Antrag: Schulsozialarbeit zur Regel machen
Gemeinsamer Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD
Beschlussvorschlag
- Die Stadt Leipzig verfolgt mittelfristig das Ziel einer flächendeckenden Ausstattung aller Schulen mit Schulsozialarbeit, unabhängig von der Schulform.
- Die Stadt Leipzig fordert das Land eindringlich auf, die flächendeckende Schulsozialarbeit gesetzlich zu verankern und eine entsprechende dauerhafte Förderung für die Schulträger auf den Weg zu bringen. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich entsprechend bei der Staatsregierung dafür einzusetzen.
- In einem Konzept stellt die Stadt Leipzig bis Ende II. Quartal 2023 dar, wie viele Stellen und die dafür notwendigen finanziellen Mittel (incl. Sachmittel) nach dem
Steuerungskonzept für den Leistungsbereich Schulsozialarbeit benötigt werden, wenn die flächendeckende Ausstattung mit Schulsozialarbeit ab dem Haushaltsplan A) 2025/26, B) 2027/28, C) 2029/30 erfolgt. Der Stadtrat entscheidet im Anschluss über das favorisierte Szenario.
Begründung des Antrags
Schulsozialarbeit ist eine gemeinsame Aufgabe von Jugendhilfe und Schule. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz bildet die Grundlage dafür. Schulsozialarbeit ist Anlaufstelle für alle Schülerinnen und Schüler einer Schule und wird an allen Schularten benötigt. Die Problemlagen unterscheiden sich je nach Schulform, weniger sind sie deshalb nicht.
Die Hauptaufgabe von Schulsozialarbeit ist es, die individuellen, sozialen und schulischen Entwicklungen der Kinder und Jugendlichen zu fördern und Bildungsbenachteiligungen
auszugleichen, egal in welchem sozialen Umfeld sie aufwachsen.
Alle Kinder und Jugendlichen in Leipzig sollen das Recht auf Schulsozialarbeit haben. Die Stadt Leipzig sollte daher den Weg einschlagen, alle Schulen — unabhängig von der
Schulform — mit Schulsozialarbeit auszustatten. Dabei muss stets die Forderung ans Land gerichtet bleiben, es möge seiner Verantwortung nachkommen und die Kosten refinanzieren.
Verwaltungsstandpunkt vom 22. März 2023
Alternativvorschlag:
- Die Stadt Leipzig baut Schulsozialarbeit im Rahmen der jeweils gültigen Fassung des Steuerungskonzepts Schulsozialarbeit und der vorhandenen finanziellen Mittel weiter aus.
- Die Stadt Leipzig setzt sich beim Freistaat Sachsen für eine dauerhafte, verlässliche Finanzierung von Schulsozialarbeit über Fördermittel ein.
- Die Stadt Leipzig setzt sich im Rahmen ihrer Schulträgeraufgaben gemeinsam mit den Gremien des Sächsischen Städte- und Gemeindetages für eine Schulentwicklung ein, die Schule befähigt, bestimmte Problemlagen mit vorhandenen eigenen Ressourcen bearbeiten zu können.
Begründung:
Das zuletzt im Mai 2022 im Stadtrat bestätigte Steuerungskonzept Schulsozialarbeit sieht statt einer flächendeckenden Versorgung vor, dass auf der Grundlage einer indikatorenbasierten Zuweisung von Schulsozialarbeit als zusätzliche Ressource vor allem segregierte Schulen unterstützt werden. Dabei gilt der Leitsatz, Ungleiches ungleich zu behandeln und Schulen entsprechend der bestehenden Belastungsfaktoren mit Schulsozialarbeit in einem bestimmten Umfang zu versorgen. Die Priorisierung von Schulen anhand eines Indikatorensets ist auch Bedingung für die Beantragung von Fördermitteln des Freistaates für Schulsozialarbeit. Gleichzeitig erfolgte seit Inkrafttreten der Förderrichtlinie Schulsozialarbeit des Freistaates Sachsen ein stetiger Ausbau der Schulsozialarbeit, sodass im laufenden Schuljahr 2022/23 alle Ober- und Förderschulen, 2/3 der Grundschulen sowie vier Gymnasien mit Schulsozialarbeit versorgt sind. Zum Schuljahresbeginn 2023/24 kommen mit den künftigen Oberschulen Hainbuchenstraße und 205. Schule zwei weitere Standorte hinzu. Neben der Einrichtung von neuen Standorten wurden die Stellenumfänge an besonders belasteten Schulstandorten erhöht. Mit Beschluss des Haushaltes 2023/24 wurde die Ausstattung von vier weiteren Schulen mit Schulsozialarbeit in 2023 und zwei weiteren Schulen in 2024 festgelegt.
Das SGB VIII regelt in den §§ 13 und 13a die Ziele von Schulsozialarbeit. Diese richtet sich an junge Menschen, die „zum Ausgleich sozialer Benachteiligung oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind […].“ Die Unterstützung durch die Schulsozialarbeit soll in diesen Fällen dazu beitragen, entstehende Bildungsbenachteiligungen auszugleichen und zur Chancengerechtigkeit beizutragen. Zu beachten ist in diesem Kontext jedoch, dass nicht jede Veränderung in der persönlichen Situation eines Kindes – auch, wenn sie persönlich belastend ist – mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf aufgrund individueller Beeinträchtigung oder mit sozialer Benachteiligung gleichzusetzen ist. Des Weiteren ist nicht für jede Problemlage Schulsozialarbeit die Lösung, vielfach sind Familien- oder Jugendberatungsstellen, an die auch durch Schulleitung und/oder (Beratungs-)Lehrer/-innen verwiesen werden kann, passende Ansprechpartner.
Bildungsbenachteiligung entsteht vorwiegend in Haushalten mit geringer Ressourcenausstattung, die sich in Leipzig auf einzelne Ortsteile konzentrieren. Mit einer indikatorengestützten Priorisierung von Schulstandorten kann dem Ziel der Schaffung von mehr Chancengerechtigkeit für junge Menschen gemäß wissenschaftlicher Studien gut begegnet werden. Eine flächendeckende Ausstattung aller Schulen mit Schulsozialarbeit ohne die Priorisierung von Standorten würde besonders belasteten Schulstandorten nicht gerecht und widerspräche dem o. g. Ziel der Schulsozialarbeit. Die Statistik der Schulsozialarbeit zeigt deutliche Unterschiede zwischen stärker belasteten/hoch priorisierten Schulstandorten und solchen mit niedriger Priorisierung und bestätigt damit das Konzept eines nicht flächendeckenden Einsatzes von Schulsozialarbeit. Schulsozialarbeiter/-innen an weniger belasteten Standorten haben deutlich weniger Beratungsanlässe, z. B. zu Gewalt, Schulverweigerung oder Kindeswohlgefährdung, als an stark belasteten. Auch die Anzahl der mit Einzelfallhilfe zu unterstützenden Kinder und Jugendlichen unterscheidet sich deutlich, ebenso sind insgesamt deutlich weniger Schüler/-innen in Beratung und die Zahl der Mediationen und Interventionen ist an gering belasteten Standorten niedrig. Vorhandenen Unterstützungsbedarfen kann oftmals über andere Wege als Schulsozialarbeit begegnet werden, beispielsweise über eine entsprechende Ausrichtung der Ganztagskonzeption.
Grundsätzlich ist Schulsozialarbeit als Angebot der Jugendhilfe im schulischen Kontext eine wertvolle Unterstützung. Dennoch ist sie nicht die Lösung für alle Problemlagen im schulischen Kontext. Im Rahmen des Projektes „Bildungsland Sachsen 2030“ stellt sich der Freistaat Sachsen aktuell der Frage, wie sich angesichts von gesellschaftlichen Veränderungen auch das System Schule verändern muss. Die ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz stellt in ihrem Gutachten „Basale Kompetenzen vermitteln – Bildungschancen sichern. Perspektiven für die Grundschule“ fest, dass eine wachsende Zahl von Grundschüler/-innen die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht erreicht. Weiterhin fehlt es vielen Schüler/-innen an Lernstrategien. Die betroffenen Schüler/-innen haben in der Folge Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen, woraus sich wiederum Verhaltensweisen entwickeln können, die in der Schule als störend wahrgenommen werden. Eine solche Gemengelage ist nur ein Beispiel dafür, dass die Ursachen für als störend und/oder auffällig wahrgenommenes Verhalten vielfältig sind und nicht immer in einem Bereich liegen, der durch Schulsozialarbeit bearbeitet werden kann oder sollte. Daher ist jede Unterstützungsbitte von Schule auf ihre Ursachen hin zu prüfen, um dann geeignete Maßnahmen abzuleiten, die auch im Bereich der Schulentwicklung liegen müssen. Darüber hinaus können bestehende Unterstützungsmöglichkeiten weiter ausgeschöpft werden. So stehen für die Bewältigung von Pandemiefolgen wie beispielsweise psychische Belastungen, Defizite in der Entwicklung/im Verhalten etc. noch bis zum Sommer 2023 Mittel aus den verschiedenen Aufholprogrammen zur Verfügung. Diese können nicht nur für das Aufholen von Lernrückständen, sondern auch für sozialpädagogische Unterstützungsangebote genutzt werden.
An einer Diskussion darüber, wie das System Schule sich den aktuellen Anforderungen entsprechend verändern kann und muss wird sich auch die Stadt Leipzig im Rahmen ihrer Schulträgeraufgaben – im Sinne einer erweiterten Schulträgerschaft – beteiligen und Schulentwicklung beispielsweise auch im Rahmen ihrer Mitwirkung in den Gremien den Sächsischen Städte- und Gemeindetages mitgestalten.
Realisierungs- / Zeithorizont
Die Stadt Leipzig baut Schulsozialarbeit im Rahmen der jeweils gültigen Fassung des Steuerungskonzeptes Schulsozialarbeit schuljahresweise entsprechend vorhandener finanzieller Mittel weiter aus.
Neufassung vom 4. Mai 2023
Der Antrag wird wie folgt neu gefasst:
- Die Stadt Leipzig verfolgt mittelfristig das Ziel einer flächendeckenden Ausstattung aller Schulen mit Schulsozialarbeit, unabhängig von der Schulform.
- Die Stadt Leipzig fordert das Land eindringlich auf, die flächendeckende Schulsozialarbeit gesetzlich zu verankern und eine entsprechende dauerhafte Förderung für die Schulträger auf den Weg zu bringen. Dabei soll die Förderrichtlinie möglichst auch dahingehend weiterentwickelt werden, dass auch Schulen in Freier Trägerschaft berücksichtigt werden können. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich entsprechend bei der Staatsregierung dafür einzusetzen.
- Die Stadt Leipzig stattet, unter Berücksichtigung des Steuerungskonzepts für den Leistungsbereich Schulsozialarbeit, bis zum Schuljahr 2028/29 schrittweise flächendeckend alle Schulen mit Schulsozialarbeit aus. Hierfür legt sie dem Stadtrat bis zum IV. Quartal 2023 ein Umsetzungskonzept vor.
Begründung:
siehe Ursprungsantrag
Beschluss der Ratsversammlung am 17. Mai 2023
Der Antrag wurde von der Mehrheit im Stadtrat im Sinne des Verwaltungsstandpunktes beschlossen.
Zwischenbericht zum Stand der Umsetzung 28.09.2023
in Arbeit
Zu Beschlusspunkt 1:
Die derzeit gültige Fassung des Steuerungskonzeptes für den Leistungsbereich Schulsozialarbeit sieht keine flächendeckende Ausstattung mit Schulsozialarbeit vor. Daher wurde unter Beteiligung des Fach-Arbeitskreises Schulsozialarbeit, der HTWK Leipzig und Schulleitungen die Erarbeitung einer Neufassung begonnen, die den vorliegenden Ratsbeschluss berücksichtigt und Ausführungen zur Umsetzung trifft.
Zu Beschlusspunkt 2:
Durch den Freistaat Sachsen erfolgt derzeit eine Überarbeitung und teilweise Neufassung der Förderrichtlinie Schulsozialarbeit. Die Stadt Leipzig ist im Rahmen des üblichen Beteiligungsverfahrens über den Sächsischen Städte- und Gemeindetag angebunden und hat in diesem Rahmen zur Frage der Finanzierung von Schulsozialarbeit Stellung bezogen. Die Entwurfsfassung sieht eine Formulierung zu freien Schulen vor, hierbei ist die Verabschiedung der Förderrichtlinie durch den Landtag abzuwarten. Parallel setzt sich die Stadt Leipzig im Rahmen des Projektes „Bildungsland Sachsen 2023“ für die Etablierung von Schulsozialarbeit an allen Schulen und Schularten ein.
Zu Beschlusspunkt 3:
Mitte September wurde durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz das Beteiligungsverfahren für die Aktualisierung und teilweise Neufassung der Förderrichtlinie Schulsozialarbeit begonnen. Die vorgesehenen Änderungen sind dergestalt, dass erstmals auch Aussagen zur qualitativen und quantitativen Seite der Schulsozialarbeit getroffen werden. Damit beeinflusst die Förderrichtlinie auch das kommunale Steuerungskonzept stärker als in den bisherigen Fassungen. Um sicherzustellen, dass das Steuerungskonzept der Stadt Leipzig im Einklang mit den Regelungen der Förderrichtlinie steht, wird die endgültige Fertigstellung des Steuerungskonzeptes bis zur Verabschiedung der neuen Förderrichtlinie im Landtag zurückgestellt. Die Neufassung des Steuerungskonzeptes und das darin enthaltene Umsetzungskonzept für den vorliegenden Ratsbeschluss werden im 1. Quartal 2024 in den Rat eingebracht.