Antrag: Regionale Landwirtschaft stärken und nachhaltige Lebensmittel sozial gerecht anbieten
Antrag vom 16. Mai 2024
Beschlussvorschlag:
- Der Oberbürgermeister wird beauftragt, ein Konzept zur Gründung einer Verbrauchergemeinschaft in Kooperation mit dem Lebensmitteleinzelhandel, regionalen Landwirt*innen und Umweltverbänden zu erstellen mit dem Ziel landwirtschaftliche Produkte aus der Region Leipzig zu fördern und sozial gerecht anzubieten. Das Konzept wird in die Beschlussvorlage zur Förderung regionaler landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten eingebunden.
- Der OB Oberbürgermeister erarbeitet Vorschläge zur Unterstützung der logistischen Herausforderungen regionaler Landwirt*innen ihre Produkte dezentral im Stadtgebiet anbieten zu können. Hierzu zählen unter anderem Lagermöglichkeiten und Verteilung. Die Vorschläge werden in die Beschlussvorlage zur Förderung regionaler landwirtschaftlicher Wertschöpfungsketten eingebunden.
Begründung:
Zu BP1)
In Gesprächen mit Landwirt*innen beim Runden Tisch zur Erarbeitung der Pachtkriterien der Stadt Leipzig als auch beim Landwirtschaftsdialog der Stadt vom Januar 2024 wurde deutlich, dass Absatzmöglichkeiten für regionale Landwirtschaftsprodukte gestärkt werden müssen. Die Stärkung der regionalen landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten soll in einer weiteren Beschlussvorlage zum Gesamtkonzept Landwirtschaft vorgelegt werden, welches derzeit in Arbeit ist.
Eine Idee, die darin einfließen soll, ist ein Konzept zur Gründung einer Verbrauchergemeinschaft in Kooperation mit dem Lebensmitteleinzelhandel (z.B. einem Träger wie der Konsum Leipzig eG, welche sowohl den Genossenschaftsgedanken historisch verankert hat als auch bereits viele regionale Produkte anbietet und über ein großes Filialnetz verfügt), Mitgliederläden, Foodcoops, Unverpackt- und genossenschaftlichen Läden, welche bereits viele regionale und ökologische Produkte anbieten.
Kerngedanke einer Verbrauchergemeinschaft ist über einen einmaligen Eintrittsbeitrag Mitglied in der Verbrauchergemeinschaft zu werden, und dann über einen monatlichen Beitrag die Produkte der teilnehmenden regionalen Betriebe vergünstigt zu erhalten – eine Win-Win-Situation: Landwirt*innen aus der Region haben so die Gelegenheit zur Direktvermarktung; Leipziger*innen können regionale Produkte günstig erwerben und der Handel bindet die Konsument*innen an sich.
Damit möglichst viele Menschen in die Verbrauchergemeinschaft eintreten und entsprechende Skaleneffekte nutzbar werden, könnten Mitglieder von Sportvereinen, Genossenschaften, Gewerkschaften und Umweltverbänden sowie Leipzig-Pass-Inhaber*innen nur einen symbolischen (oder keinen) Eintrittsbetrag zahlen.
Um die Vorteile der Verbrauchergemeinschaft sozial gerecht für alle Menschen in Leipzig nutzbar zu machen, ist es wünschenswert den monatlichen Beitrag bspw. für Leipzig-Pass-Inhaber*innen reduziert bzw. einen erhöhten Rabatt für einkommensschwache Menschen anzubieten.
Sollte die Stadt eine solche Verbrauchergemeinschaft nicht selbst gründen wollen oder können, soll das Konzept in eine Ausschreibung für Dritte überführt werden, um eine Unterstützung des Angebots sicherzustellen und eine (Anschub-)Finanzierung seitens der Stadt zu ermöglichen.
Zu BP2)
Auf dem Landwirtschaftsdialog 2024 wurden mehrfach von regionalen Landwirt*innen Herausforderungen bei der Verteilung ihrer Produkte im Stadtgebiet angesprochen. Viele Standorte mit einer überschaubaren Menge an Produkten anzufahren, verursacht hohe Personal- und Fahrtkosten. Deswegen soll die Stadt Vorschläge erarbeiten, wie die Landwirt*innen dabei unterstützt werden und Synergien nutzbar gemacht werden können, ggf. in Form eines gemeinsamen Lieferangebots oder innerstädtischer Verteilstationen.
Verwaltungsstandpunkt vom 14. August 2024
Alternativvorschlag:
Der Oberbürgermeister möge im Rahmen der Erarbeitung der Leipziger Ernährungsstrategie unter Einbindung relevanter Fachämter prüfen, ob und wie die Stadt Leipzig Vertriebssysteme für regionale Landwirte unterstützen und fördern kann.
Begründung:
Das Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz hat eine Studie zur Analyse des aktuellen Zustands des Leipziger Ernährungssystems in Auftrag gegeben. Neben der Untersuchung der Auswirkungen des Klimawandels liegt ein besonderes Augenmerk darauf, wie die Stadtregion sozial und wirtschaftlich sinnvoll durch regionale und ökologische Landwirtschaft besser versorgt werden kann.
Auf Grundlage der Studienergebnisse ist geplant, ab Herbst dieses Jahres gemeinsam mit dem Ernährungsrat eine Ernährungsstrategie für Leipzig zu entwickeln. Dabei werden verschiedene Akteure entlang der Lebensmittelwertschöpfungsketten eingebunden, ebenso wie die entsprechenden Fachämter zu ihren jeweiligen Themen. Die federführende Steuerung soll weiterhin durch das Referat für Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz erfolgen.
Es soll bewusst kein Ergebnis der Studie vorweggenommen werden. Die Studie zum Leipziger Ernährungssystem soll geeignete Maßnahmen identifizieren. Erste Ergebnisse werden laut dem Referat für Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz im Herbst 2024 erwartet.
Sachstand:
Unabhängig davon lässt sich sagen:
Regionale Produkte zu bündeln und im Einzelhandel oder direkt zu vermarkten, ist vor allem für kleinere Betriebe wünschenswert. Größtenteils betrifft dies Betriebe der solidarischen Landwirtschaft oder ähnliche Betriebsformen, welche allerdings häufig über ein eigenes Netzwerk für die Direktvermarktung ihrer Produkte verfügen.
In der Besprechung des Antrags VII-A-09611 (Hofladen) wurde bereits herausgearbeitet, dass die Verwaltung nicht selbst landwirtschaftliche Produkte handeln und vertreiben kann. Vertriebsstrukturen sind erfolgreich, wenn Landwirte und deren Marktpartner sich eigenständig entsprechend ihrer Angebote und Bedürfnisse zusammenfinden.
Die Verwaltung kann ggf. im geltenden Beihilferechtsrahmen unterstützen.
- Hierfür hat die Kommune bereits ein Landwirtschaftskonzept aufgesetzt und strukturiert die Vergabe und Gestaltung von Pachtverträgen städtischer Flächen.
- Wochenmärkte bieten einen etablierten und kostengünstigen Vertriebsweg, an 14 Standorten ganzjährig. Beantragung, Nutzung und Abrechnung von Marktflächen können jederzeit, absolut niederschwellig, kurzfristig und auch ohne sonstige Auflagen erfolgen. Jeder regionale Erzeuger bekommt sofort einen Platz auf dem Wochenmarkt, auch in der Innenstadt. Die laut Marktsatzung kostendeckend zu kalkulierenden Gebühren für die Marktteilnahme liegen für einen 6 m²-Stand bei ca. 20,00 € pro Tag.
Weitere Förderungen von Projekten und Initiativen sind über Fachförderrichtlinien möglich. Hierzu sind die Projekte zu beantragen. Die Verwaltung berät gern.
Arbeiten aus dem Projekt WERTvoll (WERTvolles Aktionsgericht) sowie des Sofortmaßnahmenprogramms zum Klimanotstand „Erhöhung des Anteils biologischer Lebensmittel in der Kita und Schulspeisung“ (Nr. 20), tragen ebenso bereits zu dem Ansinnen des Antrages bei und werden weiterentwickelt.
Durch das deutschlandweite Netzwerk der Biostädte, in welchem die Stadt Leipzig vertreten ist, sowie die im BMBF-Verbundprojekt WERTvoll (2019-2023) gesammelten Erfahrungen aus der Region, ergibt sich für die Vermarktung (bio-)regionaler Produkte ein klarer Trend:
- Außer-Haus-Verpflegung, vor allem die Gemeinschaftsverpflegung kommunal (Schulen, Kitas, Verwaltungskantinen, etc.) und
- privat (z. B. Betriebskantinen)
Diese stellen die stärksten und wichtigsten Hebel dar, um regional produzierte sowie landwirtschaftliche Produkte durch konstante Vermarktungskanäle wirtschaftlich zu vertreiben. Bestenfalls ermöglicht dies den produzierenden Betrieben Planungssicherheit und gewährleistet den Absatz von großen Mengen, welche in der meist großflächigen Landwirtschaft in der Region um Leipzig produziert werden.