Antrag: Flächenverbrauch reduzieren - Strategie für Netto-Null-Versiegelung bis 2030 entwickeln

Antrag vom 17. Juni 2021

  1. Einführungen eines Katasters zur Erfassung von Ver- und Entsiegelungen, dabei sind auch Kleinstflächen wie z.B. überflüssige Versiegelungen auf Plätzen, Wegen oder im Straßenrandbereich einzubeziehen,
  2. Entwicklung einer Strategie mit dem Ziel einer Netto-Null-Versiegelung im Stadtgebiet in 2030 mit schrittweisen Zielvorgaben und Maßnahmeplänen für eine sinkende Neuversiegelung und steigende Entsiegelung von Flächen innerhalb des Stadtgebiets,
  3. Prüfung der personellen Ausstattung der Stadtverwaltung hinsichtlich der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen sowie der Überprüfung von Bebauungspläne und deren Umsetzung auf die Einhaltung von Flächenverbrauchsvorgaben,
  4. verstärkte Festlegung von sogenannten „Tabuflächen“, für die eine besondere Schutzbedürftigkeit aufgrund der Grundwasserneubildung, der Frisch- und Kaltluftentstehung sowie der Minderung des Aufheizeffektes in Überwärmungsgebieten und hohe klimatischen Entlastungsfunktion besteht,
  5. Evaluation und Überarbeitung des von der Stadtverwaltung angewandten Kompensationsmodells zur Bilanzierung von Eingriffen und Ausgleichen, dabei ist insbesondere die Festlegung bzw. Einführung von Biotopflächenfaktoren (naturhaushaltswirksame Fläche pro Grundstücksfläche in Abhängigkeit von jeweiliger Art der baulichen Nutzung nach dem Vorbild von Berlin) zu berücksichtigen,
  6. Berücksichtigung einer vorrangigen Kompensation im Rahmen der zu erarbeitenden Biotopverbundplanung als Biotopvernetzungsinstrument mit Tabuflächen und Flächen für die Schaffung grüner Verbindungsstrukturen.

Begründung:
Die Neuversiegelung hat in Sachsen in den vergangenen Jahren weiter dramatisch zugenommen. Leipzig nimmt hierbei als in den vergangenen Jahren stark wachsende Stadt mit großer Sicherheit einen Spitzenplatz ein. Konkret lässt sich dies jedoch nicht in Zahlen fassen, da die Neuversiegelung wie auch die Entsiegelung nicht systematisch erfasst werden. Mit dem Konzept der doppelten Innenentwicklung, den Zielstellungen des INSEK, der wiedereingesetzten Baumschutzsatzung, der angestrebten Mehrfachnutzung bei Bauvorhaben, sind bereits erfolgreiche oder zumindest in die Wege geleitete Maßnahmen. Darüber hinaus gibt es aber weiteres ungenutztes Potenzial. Beispielhaft ist hier eine systematische Erfassung von Ver- und Entsiegelungen und Abbildung der Potenziale in einem sogenannten Entsiegelungskataster zu nennen. In diesen und weiteren Bereichen gibt es Potenziale zu heben, um einerseits die wachsende Versiegelung einzudämmen und andererseits bei der Entsiegelung voran zu kommen. Hierfür sind konkrete und ambitionierte Ziele wie die Netto-Nullversiegelung festzuschreiben.

Verwaltungsstandpunkt vom 30. März 2022

Alternativvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die bestehenden und derzeit in Bearbeitung befindlichen Strategien, Konzepte und Maßnahmen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs und der damit einhergehenden Neuversiegelungen konsequent umzusetzen und weiterzuentwickeln. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen und in städtische Planungen und Bauvorhaben einzubeziehen:

  1. Einführung eines Monitorings zur Versiegelung unter Nutzung und Auswertung geeigneter Daten (regelmäßige Erfassung von bebauten, versiegelten, teilversiegelten und unversiegelten Flächen).
    Hinsichtlich der Erfassung von Entsiegelungspotentialen soll die Weiterentwicklung des Brachflächenkatasters und Kompensationsflächenpools (IKOBRA, IKOMAN) geprüft werden.
  2. Zur Begrenzung der Neuversiegelung von Flächen im Stadtgebiet bzw. der damit verbunden negativen Folgen auf das unbedingt erforderliche Maß sind in den relevanten Strategien, Konzepten und Planungen (z.B. zur Doppelten Innenentwicklung) Zielvorgaben, Kriterien für die Einzelfallprüfung und Maßnahmen vorhanden (z.B. Reduzierung des Flächenverbrauchs, effektive Flächennutzung, Stapelung von Nutzungen, Entsiegelung anderer Flächen). Diese werden u.a. im Rahmen der Fortschreibung der Umweltqualitätsziele und der 2021/22 stattfindenden INSEK-Evaluierung auf ihren Umsetzungsstand und Weiterentwicklungsbedarf überprüft.
  3. Prüfung der personellen und finanziellen Ausstattung der Stadtverwaltung hinsichtlich der Umsetzung, der in den verschiedenen Strategien und Planungen vorgeschlagenen Maßnahmen (z.B. Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, Überprüfung von Bebauungsplänen, Einhaltung von Flächenverbrauchsvorgaben).
  4. Verstärkte Festlegung von sogenannten "Tabuflächen", für die eine besondere Schutzbedürftigkeit z.B. aufgrund der Grundwasserneubildung, der Frisch- und Kaltluftentstehung, der Minderung des Aufheizeffektes in Überwärmungsgebieten, ihrer hohen klimatischen Entlastungsfunktion oder ihrer Bedeutung für den Biotopverbund besteht.
  5. Evaluation und Weiterentwicklung der von der Stadtverwaltung angewandten Instrumente zur Begrenzung bzw. Kompensation der Versiegelung im Innenbereich.
  6. Die zu erarbeitende Biotopverbundplanung soll Tabuflächen und Flächen für die Schaffung großer Verbindungsstrukturen ausweisen und für deren Umsetzung verstärkt auf Kompensationsmaßnahmen zurückgreifen.

Begründung:

1. Begründung Kreuz auf dem Deckblatt

Da die Reduzierung des Flächenverbrauchs und die Begrenzung der Neuversieglung zwei wesentliche Aspekte einer nachhaltigen Stadtentwicklung sind, die eng miteinander verknüpft sind, unterstützt die Verwaltung die im Antrag formulierten Ziele im Grundsatz.

Die Aufstellung einer separaten Strategie zur Reduzierung des Flächenverbrauchs bzw. zur Begrenzung der Neuversieglung wird jedoch nicht für sinnvoll gehalten. Zum einen verfügt die Stadt bereits jetzt über vielfältige Strategien, Konzepte, Fachplanungen etc., die die Ziele „Reduzierung des Flächenverbrauchs und der Neuversiegelung“ verfolgen. Zum anderen werden aufgrund von Beschlüssen des Stadtrates (u.a. VII-P-02093 „Petition gegen die weitere Bebauung von Blockinnenbereichen/Innen-Carrées in Leipzig“ → Erarbeitung eines Konzeptes der doppelten Innenentwicklung, VII-P-00832-DS-02 „Bauen und Natur erhalten! Artensterben stoppen! Wertvolle Grünflächen für Leipziger schützen!“) zurzeit weitere strategische Ansätze und Planungen entwickelt, die die Verfolgung dieser Ziele weiter untersetzen werden. Die Stadtverwaltung schlägt daher vor, die Reduzierung des Flächenverbrauchs bzw. der Begrenzung der Neuversiegelung in der laufenden Bearbeitung verstärkt zu berücksichtigen und die vorhandenen Instrumente besser aufeinander abzustimmen (z.B. im Rahmen der Überarbeitung der Umweltqualitätsziele).

Nach Auffassung der Verwaltung muss dabei klar zwischen Flächenverbrauch und Neuversiegelung unterschieden werden, da die Bedingungen für eine Steuerung sehr unterschiedlich sind und Zielkonflikte bestehen.

Flächenverbrauch ist die Inanspruchnahme bisher unbebauter Flächen im Außenbereich für Siedlungs- und Verkehrsflächen (Schutzgut Fläche) und wird durch die kommunale Bauleitplanung gesteuert.

Zur Reduzierung des Flächenverbrauchs gibt es u.a. im INSEK und im Flächennutzungsplan strategische Leitsätze. Beide Planwerke verfolgen das Ziel „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ und beruhen auf einer Reihe von Untersuchungen zu einzelnen Flächenanforderungen (z.B. Wohnen, Gewerbe, soziale Infrastruktur, Verkehr) unter den Bedingungen der wachsenden Stadt. Trotz des Vorrangs der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung kann die Entwicklung von neuen Bauflächen und damit ein Flächenverbrauch in der wachsenden Stadt aufgrund der unterschiedlichen Belange, die die Stadt für eine nachhaltige Entwicklung in Einklang bringen muss, nicht ausgeschlossen werden.

Im Rahmen der laufenden Prozesse zur Umsetzung des INSEK und der Untersetzung des Flächennutzungsplans, wie z.B. durch die Fortschreibung von Stadtentwicklungsplänen (Wohnen, Wirtschaftsflächen), und das Monitoring bzw. die Evaluierung des INSEK (hier insbes. INSEK-Zielbild und Fachkonzept Freiraum und Umwelt) können Voraussetzungen und Zielkonflikte der Flächenentwicklung (Angebot von Gewerbeflächen, Bedarf für Wohnbauflächen und soziale Infrastruktur vs. Flächenverbrauch) stärker aufgezeigt werden und konkretere Ziele und Maßgaben zur Entwicklung des Flächenverbrauchs aufgenommen werden (z.B. Effektivität/Dichte der Flächennutzung, max. Flächenverbrauch/Jahr mit Bezug zur Bevölkerungsentwicklung).

Versiegelung ist jede Bedeckung des Bodens mit Bauwerken im Innen- und Außenbereich. Sie führt zu einem Verlust des Bodens und seiner ökologischen Funktionen (Schutzgut Boden). Versiegelung ist nicht nur die Folge von Flächenverbrauch durch neue Bau- und Verkehrsflächen, sondern auch Folge vieler einzelner Vorhaben innerhalb der bestehenden Siedlungsfläche v.a. durch die Nutzung vorhandener Baurechte (insb. § 34 BauGB). Dabei sind die Handlungsspielräume und Einflussmöglichkeiten der Stadt begrenzt und durch Baugesetzbuch (BauGB) und Sächsische Bauordnung (SächsBO) geregelt. Bei städtischen Bauvorhaben und den vorbereitenden Strategien und Planungen kann die Stadt dagegen auf eine wirtschaftliche, flächensparende und gestapelte Nutzung sowie eine Reduzierung der versiegelten Flächen achten.

Unter den Bedingungen einer wachsenden Stadt mit dem Ziel „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ wird eine Netto-Null-Versiegelung für nicht umsetzbar gehalten.

In der Praxis stellt eine Weiterentwicklung bzw. Umarbeitung von Flächen immer eine besondere Einzelfallentscheidung dar.

Zu den Punkten im Einzelnen:

  1. Grundsätzlich ist unstrittig, dass die Beobachtung der Entwicklung der Versiegelung Grundlage für jede Strategie zur Begrenzung der Neuversiegelung ist. Auch das Fachkonzept Freiraum und Umwelt des INSEK hat den Aufbau eines Monitorings zu Versiegelung, baulicher Dichte und Grünvolumen als notwendige Maßnahme genannt (s. C.2.3 -13). Außerdem ist die Entwicklung der Versiegelung ein wichtiger Indikator zur Umweltqualität der Stadt. Der Aufbau eines Versiegelungskatasters im Sinne einer laufenden örtlichen Erfassung anhand von Baugenehmigungen, Genehmigungsplanungen etc. wird jedoch weder für effektiv noch für leistbar gehalten.
    Anhand der Luftbildbefliegung 2018 wurde 2019 gemeinsam mit den Leipziger Wasserwerken die Versiegelung für das gesamte Stadtgebiet ermittelt (Auflösung 20 cm x 20 cm). Gegenwärtig wird eingeschätzt, dass bei einer regelmäßigen Wiederholung der Luftbildauswertung mit vertretbarem Aufwand ein Monitoring der Versiegelung als Grundlage für Strategien bzw. Maßnahmen zur Begrenzung Neuversiegelung geschaffen werden kann.
    Entsiegelungspotentiale werden schon jetzt im Kompensationsflächenpool (IKOMAN) und im Brachflächenkataster (IKOBRA) erfasst, beziehen sich aber selten auf die im Antrag angesprochenen Plätze, Wege und Straßenrandbereiche. Der Identifizierung „überflüssiger“ Versiegelungen auf Verkehrsflächen sind durch die einschlägigen Regelwerke und Förderbestimmungen sowie die funktionalen, gestalterischen und wirtschaftlichen Anforderungen enge Grenzen gesetzt. In dieser Hinsicht bestehen am ehesten bei Flächen des ruhenden Verkehrs Entsiegelungspotentiale, wobei im Einzelfall auch eine effektivere Flächennutzung sinnvoll sein kann (vgl. 2.). Entsiegelungspotentiale können im Rahmen von ohnehin notwendigen Planungen zu Verkehrsvorhaben aufgezeigt werden.
  2. Wie bereits weiter oben festgestellt, hält die Stadtverwaltung das Ziel einer Netto-Null-Versieglung in einer wachsenden Stadt für nicht umsetzbar. Der Leitsatz Innenentwicklung vor Außenentwicklung impliziert die Inanspruchnahme von vorhandenen Baupotentialen im Innenbereich und damit i.d.R. eine Zunahme der Versiegelung. In diesem Kontext bestehen Möglichkeiten zur Begrenzung der Neuversiegelung v.a. in einer effektiveren Flächennutzung etwa durch mehrgeschossige Bauweisen („Wachstum nach oben“). Das Leitbild der Doppelten Innenentwicklung, wie im INSEK im Zielbild bzw. im Fachkonzept Freiraum und Umwelt verankert, zielt auf eine bauliche Nachverdichtung, bei der gleichzeitig Grün- und Freiflächen mit entwickelt werden. Dieser Ansatz verfolgt neben einem quantitativen auch einen qualitativen Ausgleich der Neuversiegelung. D.h. die Versiegelung soll nicht allein durch Entsiegelungsmaßnahmen ausgeglichen werden (i.S.v. Netto-Null-Versiegelung), sondern auch durch eine gleichzeitige Aufwertung der (verbleibenden) Freiflächen (z.B. Erhöhung des Grünvolumens durch Pflanzung von Bäumen und Sträuchern, bessere Nutzbarkeit, ausgleichende Klimawirkung, Erhöhung der Wasserrückhaltung). Diese Ansätze finden z.B. im Rahmen der Entwicklung neuer Siedlungsgebiete (über Bebauungspläne oder Festsetzungen in städtebaulichen Verträgen) und bei kommunalen Bauvorhaben (zunehmend) Berücksichtigung.
    Ein erheblicher Teil der Versiegelung im Innenbereich geht auf die Nutzung privater Baurechte zurück. Städtische Ziele können für einzelne Eigentümer nur durch Satzungen (z.B. Stellplatzsatzung, Baumschutzsatzung, Bebauungspläne) verbindlich gemacht werden. Das im Zuge des Beschlusses VII-P-02093 in Erarbeitung befindliche Konzept zur Doppelten Innenentwicklung wird Maßstäbe für eine verträgliche Nachverdichtung entwickeln (Anpassung an den Klimawandel, Freiflächenversorgung) und Vorschläge erarbeiten, mit welchen Instrumenten im Innenbereich die bauliche Entwicklung bzw. die verträgliche Ausgestaltung von Vorhaben gesteuert werden kann.
    Im Rahmen der im Juli 2021 begonnen INSEK-Evaluierung werden Ziele, Handlungsansätze und Maßnahmen auf ihren Umsetzungsstand fachübergreifend bewertet und hinsichtlich vorhandener Weiterentwicklungsbedarfe überprüft. Angesichts der aktuellen Beschlusslagen und bekannten Handlungsbedarfe hinsichtlich Klimaschutz und Klimaanpassung werden die Ansätze zur Reduzierung des Flächenverbrauchs und der Neuversiegelung noch einmal intensiv in der Prüfung Beachtung finden. Auch im Rahmen der in Erarbeitung befindlichen Fortschreibung der Umweltqualitätsziele werden diesbezügliche vorhandene Grundlagen und Zielsetzungen überprüft und weiterentwickelt.
  3. Die Prüfung der personellen Ressourcen sollte sich nicht nur auf einzelne Bausteine und Maßnahmen (wie Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen bzw. Überprüfung der Umsetzung von Bebauungsplänen) beschränken, sondern zudem auch eine Abschätzung der notwendigen Haushaltmittel für die laufenden Aufgaben beinhalten. Daher soll auf Basis der vorhandenen bzw. zu erstellenden Strategien und Konzepte geprüft werden, wie die verfügbaren städtischen Ressourcen am effektivsten eingesetzt werden können bzw. welche städtischen Ressourcen für eine qualitätsvolle Umsetzung erforderlich sind. Die Ergebnisse der Prüfung werden in die Beratungen zur Haushaltsplanaufstellung 2023/24 eingebracht.
  4. Dem Punkt 4 des Antrags wird zugestimmt; er wird i.S.v. Punkt 6 um den Aspekt Biotopverbund ergänzt.
    Im Flächennutzungsplan erfolgte bereits auf Grundlage des Landschaftsplanes die im Antrag geforderte Freihaltung von „Tabuflächen“ (von Versiegelung freizuhalten). Mit der vorliegenden Stadtklimaanalyse, dem in Erarbeitung befindlichen Masterplan Grün und dem aufzustellenden Konzept zur Biotopverbundplanung (VII-P-00822) können die schutzwürdigen Flächen ergänzt und konkretisiert werden. Im Innenbereich können diese „Tabuflächen“ allerdings in der Regel nicht durch den Flächennutzungsplan (allein) geschützt werden. Das in Erarbeitung befindliche Konzept zur Doppelten Innenentwicklung soll dazu geeignete Instrumente aufzeigen (s.a. Punkt 5.)
  5. Der Punkt 5 des Antrages, der die Evaluation und Überarbeitung des Kompensations-modells unter Berücksichtigung von Biotopflächenfaktoren umfasst wird abgelehnt. Aus Sicht der Stadtverwaltung ist eine Überarbeitung des Kompensationsmodells nicht erforderlich. Das Leipziger Bewertungsmodell (zuletzt aktualisiert 2016) betrachtet die Schutzgüter Klima, Wasser, Flora/Fauna, Boden und das Landschaftsbild. Außerdem können verschiedene Zu- und Abschläge vergeben werden. Zuschläge gibt es gezielt für Entsiegelungen. Weiterhin gibt es Zuschläge für Biotopverbundflächen. Böden der Qualitätsstufe 5 werden zusätzlich bewertet. Damit betrachtet das Modell die Eingriffe in Natur und Landschaft sowie die zugeordneten Kompensationsmaßnahmen viel umfassender und differenzierter als der in Berlin– teilweise – angewandte Biotopflächenfaktor. Zudem ist bei rechtlich zulässigen Eingriffen im Innenbereich kein Ausgleich erforderlich (§ 1a IV Satz 6 BauGB). Hierfür bedarf es anderer Instrumente.
    Im Innenbereich sind Vorhaben (und die damit verbundene Versiegelung) nach § 34 BauGB zulässig, sofern sie sich nach Art und Maß der Bebauung in die Umgebung einfügen und wenn die Erschließung gesichert ist. Diese eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten sind aus Sicht der Verwaltung eine der zentralen Herausforderungen für die Steuerung und Begrenzung der Versiegelung. Dementsprechend soll eine Evaluation möglicher Steuerungsinstrumente erfolgen (z.B. Satzungen, örtliche Bauvorschriften, Bauleitplanung, Beratung und Förderung). Dabei sollen v.a. die Ergebnisse aus dem Konzept zur Doppelten Innenentwicklung (VII-P-02093-VSP-01) berücksichtigt werden.
  6. Der Punkt wird sinngemäß aus dem Antrag übernommen.

2. Realisierungs- / Zeithorizont

Die Umsetzung des Beschlussvorschlages mit seinen 6 Punkten erfolgt im Rahmen der laufenden Bearbeitung und Fortführung der genannten städtischen Strategien, Konzepte, Planungen und Vorhaben. Ergebnisse werden z.B. Mitte 2022 aus der Erarbeitung des Konzepts zur Doppelten Innenentwicklung sowie der INSEK-Evaluierung erwartet. Aussagen bezüglich der personellen und finanziellen Ressourcen werden in die Haushaltsplanung 2023/24 eingebracht.

2. Neufassung des Antrages vom 13. September 2022

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die bestehenden und derzeit in Bearbeitung befindlichen Strategien, Konzepte und Maßnahmen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs und der damit einhergehenden Neuversiegelungen mit dem Grundsatzziel einer Netto-Null-Versiegelung bis 2030 konsequent umzusetzen und weiterzuentwickeln und dabei eine Netto-Null-Versiegelung bis 2030 anzustreben. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen und in städtische Planungen und Bauvorhaben einzubeziehen:

  1. Einführung eines Monitorings zur Versiegelung unter Nutzung und Auswertung geeigneter Daten (regelmäßige Erfassung von bebauten, versiegelten, teilversiegelten und unversiegelten Flächen).
    Hinsichtlich der Erfassung von Entsiegelungspotentialen soll die Weiterentwicklung des Brachflächenkatasters und Kompensationsflächenpools (IKOBRA, IKOMAN) geprüft werden. Auf Basis dieser Daten wird ab 2023 ein zweijährlicher Monitoringbericht mit einer ortsteilscharfen Auswertung vorgelegt.
  2. Zur Begrenzung der Neuversiegelung von Flächen im Stadtgebiet bzw. der damit verbunden negativen Folgen auf das unbedingt erforderliche Maß sind in den relevanten Strategien, Konzepten und Planungen (z.B. zur Doppelten Innenentwicklung) Zielvorgaben, Kriterien für die Einzelfallprüfung und Maßnahmen vorhanden (z.B. Reduzierung des Flächenverbrauchs, effektive Flächennutzung, Stapelung von Nutzungen, Entsiegelung anderer Flächen). Diese werden u.a. im Rahmen der Fortschreibung der Umweltqualitätsziele und der 2021/22 stattfindenden INSEK- Evaluierung auf ihren Umsetzungsstand und Weiterentwicklungsbedarf überprüft. Auf dieser Basis werden Zielvorgaben für Flächenverbrauch, Neuversiegelung und Entsiegelung ab 2023 entwickelt und deren Einhaltung im Rahmen des zweijährlichen Monitoringberichts überprüft.
  3. Prüfung der personellen und finanziellen Ausstattung der Stadtverwaltung hinsichtlich der Umsetzung, der in den verschiedenen Strategien und Planungen vorgeschlagenen Maßnahmen (z.B. Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen, Überprüfung von Bebauungsplänen, Einhaltung von Flächenverbrauchsvorgaben).
  4. Verstärkte Festlegung von sogenannten "Tabuflächen", für die eine besondere Schutzbedürftigkeit z.B. aufgrund der Grundwasserneubildung, der Frisch- und Kaltluftentstehung, der Minderung des Aufheizeffektes in Überwärmungsgebieten, ihrer hohen klimatischen Entlastungsfunktion oder ihrer Bedeutung für den Biotopverbund besteht. Die Verwaltung legt dem Stadtrat bis zum I. Quartal 2023 a) eine Übersicht über entsprechende Tabuflächen, die im bestehenden Handlungsrahmen (Masterplan Grün, Biotopverbundplanung, Flächen der Kommune und der kommunalen Unternehmen) bereits festgelegt oder festzulegen sind sowie b) eine Strategie zur Festlegung von Tabuflächen im Rahmen der Konzeption zur Doppelten Innenentwicklung vor.
  5. Evaluation und Weiterentwicklung der von der Stadtverwaltung angewandten Instrumente zur Begrenzung bzw. Kompensation der Versiegelung im Innenbereich bis zum 2. Quartal 2023. Hierbei sind weitere Ansätze (z.B. Biotopflächenfaktoren, Flächenzertifikate) intensiv zu prüfen, die wirksame Anreize für eine Minimierung von Flächenverbrauch und eine Entsiegelung von Flächen bieten.
  6. Die zu erarbeitende Biotopverbundplanung soll Tabuflächen und Flächen für die Schaffung großer Verbindungsstrukturen ausweisen und für deren Umsetzung verstärkt auf Kompensationsmaßnahmen zurückgreifen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin begrüßt, dass die Verwaltung mit der grundsätzlichen Zielsetzung des Antrags übereinstimmt und legt dementsprechend eine Neufassung auf Grundlage des VSP vor. An der bereits in der Überschrift deutlich gewordenen Zielsetzung einer Netto-Null-Versiegelung bis 2030 wird ausdrücklich festgehalten. Gerade angesichts der fortwährenden Bautätigkeit und dem damit einhergehenden Grünflächenschwund im Stadtgebiet ist es entscheidend, als Rat gegenüber der Stadtgesellschaft und potentiellen Investoren die ökologischen Grenzen des Wachstums unserer Stadt rechtzeitig deutlich zu machen und daraus Konsequenzen abzuleiten. Das Ziel einer Netto-Null-Versiegelung bis 2030 erlaubt es, in den kommenden Jahren die bestehenden Potentiale einer sinnvollen Innenentwicklung insbesondere in Baulücken des innerstädtischen Bereichs sowie in den bereits in Planung oder Umsetzung befindlichen größeren Stadtentwicklungsprojekten auszuschöpfen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur möglich, sondern auch geboten, ab 2030 nur noch in dem Maße die Versiegelung von Flächen zuzulassen, wie auch Flächen entsiegelt werden. Würde diese Zielsetzung nicht verfolgt, hieße dies im Umkehrschluss, in den folgenden Jahrzehnten eine immer weiter fortschreitende Versiegelung und Neuausweisung von Baugebieten und damit einhergehende Reduzierung von Grünflächen zuzulassen. Die Umsetzung der im Antrag genannten Einzelpunkte dient dazu, die Umsetzung dieser strategischen Zielsetzung vorzubereiten und bereits jetzt alle Potentiale zur Reduktion von Flächenverbrauchs und Versiegelung zu nutzen.

Zu 1: Der Vorschlag der Verwaltung wird hinsichtlich eines konkreten Instruments zur Veröffentlichung der Monitoringdaten konkretisiert. Mit einem zweijährlichen, ortsteilscharfen Monitoringbericht werden die Daten transparent zur Diskussion in Öffentlichkeit und Politik bereitgestellt. Damit kann das Bewusstsein für die Thematik geschärft werden, um notwendige Maßnahmen abzuleiten.

Zu 2.: Um konkret handlungwirksam zu werden, sind die verschiedenen im VSP genannten Zielsetzungen zu bündeln und zu quantifizieren. Sie erlauben es dabei, die notwendigen Schritte auf dem Weg zu einer Netto-Null-Versiegelung abzubilden.

Zu 4.: Auch bei der Festlegung von sogenannten Tabuflächen ist eine konkrete Quantifizierung notwendig, die sich aus den verschiedenen von der Verwaltung genannten Planwerken und Instrumenten herleiten. Hierbei sind insbesondere auch Flächen der Kommune und der kommunalen Unternehmen zu berücksichtigen, bei denen die Stadt grundsätzlich eigenverantwortlich Tabuflächen ausweisen kann.

Zu 5.: Bei der Evaluation und Weiterentwicklung der Kompensationsinstrumente sind weitere Ansätze zu prüfen. Neben dem im Antrag benannten Biotopflächenfaktoren ist z.B. auch zu prüfen, inwiefern die Kommune auf das Stadtgebiet begrenzte Flächenzertifikate ausgeben kann.

Beschluss in der Ratsversammlung vom 14. September 2022

Der Antrag wurde in der zweiten Neufassung mehrheitlich beschlossen.

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