Antrag: 10-Punkte-Programm gegen Hitze im Stadtgebiet

Antrag vom 14. Dezember 2018

Beschlussvorschlag:

  1. Die Stadtverwaltung wird beauftragt; ein integriertes Konzept gegen Hitze im Stadtgebiet zu erarbeiten. Das Konzept soll erreichen, dass die Lebensqualität im Gebiet der Stadt Leipzig kurz- und langfristig erhalten und den veränderten Klimabedingungen und der damit verbundenen Überhitzung der Stadt durch lokal wirksame Gegenmaßnahmen Rechnung getragen wird.
  2. Der Konzeptentwurf wird dem Stadtrat zum Ende des II. Quartals 2019 zum Beschluss vorgelegt.
  3. Alle Konzeptinhalte sind zukünftig in Planverfahren grundsätzlich auszuweisen und zu erläutern.
Foto: Martin Jehnichen

Das Konzept beinhaltet folgende Punkte:

1. Frischluftschneisen und Grünflächen schützen

Frischluftschneisen, Kaltluftentstehungszonen und Biotopverbindungen sollen transparent definiert und bei der Ausweisung von Bauflächen und der Aufstellung von Bebauungsplänen rechtlich verbindlich vor Bebauung geschützt werden. Zudem soll die Bebauung kleinerer mikroklimatisch relevanter Grünflächen mit gewachsenem Baumbestand nur im Ausnahmefall und unter Durchführung von Kompensationsmaßnahmen erfolgen.

2. Mikroparks in allen Stadtteilen schaffen

Um positive stadtklimatische und kleinräumige Effekte in dichtbesiedelten Quartieren zu erreichen, ist ein Konzept für kleinere Mikroparks, Pocketparks bzw. Quartiersparks z. B. auf bestehenden Brachen, autofrei zu gestaltenden Straßen oder Plätzen sowie zu entwickelnden städtebaulichen Projekten, zu entwickeln und umzusetzen.

3. Baumstarke Stadt und Straßenbaumkonzept

Ziel muss es sein, jährlich 1.000 Neupflanzungen zusätzlich zu den notwendigen Nachpflanzungen von Straßenbaumpflanzungen umzusetzen. Um größtmögliche Effekte zu erreichen, sind in den nächsten fünf Jahren bevorzugt besonders hitzeanfällige, dichtbebaute Straßen, ohne Grün und mit Ost-West-Ausrichtung, mit hitzebeständigen Baumarten zu bepflanzen. Die Zielstellungen des verwaltungsseitig immer noch ausstehenden Straßenbaumkonzepts sind anzupassen. Zugleich ist ein Parkbaumkonzept zu entwickeln, mit dem Zielsetzungen für Bepflanzung von öffentlichen Grünflächen festgelegt werden. Für private Baumspenden gilt es stärkere Anreize zu schaffen.

4.Mehr Wasserflächen schaffen

Der Beitrag von Wasser zur Abkühlung in städtischen Räumen muss in der Planung von Freiräumen und städtebaulichen Entwicklungsprojekten berücksichtigt werden. Ziel muss eine stadträumlich verteilte Sicherung und Schaffung von naturnahen Wasserflächen mit gewässertypischer Vegetation oder alternativ Springbrunnen, Wasserzwischenspeicher (Regenrückhaltebecken) o. ä. sein.

5. Versiegelung vermeiden und Entsiegelung vorantreiben

Grundsätzliches Ziel ist eine Netto-Null-Neuversiegelung im gesamten Stadtgebiet. Großflächige Versiegelungen des Stadtraums sind im Rahmen der städtebaulichen Planung zu vermeiden. Zugleich sind Flächen z. B. bei der Überholung oder Sanierung von Stadträumen je nach Anforderungsprofil grundsätzlich zu entsiegeln.

6. Innenhöfe schützen

Eine Bebauung von Innenhöfen ist im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten auszuschließen. Für Ausnahmeregelungen sind Voraussetzungen und Art der Bebauung klar zu definieren. Die Entsiegelung und Begrünung von Innenhöfen soll durch eine entsprechende Satzung bei Neubau- oder Sanierungsvorhaben beauflagt und bei Bestandsimmobilien gefördert werden.

7. Albedo-Strategie gegen aufheizende Oberflächen

Der Einfluss von Materialität und Farbe von Fassaden, Dächern und Untergründen auf die Hitzeentwicklung im städtischen Raum muss stärker berücksichtigt werden. Auf Grundlage einer Albedo-Strategie ist bei der Genehmigung von Bauprojekten durch eine Gemeindesatzung der Einsatz unnötig hitzeaufnehmender Oberflächen auszuschließen. Bauherren und Hauseigentümer sind hinsichtlich des Einsatzes reflektierender Materialien und Farben zu beraten.

8. Grüne Dächer und Fassaden

Bei Neubauten und baulichen Veränderungen sind grundsätzlich Gründächer und an geeigneten Flächen begrünte Fassaden vorzusehen. Die Voraussetzungen für Dach- und Fassadenbegrünungen, auch mit Bäumen, sind verbindlich und transparent zu regeln und zu bewerben. Die Dach- und Fassadenbegrünung von Bestandsgebäuden soll verstärkt gefördert werden. Bauherren und Hauseigentümer sind bei der Durchführung entsprechender Maßnahmen proaktiv zu beraten.

9. Abkühlung ermöglichen

Um Abkühlung bei Hitze zu ermöglichen, ist von den Kommunalen Wasserwerken ein Programm zur flächendeckenden Versorgung mit Wasserspendern und Trinkbrunnen aufzulegen. Bei Schwimmhallenneu- und -umbau ist darauf hinzuwirken, dass auch eine Nutzung als Freibad bei Hitze (Cabriolösung) möglich ist.

10. Beratung und Prävention stärken

Um gesundheitlichen Hitzebelastungen vorzubeugen, sind Beratung und Prävention im Umgang mit sommerlicher Hitze zu stärken. Die vorhandenen Angebote unterschiedlicher Akteure sind in einem Netzwerk zu bündeln und ausbauen. Neben unmittelbarer Beratung, z. B. durch geeignete Öffentlichkeitsarbeit, eine Hotline und anderes, sind gezielte Präventionsangebote unter anderem für Wohnungsbauträger, Unternehmen, Bildungseinrichtungen zu entwickeln.


Begründung:

Dieses Konzept für die Bewältigung der lokalen Hitzeentstehung und Folgen soll als eine Fortschreibung teilweise schon bauftragter und aktiver Konzepte der Fachverwaltungen (wie Luftreinhalteplan, Straßenbaumkonzept, Gründachstrategie etc.), als integriertes Umwelt-Konzept unter der Zielstellung der Verringerung von Hitzestress verstanden und weiterentwickelt werden.

In den vergangenen Sommermonaten herrschte in Leipzig eine langanhaltende Hitze, die mit einer ausgeprägten Dürreperiode verbunden war. Die Tendenz zu immer heißeren Sommern und einer Zunahme von Hitzetagen und Tropennächten ist unverkennbar. In den heißen Sommerwochen dieses Jahres und insbesondere den hochsommerlichen Nächten sind erhebliche Temperaturunterschiede von 10° Celsius zwischen dicht bebauten Innenstadtquartieren und größeren Freiflächen in Randlagen zu verzeichnen. Die regelrechte Aufheizung der Stadt hat vielfältige Folgen. Unmittelbar zu spüren sind Beeinträchtigungen von Gesundheit und Lebensqualität.

Heiße und trockene Sommer sind keine Ausnahme, sondern werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zur Regel. Schnellstmöglich braucht es Maßnahmen, mit denen sich Leipzig an sommerliche Extremwetterlagen anpassen kann. Alle Leipziger haben das Recht auf sommerliche Lebensqualität in kühlen Nachbarschaften.

Anhaltende Hitze- und Dürreperioden ziehen einen steigenden Wasserbedarf und sinkenden Grundwasserspiegel nach sich. Damit verbunden sind Hitze- und Wasserstress für die Vegetation, die erhebliche Veränderungen im Ökosystem nach sich ziehen.

Die sehr stabile Extremwetterlage mit heißem und trockenem Wetter ist nachweislich eine Konsequenz aus den zunehmenden Veränderungen im globalen Klimasystem. Die Polargebiete heizen sich auf und mit geringeren Temperaturdifferenzen verlieren Strömungssysteme ihren Antrieb. Stabile Wetterlagen, die über mehrere Wochen und Monate sowohl extreme Dürre als auch extreme Niederschläge bringen können, sind die Konsequenz.

Seit 1963 ist es in Leipzig im Mittel um 1,6 Grad wärmer geworden. Die Temperaturen dieses Jahres waren gemessen an den letzten Jahrzehnten, in den Monaten April bis August noch einmal um mehr als 2,5 Grad zu hoch, während ein Niederschlagsdefizit von 260 Litern/qm zu verzeichnen war. Die durchschnittliche Zahl von 18 Tagen, an denen die Tageshöchsttemperatur über 30 Grad liegt, wurde mit dem Rekord von über 30 Hitzetagen in 2018 fast verdoppelt. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahrzehnten mit großer Sicherheit zunehmen. Danach sind dem Regionalen Klimaatlas zufolge im Jahresdurchschnitt, verglichen mit den Durchschnittstemperaturen von 1961 – 1990, bereits für den Zeitraum 2011 – 2040 Temperaturerhöhungen von 0,4 – 1,2 °C und für 2071 – 2100 sogar Temperaturerhöhungen von 2,1 bis zu 5,7 °C zu erwarten.

Leipzig weist einen für Großstädte typischen, dicht besiedelten Stadtraum auf. Die ohnehin für die letzten 30 Jahre festgestellte Vervierfachung auf 23 Tropennächte im Jahr, wurde in diesem Jahr lokal je nach Stadtteil oder Straße mehrfach übertroffen.

Um dem Klimawandel entgegenwirken, braucht es eine Vielzahl grundsätzlicher Maßnahmen, zu denen auch Leipzig z. B. durch eine regenerative Energieversorgung und umweltfreundliche Mobilität beitragen muss. Zugleich müssen Klimaschutzstrategien und Klimaanpassungsstrategien als integraler Bestandteil städtischer Planungs-, Genehmigungs- und Investitionsmaßnahmen konsequent umgesetzt werden. Mit den Klimaschutz-Anpassungsstrategien des Amtes für Umweltschutz von 2016 und dem Integrierten Stadtentwicklungsplan (INSEK) hat die Stadt Leipzig bereits umfangreiche Erkenntnisse und Zielsetzungen zusammengetragen. Diese Strategien müssen jedoch ergänzt werden und dürfen keine bloßen Absichtserklärungen bleiben.

Zu 1)

Aufgrund seiner topographischen Struktur hängt die Versorgung der innenstadtnahen Bereiche Leipzigs mit frischer und kühlender Luft von wenigen größeren Freiflächen und Frischluftschneisen ab. Wenn aufgeheizte Luft nicht abtransportiert wird, verbleiben Wärme und Schadstoffe länger im verdichteten Stadtraum. Kaltluftschneisen wie den Auwald, die großen Stadtparkanlagen, das Elsterflutbecken gilt es ebenso wie Parks, begrünte Wege, Gewässer und Kanäle die in die Innenstadt führen, zu sichern. Dafür muss klar festgelegt werden, welche Flächen verbindlich zu schützen sind.

Zu 2)

In dicht bebauten Quartieren ist der Effekt zu beobachten, dass Wärme von den Häuser- und Dachflächen vermehrt an die Umgebung abgestrahlt wird und im Quartier gebunden bleibt. Deshalb müssen kleinräumige Flächen gesichert und geschaffen werden, die sich weniger aufheizen und als Mikroparks in allen Stadtteilen für Abkühlung sorgen. Insbesondere Grünflächen die von Bäumen bewachsen sind, können so einen Beitrag für kühlere Nachbarschaften leisten und zudem die allgemeine Lebensqualität erhöhen. Als innovative Lösung zu erproben ist die teilweise Herauslösung einzelner Plätze, Straßen oder Kreuzungen aus dem Straßennetz und ihre Umgestaltung zu Parkanlagen. Wir gewinnen dadurch Grünflächen in hochverdichteten Quartieren, unterbinden den durchgehenden Autoverkehr und fördern gleichzeitig den Fuß- wie Radverkehr durch attraktive Wege im Quartier. Denkbar wäre dies z. B. an innenstadtnahen Plätzen wie dem Schützenplatz oder Stadtteilplätzen wie dem Neustädter Markt. Die Flächen sind bevorzugt für aktive Grünflächennutzungen mit positiver stadtklimatischer Wirkung.

Zu 3)

Bäume leisten nachweislich den größten Beitrag, um die Aufheizung von Stadträumen zu vermeiden. Die Stadt Leipzig hat sich auf grüne Initiative hin verpflichtet, 1.000 Straßenbäume im Jahr durch Neu- und Nachpflanzungen zu realisieren. Leider hinkt die Realität dieser Zielsetzung hinterher. Da ein Großteil der Bäume als Nachpflanzungen erfolgt, ist ein Großteil der Leipziger Straßen immer noch baumlos. Das Tausend-Bäume-Programm muss endlich durch die Bereitstellung entsprechender Mittel konsequent umgesetzt und ausgebaut werden. Ziel muss die Pflanzung 1.000 zusätzlicher Bäume sein. Größtmögliche Effekte sind durch Pflanzungen an besonders hitzebelasteten Straßen zu erzielen. Die Anreize für private Spenden sind z. B. durch das Matching-Prinzip (ein privater Baum wird durch einen kommunalen Baum gedoppelt) oder Prämien kommunaler Unternehmen zu verstärken. Das längst überfällige Straßenbaumkonzept ist anzupassen und endlich dem Stadtrat zum Beschluss vorzulegen.

Zu 4)

Wasserflächen leisten einen bisher nur ungenügend berücksichtigten Beitrag zur Abkühlung. Auch sie tragen zur Kühlung der Stadtluft bei und haben eine ausgleichende Wirkung auf die Lufttemperatur in ihrer Umgebung. Denn Wasser erwärmt sich im Vergleich zu Luft nur langsam und ist im Sommer relativ kühl. Ein zusätzlicher positiver Effekt entsteht in der naturnahen Anlage mit Vegetation, die sich insbesondere im Rahmen von Grünflächen anbietet. Insbesondere Springbrunnen oder andere Wasserzerstäuber tragen besser noch als stehendes Wasser zur Kühlung durch Verdunstung bei.

Zu 5)

Die Versiegelung von Flächen mit hitzeaufnehmenden Materialien wie Asphalt oder Pflasterung trägt wesentlich zur Aufheizung der Stadt bei. Insbesondere Stadtplätze wie der Huygens-Platz oder der Eutritzscher Markt sind vielfach unnötig stark versiegelt und sehen zudem nur einen relativ geringen Baumbestand vor. Diese Fehler gilt es künftig zu vermeiden. Die Entsiegelung und anschließende Begrünung von öffentlichem Stadtraum muss je nach Anforderungsprofil Vorrang genießen.

Zu 6)

Zunehmend rückt die Bebauung von Innenhöfen in den Fokus der Immobilienakteure. Begrünte Innenhöfe sind jedoch unerlässlich, um im Rahmen von Blockrandbebauungen für Abkühlung zu sorgen. Sie sind deshalb durch geeignete rechtliche Maßnahmen möglichst von einer Bebauung auszunehmen. Ausnahmeregelungen, z. B. für besonders große Innenhofflächen und vergleichsweise klein dimensionierte Bauvorhaben sollten klar definiert werden. Nach Münchner Vorbild sollte die Begrünung von Innenhöfen durch Satzung geregelt und ein Programm ‚Grüne Höfe – grüne Wände’ gefördert werden.

Zu 7)

Dunkle Fassaden, Dächer und Böden, die Sonnenstrahlung aufnehmen und bei sinkenden Temperaturen wieder abgeben, verhindern maßgeblich die Abkühlung in Tropennächten. Mit dem Einsatz reflektierender Materialien kann dies verhindert werden.

Zu 8)

Grüne Dächer und Fassaden tragen zur Abkühlung der Umgebung und schützen die Innenräume vor dem Aufheizen. Die auf grüne Initiative hin beauftragte Gründachstrategie muss endlich von der Stadtverwaltung vorgelegt werden. Da Neubauten ohnehin in der Regel flache Dächer vorsehen, müssen Gründächer verpflichtend vorgesehen werden. Auch wenn Fassadenbegrünungen von der Stadt gefördert werden, wird ihnen oftmals die Genehmigung versagt. Deshalb braucht es verbindliche Regelungen, auf die Bauherren sich verlassen können.

Zu 9)

Wasser kann in verschiedenen Formen zur unmittelbaren individuellen Abkühlung beitragen. Wasserspender und Trinkbrunnen bieten eine unmittelbare Möglichkeit der Abkühlung und müssen flächendeckend angeboten werden. Auch wenn im Umfeld der Stadt zahlreiche Seen zur Verfügung stehen, stehen sie Kindern ohne Begleitung, einkommensschwächeren oder eingeschränkt mobilen Menschen zur nicht zur Verfügung. Die derzeit 5 öffentlichen Freibäder der Stadt Leipzig waren in diesem Sommer z. T. überlastet. Um eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten und dem Bevölkerungszuwachs zu entsprechen, sollen innovative Lösungen, wie z. B. die Errichtung als kombinierte Frei- und Hallenbäder mit verschiebbarem Dach vorgesehen werden. Diese Schwimmhallen würden einen wirtschaftlichen, weil wetterunabhängigen, Betrieb gewährleisten können und die wohnortnahe Versorgung sicherstellen können.

Zu 10)

Hitzetage und das deutlich verringerte Absinken von Temperaturen beeinträchtigen nicht nur den Nachtschlaf, sondern führen insgesamt zu geringerem Wohlbefinden und verminderter Leistungsfähigkeit. Eine erhebliche Gesundheitsgefährdung besteht insbesondere bei Menschen im höheren Alter und mit chronischen Erkrankungen. Hitzestress führt bei ihnen zu erheblichen Kreislaufbelastungen und einer steigenden Infektionsbelastung. Vielfach fehlt es jedoch an dem notwendigen Wissen um den Umgang mit sommerlicher Hitze. Die bisherigen Beratungs- und Präventionsangebote der städtischen Ämter, Krankenkassen usw. sollten gebündelt und ggf. erweitert werden, um mehr Menschen zu erreichen. Bei der konkreten Umsetzung von hitzepräventiven Maßnahmen sind Wohnungsgesellschaften, Unternehmen oder Bildungseinrichtungen gezielt zu beraten.

Alternativvorschlag der Verwaltung:

  1. Die Stadtverwaltung wird beauftragt bis zum II. Quartal 2020 eine Maßnahmenvorplanung vorzulegen. Nach umfassender „Bestandsaufnahme“ im Stadtraum durch Stadtklimaanalyse und Masterplan Grün 2030 werden die nächsten Schritte mit konkretem Flächenbezug abgeleitet und durch integrierte Arbeitsweise entsprechend den Zuständigkeiten und mit Beteiligung genauer untersetzt. Das Thema Hitze in der Stadt wird darin neben anderen Aspekten der Anpassung an den Klimawandel im Fokus stehen.
  2. Die Maßnahmenvorplanung ist an die aktuellen Untersuchungen gekoppelt und weist die finanziellen und personellen Ressourcen zur Umsetzung, Evaluierung und Weiterentwicklung der Maßnahmen in einem zu nennenden Zeitraum aus.

 
Sachverhalt:

Der Antrag Nr. VI-A-06783 greift die Thematik der sommerlichen Hitzebelastung in der Stadt Leipzig auf und fordert ein integriertes Konzept. Der Antrag weist auf bestehende Strategien und Konzepte hin, wie die Anpassungsstrategie an den Klimawandel, das Integrierte Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2030, das Straßenbaumkonzept oder die Gründachstrategie, die durch ein integriertes Konzept gegen Hitze ergänzt und spezifiziert werden sollen.

Insbesondere nach den Erfahrungen aus dem Sommer 2018 ist der Antrag nachvollziehbar und im Sinne einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Stadtentwicklung mit einer vorsorgenden Klimastrategie und dem Ziel des Erhalts und der Verbesserung der Umweltqualität zu begrüßen. Es ist allerdings hinsichtlich der Thematik Hitze weniger ein losgelöstes Handlungsprogramm als vielmehr die Integration von Maßnahmen in laufende Programme und Planungen erforderlich (z. B. Masterplan Grün, Gründachstrategie, vorbereitende und verbindliche Bauleitplanung einschließlich ihrer ökologischen Grundlagen, Anpassungsstrategien an den Klimawandel etc.). Der Fokus ist nun auf zielgerichtete Maßnahmenplanungen, inklusive der Maßnahmen gegen Hitze in der Stadt, mit entsprechenden Prioritäten und Zuständigkeiten sowie Finanzierungs-, Planungs- und Umsetzungsinstrumenten zu legen. Für ein realistisches Handlungsprogramm bedarf es einer räumlichen Konkretisierung und auch Machbarkeitsuntersuchungen für verschiedenste Maßnahmen sowie die Einbeziehung und Beteiligung unterschiedlicher Akteursstrukturen.

Im Integrierten Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2030 (INSEK) (VI-DS-04159-NF-01; Rahmenvorlage Umsetzung Vl-DS-06040) wurden im Fachkonzept Freiraum und Umwelt die Ziele und Maßnahmenbündel (Z 3 Grün-blaue Infrastruktur zur Klimaanpassung) mit konkreten Arbeitsaufträgen formuliert. Wie im Antrag beschrieben, ist als wichtiges Maßnahmenbündel M 3.1 „Weiterentwicklung und Qualifizierung der Anpassungsstrategien an den Klimawandel“ fortzuführen. Weiter sind in M 3.3 Maßnahmen zur „Minderung der städtischen Überwärmung (…)“ benannt, an denen derzeit unter dem Blickwinkel einer nachhaltig wachsenden Stadt, die auf Lebensqualität setzt, gearbeitet wird (bezugnehmend auf den VSP „Nachhaltigkeitsmanagement als Querschnittsaufgabe der Verwaltung“ Vl-A-05984-VSP-01).

Die weiteren Arbeitsschritte zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der Maßnahmen zur Anpassungsstrategie an den Klimawandel (VI-DS-03029) können aber nicht isoliert die Thematik Hitze betrachten, sondern sind mit anderen Klimawandelfolgen zu verzahnen. Vor allem eine integrierte Betrachtung mit Extremereignissen, insbesondere Starkregen, sind zu gewährleisten. Synergien müssen sich aus einer komplexen Betrachtung ergeben, die u. a. durch multifunktionale Flächennutzungen zu gewährleisten sind (Regenrückhalt & Freiflächen; Beschattung durch Straßenbäume & Emissionsfilter; Blau-grüne Dächer als Regenrückhalt & Entlastung der Kanalisation) und damit auch eine Kosteneffizienz für die Stadtverwaltung ermöglichen.

In Umsetzung der genannten INSEK-Ziele laufen gegenwärtig zwei umfassende Untersuchungen. Zum einen die Stadtklimaanalyse und zum anderen die Erarbeitung des Masterplans Grün Leipzig 2030. In Letzteren werden wiederum die Ergebnisse der Stadtklimaanalyse integriert.

Um Maßnahmen gegen den städtischen Überwärmungseffekt ableiten zu können, arbeitet das Amt für Umweltschutz zusammen mit dem Stadtplanungsamt seit Sommer 2017 an einer Stadtklimaanalyse, deren Ziel es ist, stadträumliche Schwerpunktgebiete und wesentliche dynamische Prozesse zu identifizieren. Dabei ist die Ausweisung von Kaltluftleitbahnen, Ventilationsbahnen und Kaltluftentstehungsgebieten als auch von wertvollen Grünflächen und überhitzten Siedlungsflächen vorgesehen. Die stadtklimatische Analyse mit Hilfe einer Modellierung im 10 m Raster mit Aussagen zur Tag- und zur Nachtsituation ist fertiggestellt und wird mit der sich daraus ableitenden Hinweiskarte für die Planung veröffentlicht (Planungshinweiskarte Stadtklima). Letztere befindet sich in der Finalisierungsphase.

Mit dieser Grundlage werden in einer 2. Phase der Stadtklimaanalyse räumlich spezifische, planungsrelevante Maßnahmenbündel, auch in Abhängigkeit von Betroffenheiten, erarbeitet. Die Beauftragung der 2. Phase der Stadtklimamodellierung ist ab Mai 2019 vorgesehen.

Der aktuell in Erarbeitung befindliche Masterplan Grün Leipzig 2030 (VI-DS-05528) liefert entscheidende Erkenntnisse um Zielsetzungen und Maßnahmen zur Klimawandelanpassung insbesondere hinsichtlich der grün-blauen Infrastruktur zu formulieren. Im Masterplan Grün ist das Thema Klimaanpassung – neben den Themen Biodiversität, umweltgerechte Mobilität, Gesundheit und Umweltgerechtigkeit – als eines von fünf Hauptthemen verankert. Als zentrale Zielstellung der Hauptthemen wird die Identifizierung von unbedingt freizuhaltenden Flächen, sowohl im Einzelnen als auch im Verbund, gefordert. Entscheidend wird auch hier neben der Entwicklung eines gesamtstädtischen, integrierten Konzeptes letztlich die nachfolgende Erarbeitung konkreter Maßnahmen und entsprechender Steuerungsinstrumente sein. Der Masterplan Grün Leipzig 2030 soll in dem hier angeregten Sinne des 10-Punkte-Programms vor allem Aussagen zu den Punkten 1, 2, 4, 6, aber auch im Zusammenhang mit Punkt 8 liefern (1. Frischluftschneisen und Grünflächen schützen, 2. Mikroparks in allen Stadtteilen schaffen, 4. Mehr Wasserflächen schaffen, 6. Innenhöfe schützen, 8. Grüne Dächer und Fassaden).

Die integrierte Zusammenführung, Definition und Verortung von Flächen und Verbundachsen mit zentraler Bedeutung für die genannten Hauptthemen, darunter Klimaanpassung und Biodiversität ist die wesentliche Aufgabe und Zielsetzung für den Masterplan Grün 2030. Ziel ist es, dazu eine verbindliche Beschlusslage herbeizuführen, welche die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen für die Umsetzung darstellt, so dass eine entsprechende Berücksichtigung in der Bauleitplanung erfolgen kann.

Zu einzelnen Maßnahmen ergeben sich folgende Sachstände:

Der Schutz von kleineren Grünflächen respektive Brachflächen stößt aktuell häufig an seine Grenzen. Die Zulässigkeit von Bebauung ist überwiegend nicht an die Anforderung einer Durchführung von Kompensationsmaßnahmen gebunden, da derartige Flächen in Leipzig i. d. R. nach § 34 BauGB bebaut werden können. Lediglich bei städtischen Flächen könnte sich die Stadt verpflichten, bei kommunaler Bebauung freiwillig entsprechendes Grün begleitend zu erbringen. Hierzu müssten die entsprechenden Mittel bereitgestellt werden. Im Sinne des Prinzips der Doppelten Innenentwicklung („Innen- vor Außenentwicklung"), wozu sich die Stadt Leipzig bekennt, ist im Zuge einer baulichen Nachverdichtung im Bestand gleichzeitig der Erhalt, die Entwicklung und die Qualifizierung von Freiflächen verbunden.

Stärkere Steuerungsmöglichkeiten bestehen über das Instrument der Bauleitplanungen. Der resultierende Bedarf an Bebauungsplänen in Bestandsquartieren ist jedoch mit den im Haushaltsplan 2019/20 verankerten finanziellen und personellen Ressourcen in keiner Weise zu bewältigen. Zudem sind ggf. entstehende Entschädigungserfordernisse durch die Einschränkung bestehender Baurechte nicht finanziell hinterlegt.

Als weiteres Instrument bietet sich der Beschluss einer Freiflächengestaltungssatzung wie z. B. in München oder Weimar als „Satzung über die Gestaltung und Ausstattung der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke und über die Begrünung baulicher Anlagen“ an, vorbehaltlich einer rechtlichen Prüfung. Damit könnte ein Umsetzungsinstrumentarium zur Sicherstellung und Förderung einer angemessenen Durchgrünung und Gestaltung der Baugrundstücke geschaffen werden, insbesondere für Bauvorhaben nach § 34 BauGB. Aber auch weitere bestehende und noch zu erarbeitende kommunale Instrumente sind auf Ihre Wirksamkeit und Potentiale zu untersuchen und weiterzuentwickeln. Hierzu zählen beispielsweise die Stellplatz-, Baumschutz-, Gestaltungs- und Gründachsatzung.

Derzeit wird an der Gründachstrategie (Vl-A-01841-VSP-002; INSEK Fachkonzept Freiraum und Umwelt, Maßnahme M 3.3) gearbeitet, die einen Baustein zur Anpassungsstrategie an den Klimawandel darstellt. Sie wird in neuer und innovativer Weise das stadtentwicklungspolitische Ziel der nachhaltigen Flächenentwicklung mit den klimapolitischen Zielsetzungen der Anpassung an den Klimawandel verbinden. Zudem wird die Auflegung eines kommunalen Fördermittelprogramms zur Dachbegrünung angestrebt.

Mit der im Prozess befindlichen Vorlage „Straßenbaumkonzept der Stadt Leipzig“ (VI-DS-04570) hat das Amt für Stadtgrün und Gewässer den Handlungsbedarf an dieser Stelle dargestellt und unterstützt eine kurzfristige Beschlussfassung, inklusive des darin dargestellten mittelfristigen Investitionsprogramms und Stellenbedarfs als Voraussetzung für eine entsprechende Umsetzung.

Ohne Zweifel würde damit die kühlende Wirkung der Bäume durch Verdunstungskälte und durch den Schattenwurf deutlich ausgebaut werden können. Voraussetzung für einen Bestandszuwachs, also für zusätzliche Bäume, ist zwingend im ersten Schritt der Erhalt der Bestandszahl durch Nachpflanzungen. Es ist von einem durchschnittlichen alters-, verkehrssicherheits- und baustellenbedingten Verlust von 1 v. H. des Gesamtbestandes auszugehen, das sind ca. 600 Bäume pro Jahr. Die durchschnittlichen Gesamtkosten für die Baumpflanzung an vorhandenem Standort sind pro Baum mit 1.500 EUR veranschlagt.

Darauf aufbauend, ist für den angestrebten Bestandzuwachs von 1000 zusätzlichen Straßenbäumen pro Jahr (Ziel aus dem Luftreinhalteplan) ein mittel- und langfristiges Investitionsprogramm (ähnlich wie das Straßen- und Brückenbauprogramm) aufzustellen. In einer hälftigen Mischung von einfach zu bepflanzenden Straßenabschnitten (etwa in den vorhandenen Rasenstreifen) und den Standorten mit Kosten- und Bauaufwand (etwa Erstbepflanzungen in gründerzeitlichen Wohngebieten) wird im Entwurf des Straßenbaumkonzeptes ein Kostenansatz von durchschnittlich 2.500 EUR pro Baumstandort veranschlagt, was 2,5 Mio. EUR pro Jahr, und für ein 10-jähriges Investitionsprogramm folglich 25 Mio. EUR erfordert. Zwingend erforderlich für die Umsetzung eines solch dimensionierten Investitionsprogramms, das im Sinne des Antrages gegen Hitze steht, ist die Personalaufstockung im Amt für Stadtgrün und Gewässer. Der Entwurf des Straßenbaumkonzeptes geht hierfür von einem Bedarf von 5 VZÄ-Stellen aus.

Im aktuellen Entwurf des Straßenbaumkonzeptes sind die Prioritätengebiete aus den relevanten städtischen Konzepten und Planungen dargestellt und mit städtischen Wärme-Hotspots überlagert. Die Auswahl der Baumarten, die dem vorhandenen und prognostizierten Klimawandel mit Hitze- und Dürreperioden standhalten können, wird in Leipzig bereits praktiziert. Klimaresiliente Baumarten wie Silber-Linde, Hopfenbuche, Zerr-Eiche und andere werden in größeren Umfängen gepflanzt. Deutschlandweit richtungsweisend bei der Auswahl klimaresilienter Baumarten ist die Straßenbaumliste der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) beim Deutschen Städtetag. Derzeit steht die Beschlussfassung des Straßenbaumkonzeptes noch aus.

Die Stadtverwaltung Leipzig hat den Auftrag die im INSEK festgelegten Ziele (Z 3) umzusetzen. Derzeit sind hierzu u. a. die Stadtklimaanalyse mit der Phase 2 sowie der Masterplan Grün Leipzig 2030 in Erarbeitung. Mit diesen beiden Maßnahmen erfolgt im Moment eine umfassende „Bestandsaufnahme“ im Stadtraum. Damit werden die Grundlagen geschaffen, um eine inhaltliche und räumliche Priorisierung im Stadtgebiet vorzunehmen und so die Lebensqualität in Leipzig zu erhalten und den veränderten Klimabedingungen und der damit verbundenen Überhitzung der Stadt Rechnung zu tragen. Erst hieraus leiten sich die nächsten Schritte mit konkretem Flächenbezug ab, die durch integrierte Arbeitsweise und entsprechend den Zuständigkeiten genauer untersetzt werden können. Das Thema Hitze in der Stadt findet hierin Berücksichtigung.

Die Maßnahmenvorplanung ist an die derzeitigen Arbeitsschritte gekoppelt und erst zum II. Quartal 2020 näher darzustellen. Dann erfolgt die Benennung der erforderlichen Maßnahmen, woraus die finanziellen und personellen Ressourcen abgeleitet und abgebildet werden


Beschluss der Ratsversammlung am 26. Juni 2019

Der Antrag wurde in Form des Alternativvorschlages der Verwaltung, den sich die SPD-Fraktion als Änderungsantrag zueigen machte, beschlossen. Unsere Fraktion hat als Antragsteller diese Alternative als unzureichend abgelehnt. Dennoch stimmte eine Mehrheit des Stadtrates für den SPD-Vorschlag und damit gegen unseren weitergehenden Antrag.

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