Antrag: Mehr Freiräume für künstlerische und kreative Projekte – Freiraumbüro einrichten
Antrag vom 9. Dezember 2022
Beschlussvorschlag:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Einrichtung eines Freiraumbüros zur Unterstützung von künstlerischen und gemeinwohlorientierten kreativen Projekten konzeptionell und organisatorisch vorzubereiten. Begleitende Maßnahmen, insbesondere die Inwertsetzung von Leerständen, Bereitstellung von kommunalen Liegenschaften und finanzielle Förderung sind zu prüfen. Eine Umsetzungskonzeption ist dem Stadtrat bis zum III. Quartal 2023 vorzulegen.
Begründung:
Die Vielfalt künstlerischer und gemeinwohlorientierter kreativer Projekte trägt maßgeblich zur Lebensqualität und Attraktivität in Leipzigs Stadtteilen bei. Charakteristisch für diese soziokulturellen Vereine, Ateliergemeinschaften, Galerien oder Projektwohnungen ist, dass sie in der Regel weder gewinnorientiert arbeiten noch von einer institutionellen Förderung getragen werden. Entscheidend für ihren Erfolg sind vorhandene Räume für Veranstaltungen, Austausch, Kultur und Stadtteilarbeit, die insbesondere in der letzten Dekade in vielen Stadtteilen entstanden sind. Es sind gerade die Formenvielfalt, Nutzungsmischung und zeitliche Begrenzung, mit denen diese Projekte eine besondere Ausstrahlung in den Stadtteilen entfalten. Diese besondere Szene, die in anderen Städten teilweise verdrängt wurde, macht Leipzig für Einwohnende wie für Auswärtige attraktiv. Eine wesentliche Voraussetzung für ihr Entstehen waren vergleichsweise niedrige Mieten. Ein Teil der Projekte konnte sich aus einer Zwischennutzung heraus dauerhaft etablieren. Andererseits sind angesichts der Immobilienmarktentwicklung viele der Projekte zunehmend bedroht, neue Projekte sind oft kaum noch möglich. Es wird immer schwieriger, bezahlbare Räume für Proben, Veranstaltungen, Austausch bis zu Büroräumen zu finden. Akut von Verdrängung betroffene Projekte wie die Zündkerzenwerkstatt in Reudnitz, das Japanische Haus in Volkmarsdorf und die krudebude in Schönfeld stehen exemplarisch für diese Entwicklung, viele weitere drohen zu folgen.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist eine aktive Unterstützung dieser Projekte notwendig, die über das bisherige vereinzelte und fallweise Agieren hinausgeht und angesichts der bestehenden Herausforderungen systematischer vorgeht. Leipzig kann dabei zwar auf vielfältige Erfahrungen bei der Zwischennutzung von Immobilien sowie bestehende Unterstützungsstrukturen wie den Quartiersmanagements, dem Netzwerk Leipziger Freiheit, aber auch von Vereinen wie Haushalten e.V. oder dem Haus- und Wagenrat e.V. zurückgreifen. Gleichwohl ist festzustellen, dass Leerstände drastisch gesunken sind und theoretisch vorhandene Leerstandspotentiale kaum genutzt werden. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass für ein zügiges Agieren die derzeitigen Prozesse in der Stadtverwaltung unzureichend sind. Es fehlt eine Schnittstellenstruktur, die als zentraler Ansprechpartner für Freiraumprojekte fungiert und zwischen den verschiedenen Akteur*innen in der Verwaltung, der Projekte und der Öffentlichkeit vermittelt. Diesen Fokus auf gemeinwohlorientierte kreative Projekte haben derzeit weder das Kulturamt, das auf institutionell geförderte Einrichtungen orientiert, noch das Amt für Wirtschaftsförderung, das kreativwirtschaftliche Akteure z.B. durch den Freiraumfinder unterstützt.
Ein Freiraumbüro, wie es in Halle seit Jahren erfolgreich arbeitet, kann die Planungs- und Realisierungsprozesse von gemeinwohlorientiert-kreativen Projekten deutlich verbessern, wie das Beispiel in Halle zeigt: Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei „im Aufspüren, Aktivieren und Vermitteln von Freiräumen, damit (sozio)kulturelle und künstlerisch-kulturell Engagierte ihre Vorhaben verwirklichen können. Wir verstehen uns als Vermittlerin zwischen den verschiedenen Akteur*innen aus der Stadtverwaltung, der freien Szene und einer interessierten Öffentlichkeit, engagieren uns in verschiedenen Netzwerken und schaffen durch die Initiierung eigener Projekte Freiräume jenseits der herkömmlichen Mietstrukturen.“ (https://www.freiraumbuero-halle.de).
Der Antrag zielt darauf ab, eine ähnliche Struktur in Leipzig zu etablieren. Dabei ist eine Beauftragung ebenso denkbar wie eine Einordnung in städtische Strukturen. Als begleitende Maßnahmen sind die Inwertsetzung von Leerständen, die Bereitstellung kommunaler Liegenschaften und mögliche finanzielle Förderungen für Raumnutzung zu prüfen.
Verwaltungsstandpunkt vom 22. März 2023
Alternativvorschlag:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt, bis zum 4. Quartal 2023 ein Konzept für ein Kompetenzzentrum Freie Szene zu erarbeiten, dass die Prüfung eines Freiraummanagements zur Unterstützung von künstlerischen und gemeinwohlorientierten kreativen Projekten einschließt.
Begründung:
Zu Beschlusspunkt 1:
Die Vielfalt künstlerisch-kultureller und gemeinwohlorientierter kreativer Projekte trägt maßgeblich zur Lebensqualität und Attraktivität in Leipzigs Stadtteilen bei. Charakteristisch für diese soziokulturellen Vereine, Ateliergemeinschaften, Galerien oder Projektwohnungen ist, dass sie in der Regel weder gewinnorientiert arbeiten noch von einer institutionellen Förderung getragen werden. Insbesondere im Rahmen der integrierten Stadtteilentwicklung sind diese Akteur/-innen wichtige Partner/-innen und auch Initiator/-innen der Aufwertung und Stadtentwicklung. Durch den Bevölkerungszuwachs und die positive wirtschaftliche Entwicklung sind inzwischen auch in den Stadtteilen, die vor einigen Jahren noch ausreichend Freiräume aufwiesen, die Flächen für kreative und gemeinwohlorienterte Projekte knapp bzw. ist die Mietpreissteigerung deutlich spürbar. Die Flächenkonkurrenzen steigen und die privaten Eigentümer/-innen haben inzwischen meist hohe Mieteinnahmeerwartungen.
In der Vergangenheit stellten diese privaten Eigentümer/-innen jedoch den Hauptanteil der für diese gemeinwohlorientierten Nutzungen benötigten Flächen kostengünstig zur Verfügung. Seitens des Liegenschaftsamts stehen bspw. derzeit keine Leerstandsobjekte zur Verfügung, die den grundlegenden Sicherheitsanforderungen genügen. Die wenigen bis vor kurzem noch leerstehenden Objekte der Stadt Leipzig wurden für kommunale Pflichtaufgaben, insbesondere die Unterbringung Geflüchteter, hergerichtet.
Der Stadtverwaltung ist bewusst, dass die Verfügbarkeit solcher Räume für Veranstaltungen, Austausch, Kultur und Stadtteilarbeit, die insbesondere in der letzten Dekade in vielen Stadtteilen entstanden sind, essentiell für die Attraktivität und Lebensqualität in der Stadt Leipzig ist. Diese gewachsenen kulturell-unkommerziellen und gemeinwohlorientierten Strukturen stellen einen weichen wirtschaftlichen Standortfaktor Leipzigs dar.
Seit 2022 arbeiten das Kulturamt und Vertreter/-innen der Freien Kunst- und Kulturszene gemeinsam an einem Konzept zu einem ganzheitlichen „Kompetenzzentrum Freie Szene Leipzig“. Dieses soll in einem modularen Aufbau nicht nur Beratung für Freie Träger in den Bereichen Fördermittelakquise und Organisationsentwicklung bieten, sondern auch wichtige Funktionen im Bereich der Informationsbündelung und Verteilung sowie der Kooperation zwischen Freier Szene und Akteuren aus Verwaltung, Wirtschaft, Bildung, Sozialem etc. übernehmen. Zur weiteren Definition der Module fand im Oktober 2022 ein Workshop statt. Darauf aufbauend wird das Konzept gemeinsam mit Vertreter/-innen der Freien Szene aktuell weiterentwickelt. Das Kompetenzzentrum der Freien Szene versteht sich als gemeinsames Projekt der städtischen Kulturverbände. In das Kompetenzzentrum soll die bereits im Aufbau befindliche Koordinierungsstelle Nachtleben (NachtRat) integriert werden. Auch ein Freiraummanagement zum Aufspüren und Vermitteln von Freiräumen bzw. Off-Spaces und zur (Zwischen-)Nutzung und Mehrfachnutzung zu findender Orte durch Kreative und gemeinwohlorientierte Initiativen kann im Kompetenzzentrum angesiedelt werden. Das mit dem zugrundeliegenden Ursprungsantrag verfolgte Konzept eines Freiraummanagements sollte aus Sicht der Verwaltung daher gemeinsam mit der Idee des Kompetenzzentrums Freie Szene umgesetzt werden.
In den letzten Jahren sind immer wieder Fälle von Verdrängung von Akteuren und Akteurinnen der Kultur- und Kreativwirtschaft an die Stadtverwaltung herangetragen wurden. Trotz dieser exemplarischen Meldungen fehlt ein fundiertes, systematisches Bild der Lage sowie eine genaue Analyse der Ist-Stände und Bedarfe. Neben Verdrängungseffekten gibt es auch neu geschaffene oder in Entstehung befindliche Freiräume, beispielsweise das Areal Feuerwehrwache Ost.
Aufgabe des Freiraummanagements im Kompetenzzentrum Freie Szene wird es also nach seiner Arbeitsaufnahme sein, eine Ist-Stands- und Bedarfsanalyse umzusetzen, die erfasst, ob bzw. wo es eine systemische Mangellage gibt, an der das Freiraummanagement ansetzen kann. Die Erhebung soll dedizierte Bedarfe in den Bereichen Proberäume für Musik, Tanz oder Schauspiel sowie Ateliers und Off-Spaces sichtbar machen und aufzeigen, ob in den Markt der Vermietung von genannten Orten überhaupt Eingriffsnotwendigkeit besteht und an welchen Stellen weitere Kooperationen zur Mehrfachnutzung vorhandener Räume sinnvoll wären. Hierzu liegen der Verwaltung bislang keine belastbaren Zahlen vor. Dies zeigt sich beispielsweise auch in den Überlegungen zur inhaltlichen Gestaltung des Projekts Gleisdreieck oder der Ausgestaltung der Nutzung im KUNSTTANKER - Kunst- und Kreativzentrum Lindenthaler Straße.
Dementsprechend wird die Verwaltung bis zum 4. Quartal 2023 einen Vorschlag für die Schaffung eines auf die Bedürfnisse der Stadt Leipzig angepassten Freiraummanagements erstellen und dem Stadtrat im Rahmen des geplanten Konzeptes zum Kompetenzzentrum Freie Szene zur Beschlussfassung vorlegen. Die Erarbeitung wird durch eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe (Federführung Kulturamt, Amt für Wirtschaftsförderung, Stadtplanungsamt, Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung, Liegenschaftsamt, Amt für Bauordnung und Denkmalpflege) sowie einen Beteiligungsprozess begleitet. Erkenntnisse der Städte Jena und Halle (Saale) fließen in das Konzept mit ein.
Realisierungs- / Zeithorizont
Bis Oktober 2023: Beschluss Kompetenzzentrum Freie Szene Leipzig
Beschluss der Ratsversammlung am 19. April 2023
Der Antrag wurde im Sinne des Alternativvorschlages der Verwaltung mit breiter Mehrheit so beschlossen.
Zwischenbericht zum Stand der Umsetzung 22.09.2023:
x in Arbeit
Die Vorlage zur Schaffung und Finanzierung eines Kompetenzzentrums für die freie Kunst und Kultur in Leipzig ist in Erarbeitung. Geplant ist, die Vorlage im 1. Quartal 2024 einzubringen.
Ein Leistungsmodul des Kompetenzzentrums soll die Bündelung und professionelle Umgestaltung des Freiraummanagements für künstlerisch-kulturell nutzbare Flächen und Räume werden. Aufbauend auf bereits existierenden Angeboten und Datensammlungen, wie dem Freiraumfinder und den Erfahrungen aktueller Bestrebungen im Freiraummanagement wie dem Citymanagement des Amtes für Wirtschaftsförderung oder dem Atelierfinder des Bundes Bildender Künstler/-innen Leipzig, sollen private und öffentliche Räume und Flächen aktuell erfasst und für potenzielle Nutzer/-innen aufbereitet werden.
Zwischenbericht zum Stand der Umsetzung 09.04.2024
in Arbeit
Die Vorlage zur Schaffung und Finanzierung eines Kompetenzzentrums für die freie Kunst und Kultur in Leipzig befindet sich in Erarbeitung. Geplant ist, die Vorlage noch im Jahr 2024 in die Ratsversammlung einzubringen.
Ein Leistungsmodul des Kompetenzzentrums soll die Bündelung und professionelle Umgestaltung des Freiraummanagements für künstlerisch-kulturell nutzbare Flächen und Räume werden. Aufbauend auf bereits existierenden Angeboten und Datensammlungen, wie dem Freiraumfinder und den Erfahrungen aktueller Bestrebungen im Freiraummanagement wie dem Citymanagement des Amtes für Wirtschaftsförderung oder dem Atelierfinder des Bundes Bildender Künstler/-innen Leipzig, sollen private und öffentliche Räume und Flächen aktuell erfasst und für potenzielle Nutzer/-innen aufbereitet werden.