Antrag: Elektromobilität auf die Überholspur bringen – Ladeinfrastruktur flächendeckend realisieren

Antrag vom 3. Februar 2022

Beschlussvorschlag:

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Voraussetzungen zum Umstieg auf vollelektrische individuelle Mobilität dergestalt zu gewährleisten, indem die Stadtwerke Leipzig sowie interessierte Partner, insbesondere aus Energie- und Immobilien- und Automobilwirtschaft, die Schaffung frei zugänglicher Ladeinfrastruktur in dicht besiedelten Quartieren mit Mehrfamilienhäusern realisieren.
  2. Hierzu werden zunächst bis spätestens 2025 5% aller im öffentlichen Raum befindlichen (bewirtschafteten und unbewirtschafteten) Pkw-Stellplätze in Mehrfamilienhausquartieren als Ladestellplätze schrittweise mit mindestens Normalladesäulen (11/22kW) ausgestattet und möglichst einem einheitlichen Abrechnungssystem unterworfen.
  3. Die Finanzierung erfolgt eigenwirtschaftlich durch die Stadtwerke Leipzig, wobei sämtliche Fördermöglichkeiten ausgeschöpft und Partnerunternehmen aus insbesondere Immobilien- und Automobilwirtschaft für eine (Anteils-)Finanzierung gewonnen werden sollen.

Begründung:

Die Elektromobilität nimmt in Deutschland massiv Fahrt auf. Im Dezember 2021 war bereits jeder fünfte Neuwagen rein elektrisch, hinzu kommen nochmal 14% Plugin-Hybride. Allerdings betrifft dies momentan vorrangig Menschen, die ihr Fahrzeug beim Arbeitgeber laden können bzw. die über eine eigene Ladeinfrastruktur verfügen, oder die in direktem Umfeld einer öffentlichen Lademöglichkeit wohnen. Im Vergleich zu vielen anderen Städten ist in Leipzig in den letzten 2 Jahren ohne Frage viel passiert. Die Infrastruktur wächst zusehends – wenn auch nicht so stark, wie der Bestand an Fahrzeugen. Was in Leipzig wirklich noch fehlt, sind neuralgische Punkte mit mehreren Schnellladern. Hier besteht Handlungsbedarf und eine Erwartungshaltung.

Vor allem aber ist zahlreichen Menschen in von Mehrfamilienhäusern dominierten Quartieren der Umstieg auf vollelektrische Pkw quasi versperrt, weil die öffentliche Ladeinfrastruktur nicht oder nur extrem unzureichend gegeben ist. Gerade den Menschen, die auch künftig im beruflichen/privaten auf ein eigenes Fahrzeug angewiesen sind, sollte eine Möglichkeit des regelmäßigen Zugangs zu einer Ladeinfrastruktur im Wohnumfeld gegeben werden. Die dazu notwendigen Ladestellplätze müssen selbstverständlich den bislang allen Pkw zugänglichen Stellplätzen entzogen werden. Vor dem Hintergrund der beabsichtigten Mobilitätswende, wonach ohnehin durch eine Attraktivierung des ÖPNV und des Carsharings immer mehr Menschen, gerade in dicht besiedelten Gegenden mit hohem Stellplatzdruck, nach und nach auf ein eigenes Fahrzeug verzichten, und der immer geringer werdenden Anzahl an Pkw mit Verbrennungsmotoren, sollte dies unproblematisch möglich sein. Im Gegenteil kann der Ausbau der Ladeinfrastruktur sowie der Entzug an bislang vorgefundenen Privilegien für Verbrennungsfahrzeuge den Umstieg in eine CO2-arme und lokal emissionsfreie Mobilität beschleunigen.

Das Ladeinfrastrukturkonzept von 2020 wird weder der stark wachsenden Zahl an privaten Fahrzeugen in Leipzig, noch dem bisherigen Ausbau der Ladeinfrastruktur gerecht. Hier muss dringend nachgearbeitet werden. Der Markt allein wird diese Zukunftsaufgabe, die uns gegenwärtig einholt, nicht lösen können. Im Konzept von 2020 entspricht das Trendszenario einem Wachstum von rund 137.000 E-Fahrzeugen zum Jahresanfang 2020 auf rund 770.000 reine E-Pkw bis 2023 und rund 1,5 Mio. E-Pkw bis 2025. Die bundesweiten Steigerungsraten wurden auf Leipzig übertragen. Bis zum zweiten Quartal 2025 bedeutet dies eine Steigerung von aktuell 743 auf dann ca. 6.700 rein elektrisch betriebene Pkw sowie rund 3.400 Plugin-Hybrid-Pkw.

In der Realität sind jedoch bereits im Oktober 2021 deutschlandweit über 600.000 zugelassene Elektrofahrzeuge in Deutschland registriert gewesen. Für Leipzig sind uns noch keine aktuellen Zahlen bekannt. In der Antwort auf unsere Anfrage 4900 jedoch wurde ausgesagt, dass in Leipzig bereits zum 1.1.2021 1.358 Elektro-Pkw und 5.772 Hybrid-Pkw, davon 1.136 Plug-In-Hybrid zugelassen waren. Somit sind 2.495 Fahrzeuge zu Beginn des Jahres 2021 auf Ladeinfrastruktur angewiesen gewesen, sofern sie nicht über eigene Lademöglichkeiten verfügen. Dies entspricht einem sehr hohen Anstieg zum Vorjahr um rund 80 %. Man kann davon ausgehen, dass sich diese Zahl bis heute weiter stark erhöht hat. Bis 2030 sollen nach den Plänen der neuen Bundesregierung mindestens 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen unterwegs ein – das wäre etwa ein Drittel des gesamten heutigen Pkw-Bestandes.

Man kann aufgrund dieser Entwicklungen davon ausgehen, dass das im Ladeinfrastrukturkonzept dargelegte Trendkonzept deutlich übertroffen wird. Auf die Frage hin, welche Maßnahmen die Stadtverwaltung deshalb plant, wurde uns Mitte 2021 geantwortet, dass nächstes Ziel sein wird, die Beantragung und Bearbeitung von Ladeinfrastruktur zu digitalisieren. Dies sei im Besonderen dadurch notwendig, weil die Zahl der Ladestationen mit dem wachsenden E-Fahrzeug-Markt mithalten solle. Eine Planung zum Ausbau der Ladeinfrastruktur bestünde hingegen nicht, da der Aufbau den am Markt agierenden Unternehmen offenstehen würde. Die Stadtverwaltung stünde aber mit mehreren interessierten Unternehmen dazu im Austausch, damit weitere Ladestationen in diesem und den folgenden Jahren bedarfsgerecht errichtet werden könnten.

Passiert ist seitdem leider nichts Bedeutsames. Und es wird auch kaum davon auszugehen sein, dass sich dies in den nächsten Monaten und ggf. Jahren ändern würde, sollten Verwaltung und der lokale Energieversorger nicht selbst in die Offensive gehen und im Sinne der Daseinsvorsorge in einer modernen Großstadt öffentliches Laden von Elektrofahrzeugen flächendeckend zu ermöglichen.

Verwaltungsstandpunkt vom Mai 2022

Die Verwaltung sieht die Beschlusspunkte 1 und 3 als bereits berücksichtigt an und schlägt einen Alternativvorschlag für Beschlusspunkt 2 vor:

Alternativvorschlag zu BP 2:

Der weitere Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge wird mit Marktteilnehmern, insbesondere den Stadtwerken Leipzig verstärkt: Dazu vereinfacht die Stadtverwaltung den Prozess, schärft und veröffentlicht verbindliche Kriterien für die Bewertung von potentiellen Ladeinfrastrukturstandorten und prüft die Digitalisierung des Antragsprozesses.

Das Ladeinfrastrukturkonzept wird bis 1. Quartal 2023 evaluiert.

 

Zu 1. Gewährleistung der Voraussetzungen zum Umstieg auf vollelektrische individuelle Mobililität durch Schaffung frei zugänglicher Ladeinfratruktur in dicht besiedelten Quartieren mit Mehrfamilenhäusern.

Die Stadt Leipzig setzt parallel zum Markthochlauf der E-Fahrzeuge auf das wachsende Interesse von Investoren und Betreibern in einem wachsenden Markt für Ladeinfrastruktur. Die Stadtwerken Leipzig machen von hiervon bereits vielfach Gebrauch. Auch weitere Unternehmen interessieren sich für den Leipziger Markt.  

Eine Grundlage für die Installation von Ladeinfrastruktur wurde mit dem Ladeinfrastrukturkonzept im Jahr 2020 geschaffen. Dieses priorisiert vor allem Quartiere mit mehrgeschossigem Wohnungsbau, da es in diesen Gebieten schwierig ist, eigene Stellplätze mit Ladeinfrastruktur auszustatten. Darüber hinaus wurden aber auch in Quartieren mit Einfamilienhausbebauung Standortvorschläge gemacht.

Der Beschlussvorschlag des Antrags ist somit bereits umgesetzt.

 

Zu 2. Schrittweise Ausstattung von 5 % Pkw-Stellplätzen im öffentlichen Raum in Mehrfamilienhausquartieren als Ladestellplätze mit möglichst einheitlichen Abrechnungssystem bis spätestens 2025.

Der Beschlussvorschlag zur Ausweisung eines prozentualen Anteils an ausgewiesenen Stellplätzen für Ladeinfrastruktur ist in dieser Form nicht umsetzbar und auch nicht bedarfsgerecht. Anstelle einer pauschalen Ausweisung von 5 % der Stellplätze mit Ladeinfrastruktur wird ein bedarfsgerechter Ausbau benötigt. Wichtig ist, dass das Angebot an Ladeinfrastruktur die Nachfrage weder unter- noch überschreitet. 

Die zentrale Herausforderung der Stadt liegt in der Bereitstellung eines effizienten und beschleunigten Genehmigungsprozesses, damit Investitionsvorhaben zeitnah bewilligt werden können. Um künftig die Genehmigung von Ladestationen zu erleichtern, erarbeitet die Stadtverwaltung an einem vereinfachten Prozess mit verbindlichen Kriterien für Standorte. Damit soll für Investoren Transparenz geschaffen werden, was zu qualitativ besseren Anträgen, geringerem Prüfungsaufwand und somit mehr Genehmigungen pro Jahr führen soll. Auch die Digitalisierung des Antragsprozesses wird geprüft. Die zuständigen Ämter haben diesbezüglich einen Prozess gestartet.

Es wird darüber hinaus eine Fortschreibung des Ladeinfrastrukturkonzepts angestrebt. Die Entwicklung des Marktes ist derzeit so dynamisch, dass ein statisches Konzept diese Funktion nur noch eingeschränkt erfüllen kann. Geprüft wird daher eine Umstellung auf ein digitales, dynamisches Verfahren, das schneller auf die jeweilige Entwicklung der Bestandszahlen an E-Fahrzeugen reagieren kann. Im Fokus soll eine Steuerung auf Stadtteilebene stehen, um auch Stadtteile besser mit Ladeinfrastruktur zu versorgen, die bisher noch wenige Ladestationen aufweisen.

Mit Stand vom 01.02.2022 sind in Leipzig bereits ca. 500 Ladepunkte an ca. 180 Standorten für E-Fahrzeuge vorhanden, ca. 150 mehr als im Vorjahr. Weitere Anträge liegen vor. Neben dem Engagement der Leipziger Stadtwerke ist hier vor allem die Entwicklung im halböffentlichen Bereich (z. B. Supermarktparkplatz) als wesentlicher Faktor zu nennen. 

Die Stadt Leipzig rechnet damit, dass sich Schnellladestationen an Tankstellen, hochfrequentierten Straßen und an Autobahnen durchsetzen. In Kombination mit leistungsfähigeren Fahrzeugen kann dies den Bedarf an Ladesäulen im dezentralen öffentlichen Stadtraum der Stadt beeinflussen.

Der öffentliche Raum ist ein knappes Gut, welches nicht über Gebühr mit Einrichtungen beansprucht werden sollte. Neben Ladeinfrastruktur seien als weitere Beispiele Stadtmöblierung, Fahrradabstellmöglichkeiten und Stromkästen genannt. Daher begrüßt die Stadtverwaltung die Errichtung von Ladeinfrastruktur z. B. auf Supermarktparkplätzen außerordentlich.

Um Ladeinfrastruktur verstärkt an den Bedarfen der Nutzenden zu orientieren, haben die Stadtwerke Leipzig ein Produkt speziell für die Kooperation mit Wohnungsunternehmen entwickelt. Dies hat zwei Vorteile: zum Einen wird Ladeinfrastruktur nahe zu den Nutzenden gebracht, was die Akzeptanz steigert und zum Anderen entlastet wird die Nutzung der Stellplätze der Wohnungsunternehmen den öffentliche Raum.

Auch Laden am Arbeitsplatz wird immer mehr zum Thema, da dies neben dem Wohnort ein typischer Ladeplatz ist. Hier ist einen Zusammenarbeit mit Arbeitgebern sinnvoll, die diesen Bedarf immer mehr erkennen und auch nachrüsten.

Bezahlsysteme an den Ladestationen sind mittlerweile roamingfähig, damit ist die Bezahlung an fast allen gängigen Ladestationen mit der Karte des eigenen Fahrstromanbieters möglich. Spontanes Laden und abrechnen ist über Apps bereits möglich. Aktuelle Fahrzeugmodelle kommunizieren vollautomatisch mit Ladesäulen und rechnen ab (Plug & Charge).

 

Zu 3. Eigenwirtschaftliche Finanazierung durch Stadtwerke Leipzig, Finanzierungsbeteilung von Partnerunternehmen, Ausschöpfung Fördermöglickeiten.

Sowohl die Stadtwerke als auch andere Anbieter für Ladeinfrastruktur handeln privatwirtschaftlich und erhalten keine Vergütung durch die Stadt Leipzig. Aus Gesprächen mit den Unternehmen ist bekannt, dass für die Errichtung von Ladeinfrastruktur zum großen Teil Bundesfördermittel in Anspruch genommen werden.

Der Beschlussvorschlag ist damit bereits gängige Praxis und umgesetzt.

2. Realisierungs- / Zeithorizont (entfällt bei Ablehnung des Antrags)

 

unbestimmt

Beschluss der Ratsversammlung am 15. Juni 2022

Der Antrag wurde im Sinne des Alternativvorschlages der Verwaltung, ergänzt durch folgenden weiteren, von der Fraktion Freibeuter ergänzten, Beschlusspunkt wie folgt beschlossen:

Der weitere Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge wird mit Marktteilnehmern, insbesondere den Stadtwerken Leipzig verstärkt: Dazu vereinfacht die Stadtverwaltung den Prozess, schärft und veröffentlicht verbindliche Kriterien für die Bewertung von potentiellen Ladeinfrastrukturstandorten und prüft die Digitalisierung des Antragsprozesses.

Das Ladeinfrastrukturkonzept wird bis 1. Quartal 2023 evaluiert.

Der Oberbürgermeister prüft, ob in Leipzig flächendeckend oder in einzelnen Gebieten die technischen und kapazitiven Möglichkeiten bestehen, Ladestationen für Elektrofahrzeuge an der Straßenbeleuchtung in Abstimmung mit dem VTA und den Stadtwerken Leipzig einzurichten. (Begründung: Die Akzeptanz des Umstiegs vom Verbrenner auf Elektromobilität ist zu großen Teilen abhängig von der Bereitstellung von Ladestationen. Die Lösungen von Ubitricity (Shell-Gruppe) sind hierbei eine Variante, zumindest für Fahrzeuge mit geringerer Akkukapazität oder Elektrokleinstfahrzeuge, diese Ladestationen bereitzustellen. Das zeigen Pilotprojekte z. B. in Langenhagen und Dortmund. Die technischen Voraussetzungen für die Einführung sind durch das VTA (Stadtbeleuchtung) und die Stadtwerke Leipzig zu prüfen. https://mobility-talk.com/laterne-als-ladestation-e-auto-an-der-laterne-laden)

Rede von Michael Schmidt in der Ratsversammlung am 15. Juni 2022

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