Antrag: Maßnahmen für die Versorgung und Unterbringung junger wohnungsloser Menschen

Gemeinsamer Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fraktion die Linke und SPD-Fraktion

Beschlussvorschlag

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, durch das Sozialamt und unter Einbeziehung der AG Recht auf Wohnen bis Mitte 2024 konkrete Maßnahmen für die Versorgung und Unterbringung junger wohnungsloser Menschen zu erarbeiten. Hierbei sind in Kooperation mit dem Amt für Jugend und Familie insbesondere die Schnittstelle zwischen Maßnahmen der Wohnungslosenhilfe und Leistungen nach SGB VIII auszuloten und die Kooperation der Dienste zu verbessern.Dabei ist darauf zu achten, dass bereits für den kommenden Winter eine Interimslösung für junge wohnungslose Menschen realisiert wird, dies kann z.B. durch die Anmietung von Apartments in einem Hostel zzgl. einer sozialen Betreuung geschehen.
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Begründung des Antrags

Der Bedarf für unter 27jährige wohnungs-/obdachlose Menschen ist stark steigend. Noch vor dem kommenden Winterhalbjahr ist dringlich eine Notschlafstelle einzurichten. Die Zahlen können aus der Akteursszene nur überschlagsweise erhoben werden.

Aktuell besteht beim Leipziger Jugendwohnen allein ein nachgefragter Bedarf von 178 jungen Menschen. Diese kommen zu fast 70 % aus der Wohnungslosigkeit und zu 1/4 sogar aus Obdachlosigkeit. Darüber hinaus sind weitere Fälle anzunehmen, die außerhalb der Wahrnehmung des Jugendwohnens sind. Die Bedarfe dieser jungen Menschen geht in aller Regel auch über das aktuell aus der Kinder- und Jugendförderung finanzierte Angebot des Jugendwohnens hinaus, da häufig Drogenkonsum und psychosoziale Problemlagen verschärfend für ihre Situation sind. Hier braucht es neben einem reinen Wohnunterstützungsangebot auch sozialpädagogische und sozial-therapeutische Unterstützung und Begleitung. Eine dazu bessere Abstimmung und Schnittstellenklärung zwischen Jugendamt und Sozialamt und die Weiterentwicklung bestehender Jugendwohnprojekte ist bereits mit dem Antrag VII-A-07760-NF-02 "Jugendwohnen - Angebot in der ganzen Stadt“ Thema im Stadtrat. Fakt ist, dass der Handlungsbedarf auch für die Entwicklung neuer Angebote hoch ist.

Allein im Streetwork konnte jahrelang ein hoher Bedarf belegt werden. Kindernotdienst und Jugendhilfe zeigen starke Beanspruchung und es besteht eine hohe Dunkelziffer, verborgen durch Sofa- Hopping. Etwa die Hälfte der im vergangenen Winter im #homeplanetforhomeless-Projekt Untergebrachten waren unter 27 Jahre alt.

Im ersten Schritt ist eine eigene Notschlafstelle für junge Erwachsene nötig, denn junge Obdachlose kommen nicht in Notunterkünften für erwachsene Männer oder Frauen an. Sie haben andere Bedarfe, bedingt durch Kinderarmut, Erziehungshilfebedarf bei den Eltern und Traumatisierungen.

Tatsächlich lässt sich mit enormer Schnelligkeit ein Verfall der jungen Menschen auf der Straße beobachten, begleitet von einer Chronifizierung psychischer Erkrankungen, Drogenkonsum und Haft. Neben der Primärprävention von Wohnungs- und Obdachlosigkeit ist die Sekundärprävention entscheidend. Wir schlagen konkret die vorgezogene Öffnung der inzwischen erworbenen Einrichtung vor, die als Anlaufpunkt in Hauptbahnhofnähe laut Wohnungslosenkonzept bereits in den letzten vier Jahren in Betrieb hätte gehen sollen.

Entsprechende Einrichtung und Vergabe der sozialen Betreuung sind zügig zu veranlassen.

 

Verwaltungsstandpunkt

Alternativvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, durch das Sozialamt und unter Einbeziehung der AG Recht auf Wohnen bis Mitte 2024 konkrete Maßnahmen für die Versorgung und Unterbringung junger wohnungsloser Menschen zu erarbeiten. Hierbei sind in Kooperation mit dem Amt für Jugend und Familie insbesondere die Schnittstelle zwischen Maßnahmen der Wohnungslosenhilfe und Leistungen nach SGB VIII auszuloten und die Kooperation der Dienste zu verbessern.

Begründung

Hilfen nach SGB VIII knüpfen an das Recht junger Menschen auf Förderung ihrer Entwick-lung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemein-schaftsfähigen Persönlichkeit an. Dabei unterstützen Hilfen zur Erziehung junge Menschen entsprechend ihrem Alter und ihrer individuellen Fähigkeiten in allen sie betreffenden Le-bensbereichen selbstbestimmt zu interagieren und damit gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können (vgl. § 1 SGB VIII) Als Ziele für Jugendliche bzw. junge Volljährige stehen neben dem Erwerb eines schulischen bzw. beruflichen Abschluss der Erwerb sozialer Kompetenzen und Fertigkeiten für ein selbstständiges Leben in eigenem Wohnraum im Fokus der Hilfeplanung.

§ 41 SGB VIII beschreibt den Rechtsanspruch junger Volljähriger, geeignete und notwen-dige Hilfe zu erhalten, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbe-stimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Junge Volljährige, die in der Vergangenheit mit Maßnahmen der Jugendhilfe betreut wurden und wohnungslose Personen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und bereits einmal das Jugendhilfesystem in Anspruch nehmen mussten, sollen im Bereich der Ju-gendhilfe eine Fortführung der Hilfen erfahren, etwa durch ein stationäres oder ambulantes Nachsorgesystem.

Sollte eine Hilfe seitens der Jugendhilfe in begründeten Fällen nicht fortgesetzt werden können und noch weiterer Unterstützungsbedarf bestehen, ist gemäß § 36b SGB VIII früh-zeitig der Übergang der Zuständigkeit auf einen anderen Sozialleistungsträger zu prüfen und einzuleiten.

Es ist zu prüfen, in welchem Umfang bereits Hilfen für diesen Personenkreis in der Stadt Leipzig vorhanden sind, verstetigt werden sollen oder neu zu schaffen sind. Hierbei wer-den Schnittschellen zwischen den Leistungsbereichen der Wohnungsnotfallhilfe und den Leistungsbereichen des SGB VIII gesondert betrachtet. Es ist auch zu ermitteln, welche Ressourcen zur Umsetzung neuer Maßnahmen notwendig sind. Der Fachplan Wohnungs-notfallhilfe 2023 bis 2026 (VII-DS-07533) sieht dazu in Maßnahme 19 vor, dass zwischen dem Amt für Jugend und Familie sowie dem Sozialamt Ziele, Schnittstellen und Hand-lungsansätze u.a. für junge Volljährige definiert werden.

Die Unterbringung junger wohnungsloser Menschen erfolgt nach Vollendung des 18. Le-bensjahres durch das Sozialamt als Pflichtaufgabe nach dem Sächsischen Polizeibehör-dengesetz. Für diesen Personenkreis besteht die Möglichkeit der Übernachtung in den Übernachtungshäusern für Männer oder Frauen sowie für drogenabhängige wohnungslose Menschen. Die Einrichtungen zur Unterbringung werden von jungen volljährigen Menschen angenommen.

Im Zeitraum Januar bis Dezember 2022 wurden täglich durchschnittlich 300 wohnungslose Personen in den Übernachtungshäusern notuntergebracht. Darunter waren durchschnitt-lich 33 Personen im Alter zwischen 18 und 27 Jahren (entspricht 10,9 % aller notunterge-brachten Personen). Mit den bestehenden Strukturen kann die Notunterbringung junger volljähriger wohnungsloser Menschen derzeit gewährleistet werden.

Die Anmietung von Apartments in einem Hostel ist keine geeignete Lösung zur Versorgung junger wohnungsloser Menschen, da dort keine soziale Betreuung vorhanden ist. Entspre-chend den Standards in den Übernachtungshäusern (Fachpersonal täglich von 6:00 bis 22:00 Uhr) müsste soziale Betreuung zusätzlich über einen freien Träger beauftragt wer-den. Für die soziale Betreuung von 30 jungen wohnungslosen Menschen, die in einem Hostel untergebracht würden, sind zur Absicherung der Betreuung von montags bis frei-tags von 8:00 bis 16:00 Uhr wenigstens drei Vollzeitäquivalente Sozialarbeiter/-in notwen-dig. Für die Personal- und Sachkosten würde ein zusätzlicher finanzieller Aufwand von mindestens 200.000 Euro entstehen.

Das in der Kurt-Schumacher-Straße 41 erworbene Objekt kann nicht vorzeitig geöffnet werden. Dieses Gebäude wird bis Anfang 2025 saniert, das betrifft u.a. brandschutztechni-sche Maßnahmen. Außerdem ist geplant, dieses Objekt um eine weitere Etage aufzusto-cken, um in der Nähe des Hauptbahnhofes möglichst vielen wohnungslosen Menschen ein Notquartier anbieten zu können. Eine entsprechende Beschlussvorlage befindet sich der-zeit in Erarbeitung. Die Liegenschaft wird zur Notunterbringung der wohnungslosen Män-ner benötigt werden, die ab August 2023 interimsweise in den Wohncontainern in der Helenenstraße 26 untergebracht werden.

Für Personen zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr gibt es das über die Kinder- und Ju-gendförderung finanzierte „Leipziger JugendWohnen“ (Jugendhaus Leipzig e.V.), das be-gleitetes Einzelwohnen und sozialpädagogische Einzelfallhilfe anbietet. Gemäß Beschluss der Ratsversammlung vom 17.05.2023 wird zur möglichen Erweiterung des Vorhabens eine konkrete Bedarfs- und Standortanalyse angefertigt (VII-A-07760-NF-02). Dabei wer-den auch ein geeigneter sozialräumlicher Bezug für die Verteilung der zu schaffenden An-gebote definiert und die rechtliche Verortung der Maßnahme im SGB VIII (insbesondere in Bezug zum § 41 SGB VIII) und Schnittstellen zur Wohnungslosenhilfe geklärt. Bis Ende 2023 soll ein Konzept zur Umsetzung vorgelegt werden. Das Sozialamt ist in die Erarbei-tung der Analyse und der Erstellung des Konzeptes beteiligt. Das Ergebnis der Prüfung wird dem Stadtrat vorgelegt.

Realisierungs- / Zeithorizont (entfällt bei Ablehnung des Antrags)

Der Stadtrat wird im IV. Quartal über die Ergebnisse des Prüfauftrages informiert.

 

Gemeinsame Neufassung vom 14. November 2023 zur Beschlussfassung in der Ratsversammlung am 15. November 2023

Beschlussvorschlag:

Der Beschlussvorschlag wird wie folgt neu gefasst:

 

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, durch das Sozialamt und unter Einbeziehung der AG Recht auf Wohnen bis Mitte 2024 konkrete Maßnahmen für die Versorgung und Unterbringung junger wohnungsloser Menschen zu erarbeiten.

Hierbei sind in Kooperation mit dem Amt für Jugend und Familie und dem Jobcenter insbesondere die Schnittstelle zwischen Maßnahmen der Wohnungslosenhilfe und Leistungen nach SGB VIII auszuloten und die Kooperation der Dienste zu verbessern.

Bereits für den anstehenden Winter und damit sofort wird als eine Lösung für junge wohnungslose Menschen, das bereits vom Sozialamt aufgesetzte Careleaver-Angebot ausgebaut, zusätzlich wird geprüft, befristete Bürgschaften nach geeigneten Kriterien für zu definierende junge Mieter*innen als Einzelfallhilfe zu gewähren, um den Zugang zu eigenem Wohnraum zu öffnen.

Begründung

mündlich

Beschluss der Ratsversammlung am 15. November 2023

Die Neufassung wurde mit 37/14/7 Stimmen mehrheitlich vom Stadtrat angenommen.

Zwischenbericht zum Stand der Umsetzung 15.04.2024

in Arbeit

Stand der Umsetzung im Projekt Careleaving zum 10.04.2024

In Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Jugend und Familie und dem Sozialamt entstand das Projekt Careleaving mit ersten Schritten im Sommer 2023. Die LWB konnte ebenfalls als Partnerin für das Projekt gewonnen werden. In einem regelmäßigen Austausch wurde eine Kooperationsvereinbarung zum 28.12.2023 verschriftet und der Ablauf definiert.

Bereits im August 2023 wurde die erste Wohnung von der LWB in das Projekt gemeldet. Die Akquise und die ersten Weichenstellungen führten zu Beginn des Projekts zu Verzögerungen. Die ersten Startschwierigkeiten konnten durch regelmäßige Netzwerkarbeit zwischen den Beteiligten (Amt für Jugend und Familie, Sozialamt, Jobcenter und LWB) minimiert werden. Das Sozialamt beteiligt sich aktiv an den Austauschtreffen der involvierten Träger und dem Amt für Jugend und Familie. Auch die LWB zeigt große Mitwirkungsbereitschaft, Prozesse zu vereinfachen.

Seit 01.12.2023 sind die ersten Einzüge von Careleavern in die Wohnungen erfolgt. Insgesamt konnten seit Beginn des Projekts 16 Careleaver in Wohnungen vermittelt werden.10 Personen sind aus den Hilfen zur Erziehung eingemündet, 2 Personen aus dem elterlichen Haushalt mit ambulanter Hilfe. Weiterhin konnten über das Projekt 3 Personen aus der Wohnungslosigkeit und 1 Person aus der Obdachlosigkeit versorgt werden.

Im Verfahren gibt es immer wieder Anpassungsbedarfe. Im Moment gibt es mehr Interessent/-innen als Wohnungen zur Verfügung stehen. Im weiteren Ausbau des Projekts soll der Bekanntheitsgrad des Projekts erhöht werden. Erste Planungen für Öffentlichkeitsarbeit sind angelaufen. Eine zeitnahe Umsetzung diesbezüglich wird angestrebt.

Neben dem Projekt Careleaving wurde eine Wohnungsgenossenschaft, die mit jungem Wohnen auf deren Internetauftritt wirbt, im November und im Dezember 2023 angeschrieben. Ziel war es, junge Erwachsene aus Notunterkünftigen in Wohnraum mit begleitender Jugendhilfe zu vermitteln. Das Vorhaben scheitere aufgrund ausbleibender Rückmeldung der Genossenschaft.

Zwischen dem 01.10.2023 und dem 31.03.2024 sind – neben dem Projekt Careleaving – 3 junge Erwachsene Personen unter 27 Jahren in eine mietpreis- und belegungsgebundene Wohnung gezogen. Davon zwei Personen aus dem Übernachtungshaus für wohnungslose Männer und eine Person aus dem Übernachtungshaus für wohnungslose Frauen.

Stand Schnittstellen

Die weitere Kooperation mit dem Amt für Jugend und Familie und dem Jobcenter, insbesondere die Schnittstelle zwischen Maßnahmen der Wohnungslosenhilfe und Leistungen nach SGB VIII, sind noch auszuloten.

Insbesondere die Regelungen der §§ 36 b und 41 SGB VII gilt es zwischen mit dem Amt für Jugend und Familie und dem Sozialamt anzuwenden.

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