Antrag: Konzept zum verbesserten Baumschutz bei Bauvorhaben
Beschlussvorschlag:
- Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, sich an den Freistaat Sachsen zu wenden, mit dem Ziel, dass der Baumschutz wieder einen höheren Stellenwert im Sächsischen Naturschutzgesetz und daraus folgend in der Sächsischen Bauordnung erhält.
- Die Stadtverwaltung wird beauftragt, ein Konzept für einen verbesserten Baumschutz bei Bauvorhaben zu erarbeiten und dieses Konzept dem Stadtrat bis Ende II. Quartal 2018 zur Beschlussfassung vorzulegen.
Teil dieses neuen Konzeptes soll sein:
• Kartierung und Wertermittlung vorhandenen Baumbestands auf Baugrundstücken,
• verstärkter Schutz erhaltenswerter Bäume auf Baugrundstücken und erhaltenswerter Randbäume auf Nachbargrundstücken,
• besonderer Schutz von besonders wertvollen sowie straßenbildprägenden Bäumen,
• vertiefte Prüfung von Umplanungen und von Entschädigungszahlungen bei reduziertem Baurecht in oben genannten Fällen,
• Ausnutzung aller rechtlichen Möglichkeiten zur Reduzierung des Baurechts in oben genannten Fällen,
• Ausnutzung aller planerischen Möglichkeiten zur Reduzierung des Tiefgaragenumgriffs (Tiefgaragen unter Baukörpern, Duplex-Garagen, Ablösung einzelner Stellplätze, etc.).
Sachverhalt:
In einer Großstadt mit weiter wachsender Einwohnerzahl und wachsendem Flächenbedarf für öffentliche Infrastruktur und Wohnen ist es nötig, das natürliche Umfeld unter hohen Schutz zu stellen. Bäume sind ein essentieller Faktor für Lebensqualität und Gesundheit, zugleich sind sie ein wertvoller Lebensraum für viele natürliche Arten. Das Sächsische Naturschutzgesetz war 2010 mit gravierenden Folgen für den Baumschutz geändert worden, für Grundstückseigentümer wurden die Hürden bei Baumfällungsabsichten quasi entfernt.
Bäume werden u. a. auch für die Luftqualität benötigt, deswegen sind Baumfällungen eine Angelegenheit die die Allgemeinheit interessieren darf, selbst wenn sie im privaten Garten sattfinden.
Viele Leipziger und Leipziger beklagen deswegen zunehmend den rücksichtslosen Umgang mit wertvollem Baumbestand bei neuen Bauvorhaben oder bei Fällungen im Straßenraum aus Verkehrssicherungsgründen. Ein sensiblerer Umgang mit wertvollem Baumbestand wird gefordert.
Der Eindruck ist, dass die aktuelle Baugenehmigungspraxis hier regelmäßig anders reagiert. Deshalb ist unsere Fraktion der Auffassung, dass es Zeit ist für eine neue politische und gesellschaftliche Diskussion zum gesellschaftlichen Wert und verbesserten Schutz wertvoller Bäume in unserer Stadt. Das Sächsische Naturschutzgesetz und die aktuelle Sächsische Baumschutzverordnung reichen dazu definitiv nicht aus. Es sollte daher im Interesse der Stadt Leipzig sein, beim Sächsischen Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft eine Verschärfung des Baumschutzes durch eine umgehende Gesetzesänderung einzufordern. Daraus folgend könnte die Leipziger Baumschutzordnung wieder ihre größere Schutzwirkung entfalten.
Um zukünftig vorzubeugen, soll bei der Beurteilung der Bebauung größerer Grundstücke mit wertvollem Baumbestand dessen Erhalt im Vordergrund stehen. Um diese Bäume schützen zu können, soll auch die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens samt einer Veränderungssperre erwogen werden.
Der Baumschutz und die Einschätzung der Wertigkeit des Baumbestands vor der Erteilung der Baugenehmigung muss wieder eine Selbstverständlichkeit werden, wenn Leipzig den Baumschutz ernst nehmen will. Berücksichtigt werden sollen alle Bäume, die durch die Errichtung von Bauwerken beeinträchtigt werden, diese Betrachtung bezieht auch Nachbargrundstücke ein. Das Konzept für den verbesserten Baumschutz soll Festlegungen beinhalten, welche Abwägungen zum Erhalt von Bäumen stattgefunden haben und wie ein festgestellter unabwendbarer Verlust von Bäumen ausgeglichen werden soll und wie dazu der Nachweis von Erbauern zu bringen ist.
Verwaltungsstandpunkt:
Beschlussvorschlag:
Der Antrag wird abgelehnt.
Sachverhalt:
zu Punkt 1 des Beschlussvorschlages
Der Sächsische Landtag beschloss am 01.09.2010 das Gesetz zur Vereinfachung des Landesumweltrechtes, welches am 19.10.2010 in Kraft trat. Dieses beinhaltete eine Änderung des Sächsischen Naturschutzgesetzes, durch welche der Geltungsbereich kommunaler Gehölzschutzsatzungen eingeschränkt wurde.
Am 15.05.2013 wurde das Gesetz zur Bereinigung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch den Landtag verabschiedet. Dieses beinhaltet in Artikel 1 das neue Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege im Freistaat Sachsen (Sächsisches Naturschutzgesetz - SächsNatSchG). Das Gesetz trat am 22.07.2013 in Kraft.
Wesentliche Kernpunkte des Gesetzes zur Vereinfachung des Landesumweltrechtes wurden übernommen.
Geltungsbereich von Gehölzschutzsatzungen und Verfahrensvorschriften sind in § 19 SächsNatSchG geregelt.
Durch Landesrecht wurden einzelne Baumarten und Arten- bzw. Größengruppen auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken vom Geltungsbereich der Baumschutzsatzung ausgenommen.
Nadelgehölze, Pappeln, Birken, Baumweiden und Obstbäume sind auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken unabhängig vom Stammumfang nicht mehr durch Baumschutzsatzungen geschützt. Ebenso nicht mehr geschützt sind auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken alle anderen Bäume mit einem Stammumfang unter 100 cm, gemessen in 1 m Höhe.
Sofern nicht andere öffentlich rechtliche Vorschriften entgegenstehen, können diese Gehölze landesweit ohne Genehmigung beseitigt werden. Ersatzpflanzungen können nicht gefordert werden.
Das Verwaltungsverfahren wurde gebührenfrei gestellt und eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf einer Frist von nur drei Wochen eingeführt.
Kritik der bestehenden Regelung:
Neben verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Einschränkungen der kommunalen Selbstverwaltung erscheint die Herausnahme von Alters- und Artengruppen aus dem Schutzbereich kommunaler Gehölzschutzsatzungen nicht gerechtfertigt.
Unabhängig vom Stammumfang sind derzeit Obstbäume, Nadelgehölze, Pappeln, Birken und Baumweiden auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken grundsätzlich vom Schutz kommunaler Satzungen ausgenommen.
Die derzeitige Regelung nimmt weiterhin generell Bäume mit einem Stammumfang von bis zu einem Meter auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken vom Schutz kommunaler Satzungen aus.
Von schnellwachsenden Arten wie Weide und Pappel abgesehen, kann man (grob geschätzt) einen mittleren jährlichen Zuwachs des Stammumfanges bei Bäumen von 2 bis 3 cm je Jahr annehmen. Durch die bestehende Vorschrift genießen auf mit Gebäuden bebauten Grundstücken die meisten Bäume mit einem Alter bis zu etwa vierzig Jahren, d. h. alle jüngeren entwicklungsfähigen Bäume, keinen Schutz - und dies unabhängig von der Art: also auch einheimische und/oder standorttypische, wie z. B. Eichen, Buchen, Linden, Eschen, Ulmen, Erlen, Ahorne, Hainbuchen.
Eine Regulierung der Verjüngung der Gehölzbestände auf bebauten Grundstücken zur Gewährleistung der nachhaltigen Entwicklung und Sicherung der von Gehölzen ausgehenden Wohlfahrtswirkungen für die Allgemeinheit ist nicht gegeben. Darüber hinaus sind bevorzugt auf Wohngrundstücken angepflanzte langsam wachsende und kleinbleibende Arten und Formen vom Schutz ausgenommen.
Eine solche Regelung negiert in außerordentlicher Weise nahezu jegliche stadtgestalterischen, urbanökologischen und naturschutzfachlichen Intentionen.
Die Wohlfahrtswirkungen von Gehölzen für Luftreinhaltung, Verringerung der Staubbelastung, Regulierung des Kleinklimas und Minderung des Lärmpegels entfalten sich unabhängig von der Art. Im Hinblick auf die Abmilderung thermischer Belastungen, deren Wichtigkeit sich bei den in manchem der letzten Sommer herrschenden hohen Temperaturen fühlbar wurde, ist es gleichgültig, von welcher Baumart Schattenwurf ausgeht.
Auch bezüglich der gestalterischen Wirkung von Bäumen ist nicht die Baumart an sich das ausschlaggebende Kriterium, sondern die Einheit von Art, Standort und Funktion - das gilt in gleichem Maße für Laub- und Nadelgehölze. Bestimmte Nadelgehölze im Siedlungsraum stellen dendrologische Besonderheiten dar und sind Zeugen der Garten- und somit der Kulturgeschichte.
Insbesondere auf Ein- und Zweifamilienhausgrundstücken ist der Anteil an Nadelgehölzen in der Regel sehr hoch. Birken, Pappeln und Weiden finden sich auch häufig in Arealen mit Geschosswohnungsbau. Die generelle Ausnahme vom Geltungsbereich von Gehölzschutzsatzung führt Schritt um Schritt zum Verlust des durchgrünten Charakters vieler Siedlungen und Wohngebiete und damit auch zum Verlust des Identitätsgefühls der Bewohner.
Die Ausklammerung von einzelnen Baumarten vom Schutz kommunaler Satzungen konterkariert die Bemühungen für biologische Vielfalt. Die vom Schutz ausgeschlossenen Gehölzarten und die mit ihnen verbundene Lebewelt verschwinden sukzessive aus dem Siedlungsgebiet. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Pappeln, Weiden und Birken ähnlich hohen Anzahlen von Insekten und Vögeln Schutz, Lebensraum und Nahrungsgrundlage bieten wie vergleichsweise die Eichen - wesentlich mehr als bspw. die Buche oder die Linde! Große Nadelbäume sind ebenfalls ideale Brutbäume für viele Vögel, eine Reihe von Arten ist auf das Vorkommen von Nadelgehölzen sogar angewiesen. Alte Obstgehölze haben faunistisch gesehen einen herausragenden Stellenwert; alte Sorten sind dazu eine wichtige Genreserve. Wenn man bedenkt, dass in Deutschland die Eibe in freier Natur stark gefährdet ist (besonders geschützte Art nach BArtSchV), verwundert es doch, dass im Siedlungsbereich kein Schutz mehr gewährt wird. Gleiches gilt für die Schwarzpappel. Bei Aufgabe des Schutzes für Weiden, Birken, Pappeln, Nadelgehölze und Obstbäume ist der Verlust an Biodiversität erheblich und nicht ausgleichbar. Eine Herausnahme von Artengruppen aus der Schutzwürdigkeit erscheint äußerst bedenklich und trägt der gesamtheitlichen Auffassung biologischer Systeme nur ungenügend und der Bedeutung von Gehölzen im urbanen Raum in keiner Weise Rechnung.
Vorbehalte gegen eine "Negativliste" bestehen auch aus folgenden Gründen:
Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, die Eigentümer nicht ausgegrenzter Gehölzarten sind benachteiligt.
Wegen der zahlreichen Ausnahmeregelungen ist die bestehende Vorschrift bürgerunfreundlich, da für den Baumeigentümer Unsicherheiten bestehen.
Beim Eigentümer wird eine Artenkenntnis vorausgesetzt, die selten gegeben ist. Infolge des Wegfalls von Prüfungen im Verfahren durch die Verwaltung besteht die Gefahr, dass Eigentümer Ordnungswidrigkeiten begehen, die nur durch erhöhte Aufwendungen durch den Eigentümer (somit zusätzliche Belastungen für diesen) vermeidbar sind.
Eine derart komplizierte Vorschrift ist im Verwaltungshandeln nur schwer vollziehbar. Der Kontroll- und Prüfaufwand hat z. T. nicht zu bewältigende Ausmaße angenommen. Verstöße gegen die Vorschrift sind nur schwer nachweisbar und somit nicht verfolgbar. Missbrauch wird Vorschub geleistet.
Eine Regelung für den Umgang mit bisher vorgenommenen Ersatzpflanzungen, die überwiegend einen Stammumfang von unter einem Meter haben und sich auf bebauten Grundstücken befinden, erfolgt durch die bestehende Vorschrift nicht. Eine nachträgliche exakte Kartierung dieser Gehölze durch die Kommunen ist nicht durchführbar.
Verfassungsrechtliche Aspekte im Hinblick auf die seit 2010 geltenden Baumschutz-Vorschriften (Verletzung des Grundrechts der Kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden):
Nach Auffassung des Rechtsamtes verletzte die Gesetzesänderung bereits im gesetzgeberischen Verfahren das Grundrecht der Gemeinden auf kommunale Selbstverwaltung, Art. 28 Abs. 2 S.1 GG, Art. 84 Abs. 1 SächsVerf. Danach regeln die Gemeinden alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung. Sie sind in ihrem Gebiet die Träger der öffentlichen Aufgaben. Schon die Übertragung von Aufgaben auf andere Träger der öffentlichen Verwaltung ist nur zulässig, sofern sie im öffentlichen Interesse geschieht. Auch die Beschränkung der Aufgabenwahrnehmung, wie sie hier inhaltlich beabsichtigt ist, erfordert verfassungsrechtlich zumindest, dass sie mit überwiegenden öffentlichen Interessen begründet wird und werden kann, vgl. hierzu BVerfG 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83, Beschluss vom 23. November 1988, Rastede-Beschluss. Die seit 2010 geltenden Vorschriften beschränken in willkürlicher Weise die Satzungshoheit der Gemeinden. Die der Vorschrift zugrunde gelegten Kriterien sind in sich widersprüchlich und nicht schlüssig. Gleichartige Sachverhalte werden ungleich behandelt.
Zur Sicherung und Umsetzung der Ziele des Naturschutzes, § 1 BNatSchG, ihrer Verwirklichung durch die Hoheitsträger, § 2 BNatSchG, und der besonderen Schutzziele des § 29 BNatSchG (geschützte Landschaftsbestandteile) ist der Schutz der Großgehölze - Baumschutz – umso relevanter, je größer die Gemeinde ist, die ihren Baumbestand schützen will, insbesondere im Bereich der bebauten und bebaubaren Grundstücke. Je größer die betroffene Stadt ist, desto größer ist die Kollision zwischen dem öffentlichen Belang des Baumschutzes und dem wirtschaftlichen Interesse an der möglichst umfassenden Ausnutzung des Baugrundes. Dabei steigt der Wert der betroffenen Grundstücke ebenfalls mit der Größe der Stadt und nach der ausgewiesenen Nutzungsart. Das gilt insbesondere für Chemnitz, Dresden und Leipzig. Ein Baumschutz, der bebaute Grundstücke vom möglichen Schutz durch eine Baumschutzsatzung von vorneherein freistellt, läuft daher leer. Eine solche Regelung nimmt den Städten und Gemeinden daher jedes wirksame Mittel, in eigenverantwortlicher Selbstverwaltung durch den Erhalt der Großgehölze zur Einhaltung der genannten Ziele des Naturschutzes und ihre Verwirklichung und damit zur Herstellung gesunder Lebensverhältnisse in den Ballungsräumen beizutragen. Umso mehr konterkariert der Gesetzesentwurf in seiner Undifferenziertheit nach wie vor die durch die europäischen Vorgaben erzwungenen Bemühungen gegen die Feinstaub- und Stickoxidbelastung in den Ballungszentren.
Die bestehende Regelung verhindert demgegenüber eine Abwägung mit den aufgezeigten öffentlichen Belangen, die für eine ungeschmälerte Wahrnehmung des Baumschutzes als gemeindlicher Selbstverwaltungsaufgabe sprechen.
Die AmtsleiterInnen des Amtes für Stadtgrün und Gewässer und des Amtes für Umweltschutz stellten als GutachterInnen die mit der Gesetzesänderung verbundenen negativen Auswirkungen für Großstädte mehrfach eindringlich bei Anhörungen im Umweltausschuss des Sächsischen Landtages, zuletzt am 04.03.2016, dar.
Im Zusammenhang mit den verfassungsrechtlichen Bedenken wurde durch das Rechtsamt die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde geprüft.
zu Punkt 2 des Beschlussvorschlages:
Kartierung und Wertermittlung vorhandenen Baumbestandes auf Baugrundstücken
Dies würde die Existenz eines laufend aktualisierten Baumkatasters für Privatgrundstücke bzw. potentielle Baugrundstücke und eine kontinuierliche flächendeckende Kontrolle der Grundstücke erfordern. Die materiellen und personellen Voraussetzungen hierfür sind nicht gegeben; weiterhin ermangelt es hierzu bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB einer rechtlichen Ermächtigung.
Die Darstellung der geschützten Gehölze ist im Baugenehmigungsverfahren gemäß § 9 (3) der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig durch den Antragsteller zu erbringen.
Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen ist es bereits seit den frühen 1990er-Jahren übliche Praxis in Leipzig, dass in der Planungsphase prägende und wertvolle Gehölze erfasst werden, soweit dies für ihre Berücksichtigung bei der Planung der Erschließung und der Ausweisung von Baufenstern im Rahmen der Abwägung sachgerecht erscheint.
Verstärkter Schutz erhaltenswerter Bäume auf Baugrundstücken und erhaltenswerter Randbäume auf Nachbargrundstücken
Besonderer Schutz von wertvollen sowie das Straßenbild prägenden Bäumen
Gemäß § 9 (1) Ziffer 25 BauGB können im Bebauungsplan Bindungen zum Erhalt von Bäumen - hier auch von Bäumen, die nicht durch andere Rechtsvorschriften geschützt sind - festgesetzt werden, wenn und soweit dies aus städtebaulichen Gründe erforderlich ist und die Festsetzung im Ergebnis der sachgerechten Abwägung mit anderen Belangen gerechtfertigt ist. Entsprechende Festsetzungen sind bereits seit den frühen 1990er Jahren regelmäßiger Bestandteil in Leipziger Bebauungsplänen.
Seitens des Stadtplanungsamtes wird der Schutz von besonders wertvollen sowie straßen- und stadtbildprägenden Bäumen im Rahmen der Einzelfallbearbeitung bereits wie folgt angestrebt:
Im Rahmen der Bauberatungen zu konkreten Bauvorhaben wurde schon bisher mit den jeweiligen Bauherren generell eine Diskussion über den Erhalt bestehender Bäume auf den jeweiligen Baugrundstücken geführt. Dabei wurde das Ziel verfolgt, den Baumerhalt so weit wie möglich zu sichern. Ergebnis der Beratungen ist häufig eine Modifizierung des vorgesehenen Bauvorhabens dahingehend, dass ein (zumindest teilweiser) Erhalt des Baumbestandes erreicht werden konnte.
Auch im Rahmen von Bebauungsplan-Verfahren wurde und wird der vorhandene wertvolle Baumbestand regelmäßig berücksichtigt. Der maßgebliche Baumbestand wird im Rahmen der Bestandsaufnahmen erfasst. Soweit im Ergebnis der sachgerechten Abwägung möglich, werden die Planungen so ausgearbeitet, dass wertvoller Baumbestand möglichst erhalten bleiben kann, auch wenn dies zur Veränderung der ursprünglichen Planung führt oder sogar zu Lasten bestehender Baurechte geht. So wurde z. B. beim Bebauungsplan Nr. 290.1 "Kietzstraße" ein wesentliches Planungserfordernis u. a. darin gesehen, zur Sicherung der vorhandenen Großbäume die bauliche Entwicklung zu begrenzen. Ziel des Bebauungsplanes war, besonders den Zielen des Umweltschutzes zu entsprechen, dies "insbesondere dadurch, dass durch die Festsetzung von Baufenstern, welche auf die vorhandenen Bäume abgestimmt sind, der Bestand an Großgrün und die im Blockinnenbereich gelegenen Grünzonen weitgehend bewahrt werden können".
In vielen anderen Fällen sind die Projektentwickler allein schon aufgrund der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung oder aufgrund nach der Baumschutzsatzung (auch nach ihrer Entschärfung) notwendigen Ersatzpflanzungen von sich aus bestrebt, bestehende Bäume zu erhalten, um Aufwendungen für Ersatzpflanzungen zu vermeiden.
Darüber hinaus werden Belange des Baumschutzes bei öffentlichen Bauvorhaben in allen Leistungsphasen, insbesondere auch von Amt für Gebäudemanagement sowie Verkehrs- und Tiefbauamt, praktiziert. Schon in der Vorplanung wird der Baumbestand mit dem Ziel berücksichtigt, den straßenraum- und ortsbildprägenden Bestand möglichst zu erhalten. In der Entwurfsplanung werden Festlegungen und Maßnahmen des Landschaftspflegerischen Begleitplans (LBP) umgesetzt. Die Ausführungsplanung berücksichtigt die im LBP festgelegten Schutzmaßnahmen dann auch im Ausschreibungsverfahren. Schließlich werden in der Bauausführung die Schutzmaßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Amt für Stadtgrün und Gewässer oder externen Fachbüros überwacht.
Mit In-Kraft-Treten des neuen Sächsischen Naturschutzgesetzes 2013 erfolgte bezüglich des Eingriffes in durch Gehölzschutzsatzungen geschützte Gehölze eine Verfahrenskonzentration. Sofern nun für ein Vorhaben, das in geschützte Gehölze eingreift, eine andere Genehmigung als nach dem SächsNatSchG erforderlich ist, ersetzt diese Genehmigung nach § 19 (4) SächsNatSchG die Genehmigung nach der Baumschutzsatzung. Um die Schutzziele des Naturschutzes, insbesondere des Baumschutzes, zu gewährleisten, sind nach § 89 Abs.1, 2 SächsBO Örtliche Bauvorschriften Prüfgegenstand des Baugenehmigungsverfahrens.
Das Amt für Stadtgrün und Gewässer und das Amt für Umweltschutz (Naturschutzbehörde) werden daher vom Amt für Bauordnung und Denkmalpflege im Baugenehmigungsverfahren immer dann angehört, wenn deren Belange durch das Vorhaben tangiert werden. Die Belange werden dann in Abhängigkeit ihres Rechtscharakters als Nebenbestimmungen (sofern es sich um sog. aufgedrängtes Fachrecht handelt) oder Hinweise mit in die Baugenehmigung aufgenommen.
Das Amt für Stadtgrün und Gewässer arbeitet dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege detaillierte Auflagen zum Schutz verbleibender Bäume und Ausgleichsforderungen (Auflagen von Ersatzpflanzungen) zu.
Das Sachgebiet Naturschutzbehörde des Amtes für Umweltschutz wird bei Bauanträgen, bei denen landschaftsbildprägende Bäume in Landschaftsschutzgebieten, Baumnaturdenkmale oder höhlenreiche Einzelbäume durch Baumaßnahmen betroffen sind, vom federführenden Amt für Bauordnung und Denkmalpflege beteiligt. Der naturschutzrechtliche Baumschutz umfasst dabei meist die Erteilung von Auflagen (z. B. Fällung nur außerhalb der Vegetationsperiode oder Aufstellen eines Schutzzaunes um das Naturdenkmal), die im Rahmen der Baugenehmigung eingefordert werden können. Maßgebend für den Baumschutz in Landschaftsschutzgebieten ist die jeweilige LSG-VO. Baumnaturdenkmale sind über die Verbotstatbestände in zwei ND-Verordnungen geschützt:
1. Verordnung der kreisfreien Stadt Leipzig zur Änderung der Verordnung zur Festsetzung der Naturdenkmale Nr. 01 bis 79 im Stadtkreis Leipzig vom 17. April 2014 (Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 7 vom 5. Juni 2014, S. 311),
2. Verordnung der Kreisfreien Stadt Leipzig zur Änderung der Verordnungen zur Festsetzung der Naturdenkmale Nummer 81 bis 100, Nummer 101 bis 106, Nummer 107 bis 130 und Nummer 131 bis 160 vom 23.01.2017 (Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 3 vom 28.02.2017, S. 94).
Höhlenreiche Einzelbäume zählen zu den gesetzlich geschützten Biotopen nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 SächsNatSchG. Eine Zerstörung oder eine sonstige erhebliche Beeinträchtigung dieses Biotops ist gemäß § 30 Abs. 2 BNatSchG verboten. Der Gesetzgeber lässt hier nur im eingeschränkten Umfang eine Ausnahme oder Befreiung zu.
Die Ausweisung als Naturdenkmal gemäß § 28 BNatSchG i. V. m. § 18 SächsNatSchG als Möglichkeit zum Schutz besonders prägender Bäume scheidet in der Regel aufgrund der außerordentlich hohen fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen, welche die Rechtsvorschriften und die dazu ergangene Rechtsprechung an die Unterschutzstellung als Naturdenkmal (= strengste Schutzkategorie) knüpfen (dies ist weitaus mehr als nur "besonders prägend"), aus. Zudem ist zu bedenken, dass das umfängliche Verfahren der Unterschutzstellung äußerst zeit- und personalaufwendig ist. Bei Einschränkung des Baurechtes auf Grund der Ausweisung eines Baumnaturdenkmales, welches einer Teilenteignung gleichkommt, besteht für den Eigentümer/Bauherrn natürlich der Anspruch auf Entschädigung. Ein nicht abschätzbarer, aber immenser finanzieller Mehraufwand wäre die Folge.
Vertiefte Prüfung von Umplanungen und von Entschädigungszahlungen bei reduziertem Baurecht
Ausnutzung aller rechtlichen Möglichkeiten zur Reduzierung des Baurechts
Die Verhinderung oder komplette Umplanung eines bauordnungsrechtlich zulässigen Bauvorhabens zum Erhalt von durch Satzung geschützten Gehölzen ist im Prinzip kaum möglich. Soweit angemessen und zumutbar, können im Einzelfall lediglich Veränderungen oder Modifizierungen des Vorhabens erreicht werden. Der Bau eines zurückgesetzten freistehenden kleinen Hauses in einem Gebiet mit durchgängiger Blockrandbebauung mit dem Ziel der Erhaltung von geschützten Gehölzen kann schwerlich durchgesetzt werden.
Bei Versagung von Genehmigungen ist mit Schadensersatzklagen der Eigentümer/Bauherren zu rechnen.
Bestehendes Baurecht kann nicht einfach "reduziert" werden.
Um zu jeweils sachgerechten Lösungen zu kommen, bedarf es dennoch auch weiterhin der Prüfung und Entscheidung im konkreten Einzelfall. Bei dieser Abwägung sind dann u. a. auch immer die Anforderungen der Daseinsvorsorge der wachsenden Stadt zu berücksichtigen.
Ausnutzung aller planerischen Möglichkeiten zur Reduzierung des Tiefgaragenumgriffs
Abweichungen von den gesetzlich geforderten Stellplatzzahlen – hier § 49 SächsBO i. V. m. VwVSächsBO – sind nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Der Bedarf an Behindertenstellplätzen ist vollständig zu decken, für Wohngebäude kommt eine Reduzierung der Stellplatzzahl ebenfalls nur im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten in Betracht.
In Bestandsgebieten, d. h. bei Verdichtung (Lückenbebauung) bestehen hier daher kaum Handlungsspielräume.
Bei neu zu erschließenden. Baugebieten kann über den B-Plan die räumliche Lage und Ausdehnung von Tiefgaragen und Stellplätzen auf den jeweiligen Baugrundstücken unter Berücksichtigung des vorhandenen wertvollen Baumbestandes festgesetzt werden, wenn und soweit dies aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist und die Festsetzung im Ergebnis der sachgerechten Abwägung mit anderen Belangen gerechtfertigt ist.
Von mindestens gleicher eminenter Wichtigkeit wie die Berücksichtigung des Baumschutzes in der Planungs- und Genehmigungsphase ist aus der Sicht der Verwaltung die Kontrolle der fachgerechten Bauausführung im Umfeld von Bäumen und die ständige Überprüfung der Einhaltung der beauflagten Schutzmaßnahmen.
Das setzt jedoch eine entsprechende (zur Zeit nicht vorhandene) Personalausstattung der beteiligten Ämter voraus, um den immensen Kontrollaufwand zu bewältigen und - nach bisherigen Erfahrungen unabdingbar - mit den harten Mitteln des Verwaltungszwangs (Festsetzung von Auflagen zur sofortigen Vollziehung, Festsetzung von Zwangsgeld) die Bauherren und Firmen mit Nachdruck zu veranlassen, die entsprechenden Forderungen zum Baumschutz effektiv durchzusetzen. Vernünftige Argumente im Sinne der Diskursethik greifen hier nicht, zumal in der Regel bestimmte Schutz-, Verminderungs- und Vermeidungsmaßnahmen unmittelbar (und nicht nur zeitnah) ergriffen werden müssen.
Zusammenfassung:
Der Erhalt von Gehölzen, die lediglich den Bestimmungen zu "Geschützten Landschaftsbestandteilen" gem. § 29 BNatSchG i. V. m. § 19 SächsNatSchG (als niedrigste Schutzkategorie) unterliegen, kann bei zulässigen Bauvorhaben - siehe auch § 6 (3) b der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig - nicht im gewünschten Maße realisiert werden. Auf einem Grundstück vorhandener, durch die Baumschutzsatzung geschützter Gehölzbestand kann eine zulässige Grundstücksnutzung (hier insbesondere eine Bebauung) nicht verhindern oder über Gebühr einschränken.
Die Ausweisung von besonders prägenden Bäumen als Naturdenkmal dürfte in vielen Fällen an rechtlichen Hürden scheitern, der finanzielle Aufwand für die Stadt Leipzig wäre außerdem kaum tragbar.
Die Festsetzung von Bindungen zum Baumerhalt kann in Bebauungsplänen nur dann erfolgen, wenn und soweit dies aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist und die Festsetzung im Ergebnis der sachgerechten Abwägung mit anderen Belangen gerechtfertigt ist.
Bebauungspläne sind aber kein im Regelfall einsetzbares Mittel für den Baumschutz bei Bauvorhaben - und erst recht kein geeignetes Mittel für den Baumschutz allgemein. Es ist bauplanungsrechtlich nicht möglich, baumschützende Bebauungspläne immer dann aufzustellen, wenn vorhandener Baumbestand allein aus Gründen des Baumschutzes vor Bauvorhaben geschützt werden soll.
Gemäß § 19 (4) SächsNatSchG ersetzt bei genehmigungspflichtigen Bauvorhaben die Baugenehmigung die Genehmigung zur Beseitigung oder Veränderung eines geschützten Landschaftsbestandteiles (hier durch die Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig geschützte Gehölze).
Die Abwägung (Ausübung des Ermessens) i. S. v. § 6 (3) b der Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig erfolgt somit auf der Ebene des Baugenehmigungsverfahrens.
Obwohl der Baumschutz in der Bauleitplanung, im Baugenehmigungsverfahren und auch in der konkreten Realisierungsphase hohe Beachtung findet, kann bestehendes Baurecht aus Baumschutzgründen nicht einfach ausgehebelt werden.
Aufwertungen der Schutzkategorie "Geschützter Landschaftsbestandteil" oder Einschränkungen des Baurechtes zugunsten von Gehölzen bedürften einer Regelung durch die Landesgesetzgebung, welche derzeit nicht zu erwarten ist.
Ein "Schutzkonzept" ohne gesetzlichen Rückhalt lässt sich jedoch nicht verwirklichen.
Die Erstellung eines "Schutzkonzeptes" würde unter den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen nicht zu einem verbesserten Baumschutz führen, dafür aber in erheblichem Umfang zusätzliche Personalkapazitäten erfordern.
Neben der Festsetzung von Bindungen zum Baumerhalt und sonstiger dem Baumerhalt dienender Festsetzungen im Rahmen der Bebauungsplanung, soweit dies vor dem Hintergrund der oben genannten bauplanungsrechtlichen Beschränkungen zulässig ist, sowie der sachgerechten Abwägung aller Belange im Baugenehmigungsverfahren erscheint die nachhaltige Verbesserung der Kontrollen von Auflagen zum Schutz zu erhaltender Bäume im Umfeld von Bauvorhaben und deren stringente Durchsetzung gegenüber den am Bau Beteiligten sowie die Kontrolle und Durchsetzung beauflagter Ersatzpflanzungen als wichtiges Ziel zur Gewährleistung des dauerhaften Fortbestandes verbleibender Gehölze und zur Sicherstellung des Ausgleiches von Eingriffen in den Gehölzbestand.