Anfrage: Wöchentliche Frachtflüge für Temu und Shein am Flughafen LEJ
Link zur Anfrage VIII-F-01043 im Ratsinformationssystem
Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 16. April 2025
Seit Januar 2024 finden am Flughafen Leipzig-Halle zwei wöchentliche Frachtflüge aus China statt, die vorrangig Waren der Online-Händler Temu und Shein transportieren. Nach öffentlichen Äußerungen des Logistikunternehmens Shaoke Chen Shi soll diese Verbindung noch in diesem Jahr auf tägliche Flüge ausgebaut werden.
Die Stadt Leipzig hält Anteile am Flughafen und ist damit indirekt an Unternehmensentscheidungen beteiligt. Gleichzeitig sind die betreffenden Unternehmen Temu und Shein bereits im Fokus der EU-Kommission aufgrund manipulativer Geschäftspraktiken, aggressiver Verkaufstaktiken und gefälschter Produktbewertungen.
Die rasant wachsenden Online-Plattformen Temu und Shein haben in kurzer Zeit den globalen Markt erobert und locken mit extrem niedrigen Preisen für Kleidung, Elektronik und Haushaltswaren. Doch hinter der verlockenden Fassade verbergen sich erhebliche Risiken für Umwelt, Menschenrechte und lokale Wirtschaftsstrukturen, die wir als Gesellschaft nicht ignorieren dürfen. Die ökologischen Folgen dieser Geschäftsmodelle sind verheerend, die durch Unternehmen wie Shein und Temu durch ihre auf Massenproduktion und Wegwerfmentalität ausgelegten Konzepte dramatisch verschärfen werden. Die Herstellung erfolgt überwiegend mit fossilen Brennstoffen, während Mikroplastik aus synthetischen Materialien Gewässer belastet. Der immense CO₂-Fußabdruck durch globale Einzellieferungen steht zudem in direktem Widerspruch zu unseren Klimazielen.
Besonders alarmierend sind die menschenrechtlichen Aspekte. Recherchen von Nichtregierungsorganisationen haben wiederholt dokumentiert, dass in den Lieferketten beider Unternehmen Arbeitnehmer*innenrechte systematisch missachtet werden. Berichte über ausbeuterische Arbeitsbedingungen, fehlende soziale Absicherung und Löhne unterhalb des Existenzminimums häufen sich. Das Geschäftsmodell basiert fundamental auf der Ausbeutung von Menschen im globalen Süden.
Zudem umgehen beide Plattformen europäische Verbraucherschutz- und Produktsicherheitsstandards. Die mangelnde Transparenz bezüglich verwendeter Chemikalien und Inhaltsstoffe stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Stichproben unabhängiger Prüfinstitute haben in Produkten beider Anbieter wiederholt Schadstoffe nachgewiesen, die in der EU eigentlich streng reguliert oder verboten sind.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den lokalen Einzelhandel und nachhaltig produzierende Unternehmen sind bereits jetzt spürbar. Durch die künstlich niedrigen Preise, die weder Umwelt- noch Sozialkosten einpreisen, entsteht ein unfairer Wettbewerbsvorteil, der unsere lokalen Wirtschaftsstrukturen gefährdet.
Vor diesem Hintergrund bitten wir um Beantwortung folgender Fragen:
- Wie bewertet der Oberbürgermeister die Ausweitung der Frachtflüge für die genannten Unternehmen, die aufgrund ihrer Geschäftspraktiken in der Kritik stehen und Gegenstand regulatorischer Überprüfungen auf EU-Ebene sind?
- Wurde die Stadt als Mitglied im Aufsichtsrat des Flughafens über die geplante Ausweitung der Frachtflüge von zwei wöchentlichen auf tägliche Flüge informiert, und wie hat sie sich dazu positioniert?
- Beabsichtigt die Stadt Leipzig, über ihre Vertretung im Aufsichtsrat Einfluss auf die Geschäftspolitik des Flughafens zu nehmen, um sicherzustellen, dass ethische, soziale und ökologische Standards bei der Auswahl von Geschäftspartnern eingehalten werden?
Antwort vom 15. April 2025
1. Wie bewertet der Oberbürgermeister die Ausweitung der Frachtflüge für die genannten Unternehmen, die aufgrund ihrer Geschäftspraktiken in der Kritik stehen und Gegenstand regulatorischer Überprüfungen auf EU-Ebene sind?
Der Flughafen Leipzig/Halle ist als Verkehrsflughafen des allgemeinen Verkehrs genehmigt. Grundsätzlich darf hier jedermann starten und landen. (vgl. auch LuftVG, Luftverkehrsgesetz). Verkehrsflughäfen sind Teil der öffentlichen Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland, analog zu Bundesautobahnen und dem öffentlichen Straßen- und Schienennetz.
Flüge und Dienstleistungen für Fluglinien, die in der EU operieren dürfen, stehen im Einklang mit der Betriebserlaubnis des Flughafens als internationaler Verkehrsflughafen entsprechend seinen luftrechtlichen Genehmigungen, die ihrem Wesen nach auch eine Betriebspflicht darstellen.
Unabhängig davon besteht seitens der Unternehmensgruppe Mitteldeutsche Flughafen AG keine direkte vertragliche Beziehung zu den genannten Plattformen. Vertragspartner der MFAG ist der in Deutschland ansässige Luftfrachtcharterer Shaoke Chen Shi GmbH, welcher mit für die Landung in der EU zugelassenen Flugzeugen seine Transporte durchführt. Der Charterer hat einen Anspruch auf Landung und Versorgung der Flugzeuge und bezahlt die gleichen gesetzlich vorgeschriebenen Entgelte wie alle anderen Nutzer des Flughafens auch.
Das Untersuchungsverfahren gegen die beiden chinesischen Unternehmen Temu und Shein ist derzeit nicht abgeschlossen. Aus Respekt vor der institutionellen Zuständigkeit und der Unabhängigkeit der Europäischen Kommission wird seitens der kommunalen Organe keine Bewertung laufender Verfahren vorgenommen, zudem wären Einschränkungen aufgrund des Betriebs als Verkehrsflughafen ggf. rechtlich problematisch.
2. Wurde die Stadt als Mitglied im Aufsichtsrat des Flughafens über die geplante Ausweitung der Frachtflüge von zwei wöchentlichen auf tägliche Flüge informiert, und wie hat sie sich dazu positioniert?
Die Stadt Leipzig ist mit 2,1 % an der Mitteldeutschen Flughafen AG und nicht direkt an der Flughafen Leipzig/Halle GmbH beteiligt. Der Oberbürgermeister und der Wirtschaftsbürgermeister sind persönlich Mitglieder im Aufsichtsrat der MFAG bzw. des Flughafens Leipzig/Halle. Die Besprechungen innerhalb der Aufsichtsgremien unterliegen der Vertraulichkeit, die Mitglieder werden in den Sitzungen auch über die Entwicklung des Frachtsegments regelmäßig informiert.
Die Aufsichtsratsmitglieder sowie die interessierte Öffentlichkeit wurden über die Entwicklung der Frachtverbindungen mit der Shaoke Chen Shi GmbH im öffentlich zugänglichen Politikbrief der MFAG im März 2025 in Kenntnis gesetzt.
3. Beabsichtigt die Stadt Leipzig, über ihre Vertretung im Aufsichtsrat Einfluss auf die Geschäftspolitik des Flughafens zu nehmen, um sicherzustellen, dass ethische, soziale und ökologische Standards bei der Auswahl von Geschäftspartnern eingehalten werden?
Ein Flughafen als Infrastruktur muss allen Fluglinien, sofern sie in der EU zugelassen sind, Abfertigungsleistungen anbieten. Shein und Temu, die ansonsten einen Großteil ihrer Ware für Deutschland beispielsweise über den Liege Airport in Belgien oder über Warschau einfliegen, haben einen gesetzlichen Anspruch auf ordnungsgemäße Abfertigung auch in Leipzig/Halle.
Weder Temu noch Shein sind direkte Geschäftspartner der MFAG. Eine Verpflichtung oder rechtliche Möglichkeit des Aufsichtsrats, Einfluss auf die Tätigkeit des Frachtkunden Shaoke zu nehmen, besteht nicht. Solange keine entsprechenden Regelungen auf europäischer oder nationaler Ebene erlassen werden, gelten für alle Vertragspartner die gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen.