Antrag: Punkwerxxkammer sichern - selbstorganisierte Wohnungslosenhilfe unterstützen
Gemeinsamer Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke vom 11. Dezember 2020
Beschlussvorschlag:
Der Oberbürgermeister wird beauftragt, das Angebot des Punkwerxxkammer e.V. zu sichern und dafür die räumlichen und fachlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Dazu sollen kurzfristig Verhandlungen mit dem Eigentümer der Liegenschaft Berliner Straße 66 aufgenommen werden, um die Liegenschaft einer dauerhaften Nutzung durch den Punkwerxxkammer e.V. zuzuführen. Parallel sollen Liegenschaften in der Nähe des Hauptbahnhofes identifiziert werden, die hinsichtlich der Fläche, der Anschlüsse und der Erreichbarkeit für eine dauerhafte Nutzung durch den Verein geeignet sind. Dabei soll insbesondere die Liegenschaft Roscherstraße 37 geprüft werden (Stellwerkhäuschen).
Zur fachlichen Begleitung wird die selbstorganisierte Wohnungslosenhilfe als eigenständiges Angebot in das zu überarbeitende Konzept Wohnungslosenhilfe aufgenommen.
Begründung:
Seit Sommer 2018 berichten wir der Stadt Leipzig von den Nöten der Wohnungslosen im Umfeld des Hauptbahnhofes, das einer umfassenden baulichen Aufwertung immer konkreter entgegensieht. Der Eigentümer der Flächen westlich des Hauptbahnhofes hat den dort in abbruchreifen Bahnliegenschaften lebenden Bewohnenden, organisiert im Verein Punkwerxxkammer e.V., eine Alternative in der Berliner Straße 66 zu einem symbolischen Mietpreis überlassen. Der gewerbliche Mietvertrag sah eine vorübergehende Überlassung vor. Nach mehrfachen Verlängerungen der Nutzungsgestattung strebt der Eigentümer nun die Entwicklung der Fläche an und kündigte die Räumung an. Wir konnten erwirken, dass von einer Räumung im Pandemie-Winter abgesehen wird.
Gleichwohl zeigt sich, dass allen Beteiligten an einem Engagement der Stadt Leipzig gelegen wäre. Es ist unsere Stadt, die sich durch Zuzug und Wachstum verändert, wir profitieren von „Hypzig“. Wohnungslose Menschen werden hingegen immer stärker unter Druck gesetzt. „Bewohnbare“ Abbruchhäuser stehen nicht mehr zur Verfügung.
Die Stadt Leipzig bekennt sich seit jüngstem zu einer emanzipatorischen Wohnungslosenhilfe. Sie hat den Auftrag aus dem Stadtrat angenommen, Wohnungslosen Angebote mit Wahlrecht zu machen. Mit dem Antrag wollen wir erreichen, dass Formen der Selbstorganisation anerkannt und im Konzept der Wohnungslosenhilfe der Stadt Leipzig aufgenommen und beachtet werden.
Wir wollen mit dem Antrag konkret erreichen, dass die Liegenschaft Berliner Straße 66 einer dauerhaften Nutzung für die Punkwerkskammer zugeführt wird. Dazu soll die Stadt Leipzig die Gewerbeimmobilie durch Pacht, Miete oder falls erforderlich durch Kauf übernehmen und dem Verein für seine Tätigkeit als Kleiderkammer, offener Treff, Spendenstelle, Wohnungslosenasyl und Kollektivwohnstätte überlassen. Parallel wollen wir die Prüfung von konkreten und geeigneten Alternativen im Umfeld des Hauptbahnhofes beauftragen. Geeignet erscheint uns grundsätzlich die Liegenschaft Roscherstraße 37 (Stellwerkhäuschen). Jedoch sind hier umfassende Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen, die über eine von der Punkwerxxkammer e.V. realisierbare Reparatur und Instandsetzung hinausginge.
Alternativvorschlag der Verwaltung
Beschlussvorschlag:
- Die Stadt Leipzig verpflichtet sich, dem Punkwerkskammer e.V. ab dem 01.04.2021 die städtische Liegenschaft in der Zschortauer Straße 40 zu einer ortsüblichen Miete zu überlassen. Voraussetzung dafür ist, dass der Punkwerkskammer e.V. und die Nutzer/-innen des Objektes Berliner Str. 66 die gegenwärtige Nutzung der Liegenschaft Berliner Str. 66 bis zum 31.03.2021 aufgeben.
- Die Aufgabe der Nutzung über den 31.03.2021 hinaus wird durch den Vorstand der Punkwerkskammer e.V. und die Nutzer/-innen des Objektes Berliner Str. 66 gegenüber dem Eigentümer und der Stadt Leipzig bis zum 28.02.2021 schriftlich erklärt.
- Die Mietvertragsverhandlungen werden durch das Liegenschaftsamt nach Eingang der schriftlichen Erklärung über die Nutzungsaufgabe geführt.
- Das Projekt Punkwerkskammer kann in den Fachplan Wohnungsnotfallhilfe 2023 bis 2027 aufgenommen werden, wenn bis zur 31. Dezember 2021 durch den Punkwerkskammer e.V. ein Konzept vorgelegt wird, aus dem dessen Arbeit und die Gemeinwohlorientierung des Projektes hervorgehen.
Begründung
Das Grundstück Berliner Str. 66, das derzeit von dem Verein Punkwerkskammer e.V. genutzt wird, wird durch den Eigentümer ab dem 01.04.2021 einer anderen Nutzung zugeführt. Der Eigentümer hat seit Beginn der Nutzung durch den Punkwerkskammer e.V. darauf hingewiesen, dass die Nutzung der auf dem Grundstück befindlichen Immobilie nur befristet ist. Eine dauerhafte Nutzung durch die Mitglieder des Punkwerkskammer e.V. ist ausgeschlossen. Die Nutzer/-innen wurden im Herbst 2020 aufgefordert, das Objekt zum 31.12.2020 zu räumen.
Das im Antrag als Alternativstandort vorgeschlagene Gebäude „Stellwerkhäuschen“ (Flurstück 2733 in der Gemarkung Leipzig, die Anschrift Roscherstraße 37 ist unzutreffend) befindet sich ebenso wie die Berliner Straße 66 in Privatbesitz und ist in einem desolaten Zustand. Außerdem liegt das Grundstück im Bereich des Aufstellungsbeschlusses zum Bebauungsplan 416 „Freiladebahnhof Eutritzscher Straße /Delitzscher Straße“. Eine Überplanung der Immobilie sieht der Masterplan jedoch nicht vor.
Weitere konkrete Standortalternativen im Umfeld des Leipziger Hauptbahnhofs sind der Stadt Leipzig nicht bekannt. In dem Gebiet verfügbare Immobilien werden aufgrund der zentralen Lage und der möglichen hohen Bebauungsdichte zu besonders hohen Preisen am Markt gehandelt.
Der Erhalt und die Schaffung von Wohnraum für alle Leipziger/-innen, für einkommensschwache Haushalte sowie für besondere Bedarfsgruppen sind erklärte Ziele der Stadt Leipzig im Rahmen des Wohnungspolitischen Konzepts. Diese Ziele implizieren jedoch nicht die Übernahme von Miet- oder Pachtverträgen bzw. den Ankauf von Wohnungen / Räumlichkeiten durch die Stadt, um diese unentgeltlich für eine überwiegend private Nutzung zur Verfügung zu stellen.
Die Stadt Leipzig hat daher den eigenen Immobilienbestand auf aktuell ungenutzte Liegenschaften geprüft, die für eine Nutzung durch die Mitglieder des Punkwerkskammer e.V. zu Wohnzwecken geeignet erscheinen. Als Alternative zu der derzeitig genutzten Immobilie Berliner Str. 66 und dem im Antrag benannten „Stellwerkhäuschen“ kann das im Eigentum der Stadt Leipzig befindliche Objekt Zschortauer Str. 40 in 04129 Leipzig angeboten werden.
Bei der Liegenschaft Zschortauer Straße 40 handelt es sich um ein großes Einfamilienhaus mit Garten. Das Gebäude wurde vor ca. 100 Jahren errichtet und Ende der 1990er-Jahre teilsaniert. Es verfügt über eine zeitgemäße Anlage zur Heizung- und Warmwassererzeugung. Die letzte Nutzung wurde im Jahr 2018 beendet. Seitdem steht das Gebäude leer und kann in Eigeninitiative mit überschaubarem Aufwand wieder für eine Wohnnutzung hergerichtet werden.
Eine Vermietung der Liegenschaft ist bei Interesses des Vereins Punkwerkskammer e.V. kurzfristig möglich.
Der zweite Teil des Antrages sieht eine Aufnahme des Projektes Punkwerkskammer in den Fachplan Wohnungsnotfallhilfe vor. Bislang haben die Mitglieder des Vereins keine Initiative zur Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig gezeigt. Der Stadt Leipzig sind die handelnden Akteure oder die Vorsitzenden des Vereins auch nicht bekannt. Versuche des Sozialamtes, mit den Nutzer/-innen der Berliner Str. 66 ins Gespräch zu kommen, waren bisher erfolglos. Informationen über die Nutzer/-innen erhält das Sozialamt ausschließlich über die Streetworker/-innen eines freien Trägers, die die Berliner Str. 66 gelegentlich aufsuchen.
Das wiederholte Angebot des Sozialamtes, die Nutzer/-innen der Liegenschaft Berliner Str. 66 in Wohnraum zu vermitteln, wurde von zwei Mitgliedern des Punkwerkskammer e.V. angenommen. Beide konnten in eine eigene Wohnung vermittelt werden.
Vor Aufnahme des Projektes bei der Fortschreibung des Fachplans Wohnungsnotfallhilfe ist durch den Punkwerkskammer e.V. ein Konzept vorzulegen, aus dem die Arbeit und die Gemeinwohlorientierung des Projektes hervorgehen.
Beschluss der Ratsversammlung vom 31. März 2021
- Die Stadt Leipzig verpflichtet sich, dem Punkwerkskammer e.V. ab dem 01.04.2021 die städtische Liegenschaft in der Zschortauer Straße 40 zu einer ortsüblichen Miete zu überlassen. Voraussetzung dafür ist, dass der Punkwerkskammer e.V. und die Nutzer/-innen des Objektes Berliner Str. 66 die gegenwärtige Nutzung der Liegenschaft Berliner Str. 66 bis zum 31.03.2021 aufgeben.
- Die Aufgabe der Nutzung über den 31.03.2021 hinaus wird durch den Vorstand der Punkwerkskammer e.V. und die Nutzer/-innen des Objektes Berliner Str. 66 gegenüber dem Eigentümer und der Stadt Leipzig bis zum 28.02.2021 schriftlich erklärt.
- Die Mietvertragsverhandlungen werden durch das Liegenschaftsamt nach Eingang der schriftlichen Erklärung über die Nutzungsaufgabe geführt.
- Das Projekt Punkwerkskammer kann in den Fachplan Wohnungsnotfallhilfe 2023 bis 2027 aufgenommen werden, wenn bis zur 31. Dezember 2021 durch den Punkwerkskammer e.V. ein Konzept vorgelegt wird, aus dem dessen Arbeit und die Gemeinwohlorientierung des Projektes hervorgehen.
Protokollnotiz: Mit dem Beschlusspunkt 1 ist kein Rücktritt nach dem 31.03.2021 vebunden.
Abstimmungsergebnis: 49/9/1
Bericht zum Stand der Umsetzung vom 05.08.2022:
x umgesetzt
Die Stadt Leipzig hat mit dem Punkwerkskammer e.V. einen Mietvertrag für die Liegenschaft Zschortauer Straße 40 abgeschlossen. Seit 01.06.2022 nutzt der Punkwerkskammer e.V. diese Liegenschaft.
Der Punkwerkskammer e.V. hat kein Konzept vorgelegt, aus dem dessen Arbeit und die Gemeinwohlorientierung des Projektes hervorgehen, um eine Aufnahme des Projektes in den Fachplan Wohnungsnotfallhilfe zu erreichen.