Antrag: Kein Platz für Antiromaismus in Leipzig!
gemeinsamer Antrag mit der Fraktion Die Linke vom 6. März 2019
Beschlussvorschlag:
- Die Stadt Leipzig stellt sich gegen jede Form von Antiromaismus – Rassismus und Feindlichkeit gegen Sinti und Roma.
- Die Stadt Leipzig bekennt sich zu ihrer historischen Verantwortung im Nationalsozialismus, so wie auch zu allen anderen historischen und gegenwärtigen antiromaistischen Vorkommnissen. Dies beinhaltet die Förderung und Unterstützung von Gedenk- und Erinnerungsarbeit an den Porrajmos (Vernichtung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus), die Präventiv- und Aufklärungsarbeit gegen Antiromaismus und die Förderung von Sinti und Romakultur in der Stadt.
- Die Stadt Leipzig wird ab 2019 den 02.08. - internationaler Gedenktag an den Genozid an den Roma und Sinti - als offiziellen Gedenktag an die im Nazionalsozialismus ermordeten Sinti und Roma begehen.
- Die Stadt Leipzig wird zum 08.04. - dem internationalen Tag der Roma - die Roma-Flagge vor dem Neuen Rathaus hissen.
- Die Stadt Leipzig geht aktiv gegen stigmatisierende Berichterstattung und Vorurteile gegen Sinti und Roma vor und fördert sozial- und integrationspolitisch die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Sinti und Roma in Leipzig.
- Zur Bekämpfung von Antiromaismus soll die Stadt regelmäßige Aus- und Weiterbildungen für Verwaltung, Sozialarbeit und Schulen anbieten.
- Die Stadt Leipzig setzt sich gegenüber dem Freistaat Sachsen für eine detaillierte Erfassung antiromaistischer Vorfälle ein. Insbesondere mit Polizei- und Justizbehörden sind Instrumente weiterzuentwickeln, die das Anzeige- und Meldeverhalten der Betroffenen verbessern, und Polizei- und Justizangestellte für das Thema Antiromaismus sensibilisieren und mögliche Vorbehalte in den Institutionen bekämpfen.
- Die Stadt Leipzig setzt sich gegenüber dem Freistaat Sachsen aktiv dafür ein, dass die Abschiebung von Sinti und Roma aus Nicht-EU-Staaten, die in Deutschland Schutz gesucht haben, verhindert und ein Bleiberecht ermöglicht wird.
Begründung:
Die Universität Leipzig veröffentlichte am 7. November 2018 in Berlin die aktuellen Studienergebnisse zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen in Deutschland. Dabei kommt die Leipziger Universität zu dem Resultat, dass sowohl rassistische wie auch sozialchauvinistische Tendenzen in der deutschen Gesellschaft weiter zugenommen haben. Antiromaismus ist eine Form des Rassismus, der am stärksten und breitesten in unserer Gesellschaft vertreten ist.
Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, hebt hierbei hervor:
"Die Studie bestätigt, worauf der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma seit Jahren hinweist, dass nämlich die jahrhundertealten Klischees des Antiromaismus virulent in der Mitte der Gesellschaft präsent sind und das antiziganistische Bild von der Minderheit prägen und tradieren. Es bedarf großer Anstrengungen des Rechtsstaats und seiner Bildungseinrichtungen, diesen gefährlichen Einstellungen entgegenzuwirken, die schon in vielen Ländern Europas und in Deutschland durch antiziganistische Hetze zu zunehmender Gewalt gegen die Minderheit geführt haben.“
Vorkommnisse in anderen sächsischen Städten und Gemeinden, haben in den letzten Monaten dies leider nur bestätigt.
Aus diesem Grund sollte die Stadt Leipzig als weltoffene und tolerante Stadt mit gutem Beispiel vorangehen: sich gegen Antiziganismus bekennen und gegen Antiromaismus aktiv werden.
Alternativvorschlag der Verwaltung:
- Die Stadt Leipzig stellt sich gegen jede Form von Antiromaismus – Rassismus und Feindlichkeit gegen Sinti und Roma.
- Die Stadt Leipzig bekennt sich zu ihrer historischen Verantwortung. Dies beinhaltet die Unterstützung und Förderung von Gedenk- und Erinnerungsarbeit (zum Beispiel an den Porrajmos, also die Vernichtung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus), Präventiv- und Aufklärungsarbeit auch gegen Antiromaismus und die Förderung von Minderheitenkulturen wie der Romakultur.
- Die Stadt Leipzig wird das Thema Antiromaismus in bestehende und entsprechend weiterzuentwickelnde Schulungen zu interkulturellen Kompetenzen ihrer Bediensteten einfließen lassen.
Begründung:
Die Beschlusspunkte 1 und 2 des Antrages werden von der Stadt Leipzig in deren Grundsatz – dem Bekenntnis zur historischen Verantwortung der Stadt, gegen jeden Rassismus und jede Menschenfeindlichkeit sowie zur Unterstützung von Erinnerungs- und Gedenkarbeit – geteilt. Um dem Risiko zu begegnen, dass eine ggf. dem Grundsatz der Gleichbehandlung widersprechende Priorisierung angenommen werden kann, sollten der Beschlusspunkt 2 in der vorliegenden Form des Verwaltungsstandpunktes beschlossen werden. Darin werden die Belange der Sinti und Roma benannt, gleichsam aber in die grundlegende Arbeit der Stadtverwaltung eingebettet.
Hingegen kann dem Beschlusspunkt 3 des Antrages nicht zugestimmt werden. Am 27. Januar eines jeden Jahres begeht die Stadt Leipzig ein Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Der Tag verweist auf den 27. Januar 1945, an welchem die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz befreite. Das städtische Gedenken findet auch am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma statt, ist also bereits explizit in die durch die Stadt Leipzig gelebte Gedenk- und Erinnerungskultur eingebettet. Darüber hinaus war Leipzig kein Zentrum der Verfolgung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus.
Gleichsam kann auch dem Beschlusspunkt 4 des Antrages nicht zugestimmt werden. Das Hissen von Flaggen folgt strengen protokollarischen Regeln. Die Stadt Leipzig hat bislang nur in sehr wenigen Ausnahmefällen eine Abweichung hiervon vorgenommen. Dies soll beibehalten werden. Ferner bestünde bei einer entsprechenden Beschlussfassung auch hier die Gefahr, dass im Sinne der Gleichbehandlung weitere Forderungen nach dem Hissen spezifischer Flaggen an die Stadt Leipzig herangetragen werden. Dies könnte in letzter Konsequenz zu einem Verlust der eigentlich intendierten symbolischen Wirkung führen.
Dem Beschlusspunkt 5 kann ebenfalls nicht zugestimmt werden. Die Forderung, dass die Stadt Leipzig aktiv gegen stigmatisierende Berichterstattung und Vorurteile gegen Sinti und Roma vorgeht, ist durch die Verwaltung nicht umsetzbar. Die Stadtverwaltung hat weder die Möglichkeit und im Rahmen der Verpflichtung zur Wahrung der Grundrechte auf Presse- und Meinungsfreiheit sowie unter Wahrung der Vorgabe der Presseferne des Staates glücklicherweise auch nicht das Recht, auf die öffentliche Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Ferner ist die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Sinti und Roma in der Stadt der übergeordneten Aufgabe einer gleichberechtigten Teilhabe aller Einwohner/-innen unabhängig von ihrer ethnischen, kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit zuzuordnen. Es gibt aus Sicht der Stadt Leipzig keine strukturellen Hindernisse, die diese Zielgruppe sozial- und integrationspolitisch von der Teilhabe ausschließen und daher eines gesonderten Beschlusses bedürfen würden.
Dem Beschlusspunkt 6 des Antrages kann in der Fassung des vorgeschlagenen Beschlusspunktes 3 zugestimmt werden. Zum einen sind der Stadt Leipzig keine Vorfälle bekannt, in denen Bedienstete antiromaistisches Verhalten gezeigt hätten. Eine separate Schulung zum Thema Antiromaismus würde wahrscheinlich auch nicht die benötigte Teilnehmerzahl erreichen. Es wird daher vorgeschlagen, das Thema Antiromaismus in bestehende und entsprechend weiterzuentwickelnde Schulungen zu interkulturellen Kompetenzen für Bedienstete der Stadtverwaltung mit einfließen zu lassen. Indes können keine Schulungsangebote an Schulen angeboten werden, da für die Weiterbildung der Lehrkräfte das Landesamt für Schule und Bildung zuständig ist.
Einer gesonderten Beschlussfassung zu den Beschlusspunkten 7 und 8 des Antrages ist darüber hinaus nicht möglich. Die detaillierte statistische Erfassung antiromaistischer Vorfälle durch die Polizei sowie die Sensibilisierung von Polizei- und Justizbehörde ist Ländersache und erfolgt auf Basis rechtlicher Grundlagen, die nicht im Wirkungsbereich der Stadt Leipzig liegen. Die Stadtverwaltung ist als Bestandteil der Exekutive hier der falsche Ansprechpartner. Die Verbesserung des Anzeige- und Meldeverhaltens der Betroffenen indes könnte über eine neutrale, niedrigschwellige Einrichtung erfolgen, wo die Vorfälle gemeldet und weitere Unterstützung angeboten werden könnte, z.B. beim Leipziger Antidiskriminierungsbüro. Entsprechende Sensibilisierungen wären sodann im Rahmen der in Beschlusspunkt 2 des Verwaltungsstandpunktes aufgeführten Unterstützung der Aufklärungsarbeit enthalten. Aufgrund der auf Bundesebene bestehenden ausländer- und asylrechtlichen Regelungen, kann sich die Stadt Leipzig auch gegenüber dem Freistaat Sachsen nicht dafür aussprechen, Abschiebungen von Sinti und Roma aus Nicht-EU-Staaten grundsätzlich zu verhindern.
Beschluss der Ratsversammlung am 26. Juni 2019
Der Antrag wurde mit 31/28/4 vom Stadtrat in der von der CDU-Fraktion zur Abstimmung gestellten Alternativvorschlag der Verwaltung, den den Antrag deutlich abschwächte, gegen unsere grünen Stimmen beschlossen.
Bericht zur Umsetzung des Beschlusses vom 22.01.2020
Status: "Erledigt"
Sachstand:
Die Stadt Leipzig stellt sich gegen jede Form von Antiromaismus – Rassismus und Feindlichkeit gegen Sinti und Roma.
Die Stadt bekennt sich zu ihrer historischen Verantwortung, gegen jede Form von Rassismus und Menschenfeindlichkeit und damit auch gegen Antiromaismus einzutreten. Dieses Bekenntnis wird durch den Beitritt der Stadt Leipzig zur European Coalition of Cities against Racism im Jahr 2009 und der Annahme ihres 10-Punkte- Aktionsplanes untermauert. Darüber hinaus leisten die jährlich stattfindenden Internationalen Wochen gegen Rassismus einen Beitrag zur Sensibilisierung und Information zu diesem Thema. Von Diskriminierung und rassistischer Gewalt betroffene Sinti und Roma können sich wie alle anderen Betroffenen an das Antidiskriminierungsbüro Sachsen e. V. und die Opferberatungsstelle der RAA wenden, deren Arbeit durch Landesförderung und städtische Zuschüsse finanziell mit abgesichert wird.
Die Stadt Leipzig bekennt sich zu ihrer historischen Verantwortung. Dies beinhaltet die Unterstützung und Förderung von Gedenk- und Erinnerungsarbeit (zum Beispiel an den Porrajmos, also die Vernichtung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus), Präventiv- und Aufklärungsarbeit auch gegen Antiromaismus und die Förderung von Minderheitenkulturen wie der Romakultur.
Alle Aktivitäten zur Integration und zur Förderung der Interkulturalität zielen darauf ab, ein offenes und tolerantes gesellschaftliches Klima zu schaffen, das Minderheitenkulturen wertschätzt, Teilhabe für alle ermöglicht und in dem Rassismus und damit auch Anfeindungen gegenüber Sinti und Roma keinen Platz haben. In diesem Sinne unterstützt die Stadt Leipzig im Rahmen ihrer Förderrichtlinien Initiativen, Vereine und Verbände, die interkulturelle und integrationsfördernde Projekte durchführen, Diversität in Leipzig sichtbar machen, historisches Wissen vermitteln sowie die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wachhalten. Außerdem werden im Rahmen der kommunalen Gesamtstrategie „Leipzig – Ort der Vielfalt“ Projekte und Maßnahmen im Themenfeld „Diskriminierung und Rassismus“ gefördert.
Im März 2019 fand beispielsweise das Symposium „Verfolgung – Ausgrenzung – Verwahrung. Die ehemalige städtische Arbeitsanstalt in Leipzig von 1892 bis heute“ statt. Auf dieser, unter anderem durch die Stadt Leipzig geförderten Tagung in der Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig wurde auch das Schicksal Leipziger Sinti und Roma während der NS-Zeit thematisiert.
Für das Jahr 2019 ist dem Verein Romano Sumnal e. V. im Rahmen der Fachförderrichtlinie des Referates für Migration und Integration eine Projektförderung für eine Veranstaltung am Internationalen Roma-Tag zugesagt. In den letzten Jahren hat das genannte Referat mehrmals positive Stellungnahmen zu Projekten des gleichen Vereins abgegeben, für die Fördermittel aus der Richtlinie Integrative Maßnahmen (Landesförderung) beantragt wurden.
Die Stadt Leipzig wird das Thema Antiromaismus in bestehende und entsprechend weiterzuentwickelnde Schulungen zu interkulturellen Kompetenzen ihrer Bediensteten einfließen lassen.
Dem Personalamt sind keine Fälle bekannt, in denen Beschäftigte der Stadtverwaltung antiromaistisches Verhalten gezeigt haben. Das Thema Antiromaismus wird in bestehende und weiterzuentwickelnde Schulungsangebote unter dem Stichwort „interkulturelle Kompetenzen“ mit einfließen.
Die Abteilung Personalentwicklung bietet im Rahmen des jährlichen Fortbildungsangebotes regelmäßig Schulungen für die Bediensteten der Stadtverwaltung Leipzig zum Themenkomplex „interkulturellen Kompetenzen“ an. Im Jahr 2019 waren dies unter anderem Schulungen zu folgenden Themen:
- Argumentationstraining für Fälle antisemitischer, antimuslimischer und allgemein rassistischer Äußerungen von Bürger/-innen
- Grundlagen Islam
- Interkulturelle Kompetenz, Interkulturelle Vielfalt - Kulturelle und religiöse Unterschiede und Besonderheiten verschiedener Migrantengruppen
- Konfliktmoderation im interkulturellen Kontext
Auch für das Jahr 2020 werden Schulungsangebote zu den vorgenannten Themen über die Abteilung Personalentwicklung angeboten. Kontinuierlich werden darüber hinaus die Schulungsangebote evaluiert und weiterentwickelt.