Antrag: Gründung einer Lärmschutzgemeinschaft

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Gründung einer Lärmschutzgemeinschaft, die sich aus den Umlandgemeinden des Flughafens Leipzig/Halle zusammensetzt, aktiv zu unterstützen.

  1. Besagte Schutzgemeinschaft soll sich als eingetragener Verein (e.V.) gründen. Der Stadtrat beschließt, die Gründung der Lärmschutzgemeinschaft e.V. und die Ausarbeitung einer entsprechenden Satzung proaktiv zu unterstützen.
  2. Nach Vorliegen der Satzung wird der Rat über den Beitritt zur Schutzgemeinschaft beschließen.

Begründung:

Der Stadtrat hat sich mittlerweile in einer Vielzahl von Abstimmungen, und zwar unmissverständlich, gegen die Ausbaupläne des Frachtflughafens positioniert; nicht zuletzt in der Ratsversammlung vom 20. Januar 2021, in der nach langer Debatte einhellig die Stellungnahme der Stadt zur 15. Planänderung zum Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle beschlossen wurde.

In diese Stellungnahme ist eine große Anzahl von Bedenken, Einwänden und Hinweisen zur geplanten Flughafenerweiterung, insbesondere in Hinblick auf Fluglärm, vorgebracht worden, die im Abwägungsprozess zur 15. Planänderung von der zuständigen Planfeststellungsbehörde, also der Landesdirektion, Berücksichtigung finden sollen.

Der Stadtrat hat in dieser Stellungnahme zum 15. Planfeststellungsverfahren die Gründe benannt, die eine Zustimmung der Stadt zum weiteren Ausbau des Frachtflughafens unmöglich machen. Es liegt in der Konsequenz der Sache: Sollten diesen Einwände in einem Beschluss der Landesdirektion nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen werden, behält sich der Rat vor, gegen diesen Beschluss rechtliche Schritte zu ergreifen.

Jedoch ist in einem Rechtsstreit das Kräfteverhältnis zwischen Vorhabensträger (Flughafen Leipzig/Halle) und Planfeststellungsbehörde (Landesdirektion) auf der einen Seite und den Kommunen (Flughafenanrainer) und ihren Einwohnern auf der anderen Seite kein ausgeglichenes. Der Vorhabensträger hat im Regelfall nahezu unerschöpfliche finanzielle Ressourcen; er könnte sogar auf Kredite zurückgreifen. Dagegen verfügen die Kommunen und die betroffenen Privatpersonen nur über begrenzte Mittel; das finanzielle Risiko eines Rechtsstreits in Planfeststellungsangelegenheiten kann selbst nicht mit einer Rechtsschutzversicherung abgesichert werden. Die Vorschriften zur kommunalen Haushaltsführung lassen es nicht zu, entsprechende Rücklagen für einen Rechtsstreit in Planfeststellungsangelegenheiten zu bilden.

Diese schlechte Ausgangslage lässt sich zumindest teilweise, aber in entscheidenden Punkten umgehen. Sofern die Kommunen nicht den Einschränkungen durch ein Haushaltssicherungskonzept unterliegen, können sie durch an den Verein zu zahlende Mitgliedsbeiträge aus dem kommunalen Haushalt Gelder beim Verein „ansparen“, um später ohne das Risiko einer zwangsweisen Rückführung in den Kommunalhaushalt (selbst bei einer Schieflage des Kommunalhaushalts) darauf zurückgreifen zu können.

Das wird dadurch erreicht, dass der Verein eine eigene Rechtspersönlichkeit hat und die einmal gezahlten Mitgliedsbeiträge damit der öffentlichen Haushaltsführung der Kommunen entzogen sind. Die Mittelverwendung des Vereins richtet sich dann ausschließlich nach dessen Satzung und den Beschlüssen der Mitgliederversammlung.

Zur Orientierung in der Sache gibt es Beispiele:

  • München hat eine Schutzgemeinschaft: https://www.schutzgemeinschaft-muc.de/
  • Satzung der Schutzgemeinschaft „Umlandgemeinden Flughafen Schönefeld“ (errichtet auf der Gründungsversammlung am 5. Juni 1996 in Waltersdorf, zuletzt geändert auf der Mitgliederversammlung am 31. März 2017)

Verwaltungsstandpunkt vom Juni 2023

Die Verwaltung empfiehlt die Ablehnung des Antrages.

Begründung:

 

Zusammenfassung:

Der Beschlussvorschlag sieht vor, den Oberbürgermeister zu beauftragen, die Gründung einer Lärmschutzgemeinschaft als eingetragener Verein, bestehend aus den Umlandgemeinden des Flughafens Leipzig/Halle, aktiv zu unterstützen. Auch der Stadtrat soll die besagte Gründung und die Ausarbeitung einer entsprechenden Satzung proaktiv unterstützen, sowie über den Beitritt zur Lärmschutzgemeinschaft nach Vorliegen der Satzung beschließen. Entsprechend der Begründung zum Antrag soll die Lärmschutzgemeinschaft dem ausschließlichen Zweck der Bildung von Rücklagen zur Finanzierung von Rechtsstreiten in flughafenbetreffenden Planfeststellungsangelegenheiten dienen.

Der Antrag ist abzulehnen, da kommunalrechtliche Haushaltsvorschriften umgangen werden sollen und die Stadt Leipzig die Kosten eines möglichen Rechtsstreits eigenständig tragen kann. Als Aktionär der Mitteldeutschen Flughafen AG und damit mittelbar der Flughafen Leipzig/Halle GmbH könnte für die Stadt Leipzig der Beitritt zur beabsichtigten Lärmschutzgemeinschaft mit dem o. g. Zweck auch aus Gründen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten untereinander (d. h. zu den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie den Städten Dresden und Halle) und gegenüber der Gesellschaft treuwidrig sein.

Sachverhalt:

Die Stadt Leipzig ist Aktionär der Mitteldeutschen Flughafen AG und damit mittelbar Gesellschafter der Flughafen Leipzig/Halle GmbH, die den Antrag auf 15. Planänderung gestellt hat. Die Unterstützung etwaiger Verwaltungsstreitverfahren von Umlandgemeinden durch die Stadt Leipzig ist aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht untereinander (Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie Städte Dresden, Halle, Leipzig) und gegenüber der Gesellschaft unzulässig. Bspw. sind die Städte Berlin und München in Rücksicht auf die ihnen als Gesellschafter der jeweiligen Flughafengesellschaften obliegende Treuepflicht zugleich keine Mitglieder der Schutzgemeinschaften der Umlandgemeinden und finanzieren daher auch keine Verwaltungsstreitigkeiten dieser durch eigene Mitgliedsbeiträge.

Der Antrag ist außerdem abzulehnen, weil darin behauptet wird, dass der Freistaat Sachsen im Unterschied zur Stadt Leipzig unbegrenzte Ressourcen für einen Rechtsstreit zur Verfügung hätte. Dies ist falsch, denn beide Seiten sind in einem Rechtsstreit gleich aufgestellt. Im Durchschnitt liegt der Streitwert bei einem Planfeststellungsverfahren bei 50.000,- €, so dass mit Kostenrisiken in der ersten Instanz von 10.000,- € zu rechnen ist. Selbst mit einem gerichtlichen Gutachten sind bei drei Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht nicht mehr als 50.000,- € als Kostenrisiko anzusetzen und das auch nur, wenn eine Partei vollständig verliert. Ansonsten werden die Kosten geteilt. Kosten dieser Höhe kann die Stadt Leipzig auch eigenständig tragen.

Demgegenüber wäre eine Beteiligung an der angestrebten Lärmschutzgemeinschaft, die sich aus den Umlandgemeinden des Flughafens Leipzig/Halle zusammensetzen und sich als eingetragener Verein (e. V.) gründen soll (im Weiteren als LSG e. V. bezeichnet), mit finanziellen Risiken für die Stadt Leipzig verbunden. Erstens muss erwartet werden, dass die Stadt Leipzig mit der Zahlung von Mitgliedsbeiträgen die eigenständige Entscheidungshoheit über die so gezahlten finanziellen Mittel verliert. Zweitens ist dies umso nachteiliger, als die Mittel der LSG e. V. (i) an einen sehr engen Zweck gebunden wären und (ii) keine Möglichkeit einer Mittelrückführung in den Kommunalhaushalt anzunehmen wäre:  

Die Antragsbegründung führt (abweichend von vergleichbaren Lärmschutzgemeinschaften, vgl. (ii)) ausschließlich den Zweck an, als Rücklagen für Rechtsstreite in Planfeststellungsangelegenheiten ggü. Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde „Gelder beim Verein ‚an[zu]sparen‘‘, um später […] darauf zurückgreifen zu können.“
Satzungen von bestehenden Lärmschutzgemeinschaften, die als gemeinnützige e. V. organisiert und mit anderen deutschen Flughäfen befasst sind, legen nahe, dass keinerlei Mittelrückflüsse an die Mitglieder möglich sind, z. B. § 3 Abs. 2 Satzung der Schutzgemeinschaft „Umlandgemeinden Flughafen Schönefeld“: „Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln der Schutzgemeinschaft.“ Analoges gilt für die Satzung der „Schutzgemeinschaft Erding-Nord, Freising und Umgebung e. V.“ sowie viele weitere.

Eine wechselseitige Geltendmachung der Rechte von Umlandgemeinden bzw. Finanzierung entsprechender Verwaltungsstreitigkeiten können durch die LSG e. V. nicht erreicht werden. Zwar hat die Stadt Leipzig im anhängigen 15. Planänderungsverfahren eine Stellungnahme gegenüber der Planfeststellungsbehörde abgegeben und das nämliche Recht steht allen betroffenen Umlandgemeinden zu. Der Stadt Leipzig obliegt es aber nicht, über die Gründung der LSG e. V. Rechte dritter Umlandgemeinden geltend zu machen. In gleicher Weise können sich die in der LSG e. V. zusammengefassten Umlandgemeinden nicht auf die Planungshoheit der Stadt Leipzig berufen und keine Finanzierung ihrer Verwaltungsstreitverfahren durch Beiträge der Stadt Leipzig zur LSG e. V. einfordern.

Im Übrigen erscheint der Antrag infolge möglicher Umgehung kommunalrechtlicher Haushaltsvorschriften (Abs. 5 der Antragsbegründung) als unzulässig. Die Antragsbegründung gibt zu Recht an: „Die Vorschriften zur kommunalen Haushaltsführung lassen es nicht zu, entsprechende Rücklagen für einen Rechtsstreit in Planfeststellungsangelegenheiten zu bilden." Die gleichen Vorschriften lassen ebenfalls nicht zu, dass die Stadt Leipzig durch eventuelle Beiträge an die LSG e. V. Gelder anspart, um damit später „ohne das Risiko einer zwangsweisen Rückführung in den Kommunalhaushalt" Verwaltungsstreitverfahren gegen etwaige Planfeststellungsbeschlüsse zum Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle zu führen.

  

Beschluss der Ratsversammlung am 13. März 2024

Der Antrag wurde mehrheitlich im Stadtrat im Sinne des Punkte 1 des von unserer Fraktion übernommenen Änderungsantrages beschlossen, Punkt 2 wurde mehrheitlich abgelehnt:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt

 

  1. ein Rechtsgutachten hinsichtlich der rechtlichen Zulässigkeit der Mitgliedschaft der Stadt Leipzig in einer Lärmschutzgemeinschaft, die sich aus den Umlandgemeinden des Flughafens Leipzig/Halle zusammensetzt, in Auftrag zu geben und darin unter anderem folgende Fragen zu klären:
  1. Stellt die Mitgliedschaft in einer Lärmschutzgemeinschaft grundsätzlich, also unabhängig vom Inhalt ihrer Satzung, einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Mitteldeutschen Flughafen AG gegenüber dar?
  2. Stellt die Mitgliedschaft in einer Lärmschutzgemeinschaft grundsätzlich, also unabhängig vom Inhalt ihrer Satzung, eine Umgehung kommunalrechtlicher Haushaltsvorschriften dar?
  3. Unter welchen Voraussetzungen/Satzungsinhalten wäre die Gründung einer Lärmschutzgemeinschaft und die Mitgliedschaft der Stadt Leipzig rechtlich zulässig?

 

  1. im Falle, dass das Rechtsgutachten keine grundsätzliche, also vom Inhalt der Satzung einer möglichen Lärmschutzgemeinschaft unabhängige Unzulässigkeit feststellt, dem Stadtrat eine Beschlussvorlage für die Gründung einer Lärmschutzgemeinschaft zur Abstimmung vorzulegen. Inhalt der Beschlussvorlage sollen unter anderem sein:
    1. eine Charakterisierung (Rechtsform, Zweck, geplante Aktivitäten, etc.) der durch die Stadt Leipzig angestrebten Lärmschutzgemeinschaft
    2. konkrete Maßnahmen zur Initiierung der Lärmschutzgemeinschaft

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