nichtvornahme der Meldung der Ersatzpflanzung einen Ordnungswidrigkeitstatbestand darstellt, wurde bisher aus Akzeptanzgründen bis auf Ausnahmen von der Einleitung von Bußgeldverfahren abgesehen. Gleiches gilt für die Anwendung von Verwaltungszwang. 

Bei Mahnungen stellte sich vielfach heraus, dass die Meldungen zur Ersatzpflanzung schlichtweg vergessen wurde, obwohl die Ersatzpflanzung erfolgte.

Es wird eingeschätzt, dass der Erfüllungsgrad der Ersatzpflanzungen grundsätzlich bei etwa  60 - 70 % liegt. Seitens des Amtes für Stadtgrün und Gewässer werden stichprobenartige Kontrollen vor Ort veranlasst.

Positiv hervorzuheben bei der Erfüllung der Ersatzpflanzungen sind die großen Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften. Hier werden die Ersatzpflanzungen regelmäßig fristgemäß durchgeführt.

zu Frage 5.)

Aus nachfolgender Tabelle sind die anstelle von Ersatzpflanzungen geleisteten Ausgleichszahlungen ersichtlich. Offene Zahlungsforderungen entstehen in der Regel nicht.

Jahr

Ausgleichszahlung

2009

33.030,00

2010

32.500,00

2011

62.477,00

2012

122.323,00

2013

38,634,00

2014

105.685,00

2015

155.361,00

2016

232.082,00

2017

(Stand 31.05.)    52.302,00

 

Die Ausgleichszahlungen werden grundsätzlich für Baumpflanzungen und damit verbundenen Maßnahmen im öffentlichen Raum verwendet.

Es wird darauf hingewiesen, dass Ersatzpflanzungen auch durch Pflanzungen im öffentlichen Raum auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Verträge abgeleistet werden.

Mündliche Beantwortung:

zu Frage 6.):

Die Überprüfung der Umsetzung von beauflagten Ersatzpflanzungen erfolgte stichprobenartig durch Mitarbeiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer und des Stadtordnungsdienstes.

Hierzu wurden die Grundstücke, auf denen Ersatzpflanzungen vorgenommen wurden, durch die Bediensteten aufgesucht, die Ersatzpflanzungen in Augenschein genommen und die Einhaltung der geforderten Stückzahl und Qualität überprüft (Auszählung, Messung des Stammumfanges).

Soweit vorliegend, wurden auch entsprechende Fotodokumentationen ausgewertet.

zu Frage 7.):

Aus den schriftlichen Ausführungen zu den Fragen 2 bis 4 ergibt sich, dass der Erfüllungsgrad der Ersatzpflanzungen auf 60 – 70 % eingeschätzt wird.

Eine darüber hinausgehende Verbesserung der Umsetzung von Ersatzpflanzungen kann lediglich durch eine Ausweitung der Kontrollen und durch Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung bei entsprechend [stark] erhöhtem Personalaufwand realisiert werden.

zu Frage 8.):

Sofern Genehmigungen zur Beseitigung eines Baumes versagt werden, erfolgt mehrheitlich keine gesonderte Kontrolle. 

Primär ist davon auszugehen, dass solche Entscheidungen durch den Bescheidadressaten akzeptiert werden, da diesem im gegenteiligen Fall der Weg des Rechtsbehelfes offen steht (Widerspruchsverfahren).

Die Einhaltung spezieller Auflagen zum Erhalt von Bäumen, insbesondere im Zusammenhang mit Baumaßnahmen, wird bei Erfordernis durch Mitarbeiter des Fachamtes, ggf. zusammen mit Mitarbeitern des Amtes für Bauordnung und Denkmalpflege, überprüft.

Dass Bäume gefällt werden, deren Erhalt ausdrücklich in einem Bescheid festgesetzt wurde, geschieht außerordentlich selten und beschränkt sich im Durchschnitt auf wenige Einzelfälle im Jahr.

Bei schuldhafter Verursachung wird ein Verfahren nach Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) eingeleitet und in jedem Fall gemäß § 11 i. V. m. § 10 der Baumschutzsatzung eine Ersatzpflanzung bzw. Ausgleichszahlung angeordnet.

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