Antrag: Auflösung Dialogforum LEJ

Beschlussvorschlag:

Die Stadtverwaltung beendet das Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle zum schnellst- bzw. nächstmöglichen Zeitpunkt. Die durch die Einstellung des Dialogforums eingesparten Kosten sind für den Aufbau und Betrieb der 2021 vom Rat beschlossenen drei kommunalen Fluglärm-Messstationen zu verwenden.

Begründung:

Das Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle ist nach einem entsprechenden Antrag der damaligen Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus dem Jahr 2009 eingerichtet worden.

Mit Beschluss des Stadtrats Nr. RBV-1792/13 vom 16.10.2013 ist der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig beauftragt worden, das Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle neu einzurichten. Kern der Neuausrichtung war die Sicherstellung der Mitwirkung der Unternehmen am Standort des Flughafens.

Eine Bedingung für die Teilnahme am Dialogforum war, dass die Betriebsgenehmigung des Flughafens nicht zur Diskussion gestellt wird. Diese von den Vertreter*innen des Flughafens eingebrachte Forderung wurde erfüllt. Dem Dialogforum wurden auf diese Weise von vornherein „die Flügel gestutzt“.

Das Dialogforum soll die Möglichkeiten der Entlastung von Lärm- und Schadstoffemissionen im Dialog zwischen Verursacher*innen und Betroffenen ausloten. Ein Problem des Forums: Die hier zwischen Vertreter*innen der Stadtratsfraktionen, der Anwohnenden und des Flughafens/DHL eventuell befürworteten Schutzmaßnahmen sind für den Flughafen letztlich nicht bindend. Die Ergebnisse des Forums sind juristisch betrachtet nur „Empfehlungen“.

Mittlerweile befindet sich das Dialogforum in seiner dritten Dialogperiode, die 2020 startete. Konkrete Ergebnisse kann das Forum nicht vorweisen. Es wird immer deutlicher, dass die Diskussionen im Forum sich wiederholen bzw. im Kreis drehen. Ein Dialog um des Dialogs willen ist ohne Sinn und Zweck.

Die vom Rat 2021 beschlossenen drei kommunalen Fluglärm-Messstationen (Standorte: Lindenthal/Breitenfeld, Lützschena-Stahmeln und Burghausen/Gundorf) sind bis heute nicht eingerichtet. Um den Prozess der Installation zu beschleunigen, müssen die notwendigen finanziellen Mittel für Aufbau und Betrieb der Messstationen möglichst schnell bereitgestellt werden.
Da aktuell der Ausbau des Flughafens voranschreitet und ein Planfeststellungsverfahren ins Haus steht, das einen noch umfangreicheren Ausbau des Flughafens anpeilt, sind verlässliche Daten vor allem über den nächtlichen Fluglärm dringend erforderlich.

 

Verwaltungsstandpunkt

Beschlussvorschlag

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, auf die Weiterführung des Dialogforums Flughafen Leipzig/Halle als Informations-, Kommunikations- und Netzwerkplattform für Themen rund um den aktuellen und zukünftigen Betrieb des Flughafens Leipzig/Halle in der vorgesehenen Kernbesetzung gemäß Beschluss der Ratsversammlung vom 13.07.2022 zu VII-DS-06967 hinzuwirken.
  2. Das Dialogforum wird beauftragt, regelmäßig zu evaluieren, ob weitere und welche Interessengruppen bzw. Akteure dem Forum beitreten sollten. Kommt das Dialogforum zu dem Ergebnis, dass eine Aufnahme weiterer Mitglieder für den zukünftigen Dialog förderlich ist und sind potentielle Vertreterinnen und Vertreter aus der Interessengruppe gefunden, beschließt das Dialogforum nach vorheriger Information des Fachausschusses Umwelt, Klima und Ordnung durch den zuständigen Bürgermeister über die Aufnahme dieser neuen Mitglieder in das Dialogforum.

     

    Zusammenfassung

    Der Haushaltsantrag sieht vor, das Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle aufzulösen sowie zugehörige Finanzmittel umzuwidmen. Die Prüfung dessen hat ergeben, dass der Argumentation im Haushaltsantrag nicht gefolgt wird. Trotz des Rücktritts einiger Mitglieder aus dem Dialogforum im Frühjahr 2023 haben sich die verbliebenen Mitglieder in der Sitzung vom 12.07.2023 ausdrücklich für eine Weiterführung des Dialogforums als Informations-, Kommunikations- und Netzwerkplattforum ausgesprochen. Außerdem wird die im Haushaltsantrag vorgeschlagene Umwidmung der finanziellen Mittel des Dialogforums zur Realisierung stadteigener Fluglärmmessstationen aus finanzieller und inhaltlicher Sicht als nicht sachgerecht bewertet. Daher umfasst der Alternativvorschlag die Fortführung des Dialogforums mit allen bisher vorgesehenen Beteiligten sowie ggf. neuen Akteuren, um sich gegenseitig zu informieren, zu vernetzen, Wissen auszutauschen und mögliche Handlungsoptionen zur Entlastung der Anwohnenden auszuloten. Neben wechselseitigem Verständnis soll der Dialog zur Gestaltung zukunftsfähiger örtlicher Bedingungen beitragen.

    Sachverhalt

    1. Begründung Kreuz auf dem Deckblatt

    Das Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle befindet sich derzeit in seiner dritten Dialogperiode, welche 2020 startete. Im Jahr 2022 wurde der Oberbürgermeister mit Beschluss der Ratsversammlung vom 13.07.2022 zu VII-DS-06967 beauftragt, auf eine Anpassung der Kernbesetzung hinzuwirken. Grund hierfür war vornehmlich die Anpassung des Mitgliederkreises an die bis dato bestehende Praxis sowie die Aufnahme je eines neuen Mitglieds aus der Gruppe der Ortschaftsräte sowie der Bürgerinitiativen. Letzteres erfolgte aufgrund des Ausscheidens einer bisher im Dialogforum vertretenen Bürgerinitiative. Zusätzlich sieht jener Beschluss aus dem Jahr 2022 vor, den sächsischen Fluglärmschutzbeauftragten zu den Sitzungen als Gast mit beratender Funktion einzuladen.

    Diese vom Stadtrat beschlossene Anpassung der Kernbesetzung befindet sich seitdem im Dialogforum in Bearbeitung. Zu Beginn bzw. im Nachgang der Sitzung des Dialogforums vom 24.05.2023 haben fünf Mitglieder ihren Austritt erklärt (je zwei aus der Gruppe der Bürgerinitiativen sowie der Fraktionen des Stadtrats, ein Mitglied aus der Gruppe der Ortschaftsräte), zudem gaben die zur Aufnahme vorgesehenen Mitgliedsanwärter (Ortschaftsrat Burghausen sowie das Aktionsbündnis für Klima- und Lärmschutz und sofortigen Ausbaustopp am Flughafen Leipzig/Halle) ihren Rückzug vom Dialogforum bekannt. Eine entsprechende Beschlussvorlage zur Aufnahme dieser beiden Anwärter war Gegenstand der Tagesordnung der Sitzung vom 24.05.2023, der Rückzug erfolgte jedoch vor Behandlung des Tagesordnungspunkts.

    Im den Austritten folgenden Gespräch am 24.05.2023 wurde durch die verbliebenen anwesenden Mitglieder entschieden, kurzfristig am 12.07.2023 eine außerordentliche Sitzung des Dialogforums durchzuführen, um den nicht anwesenden Forumsmitgliedern Gelegenheit zu geben, die Ereignisse jener Sitzung und die Zukunft des Forums mit zu erörtern.

    In der Sitzung vom 12.07.2023 haben sich die Anwesenden zunächst über die bisherige Arbeit des Gremiums ausgetauscht. Entgegen der Aussage in der Begründung des Haushaltsantrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde übereinstimmend festgestellt, dass das Dialogforum durchaus Ergebnisse vorweisen kann. Die Mitglieder haben sich in den zurückliegenden Jahren mit vielfältigen Themen im Zusammenhang mit dem Flugbetrieb am Flughafen beschäftigt, dabei ihr Wissen aufgrund der Einladung von Expertinnen und Experten in das Dialogforum erheblich erweitert, den Blick auf die jeweiligen Positionen geschärft und wechselseitiges Verständnis erhöht. Zudem beeinflusst der Dialog nach Meinung der Anwesenden auch Veränderungen im Flughafenbetrieb.

    Besonders hervorzuheben ist der Ratsbeschluss RBV-650/11 vom 19.01.2011 zur „Verbesserung des aktiven Schallschutzes am Flughafen Leipzig/Halle“, welcher auf ein Referat des Flughafengutachters Herrn Faulenbach da Costa im Dialogforum zu verschiedenen Möglichkeiten des aktiven Lärmschutzes an Flughäfen zurückgeht.
    Dieser Ratsbeschluss beinhaltet ein Maßnahmenpaket zum aktiven Lärmschutz, welches 2011 in die Fluglärmkommission für den Flughafen Leipzig/Halle eingebracht worden ist.
    Die einzelnen Maßnahmen wurden seit dem Jahr 2012 in diesem Gremium ausführlich debattiert und erfahren heute eine teilweise Umsetzung. So wurde am 16.10.2014 das kontinuierliche Sinkflugverfahren am Flughafen Leipzig/Halle eingeführt. Von Dezember 2015 bis Januar 2020 erfolgte ein Probebetrieb mit dem Point-Merge-Anflugverfahren, welches zu einer deutlichen Lärmentlastung des südlichen Leipziger Stadtgebietes geführt hat. Ende Januar 2020 wurde dieser Probebetrieb beendet und neue Anflugverfahren für einen parallel unabhängigen Bahnbetrieb am Flughafen Leipzig/Halle eingeführt. Dabei sehen die aktuellen südlichen Anflugverfahren im Bereich der Stadt Leipzig eine größere Spreizung zwischen Gegenanflug und Endanflug vor, was dem Lärmverbesserungsvorschlag der Stadt Leipzig aus dem Jahr 2011 entspricht.

    Eine langfristig angelegte Maßnahme zur Reduzierung der Lärmbelastung, die aus dem o. g. Antrag der Stadt Leipzig in der Fluglärmkommission hervorgeht, sind die ab November 2015 auf Schkeuditzer und Leipziger Flur erfolgten Anpflanzungen für einen Hochwald.

    Als besondere Stärke des Dialogforums, auch im Vergleich zu anderen Formaten wie Informationsveranstaltungen einzelner Interessengruppen oder bilateralen Gesprächen, wird der gemeinsame Austausch in der Breite aller Interessengruppen gesehen. In vergleichbarer Auffassung und ergänzend zum positiven Fazit zur bisherigen Arbeit im Dialogforum waren sich alle Anwesenden in der Sitzung am 12.07.2023 einig, dass sie am Dialogforum mit einer klaren Etikette festhalten wollen und sich ein entsprechendes Gremium für Informationsaustausch, Wissenstransfer und Dialog auch für die Zukunft wünschen. Daher wurde hinsichtlich des Teilnahmekreises die Beibehaltung der bisherigen Zusammensetzung favorisiert und sich ergebnisoffen über mögliche weitere Interessierte bzw. Interessengruppen sowie öffentliche/nichtöffentliche Sitzungsformate ausgetauscht. Beispielweise wurde die Beteiligung von jungen Menschen vorgeschlagen, um die Sichtweisen der zukünftigen Generation in den Dialog mit einbeziehen zu können.

    Ein im Haushaltsantrag VII-HP-08789 angeführtes Argument für die Auflösung des Dialogforums verknüpft dessen Abschaffung mit den durch die Ratsversammlung in 2021 beschlossenen stadteigenen Fluglärmmessstellen. Dies erscheint nicht sachgerecht. Die für die Anschaffung und Installation der Messstellen benötigten finanziellen Mittel werden über die Mehrbedarfsvorlage VII-HP-05094-NF-02 im Jahr 2023 gemäß § 79 (1) SächsGemO als außerplanmäßige Auszahlung i. H. v. 105.000 Euro im PSP-Element „Amt 36 Maschinen und technische Anlagen 2023“ (7.0002122.710.040.023) bereitgestellt. Die Deckung erfolgt aus dem Budget der Wirtschaftsförderung (80_571_zw) – Innenauftrag Nordraumkonzept (1080 0000 0064). Folgekosten der Fluglärmmessstellen wurden bereits bei der Planung des Doppelhaushalts 2023/2024 im Innenauftrag 1036 0000 0011 in Höhe von 10.000 EUR berücksichtigt.

    Mit Blick auf die ebenfalls in der Begründung des o. g. Haushaltsantrags angeführte Erforderlichkeit „verlässlicher Daten“ wird zudem in Anlehnung an den Verwaltungsstandpunkt VII-A-06120-VSP-01 zum Antrag auf Aufbau und Betrieb dreier Fluglärmmessstellen erneut angemerkt, dass eigene Fluglärmmessungen der Stadt Leipzig nur informativen Charakter haben werden und amtliche Messungen nicht ersetzen können. Gemäß § 19a Luftverkehrsgesetz ist die Flughafen Leipzig/Halle GmbH für regelkonforme und amtliche Fluglärmmessungen zuständig.

    Aufgrund des geschilderten Sachstands zu den stadteigenen Fluglärmmessungen und vor allem der Ergebnisse der Sitzung des Dialogforums vom 12.07.2023 wird der Haushaltsantrag VII-HP-08789 (A 0013/ 23/24) zur Auflösung des Dialogforums abgelehnt und stattdessen ein Alternativvorschlag unterbreitet. Dieser sieht im ersten Punkt die Weiterführung des Dialogforums als Informations-, Kommunikations- und Netzwerkplattform vor, mit dem Ziel der Mitwirkung aller im Stadtratsbeschluss vom 13.07.2022 zu VII‑DS‑06967 genannten Vertreterinnen und Vertreter.

    Das Dialogforum soll den beteiligten Akteuren aus den Interessengruppen zum gegenseitigen Informationsaustausch rund um den aktuellen Betrieb und künftige Entwicklungen des Flughafens Leipzig/Halle dienen, mit dazugehörigem spezifischen Wissenstransfer sowie der Kontaktpflege untereinander. Der Dialog soll offen, respektvoll und tolerant geführt werden und dadurch ermöglichen, die jeweiligen Interessen der beteiligten Gruppen sachlich zu verdeutlichen, Vertrauen zwischen deren Akteuren aufzubauen und auf dieser Grundlage Handlungsoptionen (z. B. zum Schutz der Anwohnenden und der Umwelt) auszuloten. Dementsprechend sollte Punkt 3 des Beschlusses der Ratsversammlung Nr. RBV-1792/13 vom 16.10.2013 mit den genannten Aufgaben und Zielen weiterhin gelten. Grundsätzlich kann das Dialogforum Empfehlungen an zuständige Stellen abgeben, beispielsweise an die Leipziger Ratsversammlung, die Fluglärmkommission für den Flughafen Leipzig/Halle und das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.

    Im zweiten Punkt sieht der Alternativvorschlag eine regelmäßige Evaluierung der Aufnahme weiterer Akteure aus neuen oder den bereits vertretenen Interessengruppen durch die Mitglieder des Dialogforums vor, bei gegebenem Anlass oder Bedarf. Beispielhaft sei hier die Prüfung der Einbindung junger Menschen benannt, wie z. B. von Vertreterinnen und Vertretern des Jugendparlaments, oder thematisch Interessierter. Neben der Anpassung des Teilnahmekreises an aktuelle Bedarfe können durch die Einbeziehung weiterer, bisher unbeteiligter Gruppen neue Perspektiven und Diskussionsansätze in den Dialog eingebracht und die Zukunftsfähigkeit des Dialogforums sichergestellt werden. Dazu kann das Dialogforum im Einzelfall auch öffentliche Sitzungen durchführen.

    Hinsichtlich der Prüfung der Aufnahme weiterer Mitglieder ist auf eine möglichst paritätische Verteilung der Besetzung, also ein ausgeglichenes Kräftegleichgewicht der verschiedenen Gruppen zu achten. Zudem wird empfohlen, das Forum auf eine maximale Anzahl von insgesamt 35 ständigen Mitgliedern zu begrenzen, um die Arbeitsfähigkeit des Dialogforums zu gewährleisten. Die im Beschlussvorschlag vorgesehene Information des Stadtrats vor der Aufnahme weiterer Mitglieder ins Dialogforum bietet eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu geplanten Änderungen vor deren Umsetzung.

    Abschließend wird betont, dass gerade auch aufgrund des geplanten Ausbaus des Flughafens und des derzeit laufenden Planfeststellungsverfahrens die Weiterführung eines umfassenden Dialogs mit einem breiten Teilnahmekreis als ein zentraler Beitrag angesehen wird – nicht nur um über zukünftige Entwicklungen zu informieren, sondern insbesondere um für die betroffenen Leipziger Stadtgebiete zukunftsfähige örtliche Bedingungen auszuloten.

 

Beschluss vom 15. November 2023

Der Antrag wurde mit 19/21/14-Stimmen vom Stadtrat abgelehnt.

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