Antrag: Aufhebung der Sperrstunde nach Sächsischem Gaststättengesetz
gemeinsamer Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen/Die Linke/SPD vom 18. August 2017
Beschlussvorschlag:
Der Oberbürgermeister wird aufgefordert/beauftragt die Sperrzeit entsprechend § 9 Absatz 2 Nummer 1 für die Stadt Leipzig aufzuheben.
Begründung:
Im Frühsommer diesen Jahres entbrannte in Leipzig eine Debatte über die so genannte Sperrstunde. Anlass war, dass das Gewerbe- und Sicherheitsamt der Stadt Leipzig dem „Institut für Zukunft“, einem renommierten Zentrum für elektronische Kultur und Bildung, übermittelte, dass von nun an die Sperrstunde einzuhalten ist.
Die Sperrstunde ist ein Relikt vergangener Zeiten. Einige Bundesländer haben sie ganz abgeschafft, in Sachsen gilt sie formal laut § 9 Sächsisches Gaststättengesetz und beginnt „bei öffentlichen Vergnügungsstätten um 5 Uhr und endet um 6 Uhr“. In dieser Zeit müssen die Einrichtungen ihren Betrieb einstellen.Allerdings kann die Sperrstunde von der Gemeinde „bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse“ (§ 9 Absatz 2 Nummer 1) aufgehoben werden.
Leipzig warb und wirbt an verschiedenen Stellen damit, dass die Sperrstunde in Leipzig nicht angewendet wird (z.B. in der Imagebroschüre „Leipzig lohnt sich“, Seite 10 http://www.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.7_Dez7_Wirtschaft_und_Arbeit/80_Amt_fuer_Wirtschaftsfoerderung/1_Unternehmensservice/ImagebroschuereLeipzig2010.pdf oder im Wirtschaftsbericht 2016, Seite 42 http://www.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.7_Dez7_Wirtschaft_und_Arbeit/80_Amt_fuer_Wirtschaftsfoerderung/1_Unternehmensservice/wibericht2015-de.pdf). Der in zahlreichen Publikationen verwendete Satz „Und das Beste: Das junge Leipziger Nachtleben kennt keine Sperrstunde.“ fand sich bis vor kurzem auch auf der Tourismus- und Gastgewerbe-Seite der Stadt Leipzig. Sogar auf Wikipedia ist nachzulesen: „In vielen anderen Städten wie z. B. Leipzig, Berlin und Hamburg gibt es keine generelle Sperr- oder Putzstunde.“
Offensichtlich wurden diese Aussagen der Stadt vor dem Hintergrund der Debatte um das „Institut für Zukunft“ revidiert.
Um Rechtsklarheit für alle Einrichtungen und Lokalitäten zu schaffen, begehren die AntragstellerInnen die grundsätzliche Aufhebung der Sperrstunde in Leipzig. Probleme mit Lärmbelästigung, wie sie im Fall des Instituts für Zukunft und in der Vergangenheit zum Beispiel auch der Distillery als Grund zur Bekräftigung der Sperrstunde angeführt wurden, können auch anders, vorzugsweise durch Kommunikation und Moderation, gelöst werden. Im Fall der Fälle gibt es das Gesetz hier Möglichkeiten in die Hand (vgl. § 9 Absatz 2 Nummer 2 Satz 2: „In den Fällen der Verkürzung oder Aufhebung der Sperrzeit können jederzeit Auflagen erteilt werden.“).
Grundsätzlich bleiben Sinn und Nutzen der Sperrstunde mehr als zweifelhaft. Für Veranstaltungs- und Party-Einrichtungen ist sie geschäftsschädigend, weil der Betrieb zumeist um die Zeit der Sperrstunde auf Hochtouren läuft. Für diese Einrichtungen bedeutet die Sperrstunde BesucherInnenschwund und damit das Wegbrechen von Einnahmen, was wiederum Arbeitsplätze bedroht und im schlimmsten Fall zu Schließung führen kann. Gegen Lärmbeschwerden kann die plötzliche Präsenz der VeranstaltungsbesucherInnen im öffentlichen Raum zudem gar nichts ausrichten.
Das „Institut für Zukunft“ schreibt in seinem Offenen Brief an die Fraktionen des Stadtrats: „Die Durchsetzung der Sperrstunde bewirkt das komplette Gegenteil von dem, was sich die Stadt Leipzig unverkennbar auf die Fahnen schreibt - Weltoffenheit, unternehmerische Attraktivität, Förderung von Kreativen und Kultur.“ Dem schließen sich die AntragsstellerInnen an.
Verwaltungsstandpunkt:
Alternativer Beschlussvorschlag der Verwaltung:
Nach Vorlage der notwendigen gerichtsfesten Begründungen sowie Stellungnahmen wird der Erlass der entsprechenden Rechtsverordnung erneut geprüft und dem Stadtrat in der Folge gegebenenfalls eine Rechtsverordnung zur Aufhebung der Sperrzeiten für Gaststätten sowie für öffentliche Vergnügungsstätten vorgelegt.
Sachverhalt:
Mit § 9 Sächsisches Gaststättengesetz werden die Gemeinden ermächtigt, in einem festgelegten Rahmen abweichende Regelungen zur Sperrzeit zu treffen.
Regelungen abweichend von der gesetzlich festgeschriebenen Sperrzeit zwischen 5 und 6 Uhr für ein gesamtes Gemeindegebiet kann jedoch nur der Stadtrat im Rahmen einer Rechtsverordnung treffen. Dafür sind bestimmte Voraussetzungen erforderlich; insbesondere muss dafür ein öffentliches Bedürfnis bestehen oder besondere örtliche Verhältnisse vorliegen, die dezidiert zu begründen sind.
Gemäß § 9 Absatz 2 Sächsisches Gaststättengesetz kann die Sperrzeit für Gaststätten und öffentliche Vergnügungsstätten durch Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung verlängert, verkürzt oder aufgehoben werden. Zwingende Voraussetzungen hierfür ist das Vorliegen eines öffentliches Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse.
Bei Vorliegen von fundierten und belastbaren Begründungen für ein solches öffentliches Bedürfnis, welche einer rechtlichen Prüfung standhalten, wäre die Möglichkeit zur Aufhebung der Sperrzeit somit für die Stadt Leipzig gegeben. Hierzu bedarf es der Vorlage von Stellungnahmen und Begründungen der Betroffenen und / oder der Antragsteller, denn nur diese Vorlagen können Grundlage einer verwaltungsrechtlichen Prüfung zur Feststellung des Vorliegens aller Voraussetzungen für den Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung sein.
Zu den inhaltlichen Erfordernissen dieser Stellungnahmen wurden bisher bereits zwei Beratungen im Ordnungsamt durchgeführt, an denen Vertreter des Amtes für Wirtschaftsförderung, der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, der Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA) Sachsen und Betreiber von öffentlichen Vergnügungsstätten teilgenommen haben. Dabei wurde herausgearbeitet, dass der Verwaltung die relevanten Begründungen zugeleitet werden, die den Erlass einer Rechtsverordnung im o. g. Sinne rechtfertigen könnten.
Erst nach Eingang der genannten Begründungen wird der Erlass der entsprechenden Rechtsverordnung erneut geprüft und dem Stadtrat in der Folge gegebenenfalls eine Rechtsverordnung zur Aufhebung der Sperrzeit für Gaststätten sowie für öffentliche Vergnügungsstätten vorgelegt. Der Inhalt der Begründungen muss dabei zunächst vorab auf Gerichtsfestigkeit geprüft werden.
Beschluss der Ratsversammlung am 28. Februar 2018:
Der Antrag wurde im Sinne des Verwaltungsstandpunktes einstimmig bei 6 Enthaltungen beschlossen.
Stand zur Umsetzung des Beschlusses vom 11. September 2018
In der Stadtratssitzung vom 22.08.2018 wurde die Thematik der Aufhebung der Sperrstunde nach Sächsischem Gaststättengesetz behandelt und mit großer Mehrheit beschlossen. Nach Veröffentlichung im Amtsblatt der Stadt Leipzig am 01.09.2018 entfällt die Sperrzeit somit ab sofort