Antrag: Tempo 30 als Regelhöchstgeschwindigkeit in 3 Gebieten erproben – für Sicherheit, weniger Lärm und bessere Luft!mehr

Antrag vom 07. Januar 2021

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Umsetzung von 3 Pilotprojekten zur Einführung von Tempo 30 Regelhöchstgeschwindigkeit innerorts auf Grundlage §45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO (Erprobungsklausel) zu prüfen.

Dabei sollen u.a. Erkenntnisse hinsichtlich einer verbesserten Verkehrssicherheit sowie der Reduzierung von Lärm und Luftschadstoffen und einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität gewonnen werden.

Um aus den gewonnenen Erkenntnissen Rückschlüsse auf das gesamte Stadtgebiet ziehen zu können, sind 3 verschiedene Erprobungsgebiete für diese Regelung einzurichten, welche die in Leipzig vorhandenen unterschiedlichen Quartiersstrukturen mit ihren städtebaulichen und verkehrlichen Rahmenbedingungen widerspiegeln (u.a. Straßen mit schienengebundenem und nicht-schienengebundenem ÖPNV, innerstädtische und Stadtrandlage).

Die Erprobung von Tempo 30 als Regelhöchstgeschwindigkeit einschließlich der innerhalb des Erprobungsgebiets verlaufenden Hauptstraßen soll mit einer umfassenden fachlichen Begleitung zu verschiedenen Aspekten wie beispielsweise Verkehr, Umwelt, Recht erfolgen und die betroffenen stadtgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure wie Verkehrsunternehmen, Wirtschaft, Vereine und Verbände mittels eines Begleitkreises während der gesamten Laufzeit der Erprobung einbeziehen.

Eine umfassende wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung der Erprobung ist sicher zu stellen, um fundierte Erkenntnisse über die Untersuchungsschwerpunkte zu erhalten. Auch die Erkenntnisse aus dem Begleitkreis sind in die Evaluierung mit einzubeziehen.

 

Der Oberbürgermeister setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass Tempo 30 innerorts zur geltenden Regelhöchstgeschwindigkeit wird.

 

Begründung:

Viele Untersuchungen belegen bereits die Vorteile von Tempo 30 innerorts nicht nur im Nebenstraßennetz. Eine Studie des Umweltbundesamts von Ende 2016 zu 'Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen': https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/publikationen/wirkungen_von_tempo_30_an_hauptstrassen.pdf
fasst Erkenntnisse zusammen, die auch für eine Erprobung in Leipzig wegweisend sind und auf denen bei Auswahl, Umsetzung, Begleitprozess und Evaluierung von Bereichen mit Tempo 30 als Regelhöchstgeschwindigkeit in Leipzig auf- und angesetzt werden sollte. Insgesamt wird hier festgestellt: 'Den vorliegenden Begleituntersuchungen zufolge, gibt es in den meisten Fällen Gewinne bei Verkehrssicherheit, Lärm- und Luftschadstoffminderung und bei den Aufenthaltsqualitäten – gleichzeitig wird die Auto-Mobilität nicht übermäßig eingeschränkt.' In Leipzig lag die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit auf den Hauptverkehrsstraßen zur Hauptverkehrszeit im Jahr 2018 bei 27,6 km/h.

Das Ziel der Erprobung von Tempo 30 als innerörtliche Regelhöchstgeschwindigkeit soll die Schaffung von stadtverträglichen Geschwindigkeiten im Straßenverkehr in der wachsenden Stadt Leipzig sein, die die Belange der Mobilität aller Menschen berücksichtigen muss. Der Fokus liegt auf der Erprobung von Tempo 30 in zusammenhängenden Gebieten als Regelhöchstgeschwindigkeit. In Leipzig ist ohnehin in vielen Nebenstraßen bereits Tempo 30 angeordnet.
Wichtig ist die Betrachtung der notwendigen Bedingungen, welche die Durchschnittsgeschwindigkeiten des ÖPNV erhalten oder verbessern.

Auch die Zuverlässigkeit im Verkehr kann so verbessert werden, was vor allem dem Wirtschaftsverkehr hinsichtlich Planbarkeit zu Gute kommt.

Durch einen besseren Verkehrsfluss reduziert sich der Lärm und verbessert sich die Luftqualität, da weniger Schadstoffe ausgestoßen werden. Durch niedrigere Höchstgeschwindigkeit und geringere Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den Verkehrsteilnehmenden erhöht sich die Verkehrssicherheit (weniger Unfälle und weniger schwere Unfallfolgen). Die Aufenthaltsqualität und Nutzbarkeit der öffentlichen Räume gewinnt.

Die Erprobung soll in einem integrierten Ansatz aus Verkehrsplanung, Verkehrssicherheit, Freiraumplanung und Wissenschaft erfolgen.

Die Erprobung entspricht den Leipziger Zielen aus nachhaltiger Mobilitätsstrategie, Lärmaktionsplan, Luftreinhalteplan und Klimanotstand und leistet damit einen zukunftsweisenden Beitrag für Leipzigs Mobilitätswende.

Alternativvorschlag der Verwaltung

Beschlussvorschlag:

Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit mehreren deutschen Städten und unter Einbezug des Deutschen Städtetags, die Rahmenbedingungen für einen Modellversuch zur testweisen Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit auch auf Hauptverkehrsstraßen in einem abgegrenzten Stadtgebiet zu untersuchen, den Inhalt einer wissenschaftlichen Begleitung abzustimmen, sowie den Modellversuch anschließend gemeinsam mit diesen Städten durchzuführen.

Begründung:

Der Modellversuch dient der Prüfung, wie sich eine auch auf Hauptverkehrsstraßen oder Teile von diesen erstreckende Tempo-30 Regelung auf die Verbesserung der Verkehrssicherheit und die Förderung der Verkehrsarten des Umweltverbundes auswirkt.

Antrag, den Oberbürgermeister mit der Umsetzung von 3 Pilotprojekten zur Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts unter Zuhilfenahme der „Erprobungsklausel“ der StVO zu beauftragen und dabei bestimmte Kriterien zu betrachten, um daraus Rückschlüsse für das gesamte Stadtgebiet zu ziehen.

Beschreibung der Maßnahme

Im Einklang mit den Zielen des INSEK / Fachkonzept Nachhaltige Mobilität und der Mobilitätsstrategie Leipzig 2030 sowie weiteren Plänen der Stadt, richtet sich die Strategische Verkehrsplanung und die daraus folgenden Konzepte und Infrastrukturvorhaben am Schwerpunkt der Verkehrsarten des Umweltverbundes – Fuß- und Radverkehr sowie ÖPNV – aus.

Mit angestiegenen und weiter ansteigenden Anteilen am Modalsplit sowie Nutzerzahlen in diesen Segmenten wird in Leipzig – und bundesweit – deutlich, dass die Erwartungshaltung vieler Menschen und daraus folgenden planerischen Anforderungen nicht immer im Einklang mit Planungsrichtlinien und Verordnungen stehen, die Verkehr und Mobilität oder den öffentlichen Raum betreffen.

Ein diesbezügliches Indiz ist, dass der Wunsch vieler Stadtbewohner nach niedrigeren Geschwindigkeiten des Straßenverkehrs nicht nur im Nebennetz, mit den aktuellen rechtlichen Möglichkeiten der Straßenverkehrs-Ordnung nicht ohne Weiteres umsetzbar ist.

Mit Blick auf die Verkehrssicherheit ist ganz klar, dass niedrigere Geschwindigkeiten deutlich geringere Unfallfolgen nach sich ziehen, was für die Betroffenen unbestreitbar ein Gewinn ist und zudem auch volkswirtschaftliche Einsparungen nach sich zieht.

Mehr Fuß- und Radverkehr und mehr ÖPNV-Nutzung mit höherer Haltestellendichte erfordern schon heute ein höheres Maß an Aufmerksamkeit aller Teilnehmenden im Straßenverkehr. Bestehende Konflikte können durch den Ausgleich der Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Verkehrsarten verringert werden.

Wichtig sind hierbei jedoch auch Fragen der Umweltauswirkungen (Luftschadstoffe und Verkehrslärm und damit die Auswirkungen auf die Luftreinhalteplanung sowie die Lärmaktionsplanung), die Wechselwirkungen zwischen niedrigerer Geschwindigkeit und der zur Attraktivierung und Verbesserung der Wirtschaftlichkeit angestrebten ÖPNV-Beschleunigung, sowie vor allem die Frage der Akzeptanz.

Die in der StVO bundesweit vorgegebene max. zulässige Regelgeschwindigkeit ist innerorts 50 km/h. Die StVO geht dabei von dem Grundsatz aus, dass Abweichungen von der Regel nur in besonderen Ausnahmefällen in Einzelfällen zulässig sind (Paragraf 45 StVO). Mit Blick auf die rechtlichen Möglichkeiten stehen heute jedoch bereits Ansätze für die Erprobung von geringeren Geschwindigkeiten zur Verfügung. Diese Ansätze sind jedoch noch nicht für eine regelmäßige und oder flächendeckende Anwendung geeignet. Es bedarf spezifischer Untersuchungen und ggf. auch Abstimmung mit und Zustimmungen durch die Aufsichtsbehörden, da es sich um weisungsgebundene Pflichtaufgaben der Unteren Straßenverkehrsbehörden handelt.

In diesem Zusammenhang hatte die Stadt Freiburg bereits einen entsprechenden Antrag beim für die StVO zuständigen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gestellt, welcher jedoch abschlägig beantwortet wurde.

Die Einführung von Tempo 30 auf allen (Leipziger) Straßen (quasi flächendeckend) ist derzeit wie ausgeführt rechtlich nicht zulässig und ein entsprechender Antrag einer anderen Stadt wurde bereits abschlägig beschieden. Insofern müssen für die Erprobung in städtischen Teilgebieten Untersuchungsbedingungen und Untersuchungsgegenstände sowie -zeiträume zusammengetragen werden, um in einem neu untersetzten Modell-Antrag erfolgreich zu sein. Daher schlägt die Verwaltung den formulierten Alternativvorschlag vor.

Dabei sollte zunächst davon ausgegangen werden, dass ein geeignetes Stadtgebiet gefunden wird und der Modellversuch in einem Gebiet durchgeführt wird. Die Erfassung von Kriterien und wissenschaftliche Begleitung sollte aus jetziger Sicht auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen auf ein Stadtgebiet begrenzt bleiben.

Die Umsetzung eines entsprechenden Modell-Versuchs sollte auch für den Bund einen Mehrwert haben. Das kann dann der Fall sein, wenn eine wissenschaftliche Begleitung in mehreren Städten Erkenntnisse erbringt zu beispielsweise

  • Objektive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit
  • Akzeptanz bei der Wohnbevölkerung
  • Akzeptanz bei Wirtschaftsverkehren (Transport- und Lieferverkehre, Handwerksfahrten, KEP-Dienste)
  • Auswirkungen auf den ÖPNV
  • Auswirkungen auf Kriterien des Umweltschutzes (Luftschadstoffe, Lärmemissionen) und damit auf die Lärmaktionsplanung sowie die Luftreinhalteplanung
  • Zusammenwirken von Verordnungen mit Planungsrichtlinien
  • Verkehrspsychologische Aspekte

Diese Kriterien sind beispielhaft und müssten weiter abgestimmt werden.

Interessant für den Bund und für Leipzig kann dies dann werden, wenn eine Erprobung und die entsprechende wissenschaftliche Begleitung in mehreren deutschen Städten erfolgt und damit Rückschlüsse auf die Anwendung und/oder Anpassung von Verordnungen gezogen werden können und sich Ansätze für eine Harmonisierung von Planungsregelwerken mit Verordnungen ergeben.

Dafür wurden durch die Verwaltung bereits mehrere Städte angesprochen und ein erstes Treffen zum Abstimmen der Interessenslagen im zweiten Quartal 2021 vereinbart. Auch eine wissenschaftliche Einrichtung hat bereits Interesse an der Mitwirkung bekundet.

Durchführung und Begleitung wird extern zu vergeben sein. Die dafür notwendigen finanziellen Mittel hängen von der Anzahl der Partner und von der konkreten Ausgestaltung des Modellversuchs ab.

Realisierungs- / Zeithorizont

  • Auftaktgespräch mit deutschen Städten 2. Quartal 2021.
  • Vertiefungsgespräche mit Städten, Einbeziehung wissenschaftlicher Einrichtung(en) 2./3. Quartal 2021.
  • Abstimmung eines Beteiligungskonzeptes konkret für Leipzig, unter anderem unter Einbeziehung der Kammern (HWK, IHK) und einschlägiger Verbände sowie von Fachverbänden aus dem Bereich Mobilität ca. 3./4. Quartal 2021
  • Abstimmungen mit dem Bund 3./4. Quartal 2021.
  • Bericht zu den Ergebnissen in Stadtratsgremien 4. Quartal 2021
  • Umsetzung (sofern rechtlich und finanziell möglich) ab 2022

Gemeinsame Neufassung der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD

Beschlussvorschlag:

Der Beschlussvorschlag wird wie folgt ersetzt:

  1. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, mit mehreren deutschen Städten und unter Einbezug des Deutschen Städtetags, die Rahmenbedingungen für einen Modellversuch zur testweisen Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts in einem abgegrenzten Stadtgebiet zu untersuchen, den Inhalt einer wissenschaftlichen Begleitung abzustimmen, sowie den Modellversuch anschließend mit diesen und/oder weiteren Städten durchzuführen.
  2. Der Oberbürgermeister unterbreitet dem Stadtrat bis Ende des 4. Quartals 2021 einen Vorschlag, welches abgegrenzte Stadtgebiet in Leipzig für einen solchen Modellversuch sinnvoll nutzbar wäre.
  3. Der Oberbürgermeister setzt sich im Rahmen der Definition dieses Modellversuchs dafür ein, dass der Versuchsaufbau so gewählt wird, dass neben Betrachtungen des Verkehrsflusses eben auch Fragen der zu erwartenden Schadstoffemissionen und der Verkehrssicherheit eine besondere Berücksichtigung finden. Da eine Tempo-30-Regelung immer dann einen besonderen Einfluss auf den ÖPNV hat, wenn er sich den Straßenraum mit dem motorisierten Verkehr teilt, sollen für den Versuch in Leipzig auch die Leipziger Verkehrsbetriebe eingebunden werden.

Beschluss der Ratsversammlung vom 24. März 2021

Der Antrag wurde mit 43/23/0 so beschlossen

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