Anfrage: Wie bewertet die Stadtverwaltung die Flusswasserqualität in Leipzig?

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 20. Juni 2018


Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (WRRL) ist am 22.12.2000 in Kraft getreten. Darin wurde für alle Mitgliedsländer das Ziel ausgegeben, dass bis zum Jahr 2015 die Gewässerqualität verbessert werden muss und sich dann in einem guten Zustand befinden soll. Der ökologische Zustand eines Gewässers wird anhand der vorkommenden Arten an Fauna (Fische und wirbellose Tiere wie Insektenlarven) sowie Flora (also Plankton und Wasserpflanzen) ermittelt. Unterstützend zur Beurteilung werden die Wasserbeschaffenheit, das Aussehen und der technische Zustand von Gewässerbett, Ufer und Aue sowie allgemeine chemische und physikalisch-chemische Parameter herangezogen. Entsprechende Maßnahmen sollten getroffen und bis 2015 umgesetzt werden. Die EU-Mitgliedsstaaten haben dadurch erstmals eine grenzüberschreitende Verantwortung für ihre Gewässer, das Grundwasser, die Seen und die Flüsse von der Quelle bis zur Mündung übernommen. Dieser Entschluss wurde der elementaren Bedeutung unserer Lebensgrundlage (Süß-)Wasser – das zugleich auch die Lebensgrundlage unserer natürlichen Umwelt darstellt – gerecht.

Das Land Sachsen hat das Ziel generell nicht erreicht. Entsprechend der Auskunft des sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft, in der Antwort auf die Anfrage von Wolfram Günther, MdL, sind die sächsischen Oberflächenwasser überwiegend in einem unbefriedigenden oder schlechten ökologischen Zustand. In diesem Protokoll wird auf die durchgehende Dünger-Belastung der sächsischen Gewässer hingewiesen. Die Leipziger Gewässer können natürlich nicht losgelöst von den Oberläufen oder ihren einspeisenden Gewässern betrachtet werden. Die Leipziger Fließgewässer, darunter die natürlichen belassenen sowie die durch Menschen veränderten Flüsse und Bäche, befinden sich alle auch in einem unbefriedigenden oder schlechten Zustand. (siehe Anlage).

Wir fragen an:

Welche Erkenntnisse hat die Stadtverwaltung über die Gründe für den katastrophalen Gewässerzustand in Leipzig?

a) Inwiefern entstehen Verunreinigungen und Wasserbelastungen durch legale oder  illegale Einleitungen von Abwässern durch Anlieger im Stadtgebiet von Leipzig?
b ) Entstehen nach Erkenntnis der Stadtverwaltung Dünger- und Pestizidbelastungen für die schlechte Wasserqualität im Leipziger Bereich, die durch konventionelle Landwirtschaft in die Fließ- und Standgewässer eingetragen werden?

c) Wie stellt die Stadt Leipzig derartige Wasserverunreinigungen und deren Ursache fest und welche Konsequenzen, wie z. B. Untersagung und Bußgelder, wurden jeweils beauflagt? Welche Einnahmen hat die Stadt Leipzig dadurch?

2. Welche Nutzer von Flusswasser, z. B. für Gartenbewässerungen, sind der Stadtverwaltung bekannt? Ist die schlechte Wasserqualität ein Grund die Flusswassernutzung zu untersagen, z. B. zum Gesundheitsschutz?
 
3. Gibt es Auswirkungen auf die ökologische Wasserqualität durch den touristischen Freizeitbootsverkehr? Und wenn ja, welche?
 
Anlage: Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs.-Nr.: 6/ 2749

Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung am 20. Juni 2018

Bürgermeister Rosenthal: Herr Jung! Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte! Zur Frage 1 a. Der Zustand der Leipziger Gewässer, insbe-sondere die Wasserqualität, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nachweislich verbessert. Die Verwaltung würde in diesem Zusammenhang nicht von katastrophalen Zuständen der Leipziger Fließgewässer sprechen.
Abwassereinleitungen können durch Mischwassereinleitungen, gereinigte häusliche Abwässer aus Kleinkläranlagen, gereinigte Industrieabwässer oder Niederschlagswassereinleitungen erfolgen. Die Entsorgung des häuslichen Abwassers erfolgt in der Stadt fast ausschließlich über die öffentliche Kanalisation. Weniger als 1 Prozent der Leipziger Haushalte sind mit biologischen Kleinkläranlagen oder abflusslosen Gruben ausgestattet, die aber alle den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
Verdünnte Haushaltsabwässer können lediglich bei Starkniederschlägen in die Gewässer gelan-gen, nämlich dann, wenn das in die Kanäle eingetretene Regenwasser die Kapazität des Kanalnetzes übersteigt. Auf dem Weg zur Kläranlage wird dann ein Gemisch aus Abwasser und Regenwasser in die Gewässer abgeleitet. Dies ist grundsätzlich gesetzeskonform.
Maßnahmen zur Rückhaltung der Niederschläge auf der Fläche oder im Kanalnetz werden stetig umgesetzt und insofern dem Stand der Technik angepasst. Gewerbliche Abwässer und landwirt-schaftliche Einträge spielen in der Stadt Leipzig nur eine sehr untergeordnete Rolle. Regenwassereinleitungen führen in der Regel zu keinen nachhaltigen Veränderungen der Gewässer. Illegale Abwassereinleitungen sind der Stadtverwaltung nicht bekannt.
Der aktuelle Zustand der Gewässer zeigt dennoch Handlungsbedarf an, vor allem in Bezug auf Form und Gestalt der Gewässer. Aufgrund der bergbaubedingten Gewässereingriffe - Begradigungen, Stauhaltungen - ist der Lebensraum für Organismen und damit der wichtige Sedimenttransport erheblich gestört. Dies führt maßgeblich dazu, dass nach Wasserrahmenrichtlinie die Leipziger Fließgewässer hinsichtlich ihres ökologischen Zustands als unbefriedigend oder schlecht bewertet werden.
Die starke urbane Überprägung zu einer nachhaltigen und ökologischen Gewässerkulisse zu verändern, ist eine große Aufgabe, die alle Beteiligten herausfordert. Soweit erkennbar, hat der Freistaat Sachsen diesbezüglich auch Fördermittel den kommunalen Verantwortungsträgern in der Unterhaltslast der Gewässer zweiter Ordnung angekündigt.

Zur Frage 1 b. Inwieweit derartige Stoffe im Gebiet der Stadt eingetragen werden, ist nicht bekannt. In der Stadt ist der Eintrag von Pflanzennährstoffen und Pestiziden aufgrund der Flächennutzung wahrscheinlich marginal im Vergleich zu anderen landwirtschaftlich geprägten Regionen in Sachsen. Auch im Hinblick auf den Stoff Nitrat ist das Grundwasser in Leipzig in einem guten Zustand. Wichtig ist das Freihalten von gesetzlich festgesetzten Gewässerrandstreifen als Pufferstreifen am Gewässer. Dort sollte eine landwirtschaftliche Nutzung unterbleiben.

Zur Frage 1 c. Zuständig für die Überwachung der Wasserbeschaffenheit ist der Freistaat Sachsen. Die Messergebnisse werden der Stadt Leipzig, soweit Auffälligkeiten bekannt werden, zur Kenntnis gegeben. Da keine Auffälligkeiten bekannt wurden, gibt es bei der Stadt Leipzig weder derzeit bekannte Verfahren noch in der Vergangenheit eingeleitete Bußgeldverfahren.

Zur Frage 2. In der Regel nutzen Gewässeranlieger Wasser für die Gartenbewässerung. Dies ist genehmigungsfrei. Gesundheitliche Bedenken bei der Benutzung als Gießwasser bestehen nicht. Dies ist anders bei der Thematik Trinkwasser. Hier ist die Nutzung generell nicht statthaft.

Zur Frage 3. Hinsichtlich der eigenen Überlegungen bezüglich des wassertouristischen Nut-zungskonzepts und dem damit verbundenen gewässerökologischen Monitoring ist festzustellen, dass touristische Freizeitbootsnutzungen derzeit keine negativen Auswirkungen auf die Wasserqualität haben.

Stadtrat Volger (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Rosenthal, Sie können sicherlich verstehen, dass ich mit diesen Antworten ein bisschen unzufrieden bin. Nach der Antwort auf die Anfrage von Herrn Günther im Landtag wissen wir, dass die Wasserqualität zwar nicht katastrophal ist, wie wir es formuliert hatten, aber zumindest nicht der Qualität entspricht, wie sie sein sollte. Auf unsere Anfrage, ob Ihnen bekannt ist, dass durch die Landwirtschaft Pestizideinleitungen etc. stattfinden, sagen Sie: Sie glauben, dass das nicht passiert. - Heißt das, Ihnen ist das nicht bekannt, oder gibt es dafür keine Daten?
Auf unsere Anfrage, ob es illegale Einleitungen in die Gewässer gibt, sagen Sie: Das ist nicht bekannt, das muss jemand anders überprüfen. - Das ist ein Widerspruch in sich. Einerseits sagen Sie: Die Wasserqualität wird entsprechend der Wasserrahmenrichtlinie als unbefriedigend bewertet. Anderseits sagen Sie: Wir wissen nicht, wie es zu dieser schlechten Wasserqualität kommt, und glauben nicht, dass das, was wir hier angesprochen haben, die Ursache dafür sein kann.
Können Sie noch einmal sagen, was die Stadt vorhat, um die Wasserqualität zu verbessern? Das Wasser ist ja nicht von sich aus dreckig, sondern es wird verunreinigt. Hier nur zu sagen: Wir wissen nicht, wie das passiert, reicht mir nicht aus.

Bürgermeister Rosenthal: Ich teile Ihre Auffassung nicht, dass die Wasserqualität in Leipzig sich so darstellt, wie Sie sie gerade beschrieben haben. Ich habe ausgeführt, was insbesondere für den Parameter „ökologische Gewässerquali-tät“ relevant ist. Die Wasserqualität in Leipzig wird nicht - das ist unsere fachliche Auffassung dazu - ausschließlich durch negativen Eintrag innerhalb des Stadtgebiets beeinflusst, sondern auch durch Einträge außerhalb des Stadtgebiets.
Ihre Frage richtete sich darauf, was die Stadtverwaltung Leipzig innerhalb des Stadtgebiets veranlassen kann, um die Wasserqualität zu verbessern. Wir sehen aufgrund des sehr geringen landwirtschaftlichen Betriebs in der Stadt keine zusätzliche Belastung, die nicht schon aus der Region für die Gewässer erzeugt wird. Wir kennen keinen einzigen Fall, dass es in Haushalten eine Klärsituation gibt, die nicht den gesetzlichen Standards entspricht. Da regelmäßige Messun-gen durch das Land stattfinden und wir als Bußgeldbehörde sofort informiert werden, wenn negative Gewässererscheinungen festgestellt werden, uns allerdings keine Messergebnisse übermittelt werden, sehe ich mich nicht veranlasst, eigene Prüfungen und Messungen vorzunehmen.

Stadtrat Volger (Bündnis 90/Die Grünen): Zusammenfassend heißt das: Der unbefriedigende ökologische Zustand der Leipziger Gewässer liegt nicht an Verunreinigungen innerhalb des Stadtgebiets, sondern an Verunreinigungen, die den Gewässern vor der Stadt Leipzig zugeführt werden.

Bürgermeister Rosenthal: Es ist zumindest nichts, das uns veranlasst, zu sagen: Wir müs-sen dort als Behörde sofort akut tätig werden bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten.

Stadtrat Volger (Bündnis 90/Die Grünen): Okay. Danke.

Stadtrat Hobusch (Freibeuter): Herr Bürgermeister Rosenthal, geben Sie mir recht, dass die Frage der Beurteilung, ob das Wasser gut oder schlecht ist, zunächst einmal an den gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen zu messen ist? Geben Sie mir weiter recht, dass die Parameter, an denen das gemessen wird, regelmäßig verschärft werden und gemessen an verschärften gesetzlichen Rahmenbedingungen Gewässer mehr oder weniger relativ gut oder schlecht sind? Und: Geben Sie mir recht, dass in den zu-rückliegenden Dekaden das Wasser im Allgemeinen schlechter war als heute?

Bürgermeister Rosenthal: Das kann man im Grunde dreimal mit Ja beantworten. Ich will trotzdem noch mal deutlich sagen: Es ist sicherlich irreführend, von einem schlechten ökologischen Gewässerzustand zu sprechen. Man muss sich auch mit der Historie unserer Gewässerfließsysteme in der Region und der Stadt Leipzig auseinandersetzen, um wirklich objektiv beantworten zu können, warum das so ist, was uns trotzdem nicht von der Aufgabe entbindet, dafür zu sorgen, dass der Zustand weiter verbessert wird. Das ist so.

Stadtrat Volger (Bündnis 90/Die Grünen): Dann mache ich das Spielchen hier auch mit. - Geben Sie mir recht, dass trotz der drei Fragen, die Sie zu Recht mit Ja beantwortet haben, wir uns als Stadt Leipzig an die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie zu halten haben und versuchen müssen, diese einzuhalten?

Bürgermeister Rosenthal: Zweimal Ja.

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