Antrag: Sexuelle Gesundheit fördern – Ausweitung der kostenfreien Testungen auf sexuell übertragbare Infektionen durch das Gesundheitsamt

Antrag vom 11. April 2024

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Ausweitung der kostenfreien Testungen auf sexuell übertragbare Infektionen durch das Gesundheitsamt umzusetzen. Kostenfreie, auf Wunsch anonyme Testungen, sollen für mindestens folgende sexuell übertragbare Infektionen spätestens ab dem dritten Quartal 2025 durchgeführt werden: HIV, Hepatitis C, Syphilis, Gonorrhö und Chlamydien.

Begründung:

Aktuell bietet das Gesundheitsamt lediglich eine kostenfreie, auf Wunsch anonyme, Testung auf HIV an. Darüber hinaus gibt es lediglich zielgruppenbezogene Angebote wie Vorsorgeuntersuchungen auf sexuell übertragbare Infektionen für Sexarbeiter*innen sowie anlassbezogene Untersuchungen für Männer, die Sex mit Männern haben.

Alternative Angebote bei freien Trägern sind in aller Regel kostenpflichtig und für viele Leipziger*innen nicht bezahlbar. So würde beispielsweise bei einem Träger die komplette Testung auf HIV, Hepatitis C, Syphilis, Gonorrhö und Chlamydien 85 Euro kosten.

Dass auch Gesundheitsämter diese wichtige Aufgabe übernehmen können und sollten, zeigt die Stadt Halle (Saale). Dort testet das Gesundheitsamt kostenfrei und auf Wunsch anonym auf die oben aufgelisteten Infektionen.

 

Verwaltungsstandpunkt vom 29. Mai 2024

Der Antrag wird abgelehnt.

Begründung:

Grundlage der Arbeit der „Beratungsstelle für sexuell übertragbare Infektionen und AIDS“ des Gesundheitsamtes der Stadt Leipzig bilden

  • das Infektionsschutzgesetz (IfSG) vom 01.01.2001,
  • die Verwaltungsvorschrift des sächsischen Staatsministeriums für Soziales zur Organisation der AIDS-Prävention im öffentlichen Gesundheitsdienst (VwV AIDS- Prävention) vom 01.12.2003,
  • die Empfehlung des SMS für STI/AIDS-Beratungsstellen an Gesundheitsämtern zur „Frühen Diagnostik von Sexuell übertragbaren Krankheiten“ vom 05.12.2003.

In Deutschland regelt seit 2001 das Infektions­schutz­gesetz (IfSG) den Umgang mit STI. Demnach ist die Prävention von STI eine öffentliche Aufgabe. Der öffentliche Gesund­heits­dienst stellt die Beratung, Unter­suchung und Behandlung von STI sicher.

Zur Frage der Kostenträgerschaft umfassen die Regelungen, dass STI-Beratungen als Pflichtaufgabe des ÖGD immer kostenlos vorgehalten werden und anonym in Anspruch genommen werden können.

Die Diagnostik und Behandlung im Einzelfall sind dann aus öffentlichen Mitteln zu tragen, wenn Personen nicht krankenversichert sind und die Kosten nicht selbst tragen können. „Des Nachweises des Unvermögens bedarf es nicht, wenn dieses offensichtlich ist oder die Gefahr besteht, dass die Inanspruchnahme anderer Zahlungspflichtiger die Durchführung der Untersuchung oder Behandlung erschweren würde.“

In der VwV AIDS-Prävention und der Empfehlung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS) für STI/AIDS-Beratungsstellen an Gesundheitsämtern zur „Frühen Diagnostik von Sexuell übertragbaren Krankheiten“ wird geregelt, welche STI-Untersuchungen durch die Gesundheitsämter in Sachsen kostenfrei vorgehalten werden sollen.

Laut VwV AIDS-Prävention betrifft dies ausschließlich HIV-Tests: „Die Gesundheitsämter bieten kostenlose anonyme HIV-Antikörpertests gemäß den aktuellen Empfehlungen des Staatsministeriums für Soziales an.“

Die Empfehlung des SMS für STI/AIDS-Beratungsstellen an Gesundheitsämtern zur „Frühen Diagnostik von Sexuell übertragbaren Krankheiten“ wurde aufgrund epidemiologischer Entwicklungen in Bezug auf die Syphilis in der Gruppe der MSM (Männer die Sex mit Männern haben) ausgesprochen und berücksichtigte die Empfehlungen des Robert Koch-Institutes (RKI), der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) und weiterer Fachgesellschaften. Nach diesen Empfehlungen sollen allen sexuell aktiven MSM Untersuchungen auf Syphilis und anderen STI wie Gonorrhoe, Chlamydien und HIV angeboten werden.

Den gesetzlichen Vorgaben und Empfehlungen entsprechend, werden in der Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten und AIDS unter anderem folgende Aufgaben erfüllt:

  • anonyme, individuelle Beratung zu STI einschließlich HIV/AIDS (kostenfrei)
  • HIV-AK-Tests (anonym und kostenfrei)
  • STI-Screening Untersuchungen (anonym und kostenfrei) unter Berücksichtigung anamnestischer Angaben bei Sexarbeitenden. Anamnestisch heißt, dass im Gespräch Risikosituationen erfragt und diagnostische Maßnahmen anhand der Angaben oder, sofern vorhanden, der vorliegenden Symptome, durchgeführt werden.

Hintergrund der Kostenfreiheit sind hier die besondere Vulnerabilität und der fehlende Krankenversicherungsschutz bei einem Großteil der Gruppe der Sexarbeitenden.

  • STI-Screening Untersuchungen (anonym und kostenfrei) bei MSM entsprechend anamnestischer Angaben
  • Darüber hinaus werden symptomatische Personen, die keinen Krankenversicherungsschutz besitzen oder symptomatische Personen mit Krankenversicherungsschutz, die zeitnah keinen Termin in der Regelversorgung erhalten, entsprechend der vorliegenden Symptomatik unter Berücksichtigung anamnestischer Angaben untersucht. Die diagnostischen Maßnahmen sind hier kostenfrei.

Zur Diagnostik von Hepatitiden:

Hepatitis A / Hepatitis B: allen Personen wird im Beratungsgespräch die Vorlage des Impfausweises und die Überprüfung des Impfschutzes empfohlen. Im Gesundheitsamt ist es möglich, Hepatitis A- und B-Impfungen durchzuführen (Grundimmunisierung, Schließen von Impflücken, Booster-Impfungen bei Indikation entsprechend der aktuellen Impfempfehlungen).

Bei der Hepatitis C Infektion handelt es sich primär nicht um eine sexuell übertragbare Infektion. Im sexuellen Kontext ist eine Übertragung bei verletzungsträchtigen Praktiken, bei denen es zu Blut-zu Blut Kontakten kommt, möglich oder im Kontext der gemeinsamen Nutzung von Utensilien, die beim Konsum von „Drogen“ Verwendung finden. Liegen entsprechende Anlässe vor, wird eine Diagnostik empfohlen und kostenfrei durchgeführt.

Ob für Labortests Kosten erhoben werden (im Rahmen der Diagnostik werden ausschließlich Laborkosten erhoben) richtet sich nach den aufgeführten gesetzlichen Grundlagen und Empfehlungen.

Zuständig für die Labordiagnostik der sächsischen Gesundheitsämter ist die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen. Somit werden die Kosten der Untersuchungsproben vom Land Sachsen getragen.

Schwerpunkte der Arbeit der STI/AIDS-Beratungsstelle des Gesundheitsamtes liegen in der Prävention von STI und Stärkung von sexueller Gesundheit. Dabei spielt die STI-Beratung, mit dem Ziel der Gesundheitsförderung, eine herausragende Rolle.

Die Beratungsstelle steht unter fachärztlicher Leitung. Diagnostische Maßnahmen werden, entsprechend medizinischer Standards, nach den jeweiligen anamnestischen Angaben und ggf. nach vorliegenden Symptomen ausgerichtet.

Sinnvolle Entscheidungen in Bezug auf diagnostische Maßnahmen müssen evidenzbasiert sein und aktuelle epidemiologische Daten und Entwicklungen berücksichtigen.

Für HIV, Syphilis und die Hepatitiden liegen aufgrund der Meldepflicht nach IfSG sehr differenzierte epidemiologische Daten vor, welche entsprechende Test- bzw. Screening- Empfehlungen erlauben.

Eine Meldepflicht für Neisseria gonorrhoeae wurde mit Änderung des IfSG vom 16.09.2022 eingeführt, aufgrund des noch nicht umgesetzten elektronischen Meldeverfahrens erfolgt jedoch bislang keine Meldung und Erfassung der Erregernachweise.

In der Änderung des IfSG vom 16.09.2022 ist auch eine Meldung von Chlamydia trachomatis vorgesehen, allerdings nur der Infektionen, die durch eine bestimmte, seltene Serotyp-Gruppe hervorgerufen werden.

Insofern sind in Zukunft deutschlandweite Daten für die Gonorrhoe zu erwarten, für Chlamydien-Infektionen allerdings nicht.

In Sachsen sind nach IfSGMeldeVO die Nachweise von Neisseria gonorrhoeae und Chlamydia trachomatis Labormeldepflichtig. Bei den Meldungen werden nur Geschlecht, Alter und Wohnort erfasst, Informationen zu Übertragungswegen, vorliegenden Symptomen, Infektionsland, Koinfektionen usw., wie bei den HIV- / Syphilismeldungen nach IfSG werden hier nicht erfasst, so dass sich hieraus keine sicheren Test- und Screening-Empfehlungen ableiten lassen.

Dennoch sind über die Erfassung der Gesamtzahl der Infektionen, Zu- bzw. Abnahmen der Fälle und die Geschlechts- und Altersverteilung Einschätzungen des Infektionsgeschehens möglich. So zeigen sich konstant hohe Inzidenzen der Chlamydia trachomatis Infektionen (100 – 190 Fälle pro 100.000 EW im SK Leipzig).

Derzeit gibt es in Deutschland für Chlamydia trachomatis jährliche Screening Empfehlungen für Frauen bis zum abgeschlossenen 25. Lebensjahr und die altersunabhängige Chlamydientestung bei Schwangeren.

Ob Screening-Untersuchungen darüber hinaus positive Auswirkungen im Hinblick auf das Infektionsgeschehen und Vermeidung von Folgen einer unerkannten Chlamydien-Infektion haben, ist noch, z.B. im Rahmen von Studien nachzuweisen.

Seitens des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt wird derzeit die Aktualisierung der VwV AIDS-Prävention vorbereitet.

Nach vorliegenden Entwürfen ist hier auch eine Ausweitung der Aufgaben der STI-Beratungsstellen der sächsischen Gesundheitsämter in Bezug auf die Diagnostik von STIs vorgesehen.

Zusammenfassend kann dem Beschlussvorschlag in der vorliegenden Fassung nicht gefolgt werden. Undifferenzierte Testempfehlungen für eine nicht definierte Gruppe, für die keine evidenzbasierten und keine differenzierten epidemiologischen Daten vorliegen sind im Hinblick auf die geforderte „Stärkung von sexueller Gesundheit“ fraglich und nicht zielführend.

 

Zurück