Antrag: Flagge zeigen gegen Antiromanismus - Hissen der Roma-Flagge am Internationalen Tag der Rom*nja
Antrag vom 02. August 2021 gemeinsam mit der Fraktion Die LINKE
Beschlussvorschlag
Die Stadt Leipzig wird jährlich zum 08.04. - dem internationalen Tag der Rom*nja - die Roma-Flagge vor dem Neuen Rathaus hissen
Begründung:
Am 13.07. stellte der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, mit dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, den Abschlussbericht der Unabhängige Kommission Antiziganismus vor.
Die UKA stellt fest, dass Antiromaismus als Normalität gilt. Ein Bewusstsein und die Wahrnehmung der massiven Diskriminierungen von Sinti*ze und Rom*nja in nahezu allen Lebensbereichen fehlen fast vollständig
Zu ähnlichen Ergebnissen kam die am 7. November 2019 von der Uni Leipzig in Berlin veröffentlichte Studie zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen in Deutschland. Als Reaktion auf diese Studie wurde der Antrag Kein Platz für Antiromaismus in Leipzig! Ins Verfahren gegeben. Bereits in diesem Antrag wurde die Flaggenhissung am 08.04. gefordert, was aber im Juni 2019 abgelehnt wurde.
Die Verwaltung argumentierte in ihrem VSP mit der „Gefahr, dass im Sinne der Gleichbehandlung weitere Forderungen nach dem Hissen spezifischer Flaggen an die Stadt Leipzig herangetragen werden. Dies könnte in letzter Konsequenz zu einem Verlust der eigentlich intendierten symbolischen Wirkung führen.“
Doch hier geht es nicht um eine „Beliebigkeit“ mit der Flaggen gehisst werden, sondern eben, dass mit großer symbolischer Wirkung auf die Diskriminierung einer Gruppe von Menschen hingewiesen wird, die – wie nochmal durch die UKA betont – in der Gesellschaft unsichtbar ist. Wofür, wenn nicht genau für diesen Anlass eignen sich Flaggenhissungen?
Erklärung:
Wir verwenden in diesem Antrag den Begriff Antiromaismus für Rassismus gegen die Sinti und Roma – gegen Menschen mit Romano-Hintergrund. Auf bundespolitischer Ebene wird das Wort Antiziganismus verwendet – wir Antragssteller*innen haben uns aber bewusst für den Begriff „Antiromaismus“ entschieden, da wir den negativ konnotierten Begriff „Z****“ nicht verwenden möchten. Gemeint ist hiermit aber das Gleiche: Rassismus gegen Sinti*ze und Rom*nja
Verwaltungsstandpunkt vom 25. Oktober 2021
Die Verwaltung stimmt dem Antrag zu.
Begründung:
Am 8. April 2021 jährte sich zum 50. Mal der Tag des ersten Welt-Roma-Kongresses, der am 8. April 1971 in London stattfand. Seit 1990 wird an diesem Datum der Internationale Tag der Roma begangen, da dieser Kongress als Beginn der internationalen Selbstorganisierung von Roma-Organisationen aus der ganzen Welt gilt.
Bereits mit dem Beschluss zum Antrag VI-A-07127 hat sich die Stadt Leipzig gegen jede Form von Antiromaismus - Rassismus und Feindlichkeit gegen Sinti und Roma - gestellt und sich zu ihrer historischen Verantwortung bekannt. Dies beinhaltet die Unterstützung und Förderung von Gedenk- und Erinnerungsarbeit sowie Präventiv- und Aufklärungsarbeit gegen Antiromaismus und die Förderung von Minderheitenkulturen wie der Romakultur.
Mit dem Hissen der Roma-Flagge am Rathaus setzt die Stadt Leipzig am Internationalen Tag der Roma ein weiteres deutliches symbolisches Zeichen für Respekt und Gleichberechtigung, um die Lebensrealitäten der Rom/-nja und Sinti/-ze auch in Leipzig sichtbarer zu machen und auf ihre Ausgrenzung sowie Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft aufmerksam zu machen.
Gleichzeitig kann die Stadt Leipzig mit dem Hissen der Roma-Flagge innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung ihre Solidarität zu den in Leipzig lebenden Rom/-nja und Sinti/-ze verdeutlichen und Verantwortung dafür übernehmen, dass diese den gleichberechtigten Zugang zu allen Lebensbereichen in der Gesellschaft haben müssen.
In dem jüngst veröffentlichten Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus (UKA) „Perspektivwechsel – Nachholende Gerechtigkeit – Partizipation“ wird die Wichtigkeit des Abbaus von institutioneller und struktureller Diskriminierung betont, um einen grundlegenden Perspektivwechsel in den behördlichen Handlungsroutinen im Umgang mit Rom/-nja und Sinti/-ze - weg von Abwehr und Segregation hin zu Fairness und Gerechtigkeit - zu vollziehen.
Wie die Leipziger Autoritarismus-Studie 2020 zeigt, sind Rom/-nja und Sinti/-ze nach wie vor in hohem Maße Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt, unzulässige Stereotype und Klischees sowie Vorurteile ihnen gegenüber sind vielfältig.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Abwertung von Rom/-nja und Sinti/-ze im Vergleich zu den Vorjahren zwar etwas zurückgegangen ist, dennoch geben auch im Jahr 2020 41,9% der Befragten an, dass sie Probleme damit hätten, »wenn sich Sinti und Roma in (ihrer Gegend) aufhalten«. Mehr als ein Drittel der Befragten ist der Ansicht, dass Sinti und Roma »aus den Innenstädten verbannt« werden sollten, und hier ist die Zustimmung unter den ostdeutschen Befragten mit 41,3% besonders hoch. Nach einem deutlichen Anstieg im Jahr 2018 waren 2020 etwas weniger Befragte der Studie - aber immer noch über die Hälfte - der Überzeugung, dass Sinti und Roma zur Kriminalität neigen würden.
Eine Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes „Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung - Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma“ kam 2014 zu dem Befund, dass Rom/-nja und Sinti/-ze von einem erheblichen Teil der deutschen Mehrheitsbevölkerung nicht als gleichberechtigte Mitbürger/-innen wahrgenommen werden. Unwissenheit und offene Ablehnung prägen die Einstellung gegenüber dieser Minderheit, die im Ranking ethnischer Gruppen auf die unterste Stufe verwiesen wird.
Die europaweite Bedeutung des Themas „Antiromaismus“ wird darin deutlich, dass die Europäische Kommission am 7. Oktober 2020 einen reformierten strategischen EU-Rahmen für die Roma mit einem umfassenden „Drei-Säulen-Konzept“ präsentierte. Dieser neue Ansatz ergänzt die sozioökonomische Inklusion marginalisierter Roma in Form einer Förderung von Gleichstellung und Teilhabe, in dem bis 2030 das Ziel festgesetzt wird, die tatsächliche Gleichstellung, die sozioökonomische Inklusion und die sinnvolle Teilhabe der Roma zu fördern. Die EU-Kommission erklärt in diesem Zusammenhang, dass Roma trotz des Diskriminierungsverbots in den EU-Staaten Opfer von Vorurteilen und sozialer Ausgrenzung sind und bei der Integration von Roma in den letzten zehn Jahren generell nur begrenzt Fortschritte erzielt wurden. Daher seien die EU-Institutionen und alle EU-Länder gemeinsam dafür verantwortlich, die Lebensbedingungen und die Inklusion der Roma zu verbessern. Auch der Deutsche Städtetag befasst sich mit dem Thema und hat im August 2021 seine Mitglieder zu Projekten und Maßnahmen zur EU-Rahmenstrategie zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma bis 2030 abgefragt.
Die Stadt Leipzig kann mit dem Hissen der Roma-Flagge am Internationalen Tag der Roma einen Betrag mit großer symbolischer Wirkung leisten und sich deutlich gegen Antiromaismus positionieren.
Beschluss der Ratsversammlung am 20. Januar 2022
Der Antrag wurde von der Mehrheit der Ratsversammlung beschlossen.
Bericht zum Stand der Umsetzung vom 15.02.2022:
Die Flagge wird am 08.04.2022 (erstmalig) und fortlaufend jährlich gehisst.