Anfrage: Umweltfreundliche, sozialverträgliche und innovationsfördernde öffentliche Beschaffung

Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 20. Mai 2020

 

Derzeit ist das Thema Beschaffung bundesweit von großem Interesse. Die aktuelle Krisensituation, bedingt durch die Corona-Pandemie, hat das BMWi bereits dazu veranlasst eine schnellere und effizientere Beschaffung zu ermöglichen, beispielsweise über das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 119 Abs. 5 GWB i. V. m. §§ 14 Abs. 4, 17 Vergabeverordnung (VgV).[1]

 

Durch flexible EU-Regeln zur Vergabe öffentlicher Aufträge in der Coronakrise können z. B. persönliche Schutzausrüstung, lebensrettende Beatmungsgeräte und andere medizinische Hilfsmittel schneller bereitgestellt werden.[2]

Bereits heute müssen wir uns allerdings auf die wirtschaftlich herausfordernde Zeit nach der Pandemie vorbereiten und alle Möglichkeiten einer zukunftsorientierten Beschaffung schon jetzt diskutieren. Werden mehr Leistungen beschafft, die umweltbezogene, soziale und innovative Belange in besonderer Weise berücksichtigen, kann dies nicht nur zu einer krisenresistenteren Wirtschaft beitragen; Verfahren der innovationsorientierten Beschaffung können ein wichtiger Baustein sein, aus der Krise eine Chance zu machen, gerade für kleinere und mittlere Unternehmen.

 

Mit den EU-Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU[3] wurden öffentlichen Auftraggebern Wege für die umweltfreundliche und sozialverträgliche Vergabe aufgezeigt. Darüber hinaus wurde explizit die innovationsfördernde Beschaffung ermöglicht. Es existieren umfangreiche Leitfäden, wie öffentliche Auftraggeber - darunter auch explizit Kommunen - für solche Vergabeverfahren befähigt werden können.[4] Auch der Bund hat eine sehr umfangreiche Kompetenzstelle eingerichtet, die sich ebenfalls explizit an kommunale Auftraggeber richtet.[5] Weiterhin bestehen Förderanreize, die kommunale Auftraggeber motivieren sollen, innovationsfördernde Vergabeverfahren zu wagen.[6]

 

Eine nachhaltigere Beschaffungspolitik könnte beispielsweise die Kreislaufwirtschaft fördern und somit die Abhängigkeit von anderen Ländern durch den sinkenden Bedarf an Rohstoffen minimieren. Die aktuelle Situation um die Covid-19-Pandemie verdeutlicht hier, welches Risiko von vorwiegend globalen Lieferketten ausgeht. Darüber hinaus könnten gezielt regionale Auftragnehmer gefördert werden, um Innovationen vor Ort zu ermöglichen. Davon profitiert die regionale Wirtschaft, aber auch die Kommune direkt und indirekt unter anderem durch höhere Gewerbesteuererträge, sichere und attraktive Arbeitsplätze sowie eine stärkere Kaufkraft der Beschäftigten.

 

Vor diesem Hintergrund fragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an:

 

  1. Welche Erfahrungen hat die Stadt Leipzig bereits mit dem Thema ‚Innovative Beschaffung’ gemacht?
  2. Inwiefern berücksichtigt die Stadt Leipzig bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verbindlich die Möglichkeiten umweltorientierter[7] und sozialverträglicher[8] Auftragsvergabe im Sinne der in den Fußnoten dieser Frage angegebenen Handbücher und Leitfäden?
  3. Wurden Mitarbeiter*innen der Stadt Leipzig durch das Kompetenzzentrum des Bundes[9] geschult und/oder besteht ein informeller oder strukturierter Austausch mit anderen Kommunen? Plant die Stadt Leipzig den Aufbau einer interdisziplinären und zentralen Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, beispielsweise nach dem Vorbild der Stadt Ludwigsburg?[10]
  4. Verfahren der vorkommerziellen Auftragsvergabe ermöglichen es, breit und kostenintelligent FuE-Dienstleistungen auszuschreiben, während Industrie und KMU ausreichende Rechte zur Weiterverwendung der erfolgreichen Ergebnisse bei anderen Projekten eingeräumt werden.[11] Inwiefern verfügt die Stadt Leipzig über die Kapazitäten, kleine und mittelständige Unternehmen zu dieser Thematik einführend und sachkundig zu beraten und inwiefern verfügt die Stadt Leipzig über das Personal und Sachverständigkeit, Verfahren der vorkommerziellen Auftragsvergabe im Sinne der EU-Leitlinie durchzuführen?

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[1] Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 119 Abs. 5 GWB i. V. m. §§ 14 Abs. 4, 17 Vergabeverordnung (VgV)

[2] https://ec.europa.eu/germany/news/20200401-vergabe-oefentlicher-auftraege_de

[4] https://ec.europa.eu/info/policies/public-procurement/support-tools-public-buyers/innovationprocurement_de

[7] https://ec.europa.eu/info/policies/public-procurement/support-tools-public-buyers/green-procurement_de

[8] https://ec.europa.eu/info/policies/public-procurement/support-tools-public-buyers/social-procurement_de

[9] https://www.koinno-bmwi.de/koinno/

[10] https://www.koinno-bmwi.de/fileadmin/user_upload/praxisbeispiele/KOINNOPraxisbeispiel_2020_87_Aufbau_einer_ interdisziplinaeren_Kompetenzstelle_fuer_nachhaltige_Beschaffung_in

_der_Stadt_Ludwigsburg.pdf

[11] https://ec.europa.eu/digital-single-market/pre-commercial-procurement

 

Antwort der Verwaltung:

Vorbemerkungen:
Die Förderung einer Kreislaufwirtschaft, die die Abhängigkeiten minimiert, regionale Auftragnehmer berücksichtigt und lokale Innovationen befördert liegt im Interesse der Stadtverwaltung Leipzig. Die Stadtverwaltung berücksichtigt im rechtlich möglichen Rahmen auch die Berücksichtigung umweltfreundlicher, sozialverträglicher und innovationsfördernder öffentlicher Beschaffung. Für die Gesamtstadtverwaltung gilt das „Konzept zur fairen und nachhaltigen Beschaffung“, das grundsätzlich in die gleiche Richtung geht.

Antworten
zu 1.
Bis dato wurden bei der Vergabe von Lieferung und Leistungen noch keine Erfahrungen nach § 18f. VgV im Hinblick auf die Beschaffung von Innovationen gemacht. Bzgl. innovativer Beschaffungsprozesse erfolgt, sofern machbar u. a. zum Teil eine umfassende Betrachtung der Lebenszykluskosten und Leistungsgrößen.

zu 2.
Die Prüfung, inwieweit umweltorientierte und sozialverträgliche Aspekte integriert werden, erfolgt bei der Grundlagenermittlung für das Vergabeverfahren. Im Zuge dessen wird dann festgelegt, ob die zu berücksichtigenden Aspekte Teil der Leistungsbeschreibung sind oder ob Sie Bestandteil der Zuschlagskriterien werden.

zu 3.
Im Bereich VOL/VgV erfolgt jährlich eine Schulung („Update-Wissen im Vergabewesen“) in der auch Aspekte der umweltorientierten und sozialverträglichen bzw. fairen und nachhaltigen Beschaffung thematisiert werden. Zudem erfolgt ggf. die Teilnahme an spezifischen Schulungen in diesem Kontext. Eine Schulung durch das Kompetenzzentrum des Bundes erfolgt bis dato nicht. Bei Bedarf wird auf das Kompetenzzentrum des Bundes zurückgegriffen.

Darüber hinaus besteht auf Arbeitsebene ein Arbeitskreis in Sachsen zwischen den Städten Dresden, Chemnitz, Zwickau und Plauen, wo spezielle auch neue und innovative Vergaben besprochen/ausgetauscht werden können.

zu 4.
Bisher ist der Bedarf an FuE-Dienstleistungen seitens der Stadtverwaltung als eher gering einzuschätzen. Sofern eine solche Ausschreibung ansteht, wird die Stadtverwaltung dies mit bestehenden Personal bearbeiten.

Für die Beratung der kleinen und mittelständigen Unternehmen sind die entsprechenden Kammern zuständig.

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