Antrag: Natürliche Kleingärten ermöglichen
Antrag vom 13. Mai 2021
Beschlussvorschlag:
Die Stadtverwaltung wird beauftragt,
- auf eine Anpassung aller mit der Stadt bestehenden Pachtverträge über im Eigentum der Stadt stehende Kleingartenflächen hinzuwirken, wonach auf die bislang geforderte ausnahmslose Entfernung von kleingartenuntypischen Gehölzen, wie z. B. Wald- und Parkbäumen, verzichtet wird.
- in Zusammenarbeit mit dem Stadtverband Leipzig der Kleingärtner, dem Kreisverband Leipzig der Kleingärtner sowie dem FairBund freier Kleingartenvereine als Vertreter der Leipziger Kleingärtner eine geeignete Regelung zu formulieren, die abbildet und mit der kleingärtnerischen Nutzung verbindet, und diese in mit der Stadt bestehende Pachtverträge aufzunehmen,
- in geeigneter Form öffentlich bekanntzumachen, dass die Stadt als Eigentümerin von Kleingartenflächen nicht länger auf die ausnahmslose Entfernung kleingartenuntypischer Gehölze besteht.
Begründung:
Die Stadt Leipzig hat ein originäres Interesse am weitgehenden Erhalt von städtischem Grün. Hierzu zählen auch Kleingartenanlagen, in denen sowohl in den einzelnen Parzellen wie auch auf Gemeinschaftsflächen kleingartenuntypische Gehölze, wie z. B. Wald- und Parkbäume, vorhanden sind. Durch aktuelle Entwicklungen zur Auslegung des Bundeskleingartengesetzes ("Praktiker-Kommentar" zum BKleingG, 12. Auflage) können derartige Anpflanzungen der sog. "Erholungsnutzung" eines Kleingartens zugeordnet werden, wodurch von der bislang geforderten ausnahmslosen Entfernung Abstand genommen werden kann.
Der ökologische Nutzen solcher Anpflanzungen ist unbestritten, musste bislang aber zurücktreten. Es bietet sich hier die Gelegenheit, unnötige Fällungen und Beseitigungen zu verhindern und wertvolle Anpflanzungen auf freiwilliger Basis zu schützen.
Durch eine Flexibilisierung bezüglich solcher Anpflanzungen würde zudem ein regelmäßig auftretender Streitgegenstand entschärft, damit die ehrenamtlich tätigen Vereinsvorstände entlastet. Denn die ausnahmslose Entfernung derartiger Anpflanzungen stößt bei Neu-Kleingärtnern zunehmend auf Unverständnis. Die Vereinsvorstände sind bislang jedoch aufgrund der in den Verträgen mit der Stadt getroffenen Regelungen verpflichtet, die Entfernung durchzusetzen.
Durch Einbindung der drei Leipziger Kleingartenverbände soll eine Formulierung gefunden werden, die einen Rahmen für die Zulässigkeit entsprechender Anpflanzungen steckt.
Verwaltungsstandpunkt vom 15. Juni 2021
Beschlussvorschlag:
Der Antrag wird abgelehnt.
Begründung:
Eine pauschale Forderung zur ausnahmslosen Entfernung von kleingartenuntypischen Gehölzen auf Kleingartenflächen besteht nicht. Selbstverständlich verfolgt die Stadt Leipzig den weitgehenden Erhalt von städtischem Grün. Das gilt für alle Grünstrukturen und damit auch für Kleingartenanlagen.
In den Kleingartenanlagen wird auf den Gemeinschaftsflächen der Baumbestand umfänglich erhalten und entwickelt. Auf den Gemeinschaftsflächen wie zum Beispiel Vereinswiesen befinden sich oft große Parkbäume und Baumgruppen. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer nimmt hier Nach- und Neupflanzungen vor, um den Bestand zu erhalten bzw. zu verdichten.
Für die einzelnen Kleingartenparzellen bedarf es einer differenzierteren Betrachtung, weil hier die kleingärtnerische Nutzung auf Grundlage des Bundeskleingartengesetzes im Vordergrund steht. Das bedeutet, der Anbau von Obst, Gemüse und anderen Früchten muss die Nutzung der Kleingartenparzellen maßgeblich prägen. Wegen der geringen Größe von Kleingartenparzellen, können ausgewachsene Laub- und Nadelbäume den Anbau verhindern und damit die kleingärtnerische Nutzung stören. Die kleingärtnerische Nutzung ist jedoch die Voraussetzung für den dauerhaften Erhalt und Schutz der Kleingartenanlagen in ihrem Fortbestand.
Als untere Kleingartenbehörde und als Bodeneigentümerin von Kleingartenflächen überwacht und fordert die Stadt Leipzig die kleingärtnerische Nutzung. Sie befürwortet daher die Maßnahmen der Kleingartenverbände und –vereine, die zur Aufrechterhaltung der kleingärtnerischen Nutzung sowie zur Wahrung der Verkehrssicherheit dienen.
Die im Gesetz benannte kleingärtnerische Nutzung ist zu definieren. Hierzu zieht auch das Kleingartenwesen und die Stadtverwaltung die aktuelle Rechtsprechung und Gesetzeskommentieren heran.
Waldbäume (hochwachsende Laub- und Nadelbäume) gehören mangels Erzeugung von Obst, Gemüse oder anderer Früchte für den Eigenbedarf des Kleingärtners nicht zur nicht erwerbsmäßigen gärtnerischen Nutzung, sie können allerdings der Erholungsnutzung zugeordnet werden. Sie sind deshalb nicht generell mit der kleingärtnerischen Nutzung unvereinbar, sondern nur, wenn sie die Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen behindern oder verhindern. Insoweit stellen sie einen Verstoß gegen die kleingärtnerische Nutzung dar. §3 Abs. 1 Satz 2 legt ausdrücklich die Anforderung fest, bei der Nutzung und Bewirtschaftung des Kleingartens die Belange des Umweltschutzes, des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen. Gerade Waldbäume haben eine positive Wirkung im Bereich des Naturschutzes und des Umweltschutzes. (Dr. L. Mainczyk, P. R. Nessler: Bundeskleingartengesetz Praktiker-Kommentar, 12. Auflage 2019, S. 49)
Auf dieser Grundlage vollziehen die Kleingartenverbände und –vereine zur Aufrechterhaltung der kleingärtnerischen Nutzung und Wahrung der Verkehrssicherheit die Beurteilung des Baumbestandes in den Kleingartenparzellen.
Im Sinne der kleingärtnerischen Nutzung findet die Baumschutzsatzung der Stadt Leipzig in Kleingartenparzellen keine Anwendung. Die Entfernung von Wald- und Parkbäumen aus den Kleingartenparzellen erfolgt ausschließlich zur Aufrechterhaltung der kleingärtnerischen Nutzung und Wahrung der Verkehrssicherheit und wird durch naturschutzrechtliche Vorschriften kontrolliert und reguliert.
Der Sachverhalt ist ausreichend geregelt und bedarf keiner, wie im Beschlusspunkt 1. geforderten Anpassung der bestehenden Pachtverträge. Man kann dafür auch keine - wie im Beschlusspunkt 2. gewünschte - pauschale Regelung treffen.
Die Bewertung der Gehölze und deren Auswirkung auf die kleingärtnerische Nutzung erfordert immer eine Einzelfallbetrachtung. Diese Einzelfallbetrachtung bedarf immer einer Prüfung der örtlichen Situation durch die Vereine und Verbände. Dort wo natur- und artenschutzrechtliche Belange betroffen sind, erfolgt die Einbeziehung des Amtes für Umweltschutz. Mit Ausnahme akuter Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit erfolgt die Entfernung in der Regel nur, wenn der Parzellenpächter wechselt.
Die Überwachung der Einhaltung der kleingärtnerischen Nutzung obliegt in erster Linie den Kleingartenverbänden und -vereinen. In diesem Sinne wird die aktuelle Handhabung mit den Kleingartenverbänden nochmals abgestimmt, um beiden gesetzlich vorgegebenen Belangen – der Einhaltung der kleingärtnerischen Nutzung und der Beachtung der Belange des Umwelt- und Naturschutzes – auch weiterhin zu entsprechen.
Im Sinne des Klimaschutzes ist der Wegfall von Gehölzen immer nachteilig. Um hier einen Ausgleich zu erzielen, kann die Nach- und Neupflanzung von Bäumen auf den Gemeinschaftsflächen in Kleingartenanlagen verstärkt erfolgen. Außerdem sollte das Pflanzen von Obstgehölzen in den Kleingartenparzellen forciert werden. Dies könnte zum Beispiel durch eine Neuausrichtung des Wettbewerbes „Kleingartenanlage des Jahres“ unterstützt werden.
Neufassung vom 3. Februar 2022
Der Antrag wird wie folgt neu gefasst:
Die Stadtverwaltung wird beauftragt,
- in geeigneter Form und insbesondere auf leipzig.de öffentlich bekanntzumachen, dass die Stadt als Eigentümerin von Kleingartenflächen nicht länger auf die ausnahmslose und pauschale Beseitigung von kleingartenuntypischen Gehölzen, wie z. B. Wald- und Parkbäumen, insbesondere beim Pächterwechsel besteht
- eine Handreichung zu entwickeln, unter welchen Bedingungen eine Fällung betreffender Anpflanzungen notwendig ist und in welchen Fällen diese zu unterlassen ist
- auf die Kleingartenverbände (Dachverbände) einzuwirken, diese Position in den Kleingartenordnungen zu übernehmen und die einzelnen Kleingartenvereine entsprechend zu informieren
- auf die Kleingartenverbände (Dachverbände) einzuwirken, diese Position in der jeweils nächsten Mitgliederversammlung zu thematisieren und so eine Multiplikatorenfunktion einzunehmen. Über die Zeitschrift „Gartenfreund“ ist ebenso darüber aufzuklären.
Begründung:
Ziel des Antrages ist es, eine pauschale Fällung von Gehölzen in Kleingartenanlagen wirksam zu vermeiden, indem die städtische Position zu diesem Thema einheitlich in die entsprechenden Regelungen aufgenommen und aktuell kommuniziert wird.
Sehr häufig werden Gehölze in Kleingartenanlagen und Kleingartenparzellen beseitigt, sobald ein Pächterwechsel erfolgt – unabhängig von einer Gefährdung der Allgemeinheit oder der Beeinträchtigung der kleingärtnerischen Bewirtschaftung. Eine aktuelle Gesetzesauslegung zum Bundeskleingartengesetz ("Praktiker-Kommentar" zum BKleingG, 12. Auflage) stellt zu diesem Anliegen ebenfalls fest, dass sogenannte kleingartenuntypische Gehölze, wie z. B. Wald- und
Parkbäume durchaus dem „Erholungsnutzung" eines Kleingartens zugeordnet werden können, wodurch von der bislang geforderten ausnahmslosen Entfernung Abstand genommen werden kann.
Unglücklicherweise ist diese Auffassung trotz der immer weiter voranschreitenden ökologischen Krise noch nicht in den einschlägigen Regelungen der Kleingartenverbände übernommen worden. Das hat zur Folge, dass eine veraltete Umgangsweise der prinzipiellen Rodung spätestens bei einem Pächterwechsel gefordert und durchgesetzt wird. In der Kleingartenordnung des Stadtverbandes in der Fassung von 2018 ist so auf Seite 24 zu lesen:
„Die in der Aufstellung genannten Gewächse sind fortlaufend unter Beachtung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) in der aktuellen Fassung zu entfernen, jedoch spätestens bei Pächterwechsel zu roden und zu entsorgen! (…)“
Diese Formulierung zielt somit darauf, eine generelle Beseitigung von Park- und Waldbäumen in Kleingärten durchzusetzen. Von der Stadtverwaltung Leipzig wird im Verwaltungsstandpunkt Nr. VII-A-02794-VSP-01 zur Ursprungsfassung des Antrages hierzu ausgeführt:
„Die Bewertung der Gehölze und deren Auswirkung auf die kleingärtnerische Nutzung erfordert immer eine Einzelfallbetrachtung. Diese Einzelfallbetrachtung bedarf immer einer Prüfung der örtlichen Situation durch die Vereine und Verbände. Dort wo natur- und artenschutzrechtliche Belange betroffen sind, erfolgt die Einbeziehung des Amtes für Umweltschutz. Mit Ausnahme akuter Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit erfolgt die Entfernung in der Regel nur, wenn der Parzellenpächter wechselt.
Die Überwachung der Einhaltung der kleingärtnerischen Nutzung obliegt in erster Linie den Kleingartenverbänden und -vereinen. In diesem Sinne wird die aktuelle Handhabung mit den Kleingartenverbänden nochmals abgestimmt, um beiden gesetzlich vorgegebenen Belangen – der Einhaltung der kleingärtnerischen Nutzung und der Beachtung der Belange des Umwelt- und Naturschutzes – auch weiterhin zu entsprechen.“
Offenkundig gibt es also unterschiedliche Herangehensweisen an dieses leider oft sehr strittige Thema. Mit diesem Antrag soll die Stadtverwaltung daher damit beauftragt werden, die Kleingartenverbände über die aktuelle Gesetzesauslegung aktiv zu informieren und eine Änderung der Kleingartenordnung dahingehend einzuleiten.
In Fällen von berechtigten Nachbarschaftskonflikten sowie in konkreten Gefahren und der damit verbundenen Notwendigkeit zur Verkehrssicherung kann und soll weiterhin eine Fällung möglich sein. Diesem Ansinnen wird mit dem hier angeregten Diskussionsgegenstand nicht widersprochen.
Beschluss der Ratsversammlung vom 13. April 2022
Der Antrag wurde mit 22/31/2 Stimmen abgelehnt.