Antrag: Leipziger Kleider-Tauschladen ermöglichen

Antrag vom 7. Juli 2022

Beschlussvorschlag:

Die Stadtverwaltung wird beauftragt, auf die Etablierung eines Tauschladens für Bekleidung in zentraler Lage hinzuwirken. Hierzu sind insbesondere eine geeignete Trägerschaft sowie die Finanzierung von Raumkosten, Investitionen und Personalkostenzuschuss zu prüfen. Auf Grundlage der Prüfung wird dem Stadtrat bis zum 1. Quartal 2023 eine Beschlussvorlage zur Entscheidung vorgelegt.


Begründung:

Die Herstellung von Kleidung ist nicht nur äußerst wasser- und energieintensiv sondern auch mit dem Einsatz von Chemikalien unter nicht selten fragwürdigen Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern verbunden. Die Wiederverwendung von Kleidung kann somit erheblich zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen. Die Stadt Leipzig, die Zero-Waste-City werden will (VII-A-05494), kann mit einem Tausch- oder Verschenkeladen in zentraler Lage, dem obersten Prinzip von Zero Waste, nämlich der Vermeidung von Abfällen, Rechnung tragen. Der Verschenke- und Tauschgedanke ist bereits weit in der Stadtbevölkerung verbreitet, was am großen Interesse an Flohmärkten, Verschenkeecken und Kleidertauschangeboten deutlich wird.

Auch in sozialer Hinsicht ist das Verschenken bzw. Tauschen von Kleidung zu begrüßen.

Für viele Menschen stellen Anschaffungen von Kleidung eine große Herausforderung dar, die sich vor dem Hintergrund von Inflation und steigender Energiepreise verschärft. Insbesondere der Bedarf an Kinderkleidung ist sehr hoch, da Kinder schnell wachsen und teilweise schon nach wenigen Monaten die nächste Größe brauchen, während die getragene Kleidung oft noch wie neu ist. Dennoch wird die oft unter erheblichen Umwelt- und Klimabelastungen hergestellte Kleidung vielfach letztlich entsorgt, statt sie einer weiteren Nutzung zuzuführen. Das Angebot an Second-Hand-Läden ist rückläufig, oft wird der Aufwand, Kleidung hier wiederzuverkaufen, als zu hoch eingeschätzt. In Leipzig fehlt bislang ein zentrales niedrigschwelliges Angebot, das ermöglicht Kleidung weitere Male zu nutzen.

Kostenfreie Second-Hand-Angebote können hier Abhilfe schaffen, sind aber bisher nur informell und punktuell vorhanden. Das Prinzip Tauschladen bedeutet ein Teil bringen, ein Teil nehmen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur, das heißt ein gut erreichbares Ladengeschäft plus Lagerfläche und Menschen, die den Laden betreuen, die Kleidung sortieren, ggf. reparieren. Eine Unterbringung in der Leipziger Innenstadt entspräche den vorgeschlagenen nachhaltigen Nutzungen im Innenstadtkonzept (VII-Ifo-02511 Anhang 2 und 3).

Unterschiedliche Formen einer Umsetzung eines Tausch- oder Verschenkeladens sind denkbar. So könnte ein eigenständiges Angebot auf dem Wege einer Ausschreibung realisiert werden. Ebenso kann ein Tauschladen ggf. auch als Teilangebot des geplanten Second-Hand-Kaufhauses „Zweite Liebe“ etabliert werden. Die Prüfung möglicher Umsetzungskonzeptionen soll im Austausch und in Kooperation mit Trägern angestrebt werden, die bereits Erfahrung mit vergleichbaren kleineren Angeboten haben, die oft nur einer Teilöffentlichkeit oder bei Nachweis von Hilfebdürftigkeit zugänglich sind.

Voraussetzung für eine gute Inanspruchnahme ist in jedem Fall eine gute Sichtbarkeit und Erreichbarkeit. Eine mögliche personelle Untersetzung kann mit dem sozialpolitischen Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“, zu dem sich die Stadt Leipzig per Stadtratsbeschluss bekannt hat, erfolgen. Diese tariflich entlohnten Stellen führen aus der Langzeitarbeitslosigkeit heraus; sie beinhalten Qualifizierungen und Coachings. Die Maßnahmen, die sich über 3 bis 5 Jahre erstrecken, bedürfen ab Jahr 3 eines jährlich steigenden Eigenanteils (10, 20, 30 Prozent).

 

Verwaltungsstandpunkt vom 13. September 2022

Beschlussvorschlag:

Der Antrag wird abgelehnt.

Begründung:

Der mit dem Antrag verfolgte Ansatz, mit einem kommunalen Angebot der Vermeidung von Textilabfällen (Alttextilien) zu begegnen, wird grundsätzlich begrüßt (siehe 1.1).

Die konkret vorgeschlagene Umsetzung wird jedoch abgelehnt, da sowohl Angebote Dritter bestehen (siehe 1.2) und die Aspekte der Alttextilvermeidung im Zero Waste Ansatz der Stadt Leipzig und im geplanten Teilprojekt Warenhaus „Zweite Liebe“ für das Bundesförderprogramm "Zukunftsfähige Innenstädte, Stadtteilzentren und Magistralen" (VII-DS-06347) eingebunden werden (siehe 1.3 / 1.4). Insoweit wird der Sachverhalt bereits berücksichtigt.

Es wird auf die Zeitschiene gemäß Ratsbeschluss VII-DS-06745 vom 19.05.2022 verwiesen.

1.1 Vermeidung von Alttextilien

Die aktuellen Entwicklungen im Textilsektor (steigende Produktions- und Verbrauchsmengen bei tendenziell abnehmender Qualität bzw. Langlebigkeit) zeigen einen deutlichen Handlungsbedarf auf, der mit kommunalen Maßnahmen die europäischen und deutschen Aktivitäten unterstützen kann. Insoweit wird mit der Wiederverwendung von Textilien die Abfalleigenschaft derselben vermieden und damit die höchste Stufe der Abfallhierarchie nach § 6 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) eingehalten. Maßnahmen, welche die Wiederverwendung von Textilien bezwecken, können daher als Abfallvermeidungsmaßnahmen bezeichnet werden.

Eine Verringerung der Produktion und des Konsumverhaltens trägt sicherlich am effektivsten zur Vermeidung von Alttextilien (= nicht unmittelbar wiederverwendbare Textilien, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss) bei. Deshalb ist die Beratung und Öffentlichkeitsarbeit, zu einem nachhaltigen Konsum zu sensibilisieren und über die Wichtigkeit der Vermeidung von Alttextilien, z. B. durch den Kauf von Secondhandkleidung oder hochwertiger Textilstücke, aufzuklären, ein wesentlicher Beitrag, der durch das Serviceteam des Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig (EB SRL) bereits geleistet wird. Ebenso wird durch den EB SRL über Möglichkeiten der Vorbereitung zur Wiederverwendung und des Recyclings aber auch über die Produktverantwortung aufgeklärt. Letztere sind als Maßnahmen der Abfallentsorgung dann erforderlich, wenn bspw. Alttextilien in Alttextilcontainer abgegeben werden.

Angebote der Wiederverwendung von Textilien unterliegen jedoch weiteren Anforderungen, die für ein Gelingen der Wiederverwendung entscheidend sind. So müssen abgegebene Textilien einer Zustandskontrolle unterzogen werden, um die hiernach beabsichtigte Wiederverwendung zu gewährleisten. Auch der hygienische Zustand der Textilien ist nicht außer Acht zu lassen und zu bewerten bzw. ein einwandfreier hygienischer Zustand herzustellen. Insoweit unterscheiden sich Secondhandläden, welche diese Kriterien einhalten von sogenannten Indoor-Sammlungen von Modeunternehmen, welche in ihren Filialen Textilien aus privaten Haushaltungen annehmen.

Ebenfalls sind für aussortierte Textilien die weiteren Schritte für eine Wiederverwendung oder deren abfallwirtschaftliche Behandlung sicherzustellen. In allen Prozessen ist dabei ein materialschonender Umgang einzuhalten, um die bestmögliche Nutzung der Textilien zu gewährleisten.

1.2 Aktuelle Tauschangebote in Leipzig

Die Secondhand- oder Tauschläden können bei Einhaltung o. a. Kriterien einen weiteren Beitrag zur Vermeidung von Alttextilien leisten. Sie sind die zu bevorzugende Maßnahme vor der Sammlung von Alttextilien im öffentlichen Raum.

Solche Angebote, gebrauchte Kleidung zu spenden und günstig zu erwerben, werden entgegen dem Antragsbegehren jedoch in der Stadt Leipzig in einer Vielzahl vorgehalten. Private An- und Verkaufsstellen sowie Geschäfte für Secondhandkleidung gibt es im gesamten Stadtgebiet und auch im Zentrum bspw. am Roßplatz, in der Hainstraße und am Ranstädter Steinweg. Auch der „Tauscho“-Schrank im Lene-Voigt-Park in Reudnitz kann zum kostenfreien Tauschen von Textilien genutzt werden, gleichwohl die o. a. Kontrolle nicht gewährleistet wird. Daneben bieten bundesweite Online-Kleidertauschbörsen die Möglichkeit, Kleidung anzubieten, zu tauschen oder zu verschenken (kleiderkreisel.de, tauschticket.de usw.). Ebenso werden diverse online Kleinanzeigen-Angebote für den Tausch oder das Verschenken von Kleidung genutzt (z.B. ebay-kleinanzeigen.de).

Umfassend sind die Angebote sogenannter gemeinnütziger Sammlungen, die von Trägern der Wohlfahrtspflege und Vereinen betrieben werden und ebenfalls über das Stadtgebiet verteilt sind: z. B. verschiedene Kleiderkammern (DRK, Heilsarmee, Diakonie, usw.), Tauschladen Leipzig der „inab“ Ausbildungsgesellschaft in der Weißenfelser Straße und viele mehr. In diesen Kleiderkammern können einkommensschwache Personen gut erhaltene Kleidung und Schuhe für Erwachsene und Kinder zu einem geringen Preis ab 1 Euro erwerben. Sachspenden werden vor Ort entgegengenommen.

Diese vorhandenen Angebote sind flächendeckend und bedienen einen breiten Bedarf.

Für die Implementierung eines weiteren kommunalen Angebotes zur Abgabe und dem Tausch von Textilien sind diese Angebote zu berücksichtigen und zeigen derzeit keinen erhöhten Handlungsbedarf auf, der über die aktuellen Vorhabenansätze der Verwaltung im Rahmen der Zero Waste Strategie hinausgeht.

1.3 Secondlife-Warenhaus „Zweite Liebe“

Der mit dem Antrag begehrten Einrichtung eines kommunalen Tauschangebotes wird bereits im Zero-Waste-Ansatz und dem Fördervorhaben „zukunftsfähige Innenstädte“ des Bundesministeriums des Inneren begegnet. Vorbehaltlich einer derzeit noch offenen Förderzusage sind unter Beteiligung verschiedener Akteure Ansätze entwickelt worden, die Wiederverwendung von Textilien in der Stadt Leipzig zu verbessern. Mit einer geeigneten Immobilie soll den Leipzigerinnen und Leipzigern ein weiteres Angebot für die Abgabe von gebrauchsfähigen Textilien zur Wiederverwendung angeboten werden, das die vorgenannten Prüfkriterien erfüllt. Darüber hinaus sollen jedoch auch Textilien, die nicht direkt wiederverwendet werden können, einer unmittelbaren Vorbereitung zur Wiederverwendung zugeführt oder recycelt werden. Quasi als Komplettangebot mit vielen weiteren Begleitserviceleistungen an einer zentralen Anlaufstelle ist die vom Antrag begehrte Einrichtung im geplanten Zero Waste Projekt Warenhaus „Zweite Liebe“ bereits vorgesehen.

Mit den einzubindenden Akteuren soll dabei auch die Finanzierung geprüft und realisiert werden. Dabei ist unter Einhaltung der vorgenannten Kontrollen und Hygienemaßnahmen grundsätzlich eine sozialverträgliche Kaufpreisgestaltung erforderlich.

Im Rahmen der vorgenannten Konzeption werden zudem auch die für einen materialschonenden Umgang einzuhaltenden Anforderungen geprüft und nach Möglichkeit realisiert. Dabei werden auch die Erfahrungen aus den Fehlentwicklungen anderer Textilsammlungen (fehlende Sortierung in marktfähige und tragbare Ware; keine stoffliche Verwertung von Materialien, die nicht zur Wiederverwendung vorbereitet werden können, etc.) berücksichtigt und möglichst vermieden.

1.4 Finanzierung

Der im Antrag zur Finanzierung benannte Stadtratsbeschluss stellt nur eine Förderung von Sachkosten für Stellen bei „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ für Vereine oder Verbände in Aussicht (50 EUR pro Monat und Stelle). Eine kommunale Lohnkostenförderung i. S. d. §16 i SGB II erfolgt nur für Stellen die in kommunaler Trägerschaft realisiert werden. Bei Umsetzung eines zentralen Tauschladens in städtischer Trägerschaft wäre eine Kofinanzierung der Lohnkosten im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel möglich. Voraussetzungen sind aber, dass entsprechende Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die benötigten Haushaltsmittel durch das Jobcenter Leipzig zur Verfügung gestellt werden können.

Vor diesem Hintergrund wird die Einbindung dieser Finanzierungsleistungen im Zero Waste Projekt Warenhaus „Zweite Liebe“ geprüft.

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