Antrag: Sozialer Arbeitsmarkt

Antrag vom 1. Dezember 2022

Beschlussvorschlag:

Die Stadt Leipzig bekennt sich zu einem öffentlich geförderten, zweiten Arbeitsmarkt. Im gemeinsam mit der Arbeitsagentur Leipzig geführten Jobcenter Leipzig werden dauerhaft 450 Stellen des zweiten Arbeitsmarktes gefördert.

Begründung:

Mit dem Teilhabechancengesetz wurde ermöglicht, langfristige öffentliche geförderte Beschäftigung für Langzeitarbeitslose und Menschen mit komplexen Vermittlungshemmnissen zu schaffen. Leipzig hat davon Gebrauch gemacht und ca. 450 Stellen, davon 170 Stellen bei dem KEE eingerichtet. Die Mitarbeitenden werden insbesondere in den Schulbibliotheken eingesetzt und erbringen eine hochgradig sinnstiftende, allgemein wichtige und aus städtischer Perspektive förderwürdige Tätigkeit. Förderberechtigt sind Langzeitarbeitslose, Menschen mit Schwerbehinderung und Menschen mit Sorgeverantwortung für minderjährige Kinder.
2024 läuft die aktuelle Maßnahme aus. Von Bundesebene ist geplant, im nächsten Jahr eine Anschlussförderung über das Bürgergeld zu ermöglichen. Wie sich das auf die Stadt Leipzig auswirkt ist noch nicht absehbar. Wir sehen weiterhin einen Bedarf für Förderung der Teilhabe am Arbeitsmarkt durch einen zweiten Arbeitsmarkt, der Menschen mit Teilhabenachteilen wie oben benannt, unterstützt. Neben einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit, die aktuell degressiv gefördert wird, enthält das Programm auch Weiterbildungsanteile und eine ganzheitliche Begleitung.
Der Evaluierungsbericht fasst zusammen, dass „eine vollständige Auslastung nach 30 Monaten weder bei der Stadt noch bei Dritten gegeben ist, das Beschäftigtenpotenzial in Leipzig jedoch vorhanden ist und auch weiterhin nachgefragt wird. Die Bedarfsdeckung der Integrationen ist in diesem
Instrument überproportional hoch im Vergleich zu den ungeförderten Arbeitnehmenden und es sind deutlich weniger Abbrüche zu verzeichnen als auf dem Leipziger Arbeitsmarkt insgesamt." Zusätzlich hat die Stadt Leipzig seit dem ersten Quartal 2021 erfolgreich ein eigenes Personalentwicklungskonzept mit Vorbildcharakter für diese Beschäftigten etabliert und der KEE hat eigens umfangreiche Anstrengungen für eine erfolgreiche Besetzung unternommen (kostenlose Rufnummern, wöchentliche Informationsveranstaltungen, Öffnung des Hauses seit Mai 2020 etc.).
Nach dem Auslaufen der aktuellen sinnvollen arbeitsmarktpolitischen Maßnahme muss die Stadt Leipzig dringend eigene Fördermöglichkeiten im Jahr 2023 vorbereiten, um eine ausreichende Anzahl an geförderten Arbeitsplätzen unter den ab 2024 geltenden Rahmenbedingungen anzubieten.

Alternativvorschlag der Verwaltung:

  1. Die Stadt Leipzig bekennt sich zu einem öffentlich geförderten, zweiten Arbeitsmarkt.
  2. Die Stadt Leipzig fordert das Jobcenter Leipzig auf, hierfür insbesondere die Instrumente gemäß §§ 16 e und i SGB II in bisheriger Größenordnung (450 Stellen für Leipzig) zu nutzen.
  3. Gegenüber der Bundesregierung wird sich die Stadt Leipzig für eine auskömmliche Finanzierung der oben genannten Instrumente einsetzen und dafür, die Öffnung für weitere Langzeitarbeitslose zu prüfen.

Zustimmung zu Beschlusspunkt 1:

Die Trägerversammlung gestaltet auf Basis SGB II seit Jahren in gemeinsamer und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Leipzig den zweiten Arbeitsmarkt. Diese Entscheidung wurde insbesondere aufgrund eines damals nicht aufnahmefähigen Arbeitsmarktes getroffen.

Das Jobcenter Leipzig plant für 2023 die Fortführung der 385 laufenden Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen von § 16 i SGB II, 14 neue Beschäftigungs-verhältnisse gemäß § 16 i SGB II und 10 neue Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen § 16  e SGB II. Dieses bisher bis 31.12.2023 befristete Instrument (§16 i SGB II) wurde mit der Einführung des Bürgergeldgesetzes entfristet.  Den Jobcentern wurde damit die Möglichkeit gegeben, auch weiterhin Langzeitarbeitslose bei Bedarf über dieses Instrument zu fördern und auf eine Integration auf den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Im Dezember 2022 waren zwar rund 9.700 freie Stellen bei der Agentur für Arbeit gemeldet, die es zu besetzen gilt. Dennoch gibt es Menschen, denen ohne eine Förderung der direkte Weg in ein Arbeitsverhältnis im ersten Arbeitsmarkt nicht gelingt. Daher setzt sich die Stadt Leipzig für eine Weiterführung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes ein.

Alternativvorschlag zu Beschlusspunkt 2:

Die Fortführung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes ist allerdings nur mit Beteiligung des Jobcenters möglich. Je nach Eingruppierung und Stufenzuordnung kostet ein Arbeitsplatz nach § 16 i SGB II bei einer Förderdauer über 5 Jahre bei der Stadt Leipzig rund 141.000 EUR (Mittelwert aus EG 1 bis EG 3 und 20 bis 30 Wochenarbeitsstunden). Davon trägt die Stadt ca. 32.000 EUR als kommunale Kofinanzierung. Insofern ist die Stadt darauf angewiesen, dass das Jobcenter im Rahmen seiner zur Verfügung stehenden Eingliederungsmittel das Instrument nach § 16 i SGB II in größtmöglichen Umfang weiter nutzt. Vergleichbare Förderinstrumente, insbesondere im Hinblick auf die Förderhöhe (100 % im 1. und 2. Jahr der individuellen Maßnahme, 90 % im 3. Jahr, 80 % im 4. Jahr und 70 % im 5. Jahr und die fünfjährige Laufzeit) stehen derzeit nicht zur Verfügung.

Über die Bewirtschaftung von Eingliederungsmittel entscheidet laut Gesetz ausschließlich der Geschäftsführung des Jobcenters, da es sich um keine Entscheidungen über organisatorische, personalwirtschaftliche, personalrechtliche oder personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten handelt, die durch die Trägerversammlung gemäß § 44 c Abs. 2S. 1 und S. 2 Nrn. 1 bis 9 SGB II i. V. m. § 44 c Abs. 2 S. 7 SGB II getroffen werden

Gemäß § 44 f Abs. 1 S. 1 SGB II wird die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel des Bundes (Eingliederungs- und überwiegend Verwaltungsmittel) auf die gemeinsame Einrichtung übertragen ist. Bei dieser Übertragung gelten die haushaltsrechtlichen Vorschriften des Bundes. Die Bewirtschaftung unterliegt damit auch der Prüfhoheit des Bundesrechnungshofes. Die Geschäftsführerin des Jobcenters führt hauptamtlich die Geschäfte der gemeinsamen Einrichtung (vgl.  § 44 d SG II).  Darunter fallen auch alle operativen Entscheidungen, wobei bei finanziellen Auswirkungen immer die Beteiligung des Beauftragten für den Haushalt sicherzustellen ist. Hierzu bestellt die Geschäftsführerin des Jobcenters nach § 44 f Abs. 2 SGB eine(n) Beauftragte(n) für den Haushalt, die/der bei allen finanziellen Maßnahmen durch die Geschäftsführerin und die Trägerversammlung zu beteiligen ist.

Die Trägerversammlung bzw. die Stadt Leipzig haben daher keine rechtlichen Möglichkeiten, dass Jobcenter zu verpflichten, §16 i SGB II-Stellen in dem bisher gewohnten Umfang (450 Stellen) umzusetzen.

Aktuell kann das Jobcenter für die Jahre 2024 und 2025 zum Umfang neuer § 16 i SGB II-Stellen noch keine Aussage treffen, da für diese Jahre noch keine Haushaltsmittel bzw. noch keine Informationen über das Eingliederungsbudget vorliegen. Mit Einführung des Bürgergeldes legt zudem das BMAS den Schwerpunkt der Förderung der Kundinnen und Kunden des Jobcenters auf Weiterbildung und Qualifizierung. Ziel ist es, damit den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt, insbesondere in nachhaltige Beschäftigungsverhältnisse zu fördern. Einerseits soll damit den Kundinnen und Kunden ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden. Zum anderen soll hierdurch der Fachkräftesicherung der Wirtschaft Rechnung getragen werden.

Der Vorsitzende der Trägerversammlung hat sich bereits im November 2022 schriftlich und in der letzten Trägerversammlung im Dezember 2022 dafür eingesetzt, und wird sich auch weiterhin gegenüber dem Jobcenter dafür einsetzen, dass auch über 2023 hinaus die größtmögliche Anzahl an § 16i-Stellen realisiert werden. Insbesondere da das Instrument § 16 i SGB II für die Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen ein zwar kostenintensives Förderinstrument ist, aber langfristige Beschäftigung, gute Integrationschancen und gesellschaftlichen Nutzen bietet. In den Prozess der konkreten Nachbesetzungen ab 2023, der Planung für 2024 sowie der Prüfung möglicher alternativer Förderungen durch das Jobcenter wird die kommunale stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters eingebunden.

Damit § 16 i SGB II-Stellen über 2023 hinaus beim Kommunalen Eigenbetrieb Leipzig/Engelsdorf umgesetzt werden können, beabsichtigt die Stadt, die entsprechende Kofinanzierung (vgl. VI-DS-06265 Teilhabe am Arbeitsmarkt - Kommunale Beteiligung an den neuen SGB II -Förderinstrumenten ab 2019 ff.) auch ab 2024 fortzuführen. Zur Höhe der kommunalen Kofinanzierung für die Beschäftigungsverhältnisse beim KEE ab dem Jahr 2024 wird dem Stadtrat eine gesonderte Vorlage zur Beschlussfassung vorgelegt.

2. Realisierungs- / Zeithorizont (entfällt bei Ablehnung des Antrags)

Das Jobcenter erhält in der Regel Ende III. Quartal die vorläufige Mittelzuteilung des BMAS und kann daraufhin seine Jahresplanung der Maßnahmen gemäß SGB II erstellen. Spätestens im Zusammenhang mit der dann konkreten Planung für die § 16 i SGB II-Stellen wird dem Stadtrat die Beschlussvorlage zum Umfang der kommunalen Kofinazierungsbeiträge zur Beschlussfassung vorgelegt (Anfang IV. Quartal 2023).
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Beschluss der Ratsversammlung am 19. April 2023:

Der Antrag wurde, im Sinne des Alternativvorschlages der Verwaltung, ergänzt um einen Änderungsantrag wie folgt beschlossen:

  1. Die Stadt Leipzig bekennt sich zu einem öffentlich geförderten, zweiten Arbeitsmarkt.
  2. Die Stadt Leipzig fordert das Jobcenter Leipzig auf, hierfür insbesondere die Instrumente gemäß §§ 16 e und i SGB II in bisheriger Größenordnung (450 Stellen für Leipzig) zu nutzen.
  3. Gegenüber der Bundesregierung wird sich die Stadt Leipzig für eine auskömmliche Finanzierung der oben genannten Instrumente einsetzen und dafür, die Öffnung für weitere Langzeitarbeitslose zu prüfen.
  4. Der Oberbürgermeister informiert den Stadtrat bis Ende Juni 2023 über die mit der Bundesregierung geführten Verhandlungen und erzielten Ergebnisse zur Umsetzung des Beschlusspunktes zwei und drei. Zudem berichtet der Oberbürgermeister, über die konkreten Aktivitäten, die er mit dem Jobcenter unternommen hat, um geförderte Stellen in der Stadtverwaltung und den Eigenbetrieben zu schaffen und zu erhalten. Hierbei setzt sich der OBM dafür ein, dass keine Umschichtung mehr aus dem Eingliederungshaushalt in den Verwaltungshaushalt erfolgt.

Zwischenbericht zum Stand der Umsetzung 10.07.2023

x in Arbeit

Der Dezernent für Wirtschaft, Arbeit und Digitales hat:

  • den Bundesarbeitsminister Herrn Heil,
  • die Sächsische Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt,
    Frau Köpping und
  • die Leipziger Bundestagsabgeordneten

schriftlich gebeten sich dafür einzusetzen, dass das Jobcenter Leipzig eine auskömmliche Finanzierung erhält, um Maßnahmen nach §§ 16 e und i SGB II in gewohnten Maße umzusetzen. Des Weiteren erfolgte der Appell, dass diese Instrumente auch für weitere Zielgruppen geöffnet werden.

Eine Antwort der o. g. Adressaten ist bisher nicht erfolgt.

Zudem werden diese Forderung im nächsten Sozialausschuss des Sächsischen Städte- und Gemeindetages im September 2023 behandelt. Darüber hinaus soll diese Thematik ebenfalls in den zuständigen Gremien des Deutschen Städtetages behandelt werden.

Gleichzeitig hat sich der Dezernent für Wirtschaft, Arbeit und Digitales in seiner Funktion als Vorsitzender der Trägerversammlung gegenüber der Geschäftsführung des Jobcenters mehrfach dafür eingesetzt, dass der geplante Umschichtungsbetrag (von ursprünglich 1,53 Mio. EUR) im Jahresverlauf auf null reduziert wird. Zuletzt erging diese Aufforderung mit Beschluss des Verwaltungshaushaltes des Jobcenters 2023.

Auf Grund dieser Bemühungen und der Aktivitäten der Geschäftsführung des Jobcenters konnte der Umschichtungsbetrag zum Stand 15.06.2023 auf 348.348 EUR (rund 0,7% des EGT 2023) reduziert werden.

Bei seiner Aufstellung wurde der Eingliederungshaushalt des Jobcenters deutlich überplant. Alle Mittel die durch die Reduzierung des Umschichtungsbetrages frei werden, werden bisher noch zur Kompensation dieser Überplanung genutzt. Daher werden in 2023 zum Stand 15.06.2023 die Maßnahmen im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung umgesetzt (AGH und Teilhabe am Arbeitsmarkt), zu denen im Rahmen der folgenden Anfragen umfassend geantwortet wurde:

  • VII-F-08087-AW-01,
  • VII-F-07950-AW-01,
  • VII-F-07992-AW-01 und
  • VII-F-08625-AW-01.

Zur Anzahl der möglichen Maßnahmen im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung für das Jahr 2024 kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage getroffen werden. Die Eingliederungsmittel des Bundes werden voraussichtlich erst im Oktober 2023 für das Haushaltsjahr 2024 bekannt gegeben. Die Geschäftsführung des Jobcenters wird berichten. Die Trägerversammlung wird wie jedes Jahr darauf hinwirken, eine Umschichtung zu vermeiden, damit die Eingliederungsmittel ausschließlich für integrationsorientierte und beschäftigungsschaffende Maßnahmen, wie AGH und Teilhabe zum Einsatz kommen.

Zu BP 4: Der Oberbürgermeister informiert den Stadtrat bis Ende Juni 2023 über die mit der Bundesregierung geführten Verhandlungen und erzielten Ergebnisse zur Umsetzung des Beschlusspunktes zwei und drei. Zudem berichtet der Oberbürgermeister, über die konkreten Aktivitäten, die er mit dem Jobcenter unternommen hat, um geförderte Stellen in der Stadtverwaltung und den Eigenbetrieben zu schaffen und zu erhalten. Hierbei setzt sich der OBM dafür ein, dass keine Umschichtung mehr aus dem Eingliederungshaushalt in den Verwaltungshaushalt erfolgt.

 

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