Antrag: "Bürgerenergie vereinfachen!"

Gemeinsamer Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Linke

Beschlussvorschlag:

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt die Errichtung von steckerfertigen Erzeugungsanlagen durch das Absenken bürokratischer und technischer Hürden zu vereinfachen. In Zusammenarbeit mit den Stadtwerken und dem Netzbetreiber soll ein vereinfachtes Anmeldeverfahren zum Betrieb von steckerfertigen Erzeugungsanlagen realisiert werden. Die Erfahrungen von Nutzer:innen sind hier einzubeziehen. Folgende Bestimmungen sollen geprüft und ggf. überarbeitet werden:

    a.) Vereinfachung der Checkliste im Anmeldeverfahren einer steckerfertigen (Balkon-)PV-Anlage
    b.) Die Stadtwerke verzichten auf die Installation nicht zwingend notwendiger Energiesteckdosen
    c.) Nutzung eines Zählers mit Rücklaufsperre anstelle eines kostenintensiveren Zweirichtungszählers
    d.) Abschaffung der 70 %-Regel bei der maximalen Erzeugungsleistung

  2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bei der Bewerbung des Förderprogramms für steckerfertige (Balkon-)PV-Anlagen öffentlich wirksam auf Energieberatungsmöglichkeiten für die Installation von steckerfertigen Erzeugungsanlagen hinzuweisen.

Begründung:


In Leipzig stehen – wie in allen Städten – etliche ungenutzte, aber bestens geeignete Dachflächen zur Nutzung von Sonnenenergie zur Verfügung. Auch Fassaden und Balkons eignen sich zur Solarenergienutzung.

Auf Initiative der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen wurde im Leipziger Doppelhaushalt 2021/22 ein Programm zur Förderung privater steckerfertiger (Balkon-)PV-Anlagen aufgelegt, um die Bürgerenergie in Leipzig zu stärken. Damit diese Solaroffensive nicht an bürokratischen Hürden scheitert, muss in Zusammenarbeit mit den Leipziger Stadtwerken und dem Netzbetreiber das Anmelden und Errichten einer steckerfertigen Erzeugungsanlage vereinfacht werden.
Eine wesentliche Barriere beim Anmeldeverfahren einer (Balkon-)PV-Anlage ist die umfangreiche Checkliste. Ein Beispiel für ein vereinfachtes Anmeldeformular bieten die Netze BW.

Im Moment wird in Leipzig zur Einspeisung der Sonnenenergie über eine PV-Balkonanlage eine sogenannte Energiesteckdose verlangt. Diese muss durch eine:n Elektriker:in installiert werden, was mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden ist und der Einfachheit einer „steckbaren PV-Anlage“ entgegensteht. Anstelle einer Energiesteckdose kann auch eine SchuKo-Steckdose genutzt werden, was technisch möglich und in anderen Ländern – wie Österreich – längst die Norm ist.
Bei den Zählern wird momentan noch ein Zweirichtungszähler in Leipzig gefordert. Theoretisch kann jedoch der Netzbetreiber einen Zähler mit Rücklaufsperre nutzen, was kostengünstiger ist.

Leider wird die Nutzung einer PV-Balkonanlage auch durch die 70%-Regel erschwert, die besagt, dass die maximale Erzeugungsleistung mit Hilfe geeigneter technischer Maßnahmen auf 70% begrenzt wird. Diese Regel leitet sich aus dem EEG ab, wird allerdings bei manchen Stadtwerken – wie bei den Stadtwerken München – nicht vorgegeben. Deshalb soll geprüft werden, ob diese Vorgabe notwendig ist.

Über staatlich geförderte Projekte besteht für Leipziger Bürger*innen auch die Möglichkeit, sich für die Prüfung und Installation einer privaten steckerfertigen (Balkon-)PV-Anlagen beraten zu lassen. Beispielsweise bietet die Verbraucherzentrale Sachsen als Teil eines bundesweiten vom BMWI geförderten Projekts Energieberatungen an. An den Standorten der Verbraucherzentrale kann eine kostenlosen Beratung erfolgen und eine Beratung am Gebäude in Form eines Gebäude- oder Detail-Checks (30€ Eigenanteil für Ratsuchende) durch die Energieberater*innen erfolgen.

Da solche Energieberatungen noch zu wenig bekannt sind, soll die Stadt Leipzig ggf. über die Öffentlichkeitsarbeit des Referates Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz öffentlich wirksam auf solche Beratungsmöglichkeiten hinweisen. Zu prüfen ist auch, ob im Rahmen eines Budgets eine Finanzierung der Gebäude-/ Detail-Checks im Rahmen eines Kontingents durch die Stadtverwaltung zu finanzieren ist.

Weiterführende Links:

(https://www.netze-bw.de/einspeiser/pluginPV)
https://www.pvplug.de/standard/
https://www.pv-magazine.de/2019/11/21/legal-oder-illegal-stecker-solar-geraete-im-labyrinth-der-normung/
https://www.swm-infrastruktur.de/dam/swm-infrastruktur/dokumente/strom/netzanschluss/anmeldung-steckerfertige-erzeugungsanlage.pdf
https://verbraucherzentrale-energieberatung.de/

Verwaltungsstandpunkt vom 9. Juli 2021

Alternativvorschlag:

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bei der Bewerbung des Förderprogramms für steckerfertige (Balkon-)PV-Anlagen öffentlich wirksam auf Energieberatungs-möglichkeiten für die Installation von steckerfertigen Erzeugungsanlagen hinzuweisen.
  2. Sobald sich die gesetzlichen Vorschriften und technischen Regeln für Anmeldung, Installation und Betrieb von steckerfertigen (Balkon-)PV-Anlagen ändern, sind diese umgehend von der Netz Leipzig GmbH zu übernehmen und öffentlich über die Internetseite zu kommunizieren.


Begründung Alternativvorschlag

Gemäß den Ausführungen ist der im Antrag formulierte Beschlussvorschlag 1 a) bis d) rechtlich nicht umsetzbar und wird durch einen Alternativvorschlag ersetzt.

Nach fachlicher Einschätzung durch die Leipziger Stadtwerke sowie die Netz Leipzig ist festzustellen, dass aufgrund bestehender gesetzlicher Vorgaben und technischer Regelungen für den Anschluss von Erzeugungsanlagen wie bspw. steckerfertige PV-Anlagen eine weitere Vereinfachung des Installations- und Anmeldeverfahrens nicht möglich ist. Ausschlaggebend sind hierbei insbesondere die Vorschriften des Messstellenbetriebs-gesetzes (MsbG), des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG 2021), sowie die Regeln des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. [VDE AR-N 4100 „Technische Regeln für den Anschluss von Kundenanlagen an das Niederspannungs-netz und deren Betrieb (TAR Niederspannung)“ und die VDE AR-N 4105 „Erzeugungs-anlagen am Niederspannungsnetz - Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“]. Diesen Regelungen unterliegt ebenso die Netz Leipzig GmbH, welche den Anschluss von Erzeugungsanlagen verantwortet und umsetzt. Es folgen Ausführungen zu den einzelnen Beschlussvorschlägen des ursprünglichen Antrags Nr. VII-A-02789:

 

1a) Vereinfachung der Checkliste im Anmeldeverfahren einer steckerfertigen (Balkon-)PV-Anlage

Für steckerfertige Erzeugungsanlagen ist gemäß DIN VDE V 0100-551-1 bei Vorhandensein eines Zweirichtungszählers und einer speziellen Energiesteckdose ein vereinfachtes Inbetriebsetzungsverfahren vorgesehen, so die Voraussetzungen der DIN VDE V 0100-551-1 erfüllt sind. Die Netz Leipzig GmbH stellt unter diesen Voraussetzungen (genau wie die in der Anfrage benannten Netzbetreiber) bereits ein vereinfachtes Anmeldeverfahren zur Verfügung. Dieses wird einem regelmäßigen Review unterzogen, um die Anmeldung unter Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorschriften und technischen Regeln so einfach wie möglich zu gestalten.

 

1b) die Stadtwerke verzichten auf die Installation nicht zwingend notwendiger Energiesteckdosen

Unter den geltenden gesetzlichen Vorschriften und technischen Regeln ist der angefragte Verzicht nicht möglich. Grundsätzlich hat der Analgenbetreiber zwei Möglichkeiten zum Anschluss steckerfertiger PV-Anlagen: Gemäß DIN VDE V 0100-551-1 ist ein Anschluss entweder fest oder durch eine spezielle Energiesteckvorrichtung (Energiesteckdose) möglich, um einen Berührungsschutz zu gewährleisten. Anlagen mit einem typischen Schutzkontaktstecker sind in Deutschland unzulässig, sodass sich ein Verzicht ausschließt. Besonders wichtig ist hierbei, dass niemals mehrere Anlagen über einen Mehrfachverteiler an eine Haushaltssteckdose angeschlossen werden, um Überlastungen der Stromleitungen und damit mögliche Kabelbrände zu vermeiden.

 

1c) Nutzung eines Zählers mit Rücklaufsperre anstelle eines kostenintensiveren Zweirichtungszählers

Dies ist unter den geltenden gesetzlichen Vorschriften und technischen Regeln nicht möglich. Ein normaler Einrichtungszähler mit Rücklaufsperre ist unzureichend, da die ins öffentliche Stromnetz eingespeisten Energiemengen erfasst werden müssen. Für den Betrieb einer steckerfertigen PV-Anlage ist daher ein Zweirichtungszähler zu nutzen. Gemäß § 55 Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) ist die dem Netz entnommene Elektrizität ebenso wie der in das Netz eingespeiste Strom aus Anlagen nach dem EEG bzw. dem KWKG zu messen.

Zu erfassen sind dementsprechend auch etwaige Einspeisungen aus steckerfertigen PV-Anlagen in das Netz, selbst wenn es sich dabei nur um geringfügige Stommengen handeln sollte. Ausnahmen vom Erfordernis der Bezugs- oder Einspeisemessung sind im MsbG nicht vorgesehen. Die Notwendigkeit einer Einspeisungsmessung ergibt sich darüber hinaus aus den Anforderungen an die Systemstabilität und dem Erfordernis der Zuordnung jeglichen Bezugs oder jeglicher Einspeisung zu einer Entnahme- bzw. Einspeisestelle.

 

1d) Abschaffung der 70 %-Regel bei der maximalen Erzeugungsleistung

Auch diesem Anliegen kann unter den geltenden gesetzlichen Vorschriften und technischen Regeln nicht nachgekommen werden. Steckerfertige PV-Anlagen sind EEG-Anlagen und unterliegen dem Regelungsregime des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Für sie gelten somit dieselben Rechte und Pflichten wie für größere PV-Anlagen. Die Netz Leipzig GmbH setzt für alle Erzeugungsanlagen die gesetzlichen Vorgaben diskriminierungsfrei um. Laut § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EEG 2021 müssen Betreiber von Solaranlagen bis 25 kW (worunter auch steckerfertige PV-Anlagen fallen) ihre Anlagen mit technischen Einrichtungen ausstatten, über welche der Netzbetreiber jederzeit die Einspeiseleistung ganz oder teilweise zumindest bei Netzüberlastung ferngesteuert reduzieren kann oder am Verknüpfungspunkt zwischen Anlage und Netz die maximale Wirkleistungseinspeisung auf 70 % der installierten Leistung begrenzt wird. Die Möglichkeit der Begrenzung der Einspeiseleistung anstelle der Ausstattung mit technischen Einrichtungen zur Regelung durch den Netzbetreiber stellt bereits eine Erleichterung für kleinere PV-Anlagen dar.

 

2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bei der Bewerbung des Förderprogramms für steckerfertige (Balkon-)PV-Anlagen öffentlich wirksam auf Energieberatungsmöglichkeiten für die Installation von steckerfertigen Erzeugungsanlagen hinzuweisen.

Der Beschlussvorschlag 2 wird übernommen und um einen Alternativvorschlag ergänzt.

Die Stadt Leipzig arbeitet bereits langjährig mit den Energieberatern der Verbraucherzentrale Sachsen zusammen und bewirbt deren Beratungsangebote wie bspw. Gebäude- und Energiechecks sowie Vortragsreihen zum Thema der solaren Energieerzeugung. Im Rahmen eines Förderprogramms für steckerfertige (Balkon-)PV-Anlagen lässt sich diese gewinnbringende Kooperation weiter intensivieren und der fachliche Austausch stärken.

Realisierungs- / Zeithorizont

Sobald sich die gesetzlichen Vorschriften und technischen Regeln für Anmeldung, Installation und Betrieb von steckerfertigen (Balkon-)PV-Anlagen ändern, sind diese umgehend von der Netz Leipzig GmbH zu übernehmen und öffentlich zu kommunizieren. Zudem wird die Stadt Leipzig bei der Bewerbung des Förderprogramms für steckerfertige (Balkon-)PV-Anlagen öffentlich wirksam auf Energieberatungsmöglichkeiten für die Installation von steckerfertigen Erzeugungsanlagen hinweisen.

 

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