Antrag: Strategiekonferenz zur Wohnungslosigkeit in Leipzig einberufen (Neufassung)

Antrag vom 31. Januar 2018

Beschlussvorschlag:

  1. Der Oberbürgermeister beruft eine interdisziplinäre Strategiekonferenz im I. Halbjahr 2018 zur Verhinderung und -bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit mit allen Akteuren in Leipzig ein. Weitere sollen folgen.
    - Die Strategiekonferenz soll Leitaussagen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und Veränderungsbedarfen des bestehenden Hilfesystems als Grundlage für das Verwaltungshandeln erarbeiten.

    - Die Strategiekonferenz berät über die Gründung von interdisziplinären Arbeitsgruppen in Verantwortung der Verwaltung, z. B. analog Berliner Vorbild.

    - Die Ergebnisse der Strategiekonferenz zur Wohnungslosigkeit in Leipzig und die Leitaussagen werden dem Stadtrat bis Ende II. Quartal zur Kenntnis gegeben.

  2. Mehrausgaben zur Verhinderung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit werden durch die Stadtverwaltung in den Haushalt 2019/20 eingeplant.

  3. Der Oberbürgermeister wird aufgefordert sich für die Einführung einer landesweiten, einheitlichen Wohnungsnotfallstatistik nach Leipziger Vorbild einzusetzen.

  4. Im Rahmen des nächsten Experten- und Akteursworkshops zum Wohnungspolitischen Konzept im Jahr 2018 wird das Thema „Wohnungen in Leipzig für wohnungslose Menschen“ erneut aufgegriffen und in einer Arbeitsgruppe vertieft.

Sachverhalt:
Leipzigerinnen und Leipziger sind erschüttert über das Leid von Menschen, die tags und nachts schlafend oder liegend mit ihrer wenigen Habe in Eingängen, Durchgängen und unter Brücken etwas Schutz vor Kälte und gewalttätigen Übergriffen suchen.
Die zunehmende Wohnungs- und Obdachlosigkeit und die großen Schwierigkeiten diese mit sozialen Hilfen wieder zu beenden, verlangt nach einer neuen, besseren Qualität gemeinsamer Arbeit der sozialen, ordnungsrechtlichen und stadtplanenden Verwaltung sowie der politischen Akteure in der Stadt zum Thema.

Das Hilfenetz der Stadt Leipzig hat lange Zeit dem Bedarf entsprochen, neue Entwicklungen wie der enorme Zuzug nach Leipzig mit konkurrierenden Mietinteressenten, steigenden Mieten, Geflüchteten und EU-Migrant*innen verschärfen die Lage deutlich. Zudem nehmen die Problemlagen durch psychische Erkrankungen in einem Wettbewerbssystem, in welchem es viele Verlierer gibt, zu. Dies beobachten freie Träger der Wohnungslosenhilfe und die Verwaltung gleichermaßen. Es wurde zum Teil schon reagiert, indem spezielle Angebote etabliert wurden. Diese sind allerdings nicht mehr ausreichend und werden es noch weniger für die Zukunft sein. (siehe Positionspapier der AG Recht auf Wohnen vom November 2017)

Um diesen Bedarf besser erfassen zu können, erstellt die Stadtverwaltung derzeit auf Drängen der Freien Träger der Wohnungslosenhilfe und der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke,  eine erweiterte Statistik über die Wohnungslosigkeit in Leipzig. Die bisherige statistische Erhebung war ungenügend, da sie nicht die tatsächlichen Fälle, sondern nur die Notübernachtungen und die Beratungsgespräche berücksichtigte. Bei der Erhebung sollen unter anderem die Obdachlosen auf den Straßen gezählt sowie in einem mehrstufigen Verfahren ihr Alter, Geschlecht, die Staatsangehörigkeit und der Gesundheitsstatus erfasst werden.
Wohnungs- und Obdachlosigkeit ist in jedem Fall eine menschliche Tragödie. Das Recht auf Schutz und Unterbringung im Fall von Wohnungslosigkeit berührt mehrere Gesetze. Aus kommunalen, finanziellen Gründen werden nicht alle Schutzsuchende gleich behandelt, insbesondere EU-Ausländer*innen werden erfahrungsgemäß in der Praxis nachrangig behandelt.

Die Unterbringungspflicht ergibt sich aus den Ordnungsgesetzen der Bundesländer. Und diese Rechtsnorm gilt uneingeschränkt, wenn im Einzelfall keine anderweitige Festlegung getroffen wurde, z. B. bezüglich wegen Nationalität (EU-Freizügigkeitsgesetz) oder Aufenthaltsstatus.
Da wohnungslose Menschen ihre Ansprüche eher nicht gerichtlich einfordern, ist es die Aufgabe der Verwaltung und der Politik, unabhängig von der Nationalität alle gleichermaßen über ihre tatsächlichen Rechte zu beraten.

Bei den anstehenden Problemen ist es dringend nötig, die Sozialverwaltung nicht alleine mit dieser Problematik zu beauftragen, es sind weitere andere kompetente Gesprächspartner und Experten einzubeziehen, weswegen eine Strategiekonferenz (analog Berlin) gefordert wird.

Als Themen sind schon sichtbar:
•    Verständigung zur Handlungsgrundlage der Stadt Leipzig im Umgang mit Wohnungs- und Obdachlosen
•    Bewertung der erstellten neuen Wohnungslosen- und Obdachlosenstatistik
•    Bewertung der derzeitigen Angebote für Wohnungslose und Benennung von neuen Angeboten, wie z. B.  Angebote für besondere Personengruppen und spezielle Anforderungen, wie z. B. die Unterbringung psychiatrisch auffälliger, junger Erwachsener ab 18 Jahren, behinderte Obdach- und Wohnungsloser
•    gesundheitliche Versorgung von Obdach- und Wohnungslosen
•    bezahlbare Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger und für die Versorgung von Obdach- und Wohnungslosen
•    Belegrechte Menschen mit geringem Einkommen zur Verfügung
•    präventive Maßnahmen

Es müssen alle an einen Tisch, um Lösungen zu finden.
Die interdisziplinären Arbeitsgruppen könnten sich zu den Themen gründen:
Straßenkinder, Wohnungslosenstatistik, Prävention, medizinische Versorgung und Suchthilfe, EU-Bürger, Kältehilfe, Wohnhilfen und gesamtstädtische Steuerung, Wohnraumversorgung sowie Frauen und Familien.

zu 4.)
Der Strategieworkshop zum Thema Wohnungslosigkeit am 23. Mai 2018 kann nur ein Auftakt zur Lösungsfindung in der Problematik sein. Das Thema soll deswegen im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Wohnungspolitischen Konzeptes erneut vertiefend aufgegriffen werden. Insbesondere die  Wohnungsmarktakteure wie LWB, Wohnungsgenossenschaften und andere Großvermieter, müssen stärker in die Beratung und Mitverantwortung für die Bereitstellung angemessener Wohnungen einbezogen werden.

Analog des Vorschlags der Verwaltung zum Vorgehen der Einflussnahme auf den Wohnungsmarkt für Migrantinnen und Migranten, schlagen wir ein gleichlaufendes Verfahren für wohnungslose Menschen vor.


Verwaltungsstandpunkt vom 18. April 2018

Alternativvorschlag:

  1. Der Oberbürgermeister legt bis Ende 2018 eine Fortschreibung des Konzeptes zur Wohnungsnotfallhilfe in Leipzig vor.
  2. Im Rahmen der Fortschreibung des Konzeptes Wohnungsnotfallhilfe werden auf einer Strategiekonferenz, welche Akteure der Wohnungsnotfallhilfe in freier und kommunaler Trägerschaft, Vertreter/-innen von Trägern der Wohlfahrtspflege, Vertreter/-innen der Fraktionen des Stadtrates, der Hochschulen, der Kirchen, anderer Kommunen, der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsnotfallhilfe und relevanter Ämter der Stadt Leipzig anspricht, Ziele und Handlungsansätze der Leipziger Wohnungsnotfallhilfe diskutiert.
  3. Der Oberbürgermeister setzt sich dafür ein, dass auf Landesebene eine einheitliche Wohnungsnotfallstatistik eingeführt wird, die auch Wohnungslose berücksichtigt, die auf der Straße oder in Behelfsunterkünften leben.


Begründung:

Handlungsgrundlage der Wohnungsnotfallhilfe in Leipzig ist das Konzept „Wohnungsnotfallhilfe in Leipzig – Überblick und strategische Ausrichtung 2014“ (DS-00077/14). Eine regelmäßige Berichterstattung zu Wohnungslosigkeit und Hilfen im Wohnungsnotfall erfolgt im Sozialreport der Stadt Leipzig.

Das System der Wohnungsnotfallhilfen in Leipzig umfasst präventive Hilfen, Notversorgung und nachsorgende Betreuung. Vielfältige Angebote wie beispielsweise Übernachtungshaus, Tagesstreff, Beratung, niedrigschwelliger Kälteschutz oder aufsuchende Straßensozialarbeit bieten Wohnungslosen Unterstützung.

Die Akteure der Wohnungsnotfallhilfe in Leipzig wirken im Fachforum Wohnhilfen unter Leitung des Sozialamtes mit. Das Fachforum hat dieses Jahr wieder getagt und berät sich zweimal im Jahr. Das Fachforum – an dem neben der Verwaltung Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft und freier Träger der Wohnungsnotfallhilfe mitwirken – hat die Aufgabe, zum Thema Wohnungsnotfallhilfe und soziale Wohnhilfen in Leipzig alle verfügbaren Kompetenzen zu bündeln und Veränderungsbedarf zu erkennen, um Verwaltungshandeln und Entscheidungen beratend vorzubereiten.

Darüber hinaus erfolgt ein fachlicher Austausch über verschiedene bundesweite Gremien, wie den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V., über das Benchmarking der 16 Großstädte oder die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V.

Das Konzept der Wohnungsnotfallhilfe bedarf mit Blick auf neuere Entwicklungen (z. B. obdachlose Unionsbürger, sich verknappender Mietwohnungsmarkt) einer Überprüfung und Weiterentwicklung. Die Verwaltung arbeitet derzeit an der Fortschreibung des Konzeptes, welches zu Beginn der Kälteperiode 2018/2019 zum Tragen kommen soll.

Folgende Inhalte sind vorgesehen:

  • Kommunale Leitlinien Wohnungsnotfallhilfe,
  • Begriffsbestimmung,
  • Rechtliche Grundlagen, Kommunale Handlungsgrundlagen,
  • Ziele und Zielgruppen,
  • Wohnungsnotfallhilfe in Leipzig – bisherige Entwicklung, Handlungsbedarf, weiterführende Maßnahmen.


Die vom Antragsteller benannten Themen werden bei der Fortschreibung des Konzeptes berücksichtigt. Auch soll im Rahmen dieser Fortschreibung die Leipziger Wohnungsnotfallstatistik dahingehend weiter entwickelt werden, dass die Zahl der auf der Straße oder in Behelfsunterkünften lebenden Wohnungslosen regelmäßig erfasst wird. Gegenüber dem Freistaat Sachsen setzt sich die Verwaltung für die Einführung einer einheitlichen Wohnungsnotfallstatistik ein.

Im Rahmen der Fortschreibung des Konzeptes Wohnungsnotfallhilfe soll eine breite Beteiligung von Akteuren erreicht werden. Zu diesem Zweck sollen im Rahmen einer Strategiekonferenz Ziele und Handlungsansätze der Leipziger Wohnungsnotfallhilfe diskutiert werden. Zur Strategiekonferenz werden eingeladen:

  • Akteure der Wohnungsnotfallhilfe in freier und kommunaler Trägerschaft in Leipzig,
  • Vertreter/-innen der Fraktionen des Stadtrates,
  • Vertreter/-innen der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Leipzig,
  • Vertreter/-in der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V.,
  • Vertreter/-innen der Hochschule für Technik, Wissenschaft und Kultur sowie der Universität Leipzig,
  • Vertreter/-innen der Kirchen,
  • Vertreter/-innen anderer Kommunen,
  • Vertreter/-innen der Stadtverwaltung (z. B. Gesundheitsamt; Amt für Jugend, Familie und Bildung; Vertreter/-in der Rettungsstelle).


Die Konferenz ist im Mai geplant.

Um eine Beteiligung wohnungsloser Personen zu erreichen und ihre Ideen und Anregungen für die Fortschreibung des Konzeptes zur Wohnungsnotfallhilfe aufnehmen zu können, sollen leitfadengestützte Gespräche mit wohnungslosen Personen auf der Straße und mit den Nutzer/-innen der Angebote der Notunterbringung (z. B. Leipziger Oase in der Nürnberger Straße 31) geführt werden.

Beschluss der Ratsversammlung am 16. Mai 2018

Der Antrag wurde im Sinne des von einer anderen Fraktion als Änderungsantrag übernommenen Verwaltungsstandpunkt beschlossen.

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