Antrag: Bedarfsgerechte Einrichtung psychosozial und psychotherapeutisch betreuter Wohngruppen

Neufassung vom 04. Februar 2021

Beschlussvorschlag:

Die Ratsversammlung beschließt:

  1. Für die Versorgung schwer traumatisierter Geflüchteter wird eine bedarfsgerecht psychosozial und psychotherapeutisch betreute Wohngruppe eingerichtet. In diesen ist eine 24-Stunden-Betreuungsbereitschaft abgesichert. Die Bewohner_innen werden interdisziplinär von Fachkräften betreut. Der Betreuungsschlüssel ist adäquat.
  2. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzept für die Versorgung schwer traumatisierter Geflüchteter und/oder chronisch psychisch erkrankter Geflüchteter mit Angeboten der psychiatrischen und psychosozialen Regelversorgung und ggf. zusätzlichen komplementären Angeboten zu erarbeiten.
  3. Der Ratsversammlung wird das Konzept im 1. Quartal 2022 zur Beschlussfassung vorgelegt.

 

 

Begründung:

Wir begrüßen, dass die Verwaltung mittelfristig ein Konzept vorlegen möchte. Parallel dazu benötigen wir jedoch ein Angebot.

Die psychosoziale und psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung von Geflüchteten ist unzulänglich. Trotzdem das Problem bis auf die Ebene der Bundesregierung bekannt ist, geschieht zu wenig, um die Versorgung abzusichern.

Die therapeutische Versorgung ist lückenhaft. Durch den fehlenden Anspruch an Gesundheitsleistungen werden psychisch erkrankte Geflüchtete nur notfallmäßig versorgt. Zu einer grundständigen psychiatrisch – psychotherapeutischenen Versorgung gehören aber primäre und sekundäre Vorsorge, Therapie und Nachsorge. Mit der Notfallversorgung wird nur ein akuter Bedarf gedeckt, jedoch könnte dieser vermieden werden durch kontinuierliche Angebote.

Die Stadt fördert bereits gemeinsam mit dem Land Angebote für Geflüchtete im Bereich der ambulanten psychiatrischen Versorgung, doch diese sind nicht ausreichend ausgestattet, die Wartezeiten bei Mosaik e.V. betragen inzwischen eineinhalb Jahre. Auch die gemeindenahe Psychiatrie kann aktuell keine engmaschige Versorgung absichern.

Aktuell werden psychisch auffällige Geflüchtete in andere Gemeinschaftsunterkünfte umverteilt, die Bewohnerschaften sind verunsichert, das Umfeld alarmiert. Die Wohnsituation verbunden mit der fraglichen Bleibeperspektive verschärft psychische Auffälligkeiten und trägt zur Eskalation der Gesamtsituation bei. Um die Versorgung besser abzusichern, schlagen wir eine eigene Wohnform für psychisch erkrankte Geflüchtete vor, wo Fachpersonal geeignet mit den Erkrankten umgehen, sie fachgerecht betreuen und auch interdisziplinär behandeln kann und die Gemeinschaftsunterkünfte insgesamt entlastet werden können.

Die Stadt Leipzig hat bereits Erfahrung mit ausgewiesenen Angeboten für Geflüchtete. Beispielhaft sei die GU Eythstraße genannt.

 

Antrag vom 22. Oktober 2020

Beschlussvorschlag:

Für die Versorgung schwer traumatisierter Geflüchteter werden bedarfsgerecht psychosozial und psychotherapeutisch betreute Wohngruppen eingerichtet. In diesen ist eine 24-Stunden-Betreuungsbereitschaft abgesichert. Die Bewohner*innen werden interdisziplinär von Fachkräften betreut. Der Betreuungsschlüssel ist adäquat.

Begründung:

Die psychosoziale und psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung von Geflüchteten ist unzulänglich. Trotzdem das Problem bis auf die Ebene der Bundesregierung bekannt ist, geschieht zu wenig, um die Versorgung abzusichern.

Die therapeutische Versorgung ist lückenhaft. Durch den fehlenden Anspruch an Gesundheitsleistungen werden psychisch erkrankte Geflüchtete nur notfallmäßig versorgt. Zu einer grundständigen psychiatrisch – psychotherapeutischen Versorgung gehören aber primäre und sekundäre Vorsorge, Therapie und Nachsorge. Mit der Notfallversorgung wird nur ein akuter Bedarf gedeckt, jedoch könnte dieser vermieden werden durch kontinuierliche Angebote.

Die Stadt fördert bereits gemeinsam mit dem Land Angebote für Geflüchtete im Bereich der ambulanten psychiatrischen Versorgung, doch diese sind nicht ausreichend ausgestattet, die Wartezeiten bei Mosaik e.V. betragen inzwischen ein einhalb Jahre. Auch die gemeindenahe Psychiatrie kann aktuell keine engmaschige Versorgung absichern.

Aktuell werden psychisch auffällige Geflüchtete in andere Gemeinschaftsunterkünfte umverteilt, die Bewohnerschaften sind verunsichert, das Umfeld alarmiert.

Die Wohnsituation, verbunden mit der fraglichen Bleibeperspektive, verschärft psychische Auffälligkeiten und trägt zur Eskalation der Gesamtsituation bei.

Um die Versorgung besser abzusichern, schlagen wir eine eigene Wohnform für psychisch erkrankte Geflüchtete vor, wo Fachpersonal geeignet mit den Erkrankten umgehen, sie fachgerecht betreuen und auch interdisziplinär behandeln kann und die Gemeinschaftsunterkünfte insgesamt entlastet werden können.

Die Stadt Leipzig hat bereits Erfahrung mit ausgewiesenen Angeboten für Geflüchtete. Beispielhaft sei die Gemeinschaftsunterkunft Eythstraße genannt.

 

Verwaltungsstandpunkt vom 8. Dezember 2020

Alternativvorschlag der Verwaltung:

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzept für die Versorgung schwer traumatisierter Geflüchteter und/oder chronisch psychisch erkrankter Geflüchteter mit Angeboten der psychiatrischen und psychosozialen Regelversorgung und ggf. zusätzlichen komplementären Angeboten zu erarbeiten.
  2. Der Ratsversammlung wird das Konzept im 1. Quartal 2022 zur Beschlussfassung vorgelegt.

Der Antrag VII-A-01973 zielt auf die Einrichtung von psychosozial und psychotherapeutisch betreute Wohngruppen für schwer traumatisierte Geflüchtete. Mit dem Verwaltungs­standpunkt VII-A-01973-VSP-01 wird alternativ vorgeschlagen ein Konzept bezüglich der Versorgung schwer traumatisierter Geflüchteter und/oder chronisch psychisch erkrankter Geflüchteter mit Angeboten der psychiatrischen und psychosozialen Regelversorgung und ggf. zusätzlicher komplementärer Angebote zu erarbeiten.

Der Antrag fokussiert auf eine angemessene psychiatrische und psychosoziale Versorgung Geflüchteter in betreuten Wohngruppen. Es geht darum, den Zugang geflüchteter Personen in die psychiatrischen und psychosozialen Regelsysteme zu ermöglichen oder besondere Angebote der psychosozialen Versorgung für diese Personengruppen zu sichern. Die Maßnahme wirkt auf die Erreichung des Ziels „Leipzig schafft soziale Stabilität“ im Handlungsschwerpunkt „Chancengerechtigkeit in der inklusiven Stadt“ des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes hin.

Begründung

Situationsbeschreibung

Der Antrag sieht die Einrichtung von psychosozial und psychotherapeutisch betreuten Wohngruppen für die Versorgung schwer traumatisierter Geflüchteter vor, da teilweise Betreuungslücken gesehen werden. Im Antrag werden Probleme und Schwierigkeiten in der Versorgung und Betreuung dieser Geflüchteten benannt.

Es ist aus unterschiedlichen Gründen schwierig, die bestehenden Betreuungsbedarfe aller erkrankten Einzelpersonen durch ein standardisiertes Angebot zu bedienen. In der Vergangenheit wurde daher in Zusammenarbeit mit Angeboten des Regelsystems der psychosozialen Versorgung und des Mosaik Leipzig e.V. bzw. ergänzender Hilfesysteme eine Lösung im Einzelfall gesucht. Die Überleitung der erkrankten Geflüchteten in das Regelsystem hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.

Dennoch traten in der Vergangenheit besondere Einzelfälle schwer psychisch erkrankter Geflüchteter auf, die bisher nicht oder unzureichend im Regelsystem angebunden werden konnten. Die Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Gemeinschaftsunterkünften, dem Sozialamt, dem Gesundheitsamt und insbesondere dem Verbund Gemeindenahe Psychiatrie Leipzig (Klinikum St. Georg gGmbH) wurde daher noch einmal intensiviert.

Lösungsvorschlag

Die Stadt Leipzig verfolgt das Ziel, Geflüchtete mit psychosozialen oder psychotherapeutischen Versorgungsbedarfen – wie bei allen anderen Bedarfen auch – im Regelsystem zu versorgen. Der Zugang von Menschen mit Migrationshintergrund hat sich in den zurückliegenden Jahren daher, u. a. durch die Nutzung des städtischen Sprach- und Integrationsmittlungsdienstes (Sprint) des Vereins RAA Leipzig e.V. , bei Angeboten der psychosozialen Regelversorgung insbesondere für die psychiatrische Behandlung im Verbund Gemeindenahe Psychiatrie (Klinikum St. Georg gGmbH) verbessert. Es werden aber noch nicht alle, die diese Hilfen benötigen, mit den vorhandenen Angeboten erreicht. Außerdem bestehen teilweise Unterschiede im kulturellen Umgang mit psychischen Erkrankungen.

Ausgehend von den benannten Einzelfällen befindet sich derzeit eine fach- und ämterübergreifende Arbeitsgruppe im Aufbau, um die bestehenden Versorgungsbedarfe und die möglichen Hilfen des Regelsystems systematisch aufeinander abzustimmen. In dieser Arbeitsgruppe werden u.a. folgende Partner beteiligt sein: Gesundheitsamt, Sozialamt, Verbund Gemeindenahe Psychiatrie (Klinikum St. Georg gGmbH), Mosaik Leipzig e.V. und bei Bedarf Vertreter/-innen von Fachkrankenhäusern und Angeboten der psychiatrischen Regelversorgung. In dieser Arbeitsgruppe werden insbesondere die Regelsysteme, die in der Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung stehen, vorrangig zu betrachten sein.

Eine Begrenzung auf schwer traumatisierte Geflüchtete allein ist nicht ausreichend. Auch andere Bewohner/-innen der Gemeinschaftsunterkünfte mit psychischen Hilfebedarfen können bisher nicht ausreichend im Regelsystem versorgt werden. Diese Bedarfe sind zu beschreiben und adäquate Lösungen durch bestehende oder neue Versorgungspfade zu erarbeiten. Diese Bedarfe und Lösungen sind in einem Gesamtkonzept darzustellen.

Folgende Punkte sind in dem Gesamtkonzept zu betrachten:

  • Für wie viele Bewohner/-innen (Quantität) der Gemeinschaftsunterkünfte (und ggf. auch im dezentralen Wohnen) besteht mit welchen Erkrankungen (Qualität) aktuell der Bedarf einer engeren Anbindung im psychiatrischen Hilfesystem?

Derzeit liegen Schätzungen zu möglichen Hilfebedarfen von Bewohnern/-innen vor. Diese beruhen nur teilweise auf medizinischen Befunden. Zum Teil spiegeln diese Schätzungen die Wahrnehmungen der betreuenden Sozialarbeiter wider. Im Zuge der Konzepterstellung muss unter Einbindung entsprechender psychiatrischer / psychotherapeutischer Fachkräfte eine Validierung dieser Einschätzungen vorgenommen werden.

  • Welche Angebote im Regelsystem können bereits für die spezifischen Bedarfe Geflüchteter genutzt werden? Wie erfolgt die Überleitung und Kommunikation zwischen den beauftragten Diensten, Angeboten und Institutionen?

Ausgehend von exemplarischen Einzelfällen, die jeweils im Rahmen sog. Clearingsitzungen mit den relevanten Partnern der Unterkünfte, des Gesundheits- und des Sozialamtes sowie den zu involvierenden Trägern der psychiatrischen Regelversorgung erarbeitet werden, sind allgemeine Ableitungen zu den Gesamtbedarfen und ggf. neuen Versorgungspfaden zu erarbeiten. Dies wird im Rahmen der o.g. ämterübergreifenden Arbeitsgruppe erfolgen. Ziel soll die Entwicklung eines standardisierten Überleitungsprozesses für die bestmögliche Versorgung eines/einer erkrankten Bewohners/-in im Regelsystem der psychiatrischen Versorgung in Leipzig sein.

  • Bestehen über diese beabsichtigten Versorgungen im Regelsystem in Einzelfällen hinausgehende (strukturelle) Betreuungslücken für Geflüchtete mit psychischen Erkrankungen in Leipzig? Welche zusätzlichen Angebote (insbesondere des Wohnens und der Betreuung) wären für eine adäquate Versorgung zu etablieren?

Ausgehend von den Erfahrungen in Einzelfällen könnten sich zusätzliche Betreuungsbedarfe ergeben, die für die erkrankten Personen eine Unterbringung in einer betreuten Wohnform erfordern. Diese Unterbringung muss sowohl den ausländerrechtlichen Vorgaben entsprechen als auch den individuellen Betreuungsbedarfen gerecht werden. Der Zweite Kommunale Psychiatrieplan der Stadt Leipzig weist in der Einführung zum Kapitel Wohnen auf die veränderten Rahmenbedingungen für das Wohnen von Menschen mit psychischen Erkrankungen durch das Bundesteilhabegesetz hin. Dies ist auch bei der Konzeptentwicklung für mögliche Wohnformen für Geflüchtete mit psychischen Erkrankungen zu berücksichtigen. Die Einrichtung von zentralen Wohngruppen oder Wohnformen für Geflüchtete mit psychischen Erkrankungen oder psychosozialen Auffälligkeiten wird durch das Gesundheitsamt und Fachvertreter/-innen der psychiatrischen Versorgung abgelehnt.

Im Rahmen der Konzeptentwicklung könnte sich auch ein Bedarf für eine individuellere Versorgung in einer kleinen gemeinschaftlichen Wohnform mit ambulanter oder teilstationärer Betreuung ergeben. Unter Nutzung der o.g. Fachkompetenzen wird die Notwendigkeit, der Umfang, die personelle und sächliche Ausstattung sowie die Finanzierungsoption einer solchen zusätzlichen individuellen Betreuungsstruktur zu erarbeiten sein. Dies könnte als Bestandteil in das Gesamtkonzept der Versorgung von Geflüchteten mit psychischen Erkrankungen einmünden.

Realisierungs- / Zeithorizont


Bis zum Ende des 1. Quartals 2022 werden die o.g. Überlegungen in einem Gesamtkonzept zur Versorgung von Geflüchteten mit psychischen Erkrankungen zusammengeführt und der Ratsversammlung – unter Beteiligung der entsprechenden Gremien (u.a. Psychiatriebeirat) - vorgelegt. In die Erarbeitung werden die Träger der Gemeinschaftsunterkünfte sowie der psychosozialen Regelversorgung in Leipzig sowie die Kassenärztliche Vereinigung mit einbezogen.

Für den Prozess der Konzeptentwicklung sind keine zusätzlichen finanziellen Mittel erforderlich.

Perspektivisch kann das Konzept in die Fortschreibung des Kommunalen Psychiatrieplans aufgenommen werden.

Beschluss der Ratsversammlung am 24. März 2021

Der Antrag wurde im Sinne des Alternativvorschlages der Verwaltung, der als Änderungsantrag von Linken und SPD zur Abstimmung kam, mehrheitlich beschlossen.

Bericht zur Umsetzung des Beschlusses vom 28.12.2021

Das Konzept wird aktuell erarbeitet, eine Fertigstellung wird Ende des I. Quartals 2022, eine Einbringung in die RV im II. Quartal 2022 angestrebt.

Bericht zum Stand der Umsetzung vom 30.09.2022:

x umgesetzt

Das Konzept VII-DS-07358 Modellprojekt zur Verbesserung der psychosozialen Versorgung von geflüchteten Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften und im dezentralen Wohnen der Stadt Leipzig wird der Ratsversammlung im Oktober 2022 zur Beschlussfassung vorgelegt.

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