Antrag: Coole Straßen für Leipzig

Antrag vom 7. April 2022

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Programm „Coole Straßen“ aufzulegen und hierzu bis zum 4. Quartal 2022

  1. Im Zuge einer Überarbeitung der allgemeinen Planungsgrundsätze ein Modell für klimawandelangepasste und verkehrsberuhigte Straßen und Plätze für angenehme Temperaturen und eine hohe Aufenthaltsqualität zu entwickeln, die insbesondere einem erhöhten Anteil an Baumpflanzungen, hellerem Asphalt und Schatten- oder Wasserelementen sowie einem breiterem Fußwegquerschnitt und reduzierten Parkflächenanteilen vorsehen,
  2. im Rahmen einer Bürgerbeteiligung zehn Straßen oder Plätze in zehn Stadtbezirken oder Ortschaften für eine zeitnahe Realisierung zu identifizieren und anschließend bis 2025 umzusetzen.

Begründung:

Der Klimawandel mit zunehmenden Hitzesommern sowie die im Rahmen der Mobilitätsstrategie verankerte Stärkung von Fuß- und Radverkehr verlangen ein grundlegendes Umdenken in der Gestaltung von Straßen und Plätzen. Straßen und Plätze mit einem erhöhten Anteil an Baumpflanzungen, hellerem Asphalt und Schatten- oder Wasserelementen können spürbar Aufhitzung verringern und zur Abkühlung beitragen. Zugleich erhöhen sie die Aufenthaltsqualität im Quartier und ermöglichen Begegnungsorte. Das Beispiel der Coolen Straßen in Wien zeigt beispielhaft, wie eine solche Um- oder Neugestaltung von Straßen gelingen kann.

Bereits in der letzten Wahlperiode wurde das Thema „Grüne Seitenstraßen“ diskutiert, ohne dass eine Veränderung der planerischen Herangehensweise erkennbar ist. Am Beispiel Shakespearestraße wurde deutlich, dass eine grundsätzliche Veränderung in der Herangehensweise bei der Planung von Quartiersstraßen notwendig ist, um den veränderten Herausforderungen gerecht zu werden. Mit der Entwicklung eines Planungsmodells für klimawandelangepasste und verkehrsberuhigte Straßen im Sinne „Cooler Straßen“ mit breiteren Fußwegquerschnitte und reduzierten Parkflächenanteilen wird eine Grundlage für zukunftsfähige Straßenplanungen geschaffen, die Orientierung bietet, aufwendige Einzelplanungen vermeidet und dennoch Anpassungen an die Gegebenheiten vor Ort ermöglicht. Auch Shared Space – Ansätze können damit kostengünstig in Wohnquartieren kombiniert werden. Dafür sind nicht mehr Planungskapazitäten notwendig, weil nicht aufwendiger, sondern anders geplant werden soll und das Modell als eine Variante in die allgemeinen Planungsgrundsätze Eingang finden soll.

Auf dieser Grundlage soll das Planungsmodell in zehn im Rahmen einer Bürgerbeteiligung ausgewählte Straßen und Plätzen in zehn Stadtbezirken oder Ortschaften bis 2025 umgesetzt werden. Die dafür erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen sind bereitzustellen.

Verwaltungsstandpunkt vom 17. April 2024

Alternativvorschlag:

  1. Der Stadtrat nimmt die Planungsgrundsätze für klimawandelangepasste und verkehrsberuhigte Anliegerstraßen und Plätzen zur Kenntnis.
  2. Im Rahmen von Baumaßnahmen von Anliegerstraßen und Stadtplätzen wird die Beteiligung des zuständigen Stadtbezirksbeirats und der Anwohnerinnen und Anwohner weiter qualifiziert.

Begründung:

Die Intentionen des Antrags werden von der Verwaltung geteilt. Die Folgen des Klimawandels betreffen alle Teile der Stadt und haben direkte Auswirkungen auf die Lebensqualität und Gesundheit aller Menschen in Leipzig. Dabei kommt der Stadtplanung und eben auch einer integrierten Planung von Anliegerstraßen und Plätze eine hohe Bedeutung zu. Eine Abmilderung der Folgen des Klimawandelns ist möglich und erfordert ein gemeinsames Planungsverständnis und integrierte Prozesse von vorbereitenden Untersuchungen bis hin zur Baufertigstellung und Pflege.

Wesentliche Tendenzen des Klimawandels in Leipzig sind ein kontinuierlicher Anstieg der Jahresmitteltemperatur und die Zunahme von Hitzeperioden, die Verschiebung der Niederschlagsverteilung mit zunehmend häufigeren und längeren Trockenphasen sowie ein zunehmendes Risiko für Extremwetterereignisse wie Starkregen und Stürme.

Die anzustrebende Klimaresilienz, d.h. die Steigerung der Widerstandsfähigkeit gegen die genannten Klimawandelfolgen, kann auch in Leipzig insbesondere durch die Gestaltung einer hitzeangepassten und „wassersensiblen“ Kommune erreicht werden. Dabei sind u.a. folgende Bausteine zum Regenwasserrückhalt und -management, Hitzevorsorge durch Verdunstungskühlung sowie Überschwemmungsvorsorge zu integrieren und stärker zu kombinieren. Weitere Bausteine sind die Entsiegelung von Flächen, zusätzliche Vegetation z.B. in Regenwasserbeeten, Dach- und Fassadenbegrünung und die Verschattung durch Straßenbegleitgrün.

Die Stadt Leipzig hat in den letzten Jahren bereits zahlreiche Beschlüsse zu einer klimaangepassten Stadt gefasst und über Satzungen auch für Investorinnen und Investoren verbindlich geregelt. Folgende Beschlüsse stehen hierfür exemplarisch:

  • STEP Verkehr und öffentlicher Raum: Einordnung von Grün im Straßenraum
  • Straßenbaumkonzept der Stadt Leipzig: Straßenbäumen als Schattenspender
  • Stadtklimaanayse und Starkregengefahrenkarte
  • Stadtplatzprogramm 2030+ Transformation von Stadt- und Quartiersplätzen zu nachhaltigen Aufenthaltsräumen Energie- und Klimaschutzprogramm
  • Sofortprogramm Klimaanpassungsmaßnahmen in 2024 - Maßnahmen für Klimawandelanpassung finanzieren (VII-HP-08823)

In der Planung von Anliegerstraßen haben die Beschlüsse in den letzten Jahren immer mehr einzug gehalten:

  • In der Kassler Straße (VI-DS-08113) wurde die Erprobung von verschiedenen Baumrigolen gestartet. Neben der Vergrößerung der Vegetation soll dadurch die Einordnung von Elementen zur Speicherung bzw. Abbindung des Regenwassers von der Kanalisation stärker berücksichtigt werden.
  • Die Umsetzung des Straßenbaumkonzepts erfolgt fortlaufend und hat bereits die Aufenthaltsqualität in zahlreichen Anliegerstraßen im Stadtgebiet verbessert.

Neben der konkreten Ausgestaltung von einzelnen Vorhaben, hat die Verwaltung im vergangenen Jahr das Thema Verkehrsraumaufteilung grundsätzlicher aufgegriffen. Mit der Einrichtung der Steuerungsgruppe „Aufteilung Verkehrsraum“ wurde Planungsprämissen für die Aufteilung des Verkehrsraums im Rahmen der Phase 0 erarbeitet und abgestimmt. Durch die Bewertungsmatrix kann die grüne Infrastruktur bereits frühzeitig in der Planung verankert werden. Aktuell wird die Bewertungsmatrix bei den Komplexvorhaben mit der LVB angewendet.

Um der gestiegen Komplexität der Planung, insbesondere bei der wassersensiblen Stadt, Rechnung zu tragen, wurd ein Lenkungsnetzwerk Wassensible Stadt eingerichtet. Das Netzwerk verfolgt das übergeordnete Ziel, städtebauliche und sonstige Planungen und Entwicklungsvorhaben sensibler für alle Handlungsfelder rund um Niederschlagswasser zu qualifizieren. Das Netzwerk zielt u.a. auf den verstärkten Einsatz von grünblauen Gestaltungselementen ab und bearbeitet bestehende rechtliche und technische Fragestellungen mit allen betroffenen zu beteiligenden Akteuren. Die Stadt ist hier eng eingebunden, um skalierbare bauliche Lösungen mit zu entwickeln, die künftig die Abstimmungsbedarfe minimieren und die klimagerechte Umgestaltung von Straßenräumen erleichtert.

Die Erfahrungen bei der Planung und dem Bau der Shakespearstraße haben jedoch gezeigt, dass es einer Konkretisierung der Planungsprämissen für Anliegerstraßen und Plätze bedarf. Hierzu gab es umfangreiche Abstimmung die folgende “Gütekriterien” definierte:

  1. Um die Folgen des Klimawandels bei allen Straßenbaumaßnahmen zu berücksichtigen, sind das Straßenbaumkonzept, die Stadtklimaanalyse und die Starkregengefahrenkarte ein Bestandteil der Grundlagenermittlung, d.h. der Leistungsphase 1 nach HOAI. Die fachliche Abwägung wird im Erläuterungsbericht bzw. den Planunterlagen z.B. mit Bilanzierungen dargestellt.
  2. Um mehr verkehrsberuhigte Straßen in Leipzig zu etablieren, wird für Anliegerstraßen in der Vorplanung, d. h. in der Leistungsphase 2 nach HOAI, jeweils eine Variante als verkehrsberuhigter Bereich geprüft. Sofern diese Variante aus fachlichen Gründen nicht weiter verfolgt wird, ist dies im weiteren Planungsprozess darzustellen.
  3. Um den Anteil an Baumpflanzungen in Bestandsstraßen zu erhöhen, sind insbesondere die heutigen Flächen für den ruhenden Verkehr heranzuziehen. In der fachlichen Abwägung zwischen möglichen Stellplätzen für den ruhenden Kfz-Verkehr und möglichen Baumstandorten, ist unter Abwägung der Nutzungsanforderungen möglichst den Baumstandorten der Vorzug zu geben. Andienzonen und sowie Flächen für die Ladeinfrastruktur sind einzuplanen.
  4. Bei Straßen(neu)planungen werden neben Fahrradbügeln stets auch Sitzgelegenheiten an dafür geeigneten Standorten eingeplant und bei der Realisierung umgesetzt (siehe Beschluss VI-DS-06722-DS-01-ÄA-02).
  5. Teil der Planung ist ein standortspezifisches Regenwassermanagementkonzept.  Wasserelemente und Maßnahmen des Regenwassermanagements, die auf die Herstellung des natürlichen Wasserkreislaufs vor Ort mit naturbasierten Lösungen abzielen, sind einzuplanen. Es wird angestrebt, den Anteil unversiegelter und teilversiegelter Flächen in Bestandsstraßen zu erhöhen.
  6. Der Einsatz von hellerem Asphalt wird im Zuge der Entwurfsplanung geprüft, insbesondere in Straßenabschnitten mit ausgewiesener Hitzebelastung.
  7. Im Rahmen von Bau- und Finanzierungsbeschlüssen werden diese allgemeinen Planungsgrundsätze in geeigneter Form dargestellt, so dass eine Evaluierung der Maßnahmen möglich wird.

Diese Grundsätze gelten bei allen Anliegerstraßen und Plätzen und werden bei Bedarf und entsprechend der weiteren Erfahrungen konkretisiert und erweitert.

Im Februar wurde mit der Stünzer Straße (Mobi2030_II-10_S_48) bereits die erste Anliegerstraße auf Grundlage der Prämissen geplant und von der DB OBM (VII-DS-08952) beschlossen. Im weiteren sind folgende Anliegerstraßen im Arbeitsplan vorgesehen:

  • Reichpietschstraße (Mobi2030_II-10_S_18)
  • Stichstraßen der Dieskaustraße (Mobi2030_II-10_S_123)
  • Gottschedstraße (Mobi2030_II-10_S_36)

Die Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner ist weiter zu qualifizieren. Regulär werden die Planungen in den Sitzungen des zuständigen Stadtbezirksbeirats bzw. Ortschaftsrat vorgestellt. Vorab sind gezielt die Anwohnerinnen und Anwohner über geeignete Wege zu informieren. Die formelle Beteiligung wird dabei ergänzt um informelle Beteiligungsbausteine mit Informations- und Beteiligungsformaten vor Ort.

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