Antrag: Städtische/n Beauftragte/n für Datenschutz und Informationsfreiheit schaffen!

Antrag vom 14. März 2016

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird aufgefordert, den Aufgabenbereich des/der Datenschutzbeauftragten in Bezug auf die Umsetzung der Informationsfreiheitssatzung der Stadt Leipzig zu erweitern und das Amt eines/einer Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragten zu schaffen.

Begründung:

Der Datenschutz ist in der Stadtverwaltung und im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger fest verankert. Die Informationsfreiheit hingegen noch nicht, obwohl der Stadtrat auf Initiative der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen 2012 eine Informationsfreiheitssatzung beschlossen hat. Die meisten Leipzigerinnen und Leipziger wissen von diesem Recht nichts oder zu wenig. Deshalb machen sie davon auch kaum Gebrauch.

Trotz Stadtratsbeschluss vom Mai 2015 wurde die Informationspolitik gegenüber den Einwohnerinnen und Einwohnern der Stadt Leipzig in Bezug auf die Informationsfreiheitssatzung nebst Verwaltungskostensatzung noch nicht optimiert. Der Umgang mit der Informationsfreiheitssatzung wäre also endlich zu erleichtern, indem auf www.leipzig.de, im Amtsblatt und auf Flyern zusätzliche, leicht verständliche Hintergrundinformationen zur Satzung und deren Anwendbarkeit zur Verfügung gestellt werden.

Zwar ist die Arbeit der Stadtverwaltung mit Vorlagen heute schon dahingehend transparent, dass fast alle Vorlagen, die die beschließenden Gremien der Stadt – Ratsversammlung, Verwaltungsausschuss, Grundstücksverkehrsausschuss – erreichen, im Ratsinformationssystem über das Internet öffentlich sind.

Doch schöpfen Oberbürgermeister und Stadtverwaltung unseres Erachtens noch nicht alle rechtlichen Ermessensspielräume vollständig aus, um eine (frühestmögliche) elektronische Veröffentlichung aller den Entscheidungsprozessen des Rates zugrunde liegenden Informationen zu ermöglichen.

Beispiele:

Veröffentlichung von Gutachten, Erhebungen und Statistiken, die in den Ämter zu bestimmten Fragen ermittelt oder von externen Firmen oder Büros angefertigt werden, Veröffentlichung von abgeschlossenen Verträgen und Vereinbarungen, Veröffentlichung von Urteilen in Rechtsstreitigkeiten an denen die Stadt Leipzig beteiligt war und die von besonderem öffentlichen Interesse sind, Veröffentlichung von Beschlüssen der Dienstberatung des Oberbürgermeisters, die wegen den Wertgrenzen der Hauptsatzung in seinen Zuständigkeitsbereich fallen,  allerdings von allgemeiner Wichtigkeit sind.

Künftig könnten sich an den/die Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragte/n alle Personen wenden, die der Ansicht sind, dass die ihnen von der Informationsfreiheitssatzung gewährten Rechte nicht oder nicht vollständig beachtet worden sind.

Als kompetente Anlaufstelle und Ansprechpartner könnte er/sie Empfehlungen aussprechen, aber auch detailliert jährlich über die Art und Weise der Umsetzung der Informationsfreiheitssatzung sowie über Schwierigkeiten berichten, des Weiteren zuständig sein für die Durchführung von Schulungen von Rathausmitarbeiterinnen und Ratshausmitarbeitern im Umgang mit der Leipziger Informationsfreiheitssatzung.

Alternativvorschlag der Verwaltung vom 18. Mai 2016

  1. In der Stadtverwaltung gibt es bereits eine Informationsfreiheitssatzung, die alle Bediensteten bindet. Die bestehenden Aufgaben des Datenschutzbeauftragten werden nicht erweitert.
  2. Das Rechtsamt erstellt in Abstimmung mit dem Referat Kommunikation eine Informationsseite auf der städtischen Homepage mit den wichtigsten Hintergrundinformationen sowie einem FAQ zur Informationsfreiheitssatzung.

Begründung:

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielt darauf ab, den Aufgabenbereich des Datenschutzbeauftragten zu erweitern, um durch einen neuen Informationsfreiheitsbeauftragten eine zentrale Anlauf- und Beschwerdestelle für Bürgeranliegen und -anfragen rund um die Informationsfreiheitssatzung (IFS) zu schaffen. Zudem soll er mit jährlichen Tätigkeitsberichten über die Umsetzung der Informationsfreiheitssatzung informieren und Schulungen für das Verwaltungspersonal anbieten. Ziel dieser Maßnahmen soll sein, die Informationsfreiheit im Bewusstsein der Stadtverwaltung und der Bürgerinnen und Bürger fest zu verankern.

Gemäß § 5 Abs. 4 IFS ist derzeit das zum Referat Kommunikation gehörende Stadtbüro in der Katharinenstraße zentrale Anlaufstelle für die Beantragung des Zugangs zu Informationen gemäß IFS.

Sachsen gehört neben Bayern, Niedersachsen und Hessen zu denjenigen Bundesländern, die kein Informationsfreiheitsgesetz haben. Aufgrund  der fehlenden gesetzlichen Regelung wäre die Einrichtung eines kommunalen Informationsfreiheitsbeauftragten gemäß § 64 Abs. 1 SächsGemO aus rechtlicher Sicht grundsätzlich zulässig. Gegen die Einrichtung sprechen gegenwärtig allerdings die folgenden Argumente:

1. Bestehen einer zentralen Antrags- und Anlaufstelle

Gemäß § 5 Abs. 4 IFS ist derzeit das zum Referat Kommunikation gehörende Stadtbüro in der Katharinenstraße die Anlaufstelle für die Beantragung des Zugangs zu Informationen. Das Stadtbüro gibt Auskünfte zum Verfahren und leitet Anträge an die zuständige Stelle innerhalb der Stadtverwaltung weiter. Insofern kann bereits jetzt eine zentrale Stelle die im Antrag geforderte Beratungs- und Auskunftsfunktion übernehmen.

2. geringe Antragszahlen

Gemäß Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen soll die/der Informationsfreiheitsbeauftragte als Beschwerdestelle für alle Personen fungieren, die der Ansicht sind, dass die ihnen in der IFS gewährten Rechte nicht oder nicht vollumfänglich beachtet worden sind. Eine solche Beschwerdestelle ist unter Beachtung der Antragszahlen und -verfahren der vergangenen Jahre nicht erforderlich. Seit der Veröffentlichung der IFS im Amtsblatt vom 26. Januar 2013 wurden insgesamt 17 Anträge nach dieser Satzung gestellt. Der Stadt Leipzig ist nicht bekannt, dass es in diesen Fällen zu Beschwerden kam. Unter Beachtung dieser Ausgangslage wird eine zusätzliche Beschwerdestelle nicht für erforderlich gehalten.

3. Schaffung eines Bewusstseins für Informationsfreiheit

Aus dem Antrag der Fraktion geht hervor, dass die Informationsfreiheit trotz der bestehenden Satzung - anders als das Thema Datenschutz - noch nicht im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger verankert sei. Daher wird die Einrichtung einer/eines Informationsfreiheitsbeauftragten gefordert. Aus dem Antrag lässt sich der Schluss ziehen, die Fraktion gehe davon aus, dass durch die Schaffung einer/eines Informationsfreiheitsbeauftragten das Thema in der Öffentlichkeit zukünftig verstärkt wahrgenommen wird. Diesem Ansatz ist entgegenzutreten. Das Thema Datenschutz ist in der Stadtverwaltung und im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger primär nicht aufgrund einer/eines Beauftragten, sondern aufgrund der in den vergangenen Jahren verstärkt geführten öffentlichen Debatte verankert. Das bereits 1977 verabschiedete Bundesdatenschutzgesetz mit einem Schwerpunkt zur Einführung von Datenschutzbeauftragten zeigt, dass das in den letzten Jahren entstandene Datenschutzbewusstsein primär nicht mit den seit der damaligen Gesetzeseinführung bestehenden Datenschutzbeauftragten, sondern vielmehr mit der erst in den letzten Jahren verstärkt gelebten öffentlichen Diskussion und Auseinandersetzung zusammenhängt.

4. Aufgabenbereich des städtischen Datenschutzbeauftragten

Die Übertragung zusätzlicher Aufgaben zu Lasten der Aufgabenerfüllung des behördlichen Datenschutzbeauftragen ist unzulässig. Die gesetzliche Pflicht der Stadt Leipzig, den Datenschutzbeauftragten gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 SächsDSG zu unterstützen und ihn im erforderlichen Umfang von der Erfüllung seiner sonstigen dienstlichen Pflichten freizustellen, bedeutet unter anderem, für die erforderliche sachliche, personelle und finanzielle Ausstattung zu sorgen und die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zu treffen. Der Datenschutzbeauftragte der Stadt Leipzig hat in seiner Stellungnahme zu dem vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen deutlich gemacht, dass entsprechend dem Umfang der zusätzlichen Aufgaben als Informationsfreiheitsbeauftragte/-r die Erhöhung des Stellenumfangs in seinem Bereich notwendig wäre. Mit dieser Erhöhung würden zusätzliche Personalkosten einhergehen.

5. Vergleich mit Kommunen im Freistaat Sachsen bzw. in den Bundesländern, in denen ebenfalls kein Landesinformationsfreiheitsgesetz besteht

Der Freistaat Sachsen gehört neben dem Freistaat Bayern, Niedersachsen und Hessen zu denjenigen Bundesländern, in denen kein Informationsfreiheitsgesetz besteht.

Im Freistaat Sachsen hat nach derzeitigem Kenntnisstand neben der Stadt Leipzig nur die Landeshauptstadt Dresden eine IFS. Die Anträge müssen dort direkt bei der zuständigen Organisationseinheit gestellt werden. Es existiert, anders als in der Stadtverwaltung Leipzig mit dem Stadtbüro, keine zentrale Anlaufstelle. Eine/-n Informationsfreiheitsbeauftragte/-n gibt es in der Landeshauptstadt Dresden ebenfalls nicht. In Chemnitz wurde die Stadtverwaltung mit Ratsbeschluss vom 25. November 2015 beauftragt, eine Informationsfreiheitssatzung nach dem Vorbild der Leipziger Satzung zu erarbeiten. Insofern ist auch in der Stadt Chemnitz nicht damit zu rechnen, dass ein/-e zusätzliche/-r Informationsfreiheitsbeauftragte/-r bestellt werden soll.

In Niedersachsen haben die Städte Cuxhaven, Göttingen, Braunschweig, Langenhagen und Lingen (Ems) eine Informationsfreiheitssatzung, aber nur in Braunschweig wird gemäß dortiger Satzung ein/-e Informationsfreiheitsbeauftrage/-r bestellt. Diese Aufgabe nimmt der städtische Datenschutzbeauftragte war. In Langenhagen ist der Ideen- und Beschwerdemanager Ansprechpartner für Fragen zur Informationsfreiheitssatzung.

In Bayern und Hessen gibt es in den mehr als 30 Kommunen mit bestehender Informationsfreiheitssatzung nach aktueller Recherche keine Informationsfreiheitsbeauftragten. Mit der Stadt Leipzig vergleichbare Kommunen, wie München, Nürnberg, Augsburg oder Frankfurt am Main haben zwar eine Informationsfreiheitssatzung, aber keine zentrale Antrags- und Anlaufstelle (anders  Leipzig mit dem Stadtbüro) und auch keine/-n Informationsfreiheitsbeauftragte/-n.

6. Vergleich mit Kommunen in Bundesländern, in denen ein Landesinformationsfreiheitsgesetz existiert

In den zwölf bestehenden Informationsfreiheitsgesetzen der Bundesländer, die auch für die dortigen Kommunen gelten, wird für die gesamte Landes- und Kommunalverwaltung immer nur die Bestellung eines einzigen Landesbeauftragten für Informationsfreiheit geregelt. Dieses Amt wird in allen zwölf Bundesländern dem Landesdatenschutzbeauftragten übertragen. Es ist anzunehmen, dass bei den Gesetzgebungsverfahren in den einzelnen Bundesländern erkannt wurde, dass es im Gegensatz zum Datenschutzrecht keinen zusätzlichen Bedarf für kommunale Informationsfreiheitsbeauftragte gibt. Daher existieren in diesen Bundesländern keine kommunalen Informationsfreiheitsbeauftragten.

7. bevorstehendes Gesetzgebungsverfahren im Freistaat Sachsen

Im aktuellen Koalitionsvertrag der Landesregierung des Freistaates Sachsen haben die Regierungsparteien vereinbart, ein Informationsfreiheitsgesetz einzuführen. Die darin festgeschriebenen Ziele und Grenzen des neuen Gesetzes entsprechen denen der bereits bestehenden Informationsfreiheitsgesetze anderer Bundesländer bzw. des Bundes.

Da ausnahmslos in allen Informationsfreiheitsgesetzen der Bundesländer nur ein/-e zentrale/-r Informationsfreiheitsbeauftragte/-r auf Landesebene vorgesehen ist, kann davon ausgegangen werden, dass auch das Gesetz im Freistaat Sachsen diesem Vorbild folgen wird. Auch die von den Oppositionsparteien im Sächsischen Landtag in den Jahren 2000 (LT-Drs. 3/2394), 2005 (LT-Drs. 4/466) und 2012 (LT-Drs. 5/9012) eingereichten Gesetzesentwürfe sprechen dafür. In diesen ersten Gesetzesentwürfen wurde, wie auch in allen anderen Bundesländern, immer davon ausgegangen, dass die Ombuds- und Kontrollfunktion für alle Behörden und Kommunen im gesamten Freistaat Sachsen von einem zentralen Landesbeauftragten wahrgenommen werden sollte. Eine Übertragung dieser Aufgabe zum jetzigen Zeitpunkt auf den städtischen Datenschutzbeauftragten würde nach Inkrafttreten des ausstehenden sächsischen Informationsfreiheitsgesetzes zu einer Aufgaben- und Zuständigkeitskollision führen.

Im Ergebnis der vorgenannten Punkte ist der Antrag abzulehnen. Zur Erleichterung des Umgangs der Bürgerinnen und Bürger mit der IFS soll die im Bericht über die Erfahrungen zum Vollzug der Informationsfreiheitssatzung (DS-00247/14) genannte Maßnahme umgesetzt werden; durch das inhaltlich für die Satzung zuständige Fachamt, das Rechtsamt, ist in Abstimmung mit dem Referat Kommunikation nach dem Beispiel der Landeshauptstadt München eine Seite unter

http://www.leipzig.de/buergerservice-und-verwaltung/buergerbeteiligung-und-einflussnahme

mit den wichtigsten Hintergrundinformationen sowie einem FAQ zur IFS zu erstellen.

Beschluss der Ratsversammlung vom 24. August 2016:

Der Antrag wurde mit großer Mehrheit aus CDU, SPD, Linken und AFD abgelehnt.

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