Antrag: Klimaschutz und Klimawandelanpassung in der Bauleitplanung verankern

Antrag vom 27. April 2023

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, konkrete Standards für Klimaschutz und Klimawandelanpassung in Bebauungsplänen und städtebaulichen Verträgen zu entwickeln und verbindlich umzusetzen. Abgestimmt mit der durch das Energie- und Klimaschutzprogramm beauftragten Umsetzung von Kriterien der CO2-Einsparung in städtebaulichen Planungen und Verfahren sowie dem Gesamtkonzept Klimawandelanpassung sind hierbei insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

  1. Eine Prüfung, inwieweit die Stadtklimaanalyse im Rahmen der Bauleitplanung abwägungsrelevant werden kann. Diese soll, wenn möglich, bei künftigen Planungen, auch im Rahmen von städtebaulichen Verträgen, berücksichtigt werden.
  2. Quartiersbezogene Energiekonzepte mit der Festsetzung von PV-Anlagen oder Solarthermie-Anlagen auf Neubauten (mindestens 50 % der Dachflächen, vorrangig kombiniert mit Gründächern),
  3. Quartiersbezogene Klimawandelanpassungskonzepte (Schwammstadtprinzip) mit der Festsetzung von Regenwassernutzungsanlagen in Neubauten und Freihaltung von Flächen zur Niederschlagsversickerung.

Die Fachausschüsse für Stadtentwicklung und Bau sowie für Umwelt, Klima und Ordnung werden über die Erarbeitung unterrichtet.

Begründung:

Anpassungen an das Klima und der Schutz der natürlichen Umwelt tragen wesentlich zur Schaffung nachhaltiger und ressourcenschonender Siedlungsstrukturen bei. Städtische und örtliche Naturräume sind maßgeblich für das lokale Klima verantwortlich. Bei der Überplanung von Flächen und Neuausweisungen von Baugebieten haben die Städte und Gemeinden die große Chance, mittels Bauleitplanung frühzeitig geeignete Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und seine Folgen vorzusehen.

Die Stadtklimaanalyse gibt sehr genau Auskunft darüber, welche Stadträume klimatisch belastet sind und wo auf Kaltluftströme, Wärmeinseln, Versiegelungsgrad und Begrünung/Baumpflanzungen ganz besonders geachtet werden muss. Diese Daten sollten verbindlichen Eingang in die Bauleitplanung finden und bei städtebaulichen Verträgen berücksichtigt werden.

Im Zuge der Klimaschutz-Novelle im Jahre 2011 haben Klimaschutz und Klimaanpassung ausdrücklich in § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB Eingang ins Baugesetzbuch gefunden. In Ergänzung findet sich in § 1a Abs. 5 BauGB seitdem eine sog. Klimaschutzklausel. Es wird damit explizit herausgestellt, dass Aufgaben der Bauleitplanung auch der allgemeine Klimaschutz und die Klimaanpassung sind.

Im 2022 beschlossenen Energie- und Klimaschutzprogramm wurde die Verwaltung beauftragt, „Kriterien der CO2-Einsparung in städtebaulichen Planungen und Verfahren strukturiert umzusetzen. Dazu werden die Einflussmöglichkeiten der Planungsinstrumente identifiziert und Festlegungen zum Abstimmungsprocedere in den verschiedenen Planungs- bzw. Verfahrensschritten getroffen.“ Neben dem Ausschluss fossiler Wärmesysteme sollen dabei Zielsetzungen für den Anteil Erneuerbarer Energien sowie für die Reduzierung von Grauer Energie bei der Errichtung von Gebäuden und Infrastrukturen entwickelt werden. Nicht in diesem Auftrag berücksichtigt sind Maßnahmen der Klimaanpassung.

Darauf aufbauend schlägt der Antrag vor, aus den zu erarbeitenden Kriterien für CO2-Einsparung ebenso wie aus dem zu erarbeitenden Gesamtkonzept zur Klimawandelanpassung konkrete Standards zu entwickeln. So sollen mindestens 50 % der Dachfläche verpflichtend mit PV-Anlagen oder alternativ Solarthermie bestückt werden. Gemeinden können nach herrschender Rechtsauffassung auch unabhängig von einer allgemeinen Solarpflicht durch ihre Satzungshoheit im Bereich von Bebauungsplänen Solaranlagen und Regenwasseranlagen festsetzen. Während verschiedene Bundesländer durch eine Anpassung der Bauordnung von ihrem Regelungsrecht Gebrauch gemacht haben, hat Sachsen im Koalitionsvertrag bislang nur eine Prüfung einer allgemeinen Solarpflicht verabredet.

Die Pflicht zur Nutzung der solaren Strahlungsenergie zur Stromerzeugung (Solarfestsetzung) kann unter Beachtung des Abwägungsgebots unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Eigentumsfreiheit in einem Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 23 b BauGB festgesetzt werden.

Für Maßnahmen zur naturverträglichen Regenwasserbewirtschaftung können von den Kommunen nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB Vorgaben gemacht werden, beispielsweise zur Dach- oder Fassadenbegrünung oder zur Anlegung (in der Regel kleinerer) Gewässer wie z.B. Teiche.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Kommunen im Rahmen ihrer Satzungshoheit durch die Einführung einer gesplitteten Gebühr für Schmutz- und Niederschlagswasser die Grundstückseigentümer dazu motivieren können, Flächen zu entsiegeln und Niederschlagswasser versickern zu lassen, statt es in die Kanalisation zu leiten. Ebenso können Kommunen durch Freiflächengestaltungssatzungen (ggf. in Verbindung mit einem kommunalen Förderprogramm) im Rahmen baugestalterischer Zielsetzungen eine angemessene Durchgrünung und Gestaltung der Baugrundstücke regeln und damit auch die Versickerung von Regenwasser fördern.

Rechtliche Grundlage für die Festsetzung von Zisternen wäre § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB (siehe zusammenfassend Battis, BauGB, Rn. 115 zu § 9 Abs. 1 Nr. 20: „[…] Zulässig sein dürfte seit der Klimaschutznovelle 2011 auch eine Festsetzung, nach der Niederschlagswasser zu sammeln und für die Gartenbewässerung oder im Haushalt zu verwenden ist. Bei der Verwendung von Niederschlagswasser handelt es sich um eine Anpassungsmaßnahme an den Klimaschutz, mit der einer zunehmenden Austrocknung des Bodens entgegengewirkt werden kann.“).

 

Verwaltungsstandpunkt

Alternativvorschlag

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, konkrete Standards für Klimaschutz und Klimawandelanpassung in Bebauungsplänen und städtebaulichen Verträgen zu entwickeln und verbindlich umzusetzen.

Abgestimmt mit der durch das Energie- und Klimaschutzprogramm beauftragten Umsetzung von Kriterien der CO2-Einsparung in städtebaulichen Planungen und Verfahren sowie dem laut Beschluss „Klimawandel ernst nehmen, vorausschauend handeln – Gesamtkonzept Klimawandelanpassung erstellen“ (VII-A-07985) zu erstellenden Gesamtkonzept Klimawandelanpassung sind hierbei insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

1. In den Bauleitplan-Verfahren (Bebauungsplan und Flächennutzungsplan) erfolgt auch weiterhin eine Prüfung, inwieweit die Stadtklimaanalyse im Rahmen der jeweiligen Bauleitplanung abwägungsrelevant ist. Bei Abwägungsrelevanz erfolgt eine entsprechende Berücksichtigung und Dokumentation in der Begründung zum Bauleitplan. Dies gilt entsprechend auch im Rahmen von städtebaulichen Verträgen.

2. Quartiersbezogene Energiekonzepte werden im Regelfall erarbeitet und darauf aufbauende Festsetzungen in den jeweiligen Bebauungsplan oder städtebaulichen Vertrag aufgenommen, soweit dies im jeweiligen Einzelfall sachgerecht ist. Es sind derzeit im Regelfall bei der Errichtung von Gebäuden mindestens 50% der jeweiligen Dachfläche mit Anlagen für die Nutzung solarer Energie nebst dazugehörigen Leitungen auszustatten. Dabei wird auch die Kombination mit Dachbegrünung verankert werden. Bei allen Regelungen im Bebauungsplan wird, angesichts der sich weiterentwickelnden rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die notwendige Technologieoffenheit gewahrt bleiben.

3. Die Erstellung von quartiersbezogenen Klimawandelanpassungskonzepten sowie deren Umsetzung in möglichen Festsetzungen des Bebauungsplanes werden in zukünftig einzuleitenden Bebauungsplan-Verfahren berücksichtigt werden. In bereits laufenden Verfahren kann dies nur berücksichtigt werden, soweit dies im jeweiligen Einzelfall noch vertretbar ist.

Begründung

Für die Bauleitplanung (B-Planung) sind derartige Standards in Teilen bereits vorhanden. Ihre Weiterentwicklung ist im Gange, z.B. mit einer AG „zukunftsfähige städtebauliche Planung“ sowie im Rahmen von Regelrücksprachen zwischen den relevanten Organisationseinheiten. Dabei werden – in Umsetzung der mit dem EKSP beschlossenen Maßnahme (I.5) – „die Einflussmöglichkeiten der Planungsinstrumente identifiziert und Festlegungen zum Abstimmungsprocedere in den verschiedenen Planungs- bzw. Verfahrensschritten getroffen“. In dem Rahmen wird u.a. auch geprüft, inwieweit mittels Bauleitplanung „fossile Wärmesysteme ausgeschlossen“ sowie „Zielsetzungen für den Anteil Erneuerbarer Energien sowie für die Reduzierung von Grauer Energie bei der Errichtung von Gebäuden und Infrastrukturen“ umgesetzt werden können.

Im Ergebnis dessen werden sowohl die bereits bestehenden formalen Standards für das Procedere der B-Plan-Erarbeitung und der verwaltungsinternen Abstimmung als auch die bestehenden materiellen Standards für Planinhalte und ihre Begründung im Hinblick auf Klimaschutz und Klimawandelanpassung weiterentwickelt und entsprechend umgesetzt werden.

In die Durchführungsverträge zu vorhabenbezogenen B-Plänen fließt dies über die entsprechenden Inhalte der zugehörigen Planunterlagen ein.

Zu 1.: Die angeregte Prüfung ist bereits jetzt regelmäßiger Arbeitsschritt in Bauleitplan-Verfahren. Die Stadtklimaanalyse gehört zu den im Rahmen der Bauleitplanung zu prüfenden Planungsgrundlagen und damit grundsätzlich zum Abwägungsmaterial. Sie kann – je nach Ist-Situation des jeweiligen Plangebietes, den Aussagen der Stadtklimaanalyse sowie den beabsichtigten Planinhalten – auch aus bauplanungsrechtlicher Sicht abwägungsrelevant sein. Um dies zukünftig deutlicher herauszustellen, wird die Dokumentation dessen in den Planunterlagen weiterentwickelt werden.

Zu 2.: Energiekonzepte werden bereits auf Basis eines Muster-Leistungsverzeichnis als Fachgutachten begleitend zu B-Plan-Verfahren beauftragt. Inwieweit deren bauplanungsrechtliche Umsetzung sachgerecht (zulässig und sinnvoll) ist, hängt von der Sachlage des Einzelfalles ab. Es ist zu erwarten, dass durch die verschärfte Bundesgesetzgebung und der damit verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung der Umfang von Energiekonzepten stark komprimiert werden kann, um Kosten und Planungszeit zu sparen. Zentraler Bestandteil bleibt in jeden Fall die Erarbeitung einer zu hohen Anteilen erneuerbaren Energieversorgungslösung.

Zu 3.: Klimawandelanpassung wird bereits in Form von Niederschlagswasserbewirtschaftungskonzepten und Grünordnungsplänen begleitend zu B-Plan-Verfahren berücksichtigt. Die Notwendigkeit dieser Fachgutachten hängt vom Einzelfall ab und wird im Zuge der Grundlagenermittlung ämterübergreifend eingeschätzt. Die energetischen Quartierskonzepte haben ebenfalls Klimaanpassungsaspekte mit analysiert und werden zukünftig als Planungsgrundlage in B-Plan-Verfahren berücksichtigt. Nicht zuletzt werden mit dem Forschungsprojekt Leipziger BlauGrün II weitere rechtliche Lösungswege für die Umsetzung von multifunktionalen blau-grünen Infrastrukturen im Planungsprozess erarbeitet.

Noch im laufenden 3. Quartal 2023 wird mit der Besetzung von 1,5 Stellen im Klimaanpassungsmanagement der Prozess zur Erstellung eines mit Maßnahmen untersetzten 5/5 Klimaanpassungskonzeptes im Dezernat III aufgenommen. Ähnlich dem Prozess zur Erstellung des aktuellen Energie- und Klimaschutzprogramms wird auch hier das Handlungsfeld Stadtentwicklung und Bauleitplanung mit Blick auf Klimaanpassungsmaßnahmen verstärkt in den Blick genommen werden.

Realisierungs- / Zeithorizont

Es ist Ziel, den Stadtrat über die Standards für Klimabelange in der Bauleitplanung bis zum Ende des 2. Quartals 2024 im Rahmen einer Informationsvorlage zu unterrichten.

 

Neufassung des Antrages vom 12.10.2023

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, konkrete Standards für Klimaschutz und Klimawandelanpassung in Bebauungsplänen und städtebaulichen Verträgen zu entwickeln und verbindlich umzusetzen.

Abgestimmt mit der durch das Energie- und Klimaschutzprogramm beauftragten Umsetzung von Kriterien der CO2-Einsparung in städtebaulichen Planungen und Verfahren sowie dem laut Beschluss „Klimawandel ernst nehmen, vorausschauend handeln – Gesamtkonzept Klimawandelanpassung erstellen“ (VII-A-07985) zu erstellenden Gesamtkonzept Klimawandelanpassung sind hierbei insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:

  1. In den Bauleitplan-Verfahren (Bebauungsplan und Flächennutzungsplan) erfolgt auch weiterhin eine Prüfung, inwieweit die Stadtklimaanalyse im Rahmen der jeweiligen Bauleitplanung abwägungsrelevant ist. Bei Abwägungsrelevanz erfolgt eine entsprechende Berücksichtigung und Dokumentation in der Begründung zum Bauleitplan. Dies gilt entsprechend auch im Rahmen von städtebaulichen Verträgen.
  2. Quartiersbezogene Energiekonzepte werden im Regelfall erarbeitet und darauf aufbauende Festsetzungen in den jeweiligen Bebauungsplan oder städtebaulichen Vertrag aufgenommen, soweit dies im jeweiligen Einzelfall sachgerecht ist. Es sind derzeit im Regelfall bei der Errichtung von Gebäuden mindestens 50% der jeweiligen Dachfläche mit Anlagen für die Nutzung solarer Energie nebst dazugehörigen Leitungen auszustatten. Dabei wird auch die Kombination mit Dachbegrünung verankert werden. Bei allen Regelungen im Bebauungsplan wird, angesichts der sich weiterentwickelnden rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die notwendige Technologieoffenheit gewahrt bleiben.
  3. Die Erstellung von quartiersbezogenen Klimawandelanpassungskonzepten (Schwammstadtprinzip) sowie deren Umsetzung in möglichen Festsetzungen, wie Regenwassernutzungsanlagen in Neubeuten und Freihaltung von Flächen zur Niederschlagwasserversickerung, des Bebauungsplanes werden in zukünftig einzuleitenden Bebauungsplan-Verfahren berücksichtigt werden. In bereits laufenden Verfahren kann dies nur berücksichtigt werden, soweit dies im jeweiligen Einzelfall noch vertretbar ist.

Die Fachausschüsse für Stadtentwicklung und Bau sowie für Umwelt, Klima und Ordnung werden über die Erarbeitung/Umsetzung unterrichtet.

Begründung:

siehe Ursprungsantrag

Die fett markierten Passagen sind Ergänzungen zum übernommenen Verwaltungsstandpunkt.

 

Beschluss der Ratsversammlung am 18. Oktober 2023

Der Antrag wurde mit 31-28 Stimmen mehrheitlich vom Stadtrat beschlossen.

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