Antrag: Mietwucher und überhöhte Mieten erfassen und konsequent ahnden!

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, konsequent gegen unzulässige Mietpreise vorzugehen und hierzu:

1. überhöhte Mieten sowie Mietwucher durch Überprüfung online eingestellter Wohninserate sowie ein Online-Meldeformular systematisch zu erfassen und

2. Verstöße gegenüber Vermieter*innen durch Verwarnungen und Bußgelder konsequent zu verfolgen.

Dem Stadtrat ist bis zum 2. Quartal 2025 zur Umsetzung zu berichten.


Begründung:

Trotz des qualifizierten Mietspiegels, der bereits in Kraft getretenen Mietpreisbremse, der Absenkung der Kappungsgrenze und anderer, die Mietenentwicklung dämpfender wohnungspolitischer Instrumente, hatte Leipzig im 3. Quartal 2024 bundesweit den höchsten Anstieg der Angebotsmieten zu verzeichnen. Auch wenn ohne die genannten Instrumente der Mietpreisanstieg noch stärker gewesen wäre, kann ihre Wirksamkeit noch deutlich gesteigert werden. Denn die Regelungen werden – teils durch Unkenntnis, teils in Absicht – in Mietverträgen mit unzulässig hohen Mieten nicht umgesetzt. Es ist davon auszugehen, dass auch in Leipzig in nennenswertem Umfang unangemessene Mieten verlangt werden, die strafrechtlich relevant sind. Der Verdacht auf eine Mietpreisüberhöhung ist gegeben, wenn die verlangte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteigt (§ 5 WiStrG). Für den Verdacht auf Mietwucher muss die verlangte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mindestens 50 Prozent überschreiten (§ 291 StGB). Diese Tatbestände werden derzeit in Leipzig weder systematisch erfasst noch geahndet.

Auch wenn die überwiegende Zahl insbesondere der privaten Vermieter:innen fair vermietet, gibt es eine nicht unerhebliche Dunkelziffer von Fehlverhalten. Der Firma Mietenmonitor zufolge, die Wohnungsinserate auf Verstöße gegen die Mietpreisbremse und Mietwucher scannt, kam allein in Düsseldorf bei 22.000 untersuchten Wohnungsinseraten zum Ergebnis, dass 5.700 Wohnungen unzulässig teuer waren, weil die Vermieter:innen sich nicht an die Mietpreisbremse halten. Bei überhöhten Mieten von 30 bis 80 Euro sind die Mieter*innen mit teils bis zu 1.000 Euro überhöhter Miete konfrontiert. Auswertungen in 60 Städten zeigen, dass ein großer Teil der Neumieter:innen ein Anrecht darauf hätte, die Mietzahlungen basierend auf der Mietpreisbremse zu reduzieren.

Vor diesem Hintergrund gehen Kommunen wie Freiburg oder Frankfurt a. M. dieses Problem konsequent an. Seit Anfang 2022 überprüft die Stadt Freiburg in Kooperation mit der Mietenmonitor UG online eingestellte Wohnungsinserate auf mögliche Mietpreisüberhöhungen beziehungsweise Mietwucher. Die Stadt Frankfurt stellt neben dem auch in Leipzig verfügbaren Mietspiegelrechner auch eine Online-Meldeformular zur Verfügung, auf dem mutmaßliche Mietpreisüberhöhungen gemeldet werden können. Werden Mietpreisüberhöhungen oder Mietwucher festgestellt, werden diese gegenüber Vermieter:innen durch Beratungen, Verwarnschreiben und in letzter Instand auch Bußgelder geahndet. Allein in Freiburg konnten so hunderte Mietpreissenkungen erwirkt werden. Weitere Städte wie Heidelberg, Stuttgart oder Esslingen folgen diesem Vorgehen.

Auch die Stadt Leipzig sollte diesen Beispielen folgen, um die Kraft der bereits beschlossenen und geltenden Mietpreisbremse tatsächlich zu nutzen. Im Sinne der Leitlinie 3 des wohnungspolitischen Konzepts („Die Bezahlbarkeit des Wohnens im Bestand soll erhalten werden“) und des Ziels 3.1 („Die Dynamik steigender Mietpreise soll verlangsamt werden.“) muss die Stadt zügig handeln und die Möglichkeiten, die ihr durch die Mietpreisbremse und das Wirtschaftsstrafrecht gegeben sind, voll ausschöpfen.

 

Verwaltungsstandpunkt vom 03. April 2025

Alternativvorschlag:

  1. Der Sachstandsbericht über die Bearbeitung von Anzeigen von Ordnungswidrigkeiten nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz wird zur Kenntnis genommen.
  2. Der Oberbürgermeister ergreift eine Initiative beim Deutschen Städtetag und der Bundesregierung mit dem Ziel die Anwendung von § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG) zu vereinfachen und dafür die Nachweispflicht für die Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen zu streichen sowie den Bußgeldrahmen zu erhöhen.
  3. Der Oberbürgermeister informiert regelmäßig im zbA Wohnen über die gemeldeten Fälle, die beim Sozialamt eingehen sowie über den Umgang.


Begründung:

Seit dem 14.11.2024 sind im Sozialamt, Sachgebiet Wohnraumversorgung 683 Meldungen auf Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG) bzw. auf Verdacht einer Straftat nach § 291 Strafgesetzbuch (StGB) eingegangen (Stand: 04.03.2025). 236 Meldungen stammen aus dem Jahr 2024. Auslöser für die stark erhöhte Anzahl an Meldungen ist eine Onlineanwendung der Bundestagsgruppe Die Linke.

Zu unterscheiden ist die Mietpreisüberhöhung nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (Ordnungswidrigkeit) und Mietwucher nach § 291 Strafgesetzbuch (Straftat). Eine Mietpreisüberhöhung nach § 5 WiStG kann bei einer Überschreitung von mindestens 20 % der ortsüblichen Vergleichsmiete vorliegen; eine Strafbarkeit nach § 291 Abs. 1 Nr. StGB kann bei einer Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete ab 50 % gegeben sein.

Für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 5 WiStrG sind in Sachsen die Landkreise und Kreisfreien Städte zuständig (§ 2 Ordnungswidrigkeiten-Zuständigkeitsverordnung), für die Verfolgung der Straftaten nach § 291 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist die Staatsanwaltschaft zuständig. Die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten nach § 5 WiStrG obliegt als Weisungsaufgabe über § 2 Ordnungswidrigkeiten-Zuständigkeitsverordnung der Stadt Leipzig als kreisfreie Stadt. Das Weisungsrecht ist nicht beschränkt. Sonderrechte für den Stadtrat wurden nicht eingeräumt.

Gemäß § 53 Abs. 3 Sächsische Gemeindeordnung (SächsGemO) erledigt der Oberbürgermeister Weisungsaufgaben in eigener Zuständigkeit. Soweit innerhalb der Weisungsaufgabe ein Ermessensspielraum insbesondere in der Art und Weise der Durchführung der Aufgabe besteht, ist auch für diese Umsetzung allein der Oberbürgermeister zuständig. Eine Zuständigkeit des Stadtrates ist nicht gegeben.

Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Demnach entscheidet Verfolgungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen, ob ein Bußgeldverfahren eingeleitet, fortgeführt oder eingestellt wird (Opportunitätsprinzip).

Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 5 WiStrG wirkt im strategischen Zielbild im Handlungsfeld „Stadtgesellschaft zusammenhalten“ auf das Ziel „bezahlbares Wohnen“.

Im Rahmen der Verfolgung und Ahndung einer Mietpreisüberhöhung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat, kann die Rückerstattung des Mehrerlöses an den/die Mieter/-in angeordnet werden. Die Auszahlungen der Mehrerlöse bewirkt im Ergebnis eine Mietsenkung. Eine konsequente (öffentlichkeitswirksame) Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten/Straftaten wirkt zudem präventiv und schützt Mieter/-innen vor vorsätzlichen Mietpreisüberhöhungen und reduziert das Risiko, dass sich Mietpreisüberhöhungen auf den Leipziger Mietspiegel auswirken.

Unabhängig von einer Anzeige bei der Stadt Leipzig können Mieter/-innen bei Abschluss eines Mietvertrages oder bei Mieterhöhungsverlangen auf den Leipziger Mietspiegel verweisen und überhöhte Mieten zurückweisen. Zudem hat der Freistaat Sachsen die Stadt Leipzig am 31.05.2022 mit der Sächsischen Mietpreisbegrenzungsverordnung zu einem Gebiet mit angespannten Wohnungsmarkt erklärt. In der Folge gelten die als sogenannte „Mietpreisbremse“ ausgestalteten Regelungen §§ 556 d bis 556 g des BGB. D.h., Mieterinnen und Mieter können im Rahmen einer Vereinbarung mit dem Vermieter auf eine Reduzierung ihrer Miete hinarbeiten, sie können aber auch den Zivilrechtsweg beschreiten, um auf privatem Wege Rechtsschutz zu erlangen. Bei Bedarf kann dabei eine rechtliche Beratung und Unterstützung z.B. durch den Mieterverein eingeholt werden. Die Mietpreisbremse nach § 556g BGB steht jedoch nicht in Konkurrenz zu § 5 WiStG. Sie stellt keine Spezialregelung dar, die § 5 WiStG verdrängt.“

Erläuterungen zum Antrag VIII-A-00603 (Verwaltungshandeln, teilweise Ablehnung)

Die Stadt Leipzig ist zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz. Es handelt sich um eine Weisungsaufgabe, welche der Oberbürgermeister in eigener Zuständigkeit erledigt.

Nicht Bestandteil dieser Aufgabe ist die Überprüfung online eingestellter Wohninserate, denn verfolgt und geahndet werden nur Fälle, bei denen ein Mietvertrag zustande gekommen ist. Onlineanzeigen oder Zeitungsannoncen sind zivilrechtlich als unverbindliche Aufforderungen an die Allgemeinheit zur Abgabe eines Mietangebotes anzusehen. Der Tatbestand des § 5 WiStrG wird damit noch nicht erfüllt (Blank/Börstinghaus, Anhang 1 zu § 535 BGB Rnr. 12, Schmidt/Futterer 16. Auflage). Eine Überprüfung von Wohnungsinseraten wird daher nicht erfolgen.

Erläuterungen zum Antrag VIII-A-00773

Zu Beschlusspunkt 1 (Verwaltungshandeln):

Die Stadt Leipzig ist zuständig für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz. Es handelt sich um eine Weisungsaufgabe, welche der Oberbürgermeister in eigener Zuständigkeit erledigt.

Zu Beschlusspunkt 2 (Verwaltungshandeln):

Die Stadt Leipzig tauscht sich bereits mit der Stadt Frankfurt am Main über den dortigen Umgang mit Anzeigen wegen Mietpreisüberhöhung aus. Darüber hinaus erfolgte eine Abfrage im Zuge des interkommunalen Erfahrungsaustausches (IKEA) durch das Amt für Digitalisierung und Organisation über die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) an eine Vielzahl deutscher Städte. Daraus werden mögliche organisatorische Rückschlüsse auf die Umsetzung in Leipzig erörtert.

Zu Beschlusspunkt 3 (Zustimmung):

Der Oberbürgermeister wird sich beim Deutschen Städtetag und der Bundesregierung für eine Vereinfachung der rechtlichen Regelungen und eine Erhöhung des Bußgeldrahmens einsetzen.

Der Gesetzgeber beabsichtigt bereits eine Nachschärfung des § 5 WiStrG, um einen erweiterten Anwendungsbereich für die Norm zu schaffen. Demnach soll auf das Erfordernis der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen verzichtet und stattdessen bei der Frage der Unangemessenheit auf ein objektives Kriterium, nämlich das Vorliegen eines geringen Angebots, abgestellt werden. Hierdurch werden bestehende Beweisprobleme erheblich entschärft. Darüber hinaus soll der Bußgeldrahmen auf 100.000 Euro erhöht werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf des Bundesrats ist derzeit im Anhörungsverfahren des Bundestages. Die Bundesregierung selbst hatte Bedenken über die Verfassungsmäßigkeit angemeldet - ein einschlägiges Gutachten kommt jedoch zu dem Schluss, dass ein härteres Vorgehen verfassungskonform sei.

Zu Beschlusspunkt 4 (Alternativvorschlag):

Die Stadtverwaltung informiert regelmäßig im zbA Wohnen über die gemeldeten Fälle, die beim Sozialamt eingehen, sowie über den Umgang.

Sachstandsbericht – Umsetzung in Leipzig

Die Meldungen auf mögliche Mietpreisüberhöhung bzw. möglichen Mietwucher werden im Sozialamt, im Sachgebiet Wohnraumversorgung bearbeitet. Das Sozialamt führt die Sachverhaltsermittlung als Grundlage für das Ordnungswidrigkeits- bzw. Strafverfahren, durch. Im Ergebnis stellt das Sozialamt fest, ob sich der Verdacht auf Mietpreisüberhöhung bzw. Mietwucher erhärtet hat und gibt im Anschluss den Fall zur Prüfung und Durchführung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens an die Zentrale Bußgeldbehörde ab.

Das Sozialamt der Stadt Leipzig tauscht sich intensiv mit der Stadtverwaltung Frankfurt am Main über deren Erfahrungen bei Bearbeitung von Anzeigen zum Thema Mietpreisüberhöhung aus. Im Ergebnis des Erfahrungsaustausches werden folgende Verfahrensschritte gesehen:

  • Plausibilitätsprüfung der Anzeige, insbesondere hinsichtlich der angegebenen Mietpreisüberschreitung.
  • Sichtung und Bewertung der eingereichten Unterlagen, darunter Mietverträge, Betriebskostenabrechnungen und gegebenenfalls weitere Dokumente.
  • Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete auf Basis des Leipziger Mietspiegels
  • Vor-Ort-Begehung zur Feststellung der tatsächlichen Wohnfläche und Ausstattung, sofern erforderlich.
  • Befragung der Mieter/-innen und Erörterungstermin mit dem/der Vermieter/-in
  • Rechtliche Einordnung: Ergibt sich eine Ordnungswidrigkeit nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz, erfolgt eine Weiterleitung an das Ordnungsamt zur Einleitung eines Bußgeldverfahrens.
  • Personen, die eine Meldung an das Sozialamt übermittelt haben, haben zunächst eine Eingangsbestätigung vom Sozialamt erhalten.

Derzeit entwickelt die Stadt Leipzig ein Online-Formular, über welches künftig Meldungen zu Mietpreisüberhöhungen direkt an die Stadtverwaltung übermittelt werden können. Über das Online-Formular sollen alle, für die Bearbeitung notwendigen Angaben und Beweismaterial (Mietvertrag etc.) übermittelt werden.

Das Online-Formular wird im 2. Quartal 2025 zur Verfügung stehen. Personen, die in der Vergangenheit einen Verdacht auf Mietwucher angezeigt haben, werden per E-Mail gebeten über das Online-Formular alle notwendigen Angaben zu machen und Beweismittel zu übermitteln. Anschließend wird geprüft, ob ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

Die Stadtverwaltung wird auf www.leipzig.de zum Thema Mietpreisüberhöhung informieren und das Online-Formular bereitstellen.

Zeitplan

Das Online-Formular wird im 2. Quartal 2025 zur Verfügung stehen.

Über die Umsetzung wird bis zum Ende des III. Quartals 2025 im Rahmen des Berichts über die Beschlussumsetzung (Verwaltungshandeln) und regelmäßig im zbA Wohnen informiert.

 

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