Antrag: Kritische Auseinandersetzung mit Leipzigs Stadtgeschichte zulassen –Panorama „Leipzig 1813 – In den Wirren der Völkerschlacht“ von Yadegar Asisi ermöglichen

Gemeinsamer Antrag der Stadträte Michael Schmidt (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), Heike Böhm (SPD-Fraktion), Frank Tornau (CDU-Fraktion), S. Matzke (Fraktion Freibeuter), M. Götze (Fraktion Die Linke)

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt,

  1. mit dem Landesamt für Denkmalpflege und der Landesdirektion Sachsen Einvernehmen zur Nutzung des mit dem Beschluss des Antrages VI-A-05134 festgelegten Standorts (Stadtbalkon) als temporäre Ausstellungsfläche zur Präsentation des Panoramas „1813 – In den Wirren der Völkerschlacht“ von Yadegar Asisi herzustellen,
  2. die LEVG Gmbh & Co. KG mit der Errichtung einer entsprechenden Ausstellungsrotunde und befristeten Verpachtung (10 Jahre) an einen Dritten zu beauftragen,
  3. die Stiftung Völkerschlachtdenkmal mit der Aufgabe der Betreibung der temporären Ausstellung zu beauftragen und dazu entsprechende, auch mit dem Freistaat Sachsen abzustimmende, notwendige Satzungsänderungen vorzunehmen.

Begründung:

Vor dem Hintergrund dessen, was der Stadtrat am 28.10.2015 (VI-A-01607-NF-003 „Asisi-Völkerschlacht-Panorama erhalten“) und am 22.08.2018 (VI-A-05134 „Völkerschlachtpanorama auf der Alten Messe ermöglichen“) beschlossen hat und womit der Oberbürgermeister beauftragt wurde, besteht der Eindruck, dass die Verwaltung in den zurückliegenden drei Jahren weniger mit der Beschlussumsetzung als vielmehr mit der Umsetzungsverhinderung der Beschlüsse befasst war.

Der Wille der Verwaltungsspitze, den Ratsbeschluss von 2018, den Standort „Stadtbalkon“ auf der Alten Messe für die Etablierung des Völkerschlachtpanoramas von Yadegar Asisi zu nutzen und die Realisierung in die Wege zu leiten, schien von Anbeginn nur wenig ausgeprägt.

Schnell wurde klar, dass Einzelne in der Verwaltung weder den Mehrwert des Panoramas für die Stadt, noch die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens und schon gar nicht die sinnvolle Ergänzung des Ausstellungsportfolios des Stadtgeschichtlichen Museums erkennen wollten. Mehrheitsentscheidungen in ihr Gegenteil zu verkehren, wenn diese nicht deckungsgleich mit der eigenen Meinung sind - ist das jetzt das neue Demokratieverständnis der Verwaltung?

Wie ist die Verwaltung vorgegangen:

Begonnen wurde mit einer Bauvoranfrage, die so, wie sie gestellt wurde, nur abzulehnen war. Diese Bauvoranfrage beantragt eine Bebauung des nicht bebaubaren und unter Denkmalschutz stehenden Grundstückes. Im Laufe dieser Bauvoranfrage wurde die Auffassung geäußert, dass diese Vorgehensweise zum Scheitern verurteilt ist. Stattdessen müsse man nicht nur in der Bauvoranfrage, sondern auch gegenüber den Denkmalbehörden deutlich herausstellen, dass es sich keinesfalls um eine dauerhafte Bebauung des Gartendenkmals handeln sollte, sondern um die temporäre Ergänzung (dies wäre schon allein mittels befristeter Pachtverträge rechtssicher regelbar) der Ausstellung rund um das Völkerschlachtdenkmal und das Thema selbst. Dies – verfolgt man den Ansatz eines kritischen Reflektierens des Völkerschlachtdenkmals und dessen Begleitausstellung im Forum – kann nur im direkten Zusammenhang mit dem Völkerschlachtdenkmal platziert sein und muss dadurch einen Gegenpol zum martialischen Nationaldenkmal bilden. Das Antikriegsbild kann nur nach diesem Verständnis erfolgreich sein, der Standort muss provozieren, ohne jedoch die denkmalpflegerischen Grundsätze zu negieren. Dies ist im Übrigen der gleiche erfolgreiche Ansatz wie in Berlin am Checkpoint Charly und an der Museumsinsel, wo die beiden Panoramahäuser trotz bestehenden Denkmalschutzes seitens der Denkmalbehörden ausdrücklich befürwortet wurden. So war auch von Beginn an klar, dass das Panorama, wie auch die Panoramen „Pergamon“ und „The Wall“ in Berlin, nur für eine begrenzte Dauer von 10-15 Jahren am Standort stehen wird. Im Anschluss – auch hierzu hat der Ratsbeschluss eine klare Vorstellung, sollte im Zuge des Rückbaus die denkmalgerechte Sanierung des Stadtbalkons erfolgen.

Die Bauvoranfrage blieb trotz mehrfachen Hinweise unverändert. Entsprechend blieb auch die ablehnende Auffassung der Denkmalpflege bestehen. Seitens der Verwaltung wurde dann ein Alternativstandort neben der Messehalle 16, dem derzeitigen Eventpalast, vorgeschlagen. Dieser Standort war jedoch aufgrund seines versteckenden Charakters und des Wegrückens des Panoramas aus der Achse der Straße des 18. Oktober, ungeeignet. Ungeeignet deshalb, weil das Potential des Panoramas im Zusammenwirken mit dem Völkerschlachtdenkmal nur unter großen Abstrichen hätte abgerufen werden können. Eine kostendeckende Betreibung an diesem Standort wäre tatsächlich fraglich.

Ein weiterer Schritt, um die Umsetzung des Beschlusses zu blockieren, war der Umgang mit der parallel seit 2018 diskutierten Frage der Betreibung und des Investments. Einige Stadträte haben von Beginn an dafür geworben, dass die Stadt selbst aktiv werden solle, um die Synergien und den aller Voraussicht nach wirtschaftlichen Betrieb des Panoramas in eigenen Händen zu halten. Dies sollte der Stadt den größtmöglichen Einfluss auf das Ausstellungskonzept sichern. Dazu wurden etliche Gespräche mit dem Museum, mit LTM, der WEP/LEVG und dem Förderverein geführt. Immer überwog bei Weitem die Hoffnung zur Umsetzung des Vorhabens und die Überzeugung, dies durch die Stadt Leipzig oder die Stiftung Völkerschlachtdenkmal zu realisieren. Einzig der bisherige Geschäftsführer der Stiftung war ein stetiger Kämpfer gegen die Realisierung in eigener Verantwortung. Dies bestätigte sich eindrucksvoll bei einem Gespräch zwischen Dr. Rodekamp und Yadegar Asisi zu einem von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen initiierten Treffen im Alten Rathaus 2019. Hier traten die Differenzen offen zu Tage. Herr Dr. Rodekamp betonte dabei die Umdeutung des Völkerschlachtdenkmals als europäisches Friedensdenkmal, welches nach seiner Meinung nicht im Zusammenhang mit einem Kriegsbild stehen sollte. Diese Auffassung nimmt den großen öffentlichen Willen nach einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Denkmal nicht zur Kenntnis. Nachdem das Völkerschlachtdenkmal nun in neuem Glanz erscheint fordert es nämlich zugleich zur Diskussion auf: über seine Entstehung und seine wechselhafte Geschichte, über Krieg, Naziherrschaft und über Frieden, über Völkermord und Völkerverständigung in einem heute geeinten Europa.

Die Kulturbürgermeisterin und der Oberbürgermeister betonten 2019 bei oben angeführtem Gespräch, dass es zunächst eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung brauche und man diese in die Wege leiten will. Diese Untersuchung – man spricht von Kosten von 50.000 € - ist jedoch niemals beauftragt worden. Corona hat sicherlich zu einer Verzögerung geführt, kann aber nicht als Ursache akzeptiert werden. Es wurde schlichtweg verzögert und verhindert.

Nun offenbart die Verwaltungsspitze, 3 Jahre nach dem Stadtratsbeschluss, dass die Obere Denkmalbehörde und die schlichtende Landesdirektion keine Genehmigung für den Standort in Aussicht stellen kann.

Tatsächlich scheint es so zu sein, dass die Verwaltung Vorbehalte gegen ein zweites historisches Thema unserer Stadt, der Völkerschlacht, neben dem Thema der Friedlichen Revolution, hat. Sie argumentiert, dass die Stadt mit großem Investment und einer Menge „teurem Personal“ in der Verantwortung wäre, während sie alle Kraft in die Entwicklung des Forum Recht und es Demokratiecampus Matthäikirchhof stecken wolle. Das Thema Völkerschlacht soll offensichtlich der Auseinandersetzung mit der Thematik Friedliche Revolution weichen. Damit wird in der Argumentation ein historisch bedeutendes Thema gegen ein anderes ausgespielt. Beide Ereignisse sind jedoch eng verbunden mit der Geschichte Leipzigs und seiner Bevölkerung.

Zugleich verweigert die Verwaltung damit seit drei Jahren eine Auseinandersetzung mit dem Stadtratsbeschluss und eine unabhängige Betrachtung der Chancen und Risiken. Es macht offensichtlich zu viel Mühe, die Stiftung Völkerschlachtdenkmal – immerhin satzungsgemäß eine Städtische Stiftung – zu einer Satzungsüberarbeitung zu führen und dazu das Einvernehmen mit dem Freistaat zu suchen. Mehrfach wurde durch Stadträte vorgeschlagen, dass die LEVG als Investor für die Stadt agieren könnte, die Stadt selbst mit dem stadtgeschichtlichen Museum und der Stiftung die Betreiberschaft und Hoheit über die Ausstellungskonzeption haben könne. Denkbar wäre auch, die Panometer GmbH als erfahrenen Dienstleister zu beauftragen, jedoch mit vertraglich festgelegter Aufgabenstellung, um keine Konkurrenz zu den Ausstellungen der Stadt zu riskieren. Die Verwaltungsspitze jedoch hat sich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft mit einem solchen Szenario auseinandergesetzt.

In der Rückschau wirken die städtischen Aktivitäten seit dem Stadtratsbeschluss allesamt als Bestandteile einer von Beginn an verfolgten Verhinderungsstrategie. Von vielen Menschen wurde in den vergangenen fünf Jahren eine Menge Kraft und Zeit in dieses Projekt investiert, der Künstler selbst wurde auch mindestens zweimal nach Leipzig gebeten, um an der Idee mitzuwirken.

Insofern halten wir unverändert daran fest, die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses von 2018, konkretisiert um obige Änderungen, einzufordern.

Zum Hintergrund:

Ratsbeschluss vom 22.08.2018 (VI-A-05134 „Völkerschlachtpanorama auf der Alten Messe ermöglichen“)

 

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die LEVG GmbH & Co. KG (LEVG) per Gesellschafterweisung zu beauftragen, für die in den Anhängen des Ursprungsantrages ausgewiesene Fläche des „östlichen Ohrs" des sogenannten Stadtbalkons auf dem der Gesellschaft gehörenden Flurstück 159/104 in der Straße des 18. Oktober ein Interessenbekundungsverfahren durchzuführen.
  2. Im Rahmen dieses Verfahrens soll geklärt werden, ob und zu welchen Bedingungen es Interessenten für die Errichtung und Betreibung einer ca. 30m hohen und durchmessenden Rotunde als „Kunst-Skulptur" auf o.g. Flurstück und außerhalb der Sichtachse Völkerschlachtdenkmal-Neues Rathaus zur Ausstellung des ehemals im Panometer gezeigten Völkerschlachtpanoramas von Yadegar Asisi gibt.
  3. Ziel soll die Erarbeitung und der Abschluss eines zeitlich begrenzten, aber mindestens 10jährigen Nutzungsvertrages sein. Voraussetzungen für diesen Nutzungsvertrag sind:
    1. Das Vorliegen aller rechtlichen Voraussetzungen.
    2. Die materielle Zulieferung durch den Künstler Yadegar Asisi.
    3. Die Übernahme aller für Planung, Errichtung, Betrieb notwendigen Kosten.
    4. Die Herstellung des Bereiches der Rotunde für eine Nutzung entsprechend der Vorgaben durch den Grundstückseigentümer.
  4. Desweiteren soll geprüft werden, einen symbolischen Denkmal-Beitrag (z.B. 0,50 € pro Besucher) für die spätere umfassende Sanierung des Gartendenkmals im Nutzungsvertrag festzuschreiben.
  5. Das Ergebnis des Verfahrens, ggf. mit einem entsprechenden Vertragsentwurf und Vorschlag, wird dem Stadtrat zur Abgabe einer Empfehlung an den Gesellschaftervertreter und den Aufsichtsrat der LEVG GmbH vorgelegt.
  6. Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass im Zeitraum bis voraussichtlich 2024 eine Realisierung einer solchen Rotunde auf Grund der von 2019 - 2024 geplanten Baumaßnahme der an die Fläche anschließenden Brücke über die Bahnanlagen noch nicht möglich ist. Dies eröffnet jedoch einen ausreichenden Zeitrahmen sowohl für das Verfahren, die Klärung aller noch offenen Fragen, als auch die notwendigen Vorbereitungen eines Vertragspartners für die Realisierung. Das Interessenbekundungsverfahren ist zeitlich so einzutakten, dass die Realisierung nach Fertigstellung der Brücke beginnen könnte.

 

Abstimmungsergebnis: mehrheitlich angenommen bei 6 Gegenstimmen und 3 Stimmenthaltungen

 

Ratsbeschluss vom 28.10.2015 (VI-A-01607-NF-003 „Asisi-Völkerschlacht-Panorama erhalten“)

  1. Die Stadt Leipzig spricht sich für den Erhalt des stadthistorischen Asisi-Panoramas "Völkerschlacht" aus.
  2. Der Oberbürgermeister wird mit der Asisi Panorama GmbH Gespräche führen, die den dauerhaften Erhalt und die (zeitweise) Ausstellung des Völkerschlacht-Panoramas zum Ziel hat. Eine Option könnte die kostenfreie oder zumindest kostengünstige Zurverfügungstellung einer geeigneten kommunalen Liegenschaft oder einer im Besitz eines städtischen Unternehmens befindlichen Liegenschaft, möglichst in der Nähe zum Völkerschlachtdenkmal, sein, auf der die ASISI Panorama International GmbH auf eigene Kosten eine weitere Rotunde errichtet und betreibt und diese dauerhaft zur Ausstellung des Völkerschlacht-Panoramas nutzt.

Abstimmungsergebnis: 36/ 21/10

Verwaltungsstandpunkt vom 19. April 2022

Alternativvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, das Baufeld 6b auf der Alten Messe auf seine Eignung als alternativer Standort zur Errichtung einer Ausstellungsrotunde zur Präsentation des Panoramas „1813 – In den Wirren der Völkerschlacht“ von Yadegar Asisi, zu untersuchen und hierfür ggf. eine Machbarkeitsstudie erstellen zu lassen.

Begründung:

Einschätzung des Bedarfs an dem Völkerschlachtpanorama von Yadegar Asisi

Die Völkerschlacht 1813 gehört zu den wichtigsten und wirkmächtigsten Themenkomplexen der Leipziger Geschichte. Daher sollte dieses mit der Stadt verbundene welthistorische Ereignis touristisch und museal weiter ausgebaut werden. Der Antrag verweist dabei auf Besonderheiten der verwaltungsinternen und öffentlichen Wahrnehmung des Themas und seiner Behandlung in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten, die es ernst zu nehmen gilt. Es bedarf hierfür einer zukunftsweisenden Lösung, die diese für Leipzig so zentrale und auch touristisch anspruchsvolle Geschichtsthema verdient.

Die Umdeutung des von Beginn an nationalpatriotisch, antifranzösisch und revanchistisch in Dienst genommenen Völkerschlachtdenkmals in ein europäisches Friedensmonument war eine zentrale Vorbedingung der baulichen Rettung und neuerlichen Akzeptanz des Völkerschlachtdenkmals in der Leipziger und überregionalen Öffentlichkeit und Politik.

Diese zukunftsweisende Lesart erwies sich insbesondere unter der Maßgabe der Förderung und Unterstützung als alternativlos; sie war mit Blick auf das Denkmal als Dokument der kaiserzeitlichen Völkerschlacht-Rezeption mit einer partiellen Hintansetzung des Kriegsgeschehens selbst und seiner Wirkung auf Leipzig verbunden, so dass das Völkerschlachtdenkmal heute vor allem als touristische Sehenswürdigkeit, aber auch als kritisch beleuchtetes Beispiel der Geschichtsaneignung wahrgenommen wird. Entsprechend wurde seitens der Leitung des Stadtgeschichtlichen Museums und Stiftung Völkerschlachtdenkmal auch eine weitgehende Distanz zu den Uniformvereinen und Reenactment-Initiativen gesucht.

In der Vergegenwärtigung und touristischen Erschließung der Völkerschlacht ist eine gewisse Lücke zu konstatieren, die durch die dezentralen Initiativen nur bedingt geschlossen werden kann. Hierzu könnte eine überarbeitete Wiedereinrichtung des 2013 temporär angebotenen Völkerschlacht-Panoramas einen signifikanten Beitrag leisten, der allerdings hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen und inhaltlichen Synergien sowie des absehbaren Besucherverhaltens samt seiner Auswirkungen auf das Denkmal und das angeschlossene Museum „Forum 1813“ nochmals umfassend zu untersuchen wäre, ggf. im Wege einer Machbarkeitsstudie. Die Schaffung eines attraktiven und fußläufig gut erschlossenen Völkerschlacht-Quartiers zwischen Denkmal, Quandscher Tabaksmühle, Külz-Park und neuer Messebrücke könnte die Erinnerungslandschaft Leipzigs bereichern.

Ob der neu vorgeschlagene Standort Alte Messe Baufeld 6b geeignet ist, kann derzeit nicht abschließend eingeschätzt werden.

In welcher Form und Trägerkonstruktion das Panorama zu errichten wäre, soll unter den unterschiedlichen Aspekten untersucht werden. Hierzu gehören u.a. die Auswirkungen auf die auf historische Semantik hin angelegte Sichtachse und Sinnbeziehung vom VSD Richtung Innenstadt. Auch wäre im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse um Krieg und Frieden in Europa zu prüfen, inwieweit das 2013 unter anderen Bedingungen gezeigte Rundbild zum Thomaskirchhof tatsächlich in der Lage ist, das Grauen der Schlacht und die massiven Auswirkungen von Besatzung und Kriegsgeschehen auf die Bevölkerung der Stadt und der umliegenden Dörfer zu vermitteln und ob es dazu ausgehend vom Ansatz Yadegar Asisis gegebenenfalls neuer und erweiterter szenographischer und geschichtsdidaktischer Mittel bedarf.

Zum Beschlusspunkt 1 des Antrrags:

Darstellung des bisherigen baurechtlichen Verfahrens

Das denkmalschutzrechtliche Einvernehmen mit den erforderlichen Verwaltungsbehörden kann ausschließlich im Rahmen eines Genehmigungsverfahrenes auf Grundlage der SächsBO hergestellt werden.

Nach dem Stadtratsbeschluss VI-A-05134 zur Errichtung eines Ausstellungsgebäudes auf dem Gelände der Alten Messe im Bereich des Stadtbalkons vom 22. August 2018 hat die LEVG GmbH & Co. KG als Grundstückseigentümer einen Antrag auf Bauvorbescheid zur Klärung der planungs- und denkmalschutzrechtlichen Zulässigkeit gestellt, weil sich der Standort in einem als Denkmal der Garten- und Landschaftsgestaltung ausgewiesenen Bereich befindet. Gemäß § 4 Abs. 2 des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes entscheidet die Abt. Denkmalpflege als untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Leipzig im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen. Die Abt. Denkmalpflege hat deshalb das Landesamt für Denkmalpflege beteiligt. Die Denkmalschutzbehörde der Stadt Leipzig hat das Vorhaben positiv beurteilt. Sie hat sich hierbei insbesondere darauf bezogen, dass die Errichtung des Ausstellungsgebäudes zeitlich befristet erfolgen soll. Sie hat darauf verwiesen, dass nach Ablauf der Standzeit ein Teil der Einnahmen für die Sanierung des Gartendenkmals zur Verfügung gestellt werden soll.

Dieser Auffassung hat sich das Landesamt für Denkmalpflege nicht angeschlossen. Mit Schreiben vom 22. Juni 2020 hat es die Errichtung des Ausstellungsgebäudes am geplanten Standort abgelehnt und das erforderliche Einvernehmen nicht erteilt.

Besteht kein Einvernehmen, zwischen unterer Denkmalschutzbehörde und Fachbehörde entscheidet gemäß § 4 Abs. 2 SächsDSchG die obere Denkmalschutzbehörde, d. h. die Landesdirektion Sachsen. Dieser wurde der Vorgang unter Darstellung der fachlichen Einschätzung der unteren Denkmalschutzbehörde übergeben. Im Zuge des weiteren Verfahrens erfolgte ein intensiver fachlicher Austausch zwischen den Behörden. Weder das Landesamt für Denkmalpflege noch die Landesdirektion konnten aber durch die Argumentation der Stadt überzeugt werden.

Am 13. Juli 2021 hat die Landesdirektion Sachsen im Dissensverfahren über die denkmalrechtlichen Aspekte entschieden. Sie ist hierbei den Einwänden des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen gefolgt, wonach die Errichtung des Ausstellungsgebäudes nicht genehmigungsfähig sei. Das Gebäude stelle durch seine Größe eine Beeinträchtigung der städtebaulichen Denkmale Alte Messe und Straße des 18. Oktober dar, es beeinträchtige die Freitreppe vor der Bahnüberführung und störe erheblich die Blickbeziehung von der Straße des 18. Oktober zum Völkerschlachtdenkmal

Aus diesem Grund ist die Umsetzung des Beschlusspunktes 1 des Antrags rechtlich nicht möglich. Dieser Punkt ist daher aus Rechtsgründen abzulehnen.

Prüfung von Alternativstandorten

Mit Schreiben vom 29. Juli 2020 hatte die Landesdirektion angefragt, ob von Seiten des Antragstellers alternative Standorte geprüft worden seien. Gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege, der LEVG und dem SPA wurden verschiedene alternative Standorte geprüft. Mit Schreiben vom 25.2.2022 hat das Landesamt für Denkmalpflege mitgeteilt, dass gegen den vorgeschlagenen Alternativstandort auf dem Baufeld 6b, westlich der Rampe, keine Einwände bestehen. Damit liegt zu diesem Standort das Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege vor.

Zum Beschlusspunkt 2 des Antrags:

Zur Errichtung und Betreibung der Ausstellungsrunde durch die Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft mbH & Co. KG

Die Errichtung des Ausstellungsgebäudes kann allerdings nur zeitlich befristet erfolgen, da eine dauerhafte Nutzung nicht im Einklang mit den bestehenden Eigentümerzielen des Gesellschafters Stadt Leipzig steht. Durch einen entsprechenden Pachtvertrag zwischen der Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft mbH & Co. KG und dem Errichter und Betreiber der Ausstellungsrotunde ließe sich das sicherstellen. Steuerungs- und Planungsaufgaben können von der LEVG übernommen werden. Die Frage der Bauherrenschaft und Betreibung bleibt noch zu klären.

Aus diesem Grund kann der Beschlusspunkt 2 des Antrags (Beauftragung der Errichtung und Verpachtung der Ausstellungsrotunde) nicht umgesetzt werden.

Zum Beschlusspunkt 3 des Antrags:

Eignung der Stiftung Völkerschlacht für die Betreibung der Ausstellungsrotunde / Satzungsänderung

Die Beauftragung Stiftung Völkerschlacht mit der Betreibung der Ausstellungsrotunde und der Vornahme entsprechender Satzungsänderungen ist nicht zielführend, denn als gemeinnützige kommunale Stiftung öffentlichen Rechts eignet sie sich aus den nachfolgend dargestellten Gründen derzeit nicht für die Betreibung der temporären Ausstellung.

Der Stiftungszeck ist durch die Stiftungssatzung beschränkt.

Gegenstand des Stiftungszwecks ist gem. § 2 Abs. 2, 1., 2. Und 3. Anstrich der Stiftungssatzung das Völkerschlachtdenkmal als Gebäude nebst Außenanlagen und als Gedenkstätte für die Gefallenen der Völkerschlacht. Der Tätigkeitsbereich der Stiftung ist an den Stiftungszweck gebunden.

Zwar könnte aufgrund der in § 2 Abs. 2 der Stiftungssatzung verwendeten Formulierung „insbesondere“ geschlossen werden, dass sich der Stiftungszweck aufgrund dieser nicht abschließenden Aufzählung auch durch den Bau und Betrieb einer weiteren – temporären - Ausstellungsstätte (Rotunde) verwirklichen ließe. Dagegen spricht jedoch, dass die systematisch vorgehende Regelung des § 2 Abs. 1 der Stiftungssatzung über den Stiftungszweck ihrem Wortlaut und ihrem Regelungszweck nach die Möglichkeiten der Verwirklichung auf das VSD fokussieren und insofern beschränken.

Die Betreibung einer Ausstellungsrotunde entspricht daher nicht dem Stiftungszweck.

Es bestehen Beschränkungen durch die Abgabenordnung (AO).

Unter der „Förderung von Kunst und Kultur“ im abgabenrechtlichen Sinne ist die Förderung der Pflege und Erhaltung von Kulturwerten, darunter Gegenstände von Künstlerischer und sonstiger kultureller Bedeutung, zu verstehen. Der gemeinnützige Stiftungszweck nach den § 2 Abs. 1 und 2 der Stiftungssatzung ist örtlich auf das VSD als Gebäude bzw. Immobilie beschränkt. Die Abgaben- und Steuerbegünstigung kann sich nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO folglich nur im Rahmen dieser Beschränkung bewegen. Darüber hinaus gehende

Auch die „Förderung des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege“ ist im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AO ist abgaben- und steuerrechtlich begünstigt. Denkmalschutz und -pflege umfassen die Erhaltung und Wiederherstellung von nach Landesrecht anerkannten Bau- und Bodendenkmälern. Der Begünstigungstatbestand kann sich daher nur auf das Völkerschlachtdenkmal als nach SächsDSchG unter Schutz gestelltes Bauwerk erstrecken

Schließlich ist auch als Anerkennungstatbestand des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 AO u.a. die „Förderung des Andenkens an Kriegsopfer“ begünstigt. Zwar würde die Betreibung einer temporären Ausstellung auch dem Andenken an die Opfer der Völkerschlacht dienen. Aus dem systematischen Zusammenhang der in der Satzung beschriebenen Stiftungszwecke nach§ 2 Abs. 1 und 2 der Stiftungssatzung ist jedoch auch hier ersichtlich, dass ausschließlich das Völkerschlachtdenkmal als Denkmal und Gedenkstätte dazu dienen soll an die Kriegsopfer der Völkerschlacht zu erinnern. Eine Ausstellung in einer „Nebenstätte“ hierunter zu subsumieren erscheint zweifelhaft.

Der Beschlussvorschlag steht daher mit der aktuellen Stiftungssatzung und den gemeinnützigen Vorgaben der Abgabenordnung nicht im Einklang.

Beschränkungen aufgrund der coronabedingt veränderten Ausgangsbedingungen

Die massiven Besuchseinschränkungen im Zuge von zwei Jahren Corona-Maßnahmen haben auch die Gästezahlen mehr als halbiert und damit die so wichtige Einnahmebasis der Stiftung Völkerschlachtdenkmal in erheblichem Maß reduziert. Durch rigorose Priorisierung von Baumaßnahmen sowie eine effiziente Angebotspolitik gelang es zwar den operativen Schaden so zu begrenzen, dass die Ausfälle insgesamt beherrscht werden konnten und die Tätigkeit der Stiftung nicht zu gefährden. Gerade mit Blick auf die in den kommenden zwei bis drei Jahren noch anstehenden und teils auch coronabedingt verschobenen grundhaften Sanierungsmaßnahmen am Denkmal und im Gelände macht sich jedoch eine 2019 so noch nicht notwendige besonders sorgfältige Abwägung von zusätzlichen Ausgaben erforderlich, die das Eingehen erheblicher und mit dem Stiftungszweck im Kern bisher nicht verbundener betriebswirtschaftlicher Risiken zumindest für die nähere Zukunft fraglich erscheinen lässt. Zudem stellt sich jenseits aller betriebswirtschaftlichen Abwägungen die grundsätzliche Frage, ob unter den aktuellen europapolitischen Rahmenbedingungen eine primär kommerzielle Ausbeutung des Schlachtgeschehens von 1813 noch vertretbar sein kann und nicht nach einer geschichts- und museumsdidaktisch besser eingebundenen szenographischen Realisierung gesucht werden sollte.

Voraussetzungen einer Satzungsänderung

Voraussetzung einer Satzungsänderung ist u.a. der diesbezügliche Beschluss des Stiftungsvorstands (§ 8 Abs. 2, letzter Anstrich der Stiftungssatzung), der Anhörung des Stiftungsbeirats (§ 15 Abs. 1 Satz 2 der Stiftungssatzung), sowie die Zustimmung des Stadtrats (§ 15 Abs. 1 Satz 1 der Stiftungssatzung). Nachfolgend bedarf es der Zustimmung der Stiftungsaufsicht/Landesdirektion Sachsen sowie des Finanzamts Leipzig.

Die Zustimmung beider Aufsichtseinrichtungen setzt u. a. voraus, dass die wirtschaftlichen, finanziellen und gemeinnützigkeitsrechtlichen Folgen einer entsprechenden Änderung der Satzung vorab belastbar geklärt sind. Entsprechende Grundlagen sind derzeit nicht ersichtlich.

Die mit dem Ausstellungsbetrieb des Völkerschlacht-Panoramas intendierte zwingende gewerbliche Nutzung, stellt das Gemeinnützigkeitserfordernis der Stiftung in Frage. Die Stiftung müsste neben dem gemeinnützigen Betrieb des Völkerschlachtdenkmals zusätzlich noch einen gewerblichen Betrieb einrichten und ausüben. Dafür sind weder finanzielle noch personelle Ressourcen ersichtlich. Die Aufteilung in zwei interne Stiftungsgeschäftsbereiche würde eine komplexe Stiftungsbewirtschaftung nach sich ziehen und erscheint daher nicht sinnvoll.

Überdies stünde zu besorgen, dass die Einnahmen der Stiftung im Falle der Satzungsänderung auf einen gemeinnützigen und einen gewerblich betriebenen Teil der Ausstellung aufgeteilt werden müssen, z. B. bei zu geringer Auslastung durch mangelnde Besuchernachfrage. Die derzeitigen Einnahmen der Stiftung werden zur Reinvestition in das Gebäude des Denkmals und der Außenanlagen benötigt; sie dienen dem Werterhalt des Denkmals und stünden bei dem zusätzlich angedachten Betrieb einer Ausstellung nicht bzw. nur noch teilweise für Denkmalszwecke zur Verfügung.

Voraussichtlich müsste die Stadt Leipzig aufgrund der intendierten Satzungsänderung ihre Zuwendung an die Stiftung im städtischen Haushalt um einen derzeit nicht bezifferbaren Betrag erhöhen, um neue Stiftungszwecke verwirklichen zu können.

Aus diesem Grund kann der Beschlusspunkt 3 des Antrags (Betreibung der Ausstellungsrotunde durch die Stiftung Völkerschlachtdenkmal; Satzungsänderung) nicht umgesetzt werden.

Realisierungs- / Zeithorizont

Im Falle, der Alternativvorschlag wird beschlossen, kann das Ergebnis der Untersuchung dem Stadtrat bis Ende 2022 vorgelegt werden.

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