Anfrage: Wie können wir Einweg-Müll in Leipzig reduzieren?

Anfrage zur Beantwortung am 14. Juni 2023

Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen sind leicht vermeidbarer Müll, der viele Ressourcen verschwendet – und gehören doch zum selbstverständlichen Alltagsmüll, der vielerorts die Mülleimer verstopft und die Umwelt verschmutzt.

Seit Jahresbeginn gilt in Deutschland die Mehrwegangebotspflicht. Aus der Antwort unserer Anfrage zur Umsetzung in Leipzig (VII-F-08396-AW-01) geht hervor, dass die meisten Betriebe in Leipzig die Pflicht zum Mehrwegangebot nicht umsetzen. Als Hinderungsgrund wird dabei auch die mangelnde verbraucherseitige Nachfrage genannt.

Am 24. Mai 2023 hat das Bundesverwaltungsgericht die Tübinger Verpackungssteuer, die seit Januar 2022 in Kraft ist, als rechtmäßig bestätigt. Die Steuer hat bereits nachweislich zu einer starken Reduktion des Abfallaufkommens von Einweg-Verpackungen geführt und damit einen wichtigen Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz geleistet. Sie unterstützt gastronomische Betriebe bei der Einführung von Mehrweg und bei der Anschaffung von Spülmaschinen. Einwegbecher und -verpackungen werden mit 0,50 € pro Stück, Einwegbesteck mit 0,20 € besteuert. Wer Mehrweg benutzt, zahlt nur Pfand, der erstattet wird. Mehrwegverpackungen werden damit deutlich attraktiver. Zugleich fördert die Stadt Tübingen die Anschaffung von Mehrwegsystemen in der Gastronomie. Tübingen beziffert die Ausgaben für die Beseitigung von Einwegverpackungen vor Einführung der Verpackungssteuer auf jährlich 700.000 €.

Leipzig erarbeitet derzeit eine Zero-Waste-Konzept unter dem Motto „Mein Leipzig schon‘ ich mir“. Ziel ist eine Reduktion von mindestens 10 % des Restmüllaufkommens bis 2030 und eine Unterstützung des Gewerbes bei der Reduktion des Abfallaufkommens.

Vor diesem Hintergrund fragen wir an:

  1. Wie hoch war in Leipzig in den vergangenen Jahren das Müllaufkommen von Einweg-Verpackungen aus öffentlichen Mülleimern und wie viel hat die entsprechende Entsorgung gekostet?
  2. Welches Potential zur Reduktion des Müllaufkommens sieht die Stadtverwaltung bei der Einführung einer Verpackungssteuer in Leipzig?
  3. Welchen Beitrag kann aus Sicht der Stadtverwaltung die Förderung von Mehrwegsystemen in der Gastronomie zur Reduktion des Müllaufkommens leisten?

Antwort vom 14. Juni 2023

Frage 1: Wie hoch war in Leipzig in den vergangenen Jahren das Müllaufkommen von Einweg-Verpackungen aus öffentlichen Mülleimern und wie viel hat die entsprechende Entsorgung gekostet?

 

Antwort:

In den öffentlichen Papierkörben Leipzigs, die durch den Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig bewirtschaftet werden, sind im Abfallgemisch neben (Einweg-)Verpackungsabfällen auch andere Abfallarten enthalten wie bspw. Küchen- und Gartenabfälle, Glasabfälle und Zeitungen. Wie hoch der Anteil der Einweg-Verpackungen an dem gesamten Abfallgemisch der Papierkörbe ist, wird nicht regelmäßig erfasst. Eine Analyse im Jahr 2017 hat festgestellt, dass in den Papierkörben durchschnittlich 43,2 % Verpackungsabfälle enthalten waren. Eine Unterscheidung zwischen Ein- und Mehrwegverpackungen erfolgte dabei nicht. Es wird eingeschätzt, dass dieser hohe Anteil immer noch besteht, da insbesondere die Sammelmenge gestiegen ist. Die jährliche Sammelmenge wird in der kommunalen Abfallbilanz für die Stadt Leipzig jährlich im Amtsblatt bekanntgegeben.

 

 

Für die Entsorgung der Papierkorbabfälle sind in den vergangenen Jahren nachstehende Gesamtkosten entstanden. Zur Ermittlung der anteiligen Aufwendungen für Einweg-Verpackungen wurde der Schätzwert von 43,2 % der 2017 durchgeführten Papierkorbanalyse zugrunde gelegt:

 

Jahr

Gesamtausgaben Papierkorbabfälle in €

Aufwendung für Einweg-Verpackungen in € (Schätzwerte)

2018

728.171

314.570

2019

875.617

378.267

2020

1.043.410

450.753

2021

1.249.681

539.862

2022

1.329.562

574.371

 

 

Frage 2: Welches Potential zur Reduktion des Müllaufkommens sieht die Stadtverwaltung bei der Einführung einer Verpackungssteuer in Leipzig?

 

Antwort:

Das seit 01.01.2019 gültige Verpackungsgesetz (VerpackG) löst die kommunalen Vermüllungsprobleme deutscher Großstädte nicht ausreichend. Denn:

  • Primär regelt dieses Gesetz die Systembeteiligungspflicht verschiedenster Verpackungen und höhere Recyclingquoten. Die Systembeteiligungspflicht aus § 7 (1) VerpackG richtet sich hierbei an den jeweiligen „Hersteller“, d.h. denjenigen Vertreiber, welcher die Verpackungen „erstmals“ gewerbsmäßig in Verkehr bringt, nicht jedoch an den Endverkäufer. Durch die im Verpackungsgesetz geregelte Systembeteiligungspflicht dürfen nur solche Verpackungen in Umlauf gebracht werden, die sich an einem dualen System beteiligen. Die Hersteller solcher Verpackungen beteiligen sich durch die zu entrichtende Systemgebühr an der Entsorgung des Verpackungsmülls. Dadurch entstehen den Herstellern etwa für eine Salatverpackung Kosten von ca. 2 Cent je Verpackung.

→ Fazit: Selbst wenn dieser Betrag auf die Kunden abgewälzt würde, ist aufgrund der geringen Höhe beim Verbraucher keine Verhaltensänderung zu erwarten.

  • Mit Änderung des Verpackungsgesetzes gilt seit 1. Januar 2023 in Deutschland darüber hinaus die Mehrwegangebotspflicht für Getränke und Speisen zum Sofortverzehr. Somit müssen Letztvertreiberinnen und Letztvertreiber von Lebensmitteln Mehrwegalternativen zu Einwegverpackungen aus Kunststoff anbieten. Kleinere Betriebe mit nicht mehr 80 m² Verkaufsfläche und gleichzeitig nicht mehr als 5 Beschäftigten können die Mehrwegangebotspflicht erfüllen, indem sie von Kundinnen und Kunden selbst mitgebrachte Gefäße akzeptieren.

→ Fazit: Eine Reduzierung des Verpackungsaufkommens wird mit der Mehrwegangebotspflicht ebenfalls nicht zufriedenstellend erreicht, da Letztvertreiberinnen und Letztvertreiber parallel dazu weiter Einwegverpackungen anbieten und viele Kundinnen und Kunden von diesem Angebot regelmäßig Gebrauch machen.

 

Aus Sicht der Stadtverwaltung kann eine Verpackungssteuer die Ziele der Kreislaufwirtschaft, insbesondere der 1. Stufe der Abfallhierarchie – Abfallvermeidung – sehr gut unterstützen. Als Lenkungssteuer kann sie das Verhalten der Konsumenten im Stadtgebiet beeinflussen, Mehrweg dem Einweg vorzuziehen und dadurch dem Ressourcenschutz beizutragen sowie eine Abfallflut zu vermeiden.

 

Die Stadtverwaltung hat sich bereits bei der Einführung der Einwegverpackungssteuer durch die Stadt Tübingen dem Anliegen angenommen und das nunmehr abgeschlossene verwaltungsgerichtliche Verfahren verfolgt. Nachdem nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) der Weg des Ortsrechts für die Kommunen frei gemacht wurde, wird die Stadtverwaltung die schriftlichen Urteilsgründe abwarten und die Hinweise und Maßgaben des Gerichts genau auswerten.

 

Es wird seitens der Stadtverwaltung angestrebt, dass dem Stadtrat alsbald einen, den neuen Grundsätzen des BVerwG entsprechenden, Satzungsentwurf zur Beschlussfassung vorlegt. Ein genauerer Zeitplan wird sich aber frühestens nach Vorliegen und erster Auswertung der schriftlichen Urteilsgründe entwickeln lassen. Außerdem hat die Antragstellerin das Einlegen einer Verfassungsbeschwerde angekündigt, was ggf. ebenfalls beachtet und ausgewertet werden müsste.

 

Die Stadtverwaltung wird unter Berücksichtigung der Interessen der Leipziger gastronomischer Unternehmen eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellen und auf deren Grundlage die Einführung einer Verpackungsteuer in der Stadt Leipzig prüfen.

 

Frage 3: Welchen Beitrag kann aus Sicht der Stadtverwaltung die Förderung von Mehrwegsystemen in der Gastronomie zur Reduktion des Müllaufkommens leisten?

 

Antwort:

Unabhängig davon, dass die gesetzlichen Regelungen bereits eine grundsätzliche Verpflichtung zum Vorhalten von Mehrwegalternativen statuieren, kann eine Förderung der Mehrwegsysteme mit einer klaren und eindeutigen Kommunikation noch mehr Verbraucher erreichen und sensibilisieren, Mehrweg zu nutzen. Eine somit steigende Nachfrage bei Gastronomen schafft mehr Akzeptanz auch in den Betrieben. Auch kann eine Förderung von Mehrwegsystemen die Kostenlast der verpflichteten Betriebe wirtschaftlicher darstellen bzw. reduzieren.

 

Um das vom Stadtrat im Oktober 2023 verabschiedete Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen und eine zeitgleiche Transformation hin zu einer nachhaltigen Stadt zu gestalten, hat die Stadt Leipzig im Energie- und Klimaschutzprogramm 2030 zehn Erfolgsfaktoren identifiziert, an denen sich die Energie- und Klimaschutzarbeit bis zum Jahr 2030 ausrichtet. Für die erfolgreiche Entwicklung und Umsetzung ressourcenschonender Maßnahmen steht der Erfolgsfaktor regionale Kreislaufwirtschaft. Maßnahmen hierzu sind im Handlungsfeld III. Ver- und Entsorgung formuliert und beschlossen worden.

 

Ein Baustein der regionalen Kreislaufwirtschaft stellt die Einführung von Mehrweglösungen dar. Sie reduziert Umweltbelastungen in Form von Müllaufkommen durch Einwegverpackungen („Littering“), sorgt für ein saubereres Stadtbild, spart CO2-Emissionen aktiv ein, verringert gesundheitsschädliche Einflüsse der Verpackungen, unterstützt die Implementierung des Kreislaufgedankens in Unternehmen und stärkt das Bewusstsein für nachhaltiges Verhalten und die gesellschaftliche Wertschätzung von Ressourcen.

 

Daher wurde mit dem Umsetzungsprogramm 2023/2024 folgende Maßnahme beschlossen: III.12 Mehrweggeschirr für die Takeaway-Gastronomie. Ziel dieser Maßnahme ist Mehrweglösungen für Speisen und Getränke im Takeaway-Bereich der Leipziger Gastronomiebranche anzubieten und dadurch Einweggeschirr zu vermindern. Es wird als Kooperationsprojekt zwischen dem Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig (Projektleitung), dem Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt Leipzig (Förderung) und dem BUND Leipzig (Beratung/Kampagne) durchgeführt.

 

Eine Erweiterung der aktuellen Kampagne „Allerlei to Go“ im städtischen Raum und die Aufnahme dessen im Projekt „Mein Leipzig schon ich mir“ können somit einen Beitrag zur Abfallvermeidung und den Zielen der Zero Waste-Strategie der Stadt Leipzig leisten.

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