Antrag: Menschen mit Behinderung in reguläre Arbeitsverhältnisse übernehmen
Gemeinsamer Antrag mit der SPD-Fraktion vom 19. April 2024
Beschlussvorschlag
- Der Oberbürgermeister wird beauftragt, das Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen – entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) – als ressortübergreifende Querschnittsaufgabe der Stadtverwaltung zu verankern (im Sinne von Disability Mainstreamings = Gleichstellung von Menschen mit Behinderung als Querschnittsaufgabe).
- Die Stadt wird beauftragt, umgehend bis IV. Quartal 2024 und dann möglichst alle zwei, mindestens aber alle drei Jahre zu prüfen, welche Personen mit Behinderungen, die seit mindestens einem Jahr über einen Außenarbeitsplatz bei der Stadt und ihren Eigenbetrieben beschäftigt sind, im gleichen Tätigkeitsfeld in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis überführt werden können.
- Es ist zu prüfen, wie die Stadt darauf einwirken kann, dass die Werkstätten für Menschen mit Behinderung neben dem Angebot an Beschäftigung auch zu wirklichen Dienstleistern für die Inklusion am allgemeinen Arbeitsmarkt weiterentwickelt werden können.
- Im Abstand von zwei Jahren wird von Seiten der Stadt (auch in Zusammenarbeit mit den Werkstätten) geprüft, ob Außenarbeitsplätze in den Werkstätten in reguläre Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden können. Der Anteil der Übergänge aus den Behindertenwerkstätten auf den ersten Arbeitsmarkt muss erhöht werden.
- Die Stadt wird beauftragt, die Gründung eines sogenannten Inklusionsbetriebs (wie beispielweise der geplante Inklusionsbetrieb des SEB am Störmthaler See) zu prüfen. (Inklusionsbetriebe bieten für Menschen mit Behinderung Arbeitsplätze mit tariflicher oder ortsüblicher Bezahlung und ermöglichen den Einstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Ein Teil der Inklusionsbetriebe bildet auch aus und ermöglicht Praktika.)
Begründung
Die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung gehört zum Selbstverständnis solidarischer Gesellschaften. Es gilt der zentrale Grundsatz der UN-Behindertenrechtskonvention: „Nicht über uns ohne uns!“
Die Stadt vergibt Arbeitsaufträge an Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM). Diese sind zuallererst als Eingliederungsmaßnahme in den 1. Arbeitsmarkt vorgesehen.
Diese Werkstätten stehen in der Kritik, da sie weder dem Mindestlohngesetz unterliegen noch den Menschen einen ausreichenden Zugang zum 1. Arbeitsmarkt ermöglichen. Die Zahl der Menschen, die in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis wechseln, bewegt sich im sehr niedrigen Prozentbereich.
Nach § 5 Werkstättenverordnung (WVO) sind Werkstätten für behinderte Menschen beauftragt, Rehabilitanden bzw. bei ihnen in den Arbeitsbereichen beschäftigte Menschen mit Behinderungen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. Die Menschen mit Behinderung müssen einerseits unter Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse und individuellen Fähigkeiten gefördert und qualifiziert werden. Darüber hinaus soll der Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen ermöglicht werden, so beispielsweise durch eine zeitweise Beschäftigung auf sogenannten ausgelagerten Arbeitsplätzen [1]. Laut einer Studie (September 2023) im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) wurden in Deutschland im Jahr 2019 lediglich 0,35 % der bundesweit etwa 143.000 in WfbM Beschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt. Im Vergleichsjahr 2015 lag diese Zahl bei 0,26 % [2]. In Sachsen werden etwa 1.333 von 15.366 Menschen mit Behinderungen, welche im Arbeitsbereich der WfbM tätig sind, auf sogenannten Außenarbeitsplätzen in Betrieben beschäftigt. Im Freistaat gelingt jährlich etwa 15 Personen der Wechsel von einer WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt [3].
Außenarbeitsplätze bieten Menschen mit Behinderungen eine Möglichkeit, sich langfristig in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes zu erproben (in dieser Probezeit bleiben sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM). Arbeitgeber und -nehmer in den Betrieben können so erleben, welcher Mehrwert durch Menschen mit Behinderungen eingebracht werden kann. Außenarbeitsplätze dienen also dem Ziel, Menschen mit Behinderungen den Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Bei den in diesem Antrag geforderten Prüfungen von Möglichkeiten, Menschen mit Behinderungen bei der Stadt und ihren Eigenbetrieben in Festanstellungen zu überführen, sollen insbesondere auch die Unterstützungsmöglichkeiten berücksichtigt werden, die das Budget für Arbeit leistungsberechtigten Menschen bietet, wie z.B. personelle Unterstützung für Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz (Assistenz).
Zudem erhielten bei einer Realisierung jene bislang über Außenarbeitsplätze beschäftigte Menschen (im Gegensatz zur Entlohnung in einer WfbM) ein gerechtes Einkommen, das sie von Sozialleistungen unabhängiger werden lässt bzw. ihre eingebrachte Arbeitskraft entsprechend anerkennt und angemessen honoriert.
Quellen:
1: https://www.gesetze-im-internet.de/schwbwv/__5.html
2: Studie Entgeltsystem WfbM (bmas.de)
3: Allianz Arbeit + Behinderung - Behindern verhindern - sachsen.de
Antrag in leichter Sprache
Beschlussvorlage
- Menschen mit Behinderung sollen mitmachen können.
Das soll überall in Leipzig der Fall sein. - Wer in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung für die Stadt Leipzig arbeitet,
soll von der Stadt angestellt werden.
Das soll auch für Betriebe der Stadt Leipzig gelten.
Das soll im Jahr 2024 geprüft werden.
Danach alle 2 bis 3 Jahre. - Werkstätten für Menschen mit Behinderung sollen sich verändern.
Mehr Menschen sollen eine richtige Arbeit bekommen.
Dafür sollen sie gerecht bezahlt werden. - Außen-Arbeitsplätze bei der Stadt Leipzig sollen
in richtige Arbeitsplätze umgewandelt werden.
Das soll alle 2 Jahre geprüft werden. - Die Stadt soll einen Inklusions-Betrieb gründen.
Dort arbeiten Menschen mit Behinderung für einen gerechten Lohn.
Begründung
Die Stadt Leipzig gibt Werkstätten für Menschen mit Behinderung
einen Auftrag zum Arbeiten.
In einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung bekommt man aber wenig Lohn.
Das ist nicht richtig.
Manche arbeiten auch in einem Betrieb der Stadt Leipzig.
Das nennt man Außen-Arbeitsplatz.
Auch bei einem Außen-Arbeitsplatz gibt es weniger Lohn.
Wir wollen, dass Menschen mit Behinderung bei der Stadt Leipzig fest angestellt werden.
Dafür sollen Menschen mit Behinderung auch einen gerechten Lohn erhalten.
Menschen mit Behinderung müssen diese Möglichkeit bekommen.
Das ist ein Gesetz.
Verwaltungsstandpunkt vom 22. Juli 2024
Alternativvorschlag:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, wie Personen auf „Außenarbeitsplätzen“ gezielt angesprochen und auf geeignete Stellenausschreibungen (im gleichen Tätigkeitsfeld) der Stadtverwaltung oder der Eigenbetriebe hingewiesen werden können. Bestandteil der Prüfung wird dabei auch die Möglichkeit zur Gründung eines sogenannten Inklusionsbetriebs sein.
Begründung:
Vorbemerkungen:
Außenarbeitsplätze sind Arbeitsplätze außerhalb einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Unternehmen und Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes. Beschäftigte auf den Außenarbeitsplätzen bleiben Mitarbeiter/innen der Werkstatt für Menschen mit Behinderung, sind aber in die Arbeitsabläufe der Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes eingebunden.
Es handelt sich um Leistungen nach § 111 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Entsprechend § 10 Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches (SächsAGSGB) ist der Kommunale Sozialverband Sachsen (KSV Sachsen) als Eingliederungshilfeträger zuständig.
Die Leistungen der Werkstätten wenden sich an Menschen, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. Die betroffenen Personen sind voll erwerbsgemindert.
In der Werkstatt - als Einrichtung zur Teilhabe am Arbeitsleben - werden die Werkstattbeschäftigten nach ihren Leistungsmöglichkeiten beschäftigt. Eine Vergleichbarkeit zum allgemeinen Arbeitsmarkt ist nicht gegeben, weshalb auch kein Arbeitsverhältnis, sondern ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis besteht.
Zu BP 1: bereits berücksichtigt
Die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist als strategisches Ziel bereits im Handlungsfeld „Stadtgesellschaft zusammenhalten“ enthalten und spiegelt sich auch im Teilhabeplan der Stadt Leipzig (Beschluss VI-DS-04839-NF-01 der Ratsversammlung vom 13.12.2017) wieder. Unabhängig davon ist die Stadt Leipzig als Arbeitgeberin verpflichtet, Menschen mit Behinderung bei gleicher Eignung vorrangig einzustellen. Das Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen ist somit bereits gängige Praxis und Teil des Verwaltungshandelns ohne dass es hierfür eines weiteren Beschlusses bedarf.
Ergänzend führen wir hierzu wie folgt aus:
Die Integration von Menschen mit Behinderungen in reguläre Arbeitsverhältnisse ist ein wichtiger Schritt für die Förderung von Inklusion und Chancengleichheit in der Gesellschaft. Die Schwerbehindertenquote bei der Stadt Leipzig betrug 2023 5,30 %.
Die Stadt Leipzig ist sich der sozialen Aufgabe als Arbeitgeberin bewusst und hat 2015 eine Inklusionsvereinbarung abgeschlossen. Sie ist eine Handlungsgrundlage zur Inklusion von schwerbehinderten Menschen in das Arbeitsleben und eine verbindliche Leitlinie für alle Führungskräfte und Mitarbeitende der Stadtverwaltung Leipzig.
Ein besonderes Augenmerk legt die Stadtverwaltung auf folgende Bereiche
• Einstellung von schwerbehinderten Menschen
• Ausbildung von schwerbehinderten Menschen
• Ausschöpfung aller Maßnahmen im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements
• Präventive Maßnahmen zum Erhalt des Arbeitsplatzes
• Behindertengerechte Anpassung des Arbeitsplatzes und Arbeitsumfelds
• Wachsendes Qualifizierungs- und Fortbildungsangebot zu Themen der Teilhabe und Inklusion
• Barrierefreiheit in den städtischen Liegenschaften
• Individuelle Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz
Mit dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes, das am 01.01.2024 in Kraft getreten ist, wurden die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeweitet. Zu den bereits bestehenden gesetzlichen Leistungen (z. B. medizinische und berufliche Rehabilitation, Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz, behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes, Technische Hilfsmittel, Arbeitsassistenz) ist das Jobcoaching am Arbeitsplatz neu aufgenommen worden.
Aus dem Leistungskatalog kommen geeignete Maßnahmen zur individuellen Förderung schwerbehinderter Beschäftigter zur Anwendung. Auch ein Job-Coach ist derzeit im Auftrag der Stadtverwaltung tätig.
Zu BP 2: Alternativvorschlag
BP 2 sollte folgenden Wortlaut erhalten: „Die Stadt wird beauftragt zu prüfen, wie Personen auf „Außenarbeitsplätzen“ gezielt angesprochen und auf geeignete Stellenausschreibungen (im gleichen Tätigkeitsfeld) der Stadtverwaltung oder der Eigenbetriebe hingewiesen werden können.“
Bezüglich der Überführung schwerbehinderter Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse sind folgende Gesichtspunkt zu beachten:
Die Werkstattbeschäftigten erwerben nach einer Anwartschaft von 20 Jahren ununterbrochener Beschäftigung in einer Werkstatt einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Bei der Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente kann diese bei einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gekürzt werden oder gänzlich entfallen.
Beschäftigte in einer Werkstatt sind nach einem (in der Regel) fiktiven (Mindest-)Entgelt in Höhe von 80 v.H. der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV und somit grundsätzlich nach einem bedeutend höheren Entgelt, als sie tatsächlich erzielen, versichert (Rentenprivileg).
Unter diesen Gesichtspunkten ist ein Übergang von der Werkstatt für Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht für jeden Werkstattbeschäftigten erstrebenswert, selbst wenn auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein deutlich höheres Einkommen als in der Werkstatt erzielt werden kann. Für einige Werkstattbeschäftigte spielt das erzielte Einkommen zudem nur eine untergeordnete Rolle.
Auch der sichere Rahmen einer Werkstatt (Reha-Auftrag, Vorhandensein eines ständigen Ansprechpartners vom begleitenden/sozialen Dienstes, Möglichkeit der Inanspruchnahme von Physiotherapie/Ergotherapie während der Arbeitszeit, regelmäßige Pausen, Rückzugsmöglichkeiten, Fahrdienst) ist für viele Werkstattbeschäftigte ein Argument den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu wagen.
Vor einem Wechsel von einer Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt muss eine umfangreiche Beratung der betroffenen Person, ihrer Angehörigen und/oder Betreuungspersonen erfolgen. Dies sollte in Abstimmung mit den Werkstätten und deren sozialen Diensten erfolgen.
Zu BP 3: Fehlende Zuständigkeit
Hierfür ist der Kommunale Sozialverband Sachsen als Eingliederungshilfeträger zuständig. Bei einem Wechsel von Beschäftigten einer Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist eine umfangreiche Beratung erforderlich. Der KSV Sachsen wirkt intensiv auf eine nachhaltige gute Übergangsgestaltung von der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt hin. Gemeinsam mit dem begleitenden/sozialen Dienst der Werkstatt und dem Integrationsfachdienst des Integrationsamtes werden Unterstützerkreise gebildet, um entsprechende Beratungen mit Werkstattbeschäftigten, Betreuern und möglichen Arbeitgebern durchzuführen.
Hierbei sind jedoch der/die Werkstattbeschäftigte und gesetzliche/amtlich bestellter Betreuer oder auch die Eltern maßgebend mit ihren Vorstellungen und Wünschen („Nicht ohne uns über uns“) zu berücksichtigen.
Bei einer Einstellung in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestehen verschiedenste Fördermöglichkeiten für den Arbeitgeber aus Mitteln der Eingliederungshilfe (Budget für Arbeit) als auch aus Mitteln der Ausgleichsabgabe (Lohnkostenzuschuss im Rahmen des Programmes Spurwechsel, als auch den Beschäftigungssicherungszuschuss § 27 SchwbAV, Einrichtung des Arbeitsplatzes mit entsprechender Technik § 15 SchwbAV – Leistungsträger Integrationsamt, als auch EGZ – Leistungsträger Agentur für Arbeit).
Für die Werkstatt besteht zudem die Möglichkeit bei einem gelungenen Übergang von der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt eine Prämie im Rahmen des Programmes „Schritt für Schritt“ aus Mitteln der Eingliederungshilfe vom KSV Sachsen zu erhalten.
Zu BP 4: Fehlende Zuständigkeit
Dem Beschlusspunkt kann nicht, wie beantragt, nachgekommen werden, weil die Träger der Werkstätten für Menschen mit Behinderung und der Kommunale Sozialverband Sachsen als Eingliederungshilfeträger zuständig sind. Die Beschäftigten auf den Außenarbeitsplätzen der Werkstätten haben kein Arbeitsverhältnis mit der Stadt Leipzig, sondern mit dem jeweiligen Träger des Außenarbeitsplatzes.
Darüber hinaus führt die Umwandlung eines Außenarbeitsplatzes dazu, dass dieser nicht mehr für Werkstattbeschäftigte zur Verfügung steht. Vielmehr sollte Ziel sein, auf einem Außenarbeitsplatz beschäftigte Personen so zu befähigen, dass sie eine (vergleichbare) Tätigkeit auf dem regulären Arbeitsmarkt übernehmen können.
Zu BP 5: Zustimmung
Was die Gründung eines sogenannten Inklusionsbetriebs anbelangt, sind die Regelungen der §§ 94 a ff. der Sächsischen Gemeindeordnung und der §§ 215 ff SGB IX zu beachten. In die Prüfung wird einfließen, welche Aufgaben dieser Betrieb wahrnehmen soll, d.h. für welche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes der Inklusionsbetrieb ausbilden bzw. einen Einstieg bilden soll. Vor einer eingehenderen Prüfung sollten diese Eckpunkte geklärt sein. Der Stadtrat wird entsprechend über das Ergebnis informiert.
Gemeinsame Neufassung vom 8. November 2024
Der Antrag wird wie folgt neu gefasst:
- Der Oberbürgermeister wird beauftragt, in der Fortschreibung des Teilhabeplans der Stadt Leipzig Maßnahmen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben bei der Stadt und ihren Eigenbetrieben zu ergänzen.
- Der Arbeitskreis Schule Wirtschaft Leipzig und die Koordinierungsstelle Berufs- und Studienorientierung werden gebeten, in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Förderschulen des Kreiselternrates Formate zu diskutieren und Ideen zu erarbeiten, wie eine berufliche Beratung nicht nur in Werkstatt A oder B, sondern auch Ausbildungen im ersten Arbeitsmarkt (Stichwort: Werker Berufe) beinhalten kann sowie die Möglichkeit von solchen Praktika.
- Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, wie Personen auf „Außenarbeitsplätzen“ gezielt angesprochen und auf geeignete Stellenausschreibungen (im gleichen Tätigkeitsfeld) der Stadtverwaltung oder der Eigenbetriebe hingewiesen werden können.
- Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, für welche Handlungsfelder es möglich ist, einen Inklusionsbetrieb oder Inklusionsabteilungen zu gründen.
- Der Oberbürgermeister wird damit beauftragt, sich gegenüber der geschäftsführenden wie auch künftigen Staatsregierung, im SSG und im Deutschen Städtetag dafür einzusetzen, dass sich die Rahmenbedingungen und gesetzlichen Grundlagen dergestalt weiterentwickeln, dass Werkstätten für Menschen mit Behinderung neben dem Angebot an Beschäftigung auch zu wirklichen Dienstleistern für die Inklusion am allgemeinen Arbeitsmarkt weiterentwickelt werden können. Hier soll auch das Gespräch mit dem Kommunalen Sozialverband Sachsen (KSV) gesucht werden. Ziel muss dabei auch sein, dass Außenarbeitsplätze in den Werkstätten in reguläre Arbeitsverhältnisse umgewandelt werden, damit sich der Anteil der Übergänge aus den Behindertenwerkstätten auf den ersten Arbeitsmarkt erhöht.
Begründung:
Die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung gehört zum Selbstverständnis solidarischer Gesellschaften. Es gilt der zentrale Grundsatz der UN-Behindertenrechtskonvention: „Nicht über uns ohne uns!“
Die Stadt vergibt Arbeitsaufträge an Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM). Diese sind zuallererst als Eingliederungsmaßnahme in den 1. Arbeitsmarkt vorgesehen.
Diese Werkstätten stehen in der Kritik, da sie weder dem Mindestlohngesetz unterliegen noch den Menschen einen ausreichenden Zugang zum 1. Arbeitsmarkt ermöglichen. Die Zahl der Menschen, die in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis wechseln, bewegt sich im sehr niedrigen Prozentbereich.
Nach § 5 Werkstättenverordnung (WVO) sind Werkstätten für behinderte Menschen beauftragt, Rehabilitanden bzw. bei ihnen in den Arbeitsbereichen beschäftigte Menschen mit Behinderungen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. Die Menschen mit Behinderung müssen einerseits unter Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse und individuellen Fähigkeiten gefördert und qualifiziert werden. Darüber hinaus soll der Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen ermöglicht werden, so beispielsweise durch eine zeitweise Beschäftigung auf sogenannten ausgelagerten Arbeitsplätzen [1]. Laut einer Studie (September 2023) im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) wurden in Deutschland im Jahr 2019 lediglich 0,35 % der bundesweit etwa 143.000 in WfbM Beschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt. Im Vergleichsjahr 2015 lag diese Zahl bei 0,26 % [2]. In Sachsen werden etwa 1.333 von 15.366 Menschen mit Behinderungen, welche im Arbeitsbereich der WfbM tätig sind, auf sogenannten Außenarbeitsplätzen in Betrieben beschäftigt. Im Freistaat gelingt jährlich etwa 15 Personen der Wechsel von einer WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt [3].
Derzeit sind Menschen mit Behinderungen aus WfbM über ausgelagerte Arbeitsplätze oder Außenarbeitsplätze auch bei der Stadt Leipzig und ihren Eigenbetrieben im Einsatz, wie die Antwort der Verwaltung im Oktober 2023 auf Anfrage der SPD-Fraktion (VII-F-09028-AW-01) ergab.
Außenarbeitsplätze bieten Menschen mit Behinderungen eine Möglichkeit, sich langfristig in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes zu erproben (in dieser Probezeit bleiben sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM). Arbeitgeber und -nehmer in den Betrieben können so erleben, welcher Mehrwert durch Menschen mit Behinderungen eingebracht werden kann. Außenarbeitsplätze dienen also dem Ziel, Menschen mit Behinderungen den Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Bei den in diesem Antrag geforderten Prüfungen von Möglichkeiten, Menschen mit Behinderungen bei der Stadt und ihren Eigenbetrieben in Festanstellungen zu überführen, sollen insbesondere auch die Unterstützungsmöglichkeiten berücksichtigt werden, die das Budget für Arbeit leistungsberechtigten Menschen bietet, wie z.B. personelle Unterstützung für Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz (Assistenz).
Zudem erhielten bei einer Realisierung jene bislang über Außenarbeitsplätze beschäftigte Menschen (im Gegensatz zur Entlohnung in einer WfbM) ein gerechtes Einkommen, das sie von Sozialleistungen unabhängiger werden lässt bzw. ihre eingebrachte Arbeitskraft entsprechend anerkennt und angemessen honoriert.
Auch wenn die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen eine wertvolle soziale Absicherung bieten, müssen die Menschen eine Chance bekommen, (wieder) auf den ersten Arbeitsmarkt einzusteigen. Hier sind sowohl die Stadt Leipzig als größter Arbeitgeber der Region als auch die Werkstätten gefragt, aktiv Möglichkeiten aufzuzeigen.