Antrag: Mehr Transparenz wagen
Antrag vom 28. Mai 2020
Beschlussvorschlag:
- Der Leipziger Stadtrat beschließt, dass die Tagesordnung der Fachausschüsse, sofern sie die öffentlich zugänglichen Stadtratsangelegenheiten (öffentliche Vorlagen und Anträge) betreffen, auch öffentlich zur Verfügung gestellt und im Allris abgebildet werden.
- Die Tagesordnungen der Dienstberatungen des Oberbürgermeisters sollen dem Stadtrat zur Verfügung gestellt werden.
Begründung:
Der Stadtrat hat eine Doppelfunktion. Im rechtlichen Sinne ist er Teil der Verwaltung und damit betraut diese zu kontrollieren und Arbeitsaufgaben zu formulieren. Im politisch- demokratischen Sinne ist er das demokratisch legitimierte Teilorgan der Verwaltung mit der Aufgabe gemeinsam mit den Einwohner*innen von Leipzig die Entwicklung der Stadt voranzutreiben. Dazu gehört die Kommunikation von Beschlüssen und die Erarbeitung von Anträgen zusammen mit Vereinen, Initiativen, Einwohner*innen der Stadt.
Ausweislich der sächsischen Gemeindeordnung finden die Fachausschusssitzungen nicht öffentlich statt. Geschützt werden soll dabei die Meinungsbildung der Fachausschüsse, ohne dass diese zur öffentlichen Bühne werden.
Im rechtlichen Sinne sind davon die Tagesordnungen nicht betroffen. Die Zurverfügungstellung der Tagesordnung von Fachausschüssen vereinfacht die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungswegen für die Einwohner*innen der Stadt. Insbesondere weil es auch Aufgabe der Stadträt*innen ist, in den Prozess der Meinungsbildung die Einwohner*innen, Initiativen und Vereine der Stadt mit einzubeziehen.
Für die Dienstberatungen des Oberbürgermeisters gilt, dass dort die Vorlagen, die den Ausschüssen zugehen, vorbesprochen werden.
Gerade in jüngerer Vergangenheit ist es mehrfach dazu gekommen, dass Vorlagen für den Stadtrat, trotz gesetzlicher Fristen, sehr spät eingereicht wurden. Um die Nachvollziehbarkeit und damit auch das System von „Checks and balances“ zu stärken, soll die Tagesordnung der Dienstberatung öffentlich sein.
Verwaltungsstandpunkt:
Die Verwaltung empfiehlt die Ablehnung des Antrags.
Begründung:
Zu 1.
Die Verwaltung empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Gegenstand des Antrags können nur die Tagesordnungen der beratenden Fachausschüsse sein, da die Tagesordnungen der beschließenden Fachausschüsse, soweit sie öffentliche Vorlagen und Angelegenheiten betreffen, bereits öffentlich zugänglich sind. Da der Antrag sich ausdrücklich auf öffentliche Vorlagen und Anträge bezieht, sind auch die Angelegenheiten selbst nebst aller öffentlichen Anlagen zum Zeitpunkt der Erstellung der Tagesordnung für die Fachausschüsse bereits der Öffentlichkeit zugänglich. Ebenso ist die Beratungsfolge öffentlich einsehbar. Im Kern reduziert sich der Antrag also darauf, der Öffentlichkeit explizit zur Verfügung zu stellen, wann ein bestimmtes Thema in einem bestimmten Ausschuss diskutiert wird und welche Angelegenheiten in einer bestimmten Sitzung eines konkreten Fachausschusses behandelt werden.
Dem dadurch ermöglichten Gewinn an Transparenz steht der Sinn und Zweck des § 43 Abs. 2 SächsGemO gegenüber, der die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen der beratenden Ausschüsse regelt. Danach soll insbesondere gewährleistet werden, dass die Erörterung objektiv-sachbezogen durchgeführt und die Ausschusssitzung nicht zur Bühne für die geneigten Zuschauer umfunktioniert wird. (vgl. Schaffarzik in Quecke/Schmidt, SächsGemO Rdn. 23 zu § 43). Die Nichtöffentlichkeit der Tagesordnung ist mit diesem Zweck der Nichtöffentlichkeit der Sitzung untrennbar verbunden. Im Gegensatz zu den Vorberatungen in den beschließenden Ausschüssen, wo im begründeten Einzelfall eine Abweichung von der Nichtöffentlichkeit möglich ist (vgl. § 41 Abs. 5 Satz 2 SächsGemO, wonach die Vorberatungen „in der Regel“ nichtöffentlich stattfinden), ist bei den beratenden Ausschüssen ein Abweichen von der Nichtöffentlichkeit nicht zulässig (vgl. Schaffarzik, aaO).
Sofern es der Antragstellerin darum geht, bereits Einwohner und Einwohnerinnen sowie verschiedene Akteure der Stadtgesellschaft in den Prozess einzubeziehen, ist dies ab Freigabe der Angelegenheit in ALLRIS möglich. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit ergibt, zu wissen an welchem konkreten Tag die Angelegenheit in dem jeweiligen Fachausschuss beraten wird. Die allgemeine Information, in welchen Fachausschüssen die Vorberatung stattfindet, ist, wie erwähnt, ebenfalls öffentlich einsehbar.
Im Lichte dieses kaum fassbaren Mehrwertes an Transparenz für die Öffentlichkeit, der durch eine Veröffentlichung der Tagesordnungen hergestellt werden könnte, überwiegt nach Ansicht der Verwaltung im Ergebnis das Interesse an dem Schutz der Vertraulichkeit der Sitzungen der beratenden Fachausschüsse.
Daher ist der Antrag ist aus Sicht der Verwaltung abzulehnen. Bei Beschlussfassung im Sinne des Antrags müsste gegebenenfalls unter Einbeziehung der Rechtsaufsichtsbehörde geprüft werden, ob der Beschluss rechtswidrig ist.
Zu 2.
Ein solcher Beschluss wäre rechtswidrig, weil die Entscheidung über die Zurverfügungstellung der Tagesordnungen der Dienstberatung des Oberbürgermeisters nicht in die Zuständigkeit der Ratsversammlung fällt. Diese Entscheidung betrifft vielmehr innerorganisatorische Abläufe und Entscheidungen, die der Oberbürgermeister in eigener Zuständigkeit nach § 53 Abs. 2 und Abs. 3 SächsGemO erledigt. Der Bereich der Leitung der Verwaltung einschließlich Entscheidungsfindung ist der Zuständigkeit des Stadtrates entzogen.
Beschluss der Ratsversammlung am 24. Februar 2021
Beschlusspunkt 1 in der Fassung des ÄA-02: 31/32/3
Beschlusspunkt 2: mehrheitlich bei 20 Ja-Stimmen und fünf Enthaltungen abgelehnt