Antrag: Einführung eines Modellprojekts "Kunst auf Rezept" in Leipzig zur Förderung der psychischen Gesundheit

Antrag vom 08. Mai 2025

Beschlussvorschlag:

Die Ratsversammlung möge beschließen:

  1. Die Stadt Leipzig richtet ein zweijähriges Modellprojekt "Kunst auf Rezept" ein, das die Verschreibung von kulturellen und künstlerischen Angeboten als ergänzende Maßnahme zur Gesundheitsförderung ermöglicht.
  2. Die Verwaltung wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit lokalen Gesundheitseinrichtungen, Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen sowie Kultur- und Kunstinstitutionen ein Konzept für das Modellprojekt zu erarbeiten.
  3. Die Verwaltung wird beauftragt, eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des Projekts sicherzustellen und nach dem ersten Projektjahr einen Zwischenbericht vorzulegen.

Begründung:

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt auf Basis einer Auswertung von über 900 Studien zum Thema Kunst und Gesundheit die Integration künstlerischer Aktivitäten in Gesundheitskonzepte. Die positiven Auswirkungen von Kunst und Kultur auf die psychische und physische Gesundheit sind wissenschaftlich belegt. In mehreren europäischen Ländern und deutschen Städten wie Bremen wurden bereits erfolgreich Programme für "Kunst auf Rezept" implementiert. Das Bremer Pilotprojekt, das 2022 als Reaktion auf die psychischen Belastungen infolge der Corona-Pandemie gestartet wurde, zeigt vielversprechende Ergebnisse. Mediziner*innen bestätigen, dass "Kunst auf Rezept" eine wichtige Ergänzung im Versorgungssystem darstellt und eine bestehende Lücke schließt.

Das Konzept basiert auf der Grundidee, dass die Teilnahme an künstlerischen Gruppenaktivitäten das mentale Wohlbefinden fördert. Durch eine engere Verknüpfung zwischen dem Kunst- und Kulturbereich und dem Gesundheitswesen können neue Wege der Gesundheitsförderung erschlossen werden. Besonders bei psychischen Belastungen, die in unserer Gesellschaft zunehmen, bieten kulturelle Angebote niedrigschwellige Zugänge zu Unterstützung und können präventiv wirken. Leipzig als Stadt mit einer reichen Kulturlandschaft und vielfältigen künstlerischen Angeboten bietet ideale Voraussetzungen für ein solches Modellprojekt. Die Einführung von "Kunst auf Rezept" würde nicht nur die Gesundheitsversorgung in Leipzig innovativ ergänzen, sondern auch die lokale Kulturszene stärken und neue Zielgruppen erschließen. Dabei können auch kostenfreie Einzel- und Gruppenangebote verschrieben werden. Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts soll sicherstellen, dass die Wirksamkeit evaluiert und die Erkenntnisse für eine mögliche dauerhafte Implementation genutzt werden können.

 

Verwaltungsstandpunkt vom 02. Juni 2025

Alternativvorschlag:

Die Stadtverwaltung wird beauftragt, die Angebote und Möglichkeiten von Kunst und Kultur bei psychischen Belastungs- bzw. Ausnahmesituationen verstärkt in die Kommunikation aufzunehmen und insbesondere gegenüber niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zu bewerben.

Begründung:

Angesichts der aktuellen Haushaltslage sollte aus fachlicher Sicht der Fokus auf der Sicherung der Basisversorgungsangebote im psychosozialen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgungsbereich liegen sowie auf den Angeboten, die bereits seit Jahren etabliert und wirksam sind.

Im aktuellen kommunalen Psychiatrieplan der Stadt Leipzig (Beschluss Nr. VII-DS-00500) ist die Versorgung schwer und chronisch psychisch kranker Menschen als Priorität festgeschrieben. Da hier der Bedarf steigt und eine Nichtbehandlung mit erheblichen gesellschaftlichen Folgekosten einhergeht, ist dieser Bereich vorrangig zu versorgen. Das „Modellprojekt zur Verbesserung der psychosozialen Versorgung von geflüchteten Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften und im dezentralen Wohnen der Stadt Leipzig“ (Beschluss Nr. VII-DS-07358) als ein Beispiel hat sich als sehr wirksam erwiesen, sodass allgemein eine Verstetigung und Sicherung der bereits vorhandenen Angebote empfohlen wird, sowie der Projekte, die sich bereits bewährt haben.

In Leipzig existieren zudem acht psychosoziale Gemeindezentren und diverse soziokulturelle Zentren, in denen Kunst-, Handarbeits-, Handwerks- und Kulturangebote vorgehalten werden und in denen Demokratieverständnis und demokratisches Handeln gefördert werden. Interessierte Bürger/-innen können diese jederzeit anfragen und meist auch nutzen, sofern entsprechende Kapazitäten verfügbar sind. Zudem werden Nutzer/-innen psychiatrischer, psychosozialer, medizinischer und anderer Gesundheitseinrichtungen von Mitarbeitenden auf diese Angebote hingewiesen und auch in diese vermittelt. Insbesondere der Durchblick e. V. bietet psychisch kranken und belasteten Menschen Möglichkeiten künstlerischer Betätigung. Der Gutshof Stötteritz betreibt ein inklusives Theater „aHnungslos“ für und mit Menschen mit und ohne psychische Beeinträchtigung sowie die dazugehörigen Kreativwerkstätten.

Ergänzend zu den bestehenden Angeboten soll der Antrag Nr. VIII-A-01218 als Anlass für eine verstärkte Zusammenarbeit von Gesundheitsamt und Kulturamt genommen werden. Es wird vorgeschlagen, dass beide Ämter den Impuls der antragstellenden Fraktion aufgreifen und sich zum Thema abstimmen. Im Ergebnis sollen Vorschläge erarbeitet werden, wie die Angebote und Möglichkeiten von Kunst und Kultur bei psychischen Belastungs- bzw. Ausnahmesituationen grundsätzlich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden können. Dabei soll insbesondere die Zielgruppe der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten im Stadtgebiet angesprochen werden.

Die Stadt Leipzig mit ihrer lebendigen, vielfältigen und freien Kunst- und Kulturszene bietet optimale Voraussetzungen zur Nutzung von Kunst und Kultur für therapeutische Zwecke. Die Angebote sind dabei zum Teil sogar kostenfrei. Eine verstärkte öffentliche Bekanntmachung dieser Möglichkeiten und der bereits bestehenden Angebotslandschaft könnte zudem im Rahmen der geplanten Wochen der seelischen Gesundheit im Herbst dieses Jahres erfolgen.

Kunst ist bestätigter Maßen eine wertvolle Ressource und Möglichkeit zur Verarbeitung belastender Lebensereignisse sowie durchaus ein stabilisierender Faktor in Bezug auf psychische Gesundheit. Ebenso bieten kulturelle Veranstaltungen Möglichkeiten des therapeutisch wertvollen „social engagements“ und wirken gemeinschaftsstiftend. Der Aspekt der freiwilligen Nutzung ist jedoch hier wesentlich. Eine Verschreibung und damit eine Art Zwang oder Verpflichtung zur Nutzung wird sich wahrscheinlich eher kontraproduktiv auswirken und nur in seltenen Fällen die gewünschte positive Wirkung haben. Zudem widerspricht eine Verschreibung der grundlegenden Definition von Kunst als einem interessengeleiteten, freiwilligen, schöpferischen Gestalten.

 

Zeitplan

Die Abstimmung zwischen Gesundheitsamt und Kulturamt soll spätestens bis zum Ende des 4. Quartals 2025 und eine entsprechende Umsetzung der Vorschläge bis zum Ende des 2. Quartals 2026 erfolgen.

 

Beschluss der Ratsversammlung am 27. August 2025

Der Antrag wurde in Fassung des Alternativvorschlages der Verwaltung mit 37/23/4 beschlossen.

Zurück