Anfrage: Wie beschleunigt die Stadt Leipzig den Ausbau Erneuerbarer Energien?
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 18.12.2024
Vor dem Hintergrund des Stadtrat-Beschlusses „Windkraft im Leipziger Stadtgebiet ausbauen – Potentiale ausschöpfen, Bürger beteiligen, Naturschutz gewährleisten“ vom 28.04.2022 wird eine Rahmenkonzeption für die planerische Steuerung von Flächenbedarfen zur Gewinnung Erneuerbarer Energien (RaKo-FEE) erarbeitet (Ergebnis Ende 2024 erwartet). Ebenso wurde in der Anfrage an die Stadt vom 11.01.2024 „Solarausbau, Kohleausstieg und Energiewende – Wo steht Leipzig?“ in der Antwort vom 21.02.2024 bekräftigt, den Ausbau ambitioniert voranzutreiben und auch die Aktivitäten von Dritten hierbei nach Möglichkeit zu unterstützen.
Bisher gibt es nur ein einziges von der Regionalplanung ausgewiesenes Windkraft-Vorranggebiet in Leipzig und nur 5.341 Photovoltaik-Dach-Anlagen (Stand 2023), die lediglich 3 % des städtischen Strombedarfs decken, bei ca. 120.000 Gebäuden in der Stadt Leipzig (davon ca. 81.000 Wohngebäude und 39.000 Gebäude für Wirtschaft und Gewerbe). Gleichzeitig ist eine Verdopplung des Strombedarfs durch die Wärmewende und die Elektrifizierung des Verkehrs bis 2040 zu erwarten.
Wir erkennen die Erstellung der RaKo-FEE als wichtige Maßnahme an, sehen darüber hinaus aber auch viele weitere wichtige Maßnahmen, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien endlich zu beschleunigen. Auf Grundlage neuer landes- und bundesrechtlicher Regelungen müssen mehr Potenzialflächen für Windkraft- und Solaranlagen ausgearbeitet und auf deren Genehmigungsfähigkeit zusammen mit den Projektentwickler*innen hingearbeitet werden. In der Praxis stellen wir jedoch sehr lange Bearbeitungszeiten fest, was zu verzögertem Ausbau auf den potenziellen städtischen Flächen führt, welche vor dem Hintergrund des Klimanotstands schwer nachzuvollziehen sind.
Weiterhin gibt es in Leipzig keine Grundlage zur Ausreichung und missbrauchssicheren Verwaltung der Einnahmen aus der sächsischen Akzeptanzabgabe (gemäß Erneuerbare-Energien-Ertragsbeteiligungsgesetz vom 12. Juni 2024) in den direkt betroffenen Ortsteilen. Ziel muss sein, dass diese Einnahmen tatsächlich diesen Ortschaften direkt zukommen und ausdrücklich nicht Aufgaben finanzieren, die ohnehin kommunale Pflichtaufgaben sind. Nur wenn dies sichergestellt und ein Verfahren zur Mittelverwendung und –ausreichung entwickelt ist (wer entscheidet, wofür die Mittel eingesetzt werden), ergibt sich für die betroffenen Ortschaften ein unmittelbarer Vorteil und wird das Ziel der Akzeptanzsteigerung solcher ortsnahen Anlagen tatsächlich erreicht.
Vor diesem Hintergrund fragen wir an:
- Bis wann sollen wie viel Prozent des Strombedarfs durch eigene Erneuerbare-Energie-Erzeugungsanlagen der Stadtwerke im Leipziger Stadtgebiet gedeckt werden? Wie viel davon über Windkraft, wie viel davon über Photovoltaik?
- EU, Bund und Land fordern (z.B. laut EEG § 2) eine Verkürzung der Genehmigungszeiten und eine deutlich gesteigerte Ausweisung von Flächen (z.B. gemäß § 245e Abs. 5 BauGB vom 14.01.2024, und § 3 WindBG vom 20.7.2022): Inwieweit setzen die relevanten Ämter die neuen gesetzlichen Regelungen um und inwieweit beschleunigt die Stadt Leipzig die Genehmigungsverfahren und hausinterne Abstimmungen? Inwieweit ist das Verfahren digitalisiert? Inwieweit werden Anträge von Anfang an priorisiert (z.B. gemäß § 10 Absatz 5 der Novelle des BImSchG vom 3.7.2024)?
- Der langsame Netzausbau im Leipziger Raum erschwert die Integration von grünem Strom: Wie stellt die Netz Leipzig ausreichend Kapazität an Netzeinspeisepunkten für z.B. angefragte Windenergieprojekte sicher?
- Welche Maßnahmen zur Aufklärung und Beteiligung der Bevölkerung an der Nutzung von Wind- und Sonnenenergie unternimmt die Stadt Leipzig?
- Mit welcher Höhe an Erlösen durch den Betrieb von Windkraft- und Freichflächen-Photovoltaik-Anlagen im Stadtgebiet Leipzig durch a) Gewinne gemäß Beteiligungsgesetz, b) Pachteinnahmen, c) Gewerbesteuereinnahmen rechnet die Stadt für die nächsten Jahre?
- Wie und mit welchem Verfahren stellt die Stadt Leipzig sicher, dass die Einnahmen aus der sächsischen Akzeptanzabgabe (gemäß Erneuerbare-Energien-Ertragsbeteiligungsgesetz vom 12. Juni 2024) in den von Erneuerbaren-Energien-Anlagen direkt betroffenen Ortsteilen Verwendung für zusätzliche Aufgaben finden sowie die zugesicherten Verpflichtungen am Standort durch die Projektträger erfüllt werden?
Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 18. Dezember 2024
Zu 1.)
Die Leipziger Stadtwerke gehen davon aus, bis zum Jahr 2038 50 % des Strombedarfs von Leipzig mit eigenen EE-Anlagen decken zu können. Eine Festlegung der jeweiligen EE-Quellen ist hierbei nicht vorgesehen.
Zu 2.)
Das Amt für Bauordnung und Denkmalpflege (ABD) ist zuständig für die Genehmigung von Windenergieanlagen bis zu einer Gesamthöhe von 50 Metern im baurechtlichen Genehmigungsverfahren (gemäß Sächsischer Bauordnung, SächsBO). Diese Anlagen werden jedoch selten beantragt. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens werden die relevanten Fachämter eingebunden. Die Bauaufsichtsbehörde hat innerhalb von drei Monaten nach Vorliegen eines vollständigen Antrags über den Bauantrag zu entscheiden (§ 69 Abs. 4 SächsBO). Eine zusätzliche Beschleunigung dieses Verfahrens ist durch die angesprochenen Normen nicht zu erwarten und auch nicht notwendig.
Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern sind nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in Verbindung mit der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen genehmigungspflichtig. Die Genehmigung nach BImSchG schließt die baurechtliche Gestattung mit ein. Genehmigungsbehörde ist die untere Immissionsschutzbehörde der Stadt Leipzig (Amt für Umweltschutz, AfU). Im Rahmen des BImSchG-Genehmigungsverfahrens prüft das ABD das Vorhaben im Rahmen seiner Zuständigkeit und gibt eine Stellungnahme an das AfU ab. Das Verfahren läuft in effizienter Weise digital ab. Eine Möglichkeit zur weiteren Beschleunigung wird derzeit nicht gesehen.
Die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren werden generell entsprechend den geltenden Regelungen und Grundsätzen durchgeführt (§§ 4, 10, 19 BImSchG sowie Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV). Die Errichtung und der Betrieb von EEG-Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen liegen im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit (§ 2 EEG). Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Dies wird bei der Beteiligung der Fachämter hervorgehoben und findet in den Ermessensentscheidungen Beachtung.
Die Genehmigungsverfahren werden gegenwärtig generell mit digitalen Antragsunterlagen und elektronischer Akte geführt. Die Fachbehörden werden ausschließlich digital beteiligt, sofern keine Schriftform gesetzlich vorgesehen ist. Mit Ausnahme der Bescheidausfertigung (einschl. der gesiegelten Antragsunterlagen) kann der Prozess vollständig digital geführt werden. Darüberhinausgehende Beschleunigungsmaßnahmen im Sinne des § 10 Abs. 5 Satz 4 BImSchG mussten bisher nicht angewendet werden.
Die artenschutzrechtliche Beurteilung im Bereich Vogel- und Fledermausschutz erfolgt im Planungsverfahren des Windenergieausbaus auf Basis von Leitfäden des Sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landschaft (SMEKUL). Mit Hilfe dieser Fachgrundlagen soll ein beschleunigter, aber auch fachlich fundierter und rechtssicherer Umgang mit dem Thema Artenschutz im Zuge des Windenergieausbaus gewährleistet werden.
Zu 3.)
Als städtischer Netzbetreiber baut die Netz Leipzig das Stromnetz bedarfsgerecht aus und berücksichtigt dabei auch Prognosen zukünftiger Lasten und Einspeiser, so dass normalerweise ausreichend Reserven für Kundenanfragen vorhanden sind. Allerdings sind die Reserven nicht so groß, dass jedem Einspeisewunsch an jeder Stelle sofort nachgekommen werden kann. Die Stadtwerke Leipzig haben gerade die Anschlussmöglichkeit mehrerer Windkraftanlagen bestätigt. Windenergieprojekte, deren Einspeisewunsch nicht entsprochen werden kann, sind den Stadtwerken nicht bekannt.
Zu 4.)
Die Stadtverwaltung arbeitet derzeit an der Rahmenkonzeption für die planerische Steuerung zur Ermittlung des Flächenbedarfs für erneuerbare Energieanlagen (VII-Ifo-07998). Im Januar und November 2024 fanden dazu mittels eines digitalen Planspiels Beteiligungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Ortschafts- und Stadtbezirksbeiräte zum „Vorentwurf“ der Konzeption statt. Im I. Quartal 2025 ist die Beteiligung der Öffentlichkeit zum „Entwurf“ der Konzeption geplant. Die Erarbeitung der Konzeption einschließlich der Beteiligungsmöglichkeiten wird transparent auf der Internetseite der Stadt Leipzig dargestellt: Stadt startet Bürgerplanspiel zu Erneuerbaren Energien in Leipzig - Stadt Leipzig
Desweiteren lässt sich die Teilnahme der Stadt Leipzig an den Sächsischen Energietagen (05.04.-26.04.2025) hervorheben. Mit dieser Plattform wird verschiedenen Akteuren die Möglichkeit geben, sich in der Öffentlichkeit mit den Themen Erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Klimaschutz zu präsentieren. Die Stadt Leipzig befindet sich derzeit in Abstimmung mit diesen Akteuren, um gemeinsam ein informatives Programm für 2025 auf die Beine zu stellen.
Zu 5.)
Mit der Rahmenkonzeption werden lediglich Flächenpotenziale für Anlagen zur Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien dargestellt. Inwiefern hier konkret Investoren tatsächlich Anlagen errichten, ist nicht ermittelbar. Insofern ist auch eine Abschätzung der o.g. Einnahmen nicht verlässlich möglich.
Zu 6.)
Die Verpflichtungen des Projektträgers ergeben sich aus den bei der genehmigenden Stelle (Amt für Umweltschutz oder Amt für Bauordnung und Denkmalpflege) eingereichten Informationen oder wird – sofern die genehmigende Stelle außerhalb der Stadtverwaltung Leipzig verortet ist – dort abgefragt.
Zum Thema "Anwendung des Erneuerbare-Energien-Ertragsbeteiligungsgesetz" bzw. "Sächsische Akzeptanzabgabe" laufen verwaltungsinterne Absprachen, die auf einen vom Rat zu beschließenden Grundsatzbeschluss hinsteuern, der sowohl die Vereinnahmung als auch die Verwendung der vereinnahmten Mittel regeln wird. Für die Verwendung soll dabei geregelt werden, dass die Mittel nahe dem Ort der Energieerzeugung – im Idealfall ortsteilgenau – in akzeptanzsteigernden Projekten und Maßnahmen erfolgt.