Anfrage: Zukunft des „Netz kleiner Werkstätten“

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 13. April 2022

Das ‚Netz kleiner Werkstätten‘ ist als gemeinsame Initiative des Kommunalen Präventionsra-tes Leipzig (KPR) und des Berufsbildungswerk Leipzig für Hör- und Sprachgeschädigte gGmbH (BBW) seit 20 Jahren ein unverzichtbarer Bestandteil der Jugendberufshilfeland-schaft und eines der niedrigschwelligsten derartigen Angebote für junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren in Leipzig.

Das ‚Netz kleiner Werkstätten‘ richtet sich an junge Menschen, die aufgrund persönlicher Hemmnisse Schwierigkeiten beim Übergang ins Erwerbsleben haben. Diese jungen Men-schen profitieren im Zuge ihrer praktischen Tätigkeit von der dort erfahrenen beruflichen Ori-entierung und Qualifizierung. Darüber hinaus fördern auch die sozialpädagogische Begleitung, Anerkennung, Motivation und das Aufzeigen neuer Perspektiven die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Damit leistet das Netz kleiner Werkstätten einen wichtigen Beitrag zur Verbesse-rung der Bildungs- und Arbeitsmarktchancen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Träger der Maßnahme ist das Berufsbildungswerk Leipzig für Hör- und Sprachgeschädigte gGmbH.

Die Stadt Leipzig beteiligt sich bislang an einer Kofinanzierung mit jährlich etwa 130.000 € aus den Budgets des Amtes für Jugend und Familie, des Ordnungsamtes auf der Ebene des Kommunalen Präventionsrates Leipzig und des Amtes für Stadtgrün und Gewässer.

Nunmehr ist zu erfahren gewesen, dass die Finanzierung über das Jobcenter per Arbeits-marktdienstleistung/ Aktivierungshilfe nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. mit § 45 SGB III gefähr-det sei, da die Weiterführung des Angebotes seitens des Jobcenters als nicht wirtschaftlich und zu teuer bewertet würde. Diese Nachricht ist nach über 20 Jahren erfolgreicher Arbeit nicht nur unverständlich, sie ist auch im Hinblick auf den drohenden Wegfall dieser wertvol-len Struktur und Expertise schockierend. Ausschlaggebend sei offenbar auch die Orientie-rung der Entlohnung am Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD), ohne die jedoch aufgrund des überall im pädagogischen Bereich bemerkbaren Fachkräftemangel eine sach- und fachgerechte Projektarbeit kaum mehr möglich ist.


Wir fragen deshalb an:

  1. Welche Gründe sind tatsächlich ausschlaggebend dafür, dass das Jobcenter beab-sichtigt, die Fortführung der Finanzierung des ‚Netz kleiner Werkstätten‘ unter Träger-schaft des bbw zu beenden?
  2. Welche Konsequenzen sind aus dem drohenden Finanzierungsende und einem möglichen Projektende zu befürchten?
  3. Wie bewertet die Verwaltung die drohende Ablehnung der künftigen Finanzierung durch das Jobcenter?
  4. Welche Anstrengungen werden seitens der Stadt Leipzig unternommen, dieses wertvolle Angebot weiter zu erhalten?

 

Ergänzende OB-Anfrage vom 31. März 2022

In Ergänzung zu unserer öffentlichen Anfrage (Fragen 1. - 4.) zur Ratsversammlung am 13. April 2022 möchten wir Sie um Beantwortung folgender detaillierter Fragen bitten:

5. Über den Gesamtkatalog der Bundesagentur für Arbeit für die gemeinsamen Einrichtungen (inkl. Service Portfolio und weiterer Angebote) kauft das Jobcenter zentrale Leistungen wie das Ausschreibungsmanagement in Abstimmung mit kommunalen Vertreter*innen der Trägerversammlung ein. Für uns ergeben sich daher folgende Fragestellungen:

a) Welche Laufzeit haben die bestehenden Verträge, wie sind die Kündigungsfristen und wann wäre der nächste Vertragsabschluss?
b) Welche Möglichkeiten hat die Stadtverwaltung grundsätzlich abrechenbare Leistungen für das Jobcenter auf Basis eines eigenen Dienstleistungsangebotes analog der BA zu erbringen und könnten theoretisch die hierdurch anfallenden Kosten für die Leistungserbringung wie beispielsweise das Ausschreibungsmanagement ebenfalls grundsätzlich gegenüber dem Jobcenter abgerechnet werden?
c) Welche Leistungen in welcher Kostenhöhe kauft das Jobcenter Leipzig derzeit bei der Bundesagentur für Arbeit ein und welche Leistungen könnte die Stadtverwaltung zumindest theoretisch übernehmen?

6. Kann die Einhaltung des zuwendungsrechtlichen Besserstellungsverbotes (Tarifzahlung in Anlehnung TVöD) von Trägern zu einem Nachteil gegenüber Bewerber*innen ohne Tariflohn in der Bewertungsstruktur der Konzeptionen führen (geringere Punktzahl bei den „Kosten“) und was ist die Rechtsgrundlage und wie wird diese im Jobcenter Leipzig umgesetzt?

Antwort vom 13. April 2022

1. Welche Gründe sind tatsächlich ausschlaggebend dafür, dass das Jobcenter beabsichtigt, die Fortführung der Finanzierung des ‚Netz kleiner Werkstätten‘ unter Trägerschaft des bbw zu beenden?

Es erfolgt keine explizite Förderung des „Netz kleiner Werkstätten“ durch das Jobcenter Leipzig bzw. das Regionale Einkaufszentrum Bayern (mit Zuständigkeit Sachsen). Vielmehr wurde wie bereits in den Jahren zuvor eine offene Ausschreibung für eine „Aktivierungshilfe für Jüngere“ als reine Arbeitsmarktdienstleistung für 40 Plätze beauftragt, auf die sich bundesweit jeder Träger, der bestimmte Zulassungskriterien erfüllt, durch die Abgabe eines Angebotes bewerben konnte. Die Angebote bestanden aus einem inhaltlichen Konzept sowie einem Preisangebot.

Im Ergebnis des Vergabefahrens und der vorgenommenen Wertung aller eingegangenen Angebote wurde der Zuschlag dem BBW nicht erteilt. Allerdings kann noch keine abschließende Aussage zum Ausgang getroffen werden, da es sich um ein anhängiges Verfahren handelt.

2. Welche Konsequenzen sind aus dem drohenden Finanzierungsende und einem möglichen Projektende zu befürchten?

Die Gesamtfinanzierung des Jugendberufshilfeangebots „Netz kleiner Werkstätten“ des BBW übernehmen bisher die Stadt Leipzig, das Jobcenter Leipzig, der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig und das Diakonische Amt. Etwa 16 % des Gesamtaufwandes finanziert das BBW aus eigenen Mitteln (50 % Produktionserlöse, 50 % Spenden und Bußgelder).

Das Projekt bietet im Durchschnitt monatlich 56 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – ausbildungs- und arbeitslosen jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren – die Möglichkeit, unter fachlicher Anleitung und sozialpädagogischer Betreuung einer arbeitsweltbezogenen und qualifizierenden Beschäftigung nachzugehen. Die 40 Plätze, die über das Jobcenter Leipzig bzw. das Regionale Einkaufszentrum Bayern gefördert werden, kann das „Netz kleiner Werkstätten“ ohne die entsprechende Finanzierung nicht mehr bereitstellen. Mit der verbleibenden Förderung ist es ihm nur möglich, 16 Teilnehmerplätze zu garantieren, die nicht über das Jobcenter zugewiesen werden müssen.

Die 40 Teilnehmerplätze gehen jedoch nicht verloren, sondern finden sich stattdessen bei dem Träger wieder, der diesmal den Zuschlag bei der eingangs dargestellten Ausschreibung erhalten hat. Geplanter Start der damit verbundenen Maßnahme ist der 02.05.2022.

Daneben führt das Jobcenter Leipzig noch eine weitere eingekaufte Maßnahme für Jugendliche unter 25 Jahren mit 25 Teilnehmerplätzen. Das Förderportfolio umfasst zusätzlich noch eingekaufte Maßnahmen des Jobcenters, die die Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zum Ziel haben. Des Weiteren gibt es sogenannte Coachingmaßnahmen, die im Rahmen eines Aktvierungs- und Vermittlungsgutscheins an die Jugendlichen vergeben werden. Es besteht für die Jugendlichen nach Ansicht des Jobcenters Leipzig ein ausreichendes Angebot an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.

3. Wie bewertet die Verwaltung die drohende Ablehnung der künftigen Finanzierung durch das Jobcenter?

Die Stadtverwaltung Leipzig blickt auf eine langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem „Netz kleiner Werkstätten“ zurück. Über das genuine Aufgabenspektrum des Jugendberufshilfeangebots hinaus engagierten sich die Vertreterinnen und Vertreter des „Netz kleiner Werkstätten“ im Bereich der Prävention auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene. Sie beteiligten sich aktiv beispielsweise an den Sicherheitskonferenzen des Kommunalen Präventionsrates Leipzig oder den Veranstaltungen des Deutschen Präventionstages.

Das Amt für Stadtgrün und Gewässer arbeitet mit dem „Netz kleiner Werkstätten“ im Rahmen zweier Projekte in zentralen Parkanlagen (Pflege Rasenlabyrinthwege am Hain der Jahresbäume im Volkspark Kleinzschocher und Heckenpflege an den Sitzecken im ehemaligen Blindenpark im Rosental) zusammen.

Daher ist die Verwaltung bestrebt, die langanhaltende, partnerschaftliche Kooperation mit dem „Netz kleiner Werkstätten“ fortzuführen. Obgleich personelle und trägerseitige Kontinuität als sehr wichtig eingeschätzt wird, ist jedoch festzustellen, dass keine Gewähr dafür besteht, dass Angebote dauerhaft und über mehrere Jahre hinweg in gleicher Weise gefördert werden. Entscheidend ist vor allem, dass Maßnahmen und Projekte an sich – ggf. durch einen anderen Anbieter – fortgeführt werden können.

4. Welche Anstrengungen werden seitens der Stadt Leipzig unternommen, dieses wertvolle Angebot weiter zu erhalten?

Die Stadt Leipzig wird – unter der Voraussetzung, dass der Träger entsprechende Zuwendungsanträge stellt und der Stadtrat bzw. der jeweils zuständige Ausschuss seine Zustimmung erteilt – das Projekt unabhängig vom Jobcenter weiterhin im bisherigen Umfang fördern. Die verlässliche Kooperation mit den ggf. verbliebenen Partnern wird fortgesetzt und das BBW im Rahmen der Möglichkeiten bei der Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten unterstützt.

Im Rahmen der kommenden Beiratssitzung des „Netz kleiner Werkstätten“ am 02.05.2022 werden die Mitglieder des Beirates über konkrete Konsequenzen des drohenden Finanzierungsausfalls informiert. Auf Grundlage dieser und weiterer Informationen wird das Vorgehen in Bezug auf die Fortführung der gemeinsamen Arbeit thematisiert. Zu den ständigen Mitgliedern des Beirates des „Netz kleiner Werkstätten“ zählen seitens der Stadtverwaltung Vertreterinnen und Vertreter des Amtes für Jugend und Familie, Ordnungsamtes, Amtes für Stadtgrün und Gewässer sowie des Kommunalen Präventionsrates Leipzig.

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