Anfrage: Wie tierfreundlich baut Leipzig?

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 28. Februar 2024

Der Artenschwund nimmt auch durch die anhaltend hohen Bauaktivtäten unverändert zu. Im Dezember 2022 hat die Ratsversammlung einen Beschluss zum Planungsansatz Animal-Aided Design (VII-A-07089-NF-02) getroffen, der vorsieht, Habitatansprüche von Tieren bei städtischen Bau- und Ausgleichsmaßnahmen sowie in städtebaulichen Verträgen zu berücksichtigen. Davon ausgehend ist von Interesse, wie der Ratsbeschluss durch Anwendung von Ansätzen tierunterstützten Entwerfens (deutsch für Animal-Aided Design) umgesetzt wurde.

Daher fragen wir an:

  1. Inwieweit wurde nach diesem Beschluss der Planungsansatz bzw. Maßnahmen, die dem damit verbundenen Ziel entsprechen, bei städtischen Vorhaben und städtebaulichen Verträgen umgesetzt?
  2. Wo genau, bei welchen Baumaßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen der Stadt Leipzig und ihrer Unternehmen wurde der Planungsansatz oder vergleichbare Maßnahmen angewendet?
  3. Welche Tierarten wurden bei den genannten Beispielen berücksichtigt? Konnten sich diese Arten nach Fertigstellung der Baumaßnahme erfolgreich ansiedeln und nachgewiesen werden?
  4. Wie setzt die Stadtverwaltung den Auftrag um, die Aufnahme des grundlegenden Ziels, Erhalt und Förderung der biologischen Vielfalt in die Eigentümerziele kommunaler Unternehmen aufzunehmen und bis wann wird dieser umgesetzt?
  5. Welche Erkenntnisse hat die Stadt Leipzig bezüglich der Umsetzung des Planungsansatzes bzw. von planerischen und baulichen Maßnahmen, die der Umsetzung des damit verbundenen Ziels dienen, in anderen Städten?
  6. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Amt für Umweltschutz bezüglich erforderlicher Artenschutzgutachten für tierunterstütztes Entwerfen? Welche Vorgaben gibt es seitens des Amts für Umweltschutz, um den ganzheitlichen Ansatz zu realisieren?

Antwort der Stadtverwaltung vom 22. Februar 2024

Bevor im Einzelnen auf die Fragen eingegangen wird, vorab eine grundsätzliche Antwort der Verwaltung zum Thema „Berücksichtigung von Animal Aided Design in Planungs- und Bauprozessen:

„Animal Aided Design“ basiert auf einem Forschungsprojekt der TU München, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit dem Copyright bei der Projektleitung. Bei dem Planungsansatz handelt es sich weder um rechtliche Bestimmungen noch eingeführte technische Baubestimmungen und es kann somit nicht als Standard angewendet, sondern nur thematisch zugrunde gelegt werden.

Eine Berücksichtigung des Ansatzes erfolgt in verschieden detaillierter Form, da es sich in der Regel um einen Mehraufwand handelt, der neben den gesetzlich zu berücksichtigenden arten- und naturschutzrechtlichen Belangen, oft keine zusätzliche gutachterliche Leistung darstellen kann. Vielmehr geht es um eine thematische Sensibilisierung in den Planungs- und Bauämtern dafür, welche „Sichtweise“ auf das Thema Tiere in der Stadt den Planungs- und Bauvorhaben zu Grunde liegt. Mit dem Planungsansatz soll eine integrierte Betrachtung gefördert werden, die es ermöglichen kann, die Lebensraumansprüche von Zielarten über ihren gesamten Lebenszyklus am Eingriffsort abzubilden. Insofern unterscheidet sich dieser Ansatz sowohl von der Eingriffsregelung als auch vom artenschutzrechtlichen Ausgleich, im Zuge derer, Eingriff verursachende Vorhaben oftmals an anderer Stelle ausgeglichen werden müssen.

  1. Inwieweit wurde nach diesem Beschluss der Planungsansatz bzw. Maßnahmen, die dem damit verbundenen Ziel entsprechen, bei städtischen Vorhaben und städtebaulichen Verträgen umgesetzt?

Das Amt für Gebäudemanagement berücksichtigt folgende Ansätze zum Erhalt von artenschutzrelevanten Lebens- und Nahrungsstätten sowie der progressiven Integration in den Planungsprozess (VI-Ifo-04527-NF04 (Vorgaben zu den baulichen Standards für Objekte der Stadt Leipzig, Teil B-D: Schulen: Grundschulen, Oberschulen, Gymnasien) und VI-Ifo-04526-NF03 (Vorgaben zu den baulichen Standards für Objekte der Stadt Leipzig, Teil F: Sporthallen): Im Rahmen der Freiflächenplanung werden naturschutz- und umweltrechtliche Belange geprüft und ggf. erforderliche Maßnahmen in Abstimmung mit den Fachämtern vorgesehen. Da das Amt für Umweltschutz bei jedem Projekt im Entwurfs- und spätestens im Genehmigungsprozess beteiligt wird, können konkretere Maßnahmen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens festgelegt werden.

Das Stadtplanungsamt berücksichtig den Ansatz, als eine thematische Grundlage, insbesondere im Rahmen der Grünordnungsplanung. In Einzelfällen ist der Planungsansatz als separates Dokument zur Anwendung gekommen (B-Plan Nr. 398 „Parkstadt Dösen“ und B-Plan Nr. 392 „Wilhelm-Leuschner-Platz“). Bei dem B-Plan Kolmstraße B-Plan Nr. 444, werden bspw. Möglichkeiten erwogen, wie über Hinweise im Rechtsplan oder in der Begründung der AAD-Ansatz in der Umsetzung der Vorhaben berücksichtigt werden kann. Der mit dem Grünordnungsplan beauftragte Gutachter erarbeitet hier gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt mögliche Lösungen. Darüber hinaus soll es Anfang März einen Workshop mit den Umweltverbänden geben, um weitere Qualifizierungsmöglichkeiten der Grünordnung hinsichtlich der Lebensraumansprüche der dort vorkommenden Tierarten zu erörtern.

Die Art der Berücksichtigung wird bisher nach Einzelfall entschieden. Generell ist es zielführender, den Planungsansatz als integralen Bestandteil der Planung zu berücksichtigen und als einen Belang in die Planung einzustellen, wie zum Beispiel im zuvor beschriebenen B-Planverfahren Nr. 444 „Stadtquartier an der Kolmstraße“. In Summe hilft der Planungsansatzes dem Stadtplanungsamt auch in der Sensibilisierung gegenüber Dritten. Es ist davon auszugehen, dass es seitens Projektentwicklung eine grundlegende Akzeptanz gibt, umweltrelevante Themen, wie das AAD, frühzeitig im Verfahren mit zu denken und vertraglich zu verankern.

  1. Wo genau, bei welchen Baumaßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen der Stadt Leipzig und ihrer Unternehmen wurde der Planungsansatz oder vergleichbare Maßnahmen angewendet?

Bei allen Bauvorhaben/-maßnahmen der Stadt Leipzig werden artenschutzrechtliche Konflikte bzgl. evtl. Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG, die auf planungsrelevante Arten eintreten können, geprüft. Spezielle Untersuchungen z. B. zu Brutvögeln, Reptilien, Amphibien, Insekten etc. werden vorgenommen und aus intensiven Planungen mit vorher festgelegten Zielstellungen ergeben sich konkrete Maßnahmen bzw. Handlungsvorgaben. Beispielhaft können hier folgende aktuelle Maßnahmen benannt werden:

Verkehrs- und Tiefbauamt

  • Anlage eines Geh-/Radweges an der Alten Seehausener Straße
    z. B. Anlage von Nistkästen für ausgewählte Brutvögel an Großbäumen im nahen Umfeld
    Anlage 10/2024 – Bau des Radweges ab 03/2025

LEVG (siehe Anlage 01_2024-02-15 LEVG)

  • Bürogebäude 7.11 – Innenhofbegrünung z.B. Dachbegrünung mit Biodiversitätsbausteinen
  • Umbau Messehalle 12 zu einem Archiv-, Büro- und Laborkomplex z.B. Anlage verschiedener Staudenflächen

LESG (siehe Anlage 02_2024-02-07 LESG STN)

  • Erweiterung Grundschule am Leutzscher Holze z.B. Nistkästen im Attikabereich
  • Turnhalle Höltystraße z.B. Nistkästen

Leipziger Gruppe (siehe Anlage 05_2024-02-15 LVV)

  • Baumaßnahmen im Klärwerk Rosental z.B. Erstellung eines Lichtgutachtens, seitdem erfolgt nachts tlw. eine Abschaltung der Leuchtquellen und alle Leuchtkörper sind nach unten gerichtet
  1. Welche Tierarten wurden bei den genannten Beispielen berücksichtigt? Konnten sich diese Arten nach Fertigstellung der Baumaßnahme erfolgreich ansiedeln und nachgewiesen werden?

Ein Monitoring der Maßnahmen ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und es obliegt den Vorhabenträgern, inwieweit eine Untersuchung zur erfolgreichen Ansiedelung der benannten Zielarten erfolgen.

  1. Wie setzt die Stadtverwaltung den Auftrag um, die Aufnahme des grundlegenden Ziels, Erhalt und Förderung der biologischen Vielfalt in die Eigentümerziele kommunaler Unternehmen aufzunehmen und bis wann wird dieser umgesetzt?

Alle qualifizierten Eigentümerziele werde auf der Basis eines zuvor umfangreichen Beteiligungsverfahrens in der Verwaltung und mit den Unternehmen separat durch den Stadtrat beschlossen. Hier besteht bei einer Überarbeitung der qualifizierten Eigentümerziele zu jedem Unternehmen die Möglichkeit, ein dem Ansinnen maßgeschneidertes und für das jeweilige Unternehmen angemessenes Ziel zu erarbeiten. Seit der Fassung des Beschlusses am 14.12.2022 sind keine qualifizierten Eigentümerziele von städtischen Beteiligungsunternehmen angepasst worden.

Die Unternehmen werden mittels Gesellschafterschreiben um eine angemessene Berücksichtigung diesbezüglich einschlägiger Zielstellungen im Rahmen ihrer Geschäftspolitik gebeten. Praktisch wird diese Zielstellung berücksichtigt.

  1. Welche Erkenntnisse hat die Stadt Leipzig bezüglich der Umsetzung des Planungsansatzes bzw. von planerischen und baulichen Maßnahmen, die der Umsetzung des damit verbundenen Ziels dienen, in anderen Städten?

Weltweit wurde 2023 das erste Bauprojekt für mehr Tiere in der Stadt unter Anwendung des AAD-Konzeptes im Wohnungsbau in der Brantstraße in München fertiggestellt. Die Nachhaltigkeit des Erfolges ist zu beobachten. Einen Fachaustausch zu dem Thema hat es bisher mit anderen Städten nicht gegeben.

  1. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Amt für Umweltschutz bezüglich erforderlicher Artenschutzgutachten für tierunterstütztes Entwerfen? Welche Vorgaben gibt es seitens des Amts für Umweltschutz, um den ganzheitlichen Ansatz zu realisieren?

Eine enge Zusammenarbeit und frühzeitige Abstimmung mit dem Amt für Umweltschutz ist bei der Ausschreibung von Artenschutzfachbeiträgen unerlässlich. Seitens der Vorhabenträger hat sich die Zusammenarbeit zunehmend intensiviert.

Das Amt für Umweltschutz hat in der zurückliegenden Zeit im Rahmen der Beteiligung an städtischen Vorhaben auf die Umsetzung des Planungsansatzes „Animal-Aided Design“ hingewiesen. Dabei handelte es sich z. B. um die strategische Vorlage zu den Vorgaben zu den baulichen Standards für Objekte der Stadt Leipzig, Schulen und Sporthallen. Weiterhin wurden entsprechende Hinweise zur Anwendung des „Animal-Aided Designs“ zu Aufgabenstellungen zu Vergabeverfahren wie z. B. die Modernisierung des ehemaligen Bowlingtreffs zum Naturkundemuseum und zur Schule im B-Plan Nr. 444 „Stadtquartier an der Kolmstraße“ an die jeweils federführenden planenden Ämter übermittelt.

Darüber hinaus wurde zur geplanten Errichtung der Kita im B-Plan Nr. 197 „Curschmannstraße Nord“ und zur Komplexsanierung und Umbau des ehemaligen Krankenhauses zum Gymnasium in der Friesenstraße ein entsprechender Hinweis zur Berücksichtigung des Planungsansatzes „Animal-Aided Design“ durch das Amt für Umweltschutz übermittelt. Diese Aufzählung ist nicht vollständig, soll jedoch die allgemeine Präsenz des Themas in den Stellungnahmen des Amtes für Umweltschutzes verdeutlichen.

Anlagen unter: https://ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/vo020?VOLFDNR=2015443&refresh=false

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