Anfrage: Ziele kommunaler Pflegepolitik

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 20. September 2023

Seit Juli 2023 gibt es mit dem Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) ein Budget, mit welchem die Kommunen ein dauerhaftes Initiativrecht zur Einrichtung von Pflegestützpunkten zur Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen erhalten. Bereits mit der Förderrichtlinie zu regionalen Pflegebudgets hat der Freistaat Sachsen den Kommunen Möglichkeiten der Ausgestaltung der Pflegepolitik vor Ort gegeben, ohne eine aktive, d.h. gestaltende und steuernde Kompetenz für die lokalen Sorge- und Pflegestrukturen zuzuweisen. Gleichwohl hat die Stadt Leipzig mit der Einrichtung des kommunalen Pflegenetzwerks Leipziger Kooperation Pflege (LeiKoP) und einer eigenen Stelle für Pflegekoordination Strukturen, die eine Gestaltung der lokalen Pflegepolitik ermöglichen.
Im Jahr 2021 betrug die Altenquote in Leipzig 30,6 Prozent. Im gleichen Jahr lebten in Leipzig 19 215 Menschen, die bereits 85 Jahre alt oder älter waren.1 Schon im Jahr 2019 gab es in Leipzig 109 Pflegeheime.2 Die Aufwendungen des Leipziger Sozialamts für Hilfe zur Pflege betrugen im Jahr 2021 24,5 Mio. Euro.3
Laut sächsischer Statistik waren im Jahr 2021 in Leipzig 35 325 Menschen pflegebedürftig. Davon wurden 6 209 Personen vollstationär betreut. 9 210 Personen wurden durch Pflegedienste ambulant versorgt, während 15 548 Personen ausschließlich Pflegegeld erhielten.4 Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland bis zum Jahr 2055 um weitere 37 Prozent zunehmen wird.5 Diese Zahlen unterstreichen, welchen Stellenwert gute Pflege für Betroffene, Angehörige und unsere Gesellschaft einnimmt und wie nötig eine lokale Pflegepolitik ist – darum erfragen wir, ergänzend zur Anfrage VII-F-08721:

1.    Welche lokale Strategie obliegt der Tätigkeit der Pflegekoordinatorin für die Verbesserung der Versorgung und Teilhabe pflegebedürftiger Menschen und wie entsteht das regional abgestimmte Konzept? Ist eine Beschlussfassung im Stadtrat vorgesehen?
2.    Seit 2019 verfügt die Stadt über ein Pflegebudget. Wie wird die Nachhaltigkeit der bislang geförderten Maßnahmen bewertet? Welche Kriterien werden an die Nachhaltigkeit der Maßnahmen angelegt?  
3.    Welche Kenntnisse hat die Stadt Leipzig darüber, was Menschen mit Pflegebedarf benötigen, um länger im gewohnten häuslichen Umfeld bleiben zu können? (Studie, Erhebung?)
4.    Wie oft finden Netzwerkkonferenzen zu Pflege statt und welche Ziele haben diese?
5.    Welche Maßnahmen ergreift die Stadt Leipzig, um in andere Arbeitsbereiche abgewanderte Fachkräfte der Pflegeberufe wieder in die gelernte Tätigkeit zu werben?
6.    Wie viele Nachbarschaftshelfer*innen sind mit Tätigkeit in Leipzig bekannt?
7.    Welche Maßnahmen verfolgt die Stadt Leipzig ergänzend zur Tätigkeit der Pflegekoordinatorin?
8.    Wie nutzt die Stadt Leipzig das Initiativrecht zur Errichtung von Pflegestützpunkten?

Antwort vom 19. September 2023

  1. Welche lokale Strategie obliegt der Tätigkeit der Pflegekoordinatorin für die Verbesserung der Versorgung und Teilhabe pflegebedürftiger Menschen und wie entsteht das regional abgestimmte Konzept? Ist eine Beschlussfassung im Stadtrat vorgesehen?

Die Aufgaben der Pflegekoordination liegen in der Beteiligung an der fortlaufenden Entwicklung in Sachsen im Bereich der Pflege- und Hilfsangebote:

  • Aufbau und Implementierung eines städtischen Pflegenetzwerkes
  • Einbeziehung möglichst aller Beteiligten und Anbieter von Hilfe-, Unterstützungsleistungen und Pflegeangeboten in der Stadt Leipzig
  • Weiterentwicklung bestehender Angebote und deren Einbeziehung in die Arbeit des Pflegenetzwerkes
  • Vernetzung der Angebote nach § 7a SGB XI (individuelle Pflegeberatung)
  • Mitarbeit bei der Aktualisierung der Pflegedatenbank www.pflegenetz.sachsen.de

Die Aufgaben ergeben sich aus den Förderbedingungen des Freistaates Sachsen und sind im Konzept Pflegekoordination der Stadt Leipzig vom 21.12.2015 beschrieben. Ein zusätzliches, über die Stadt Leipzig hinausgehendes regionales Konzept ist nicht geplant.

Das Konzept wurde am 18.05.2016 vom Stadtrat beschlossen (VI-DS-02234, „Einrichtung eines Pflegekoordinators für die Stadt Leipzig“).

Zur Umsetzung wird dem Stadtrat regelmäßig berichtet, zuletzt am 24.06.2021 (VII-Ifo-02660), die nächste Berichterstattung erfolgt im IV. Quartal 2023.

  1. Seit 2019 verfügt die Stadt über ein Pflegebudget. Wie wird die Nachhaltigkeit der bislang geförderten Maßnahmen bewertet? Welche Kriterien werden an die Nachhaltigkeit der Maßnahmen angelegt?

Die Stadt Leipzig strebt bei den Maßnahmen eine nachhaltige Nutzung und bei Projekten deren Verstetigung an, wo dies sinnvoll ist. Kriterium für Nachhaltigkeit ist eine möglichst dauerhafte Wirksamkeit der Maßnahme durch die langjährige Nutzung von Anschaffungen oder die Verstetigung von Projekten.

Es soll jedoch auch weiterhin Maßnahmen mit Fokus auf zeitlich begrenzte Ereignisse (z.B. Öffentlichkeitsarbeit für die Welt-Alzheimer-Woche 2022) geben sowie bei Projekten die Möglichkeit, diese zu erproben (z.B. Anschaffung von VR-Brillen und deren Verleih an ambulante, teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen).

  1. Welche Kenntnisse hat die Stadt Leipzig darüber, was Menschen mit Pflegebedarf benötigen, um länger im gewohnten häuslichen Umfeld bleiben zu können? (Studie, Erhebung?)

Pflegebedarfe werden individuell mit Gutachten des medizinischen Dienstes der Pflegekassen erhoben. Zur Ausgestaltung der Pflegearrangements sind die Pflegekassen im Rahmen der Pflegeberatung nach § 7a SGB XI verpflichtet.

Im Pflege-Report 2020 „Neuausrichtung von Versorgung und Finanzierung“ (Jacobs, Klaus; Kuhlmey, Adelheid; Greß, Stefan; Klauber, Jürgen; Schwinger, Antje, Berlin 2020) wird die Bedarfslage in der häuslichen Pflege betrachtet. Aus den Charakteristika häuslicher Pflegearrangements werden Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Leistungen sowie Erwartungen an zukünftige Unterstützungsmöglichkeiten durch die Pflegeversicherung im Hinblick auf die Beratung, das Leistungsspektrum ambulanter Pflegedienste, neue Leistungsformen und die Stärkung des gesamten Pflegearrangements abgeleitet.

In der Pflegestudie des Sozialverbandes VdK „Pflege zu Hause - zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ (Büscher, Andreas; Peters, Lara; Stelzig, Stephanie; Lübben, Alena; Osnabrück 2022) wird die Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen durch pflegende Angehörige untersucht und Schlussfolgerungen zu einer für das jeweilige Pflegearrangement bedarfsgerechten, entlastenden, bezahlbaren und (wohnortnah) verfügbaren Unterstützungsleistung gezogen.

  1. Wie oft finden Netzwerkkonferenzen zu Pflege statt und welche Ziele haben diese?

Die Netzwerkkonferenzen des kommunalen Pflegenetzwerkes Leipziger Kooperation Pflege (LeiKoP) finden alle zwei Jahre statt. Sie dienen der Darstellung der Ergebnisse der Arbeitsgruppen sowie der Diskussion aktueller Entwicklungen und Bedarfen aus dem Netzwerk und bei den Netzwerkmitgliedern. Impulsreferate informieren zu Fachthemen aus dem Bereich der Pflege.

  1. Welche Maßnahmen ergreift die Stadt Leipzig, um in andere Arbeitsbereiche abgewanderte Fachkräfte der Pflegeberufe wieder in die gelernte Tätigkeit zu werben?

Die Stadt Leipzig hat keine Kenntnis, in welchen Bereich Fachkräfte der Pflegeberufe abgewandert sind oder abwandern. Die Anzahl der Beschäftigten in Pflegeheimen und Pflegediensten ist in den letzten Jahren stetig gestiegen (Pflegeheime: 621.392 im Jahr 2009, 730.145 im Jahr 2015, 814.042 im Jahr 2021, Pflegedienste: 268.891 im Jahr 2009, 355.613 im Jahr 2015, 442.860 im Jahr 2021 – Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik, Stand 21.12.2022).

Landes- und bundesweite Kampagnen richten sich an Menschen die (noch) nicht (wieder) in der Pflege tätig sind, z.B. die „Konzertierte Aktion Pflege“ des Bundesgesundheitsministeriums und „Mach Karriere als Mensch“ des Bundesfamilienministeriums. Das Programm „Pflege kann was“ im Rahmen der „Ausbildungsoffensive Pflege“ des Bundesfamilienministeriums, Bundesgesundheitsministeriums und Bundesarbeitsministeriums informiert über vielfältige Beschäftigungs- und Aufstiegschancen im Beruf.

Das Netzwerk Leipziger Kooperation Pflege veranstaltet jährlich die Schülermesse „Pflege - der Beruf der Zukunft“. Hier wird Schülerinnen und Schülern ab der 7. Klasse die Möglichkeit gegeben, den Pflegeberuf (und weitere Berufe im Pflegeumfeld) praktisch kennenzulernen.  

  1. Wie viele Nachbarschaftshelfer*innen sind mit Tätigkeit in Leipzig bekannt?

Die Nachbarschaftshelfer/-innen müssen für ihre Tätigkeit einen Lehrgang entsprechend der Sächsischen Pflegeunterstützungsverordnung absolvieren. Nach Abschluss des Lehrganges können sie sich bei den Pflegekassen für die Tätigkeit registrieren lassen und sind dann berechtigt, Leistungen für den Entlastungsbetrag nach SGB XI pflegebedürftigen Personen in Rechnung zu stellen, die den Betrag dann von der Pflegekasse erstattet bekommen. Die Nachbarschaftshelfer/-innen entscheiden selbst, ob ihre Daten veröffentlicht werden dürfen. Sollte diese Zustimmung bei der Pflegekasse vorliegen, erfolgt die Eintragung unter pflegenetz.sachsen.de. Aktuell sind dort 59 Nachbarschaftshelfer/-innen für die Stadt Leipzig zu finden. Ein vollständiger Überblick liegt der Stadt Leipzig jedoch aus den genannten Gründen nicht vor.

  1. Welche Maßnahmen verfolgt die Stadt Leipzig ergänzend zur Tätigkeit der Pflegekoordinatorin?

Im Jahr 2019 wurde im Bereich der Pflegekoordination des Sozialamtes die Demenzfachberatungsstelle eingerichtet. Hier werden Betroffene und Angehörige Demenzerkrankter beraten und unterstützt. Innerhalb des Pflegenetzwerkes Leipziger Kooperation Pflege verantwortet die Mitarbeiterin das Unternetzwerk Demenz. In diesem Netzwerk werden beispielsweise die Angebote der Woche der Demenz in Leipzig gebündelt und Leipziger/-innen zugänglich macht. Ein im Jahr 2022 begonnenes und ein Jahr durch die Pflegekassen gefördertes Schulungsprojekt für Berufsgruppen zur Sensibilisierung im Umgang mit Menschen die von Demenz betroffen sind, wird fortgesetzt. Hierfür werden die Mittel des regionalen Pflegebudgets genutzt.

Zusätzliche Maßnahmen bedürfen eines klaren landesgesetzlichen Rahmens und kommunalen Gestaltungsauftrages sowie der Finanzierung der notwendigen personellen und sächlichen Ressourcen nach dem Konnexitätsprinzip durch das Land. Die Stadt Leipzig setzt sich seit Jahren für ein sächsisches Landespflegegesetz ein, das den Kommunen unter Wahrung der Konnexität einen klaren gesetzlichen Auftrag sowie Planungs- und Vollzugskompetenz zuweist.

  1. Wie nutzt die Stadt Leipzig das Initiativrecht zur Errichtung von Pflegestützpunkten?

Das Initiativerecht der Kommunen zur Einrichtung von Pflegestützpunkten ist in § 7c SGB XI geregelt: „Die für die Hilfe zur Pflege zuständigen Träger der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch sowie die nach Landesrecht zu bestimmenden Stellen der Altenhilfe können auf Grund landesrechtlicher Vorschriften von den Pflegekassen und Krankenkassen den Abschluss einer Vereinbarung zur Einrichtung von Pflegestützpunkten verlangen.“ Das Initiativrecht setzt entsprechendes Landesrecht voraus, das es in Sachsen nicht gibt.

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