Antrag: Vielfältige Männerbilder ermöglichen – für ein gewaltfreies Leben für Alle!
Antrag vom 08. September 2023
Beschlussvorschlag:
- Im Zuge der Erarbeitung des dritten Gleichstellungsaktionsplans werden in den Handlungsfeldern „Kampf gegen Geschlechterstereotype“ und „Geschlechtsspezifische Anti-Gewaltarbeit“ Projekte, Maßnahmen und Kampagnen zur frühzeitigen Förderung vielfältiger Männerbilder erarbeitet und finanziell untersetzt. Dabei wird der Fokus stärker als bisher auf Gewaltprävention sowie auf Täterarbeit gelegt.
- Die Stadt Leipzig verbessert und entwickelt die Rubrik “Männer” auf der Internetpräsenz kurzfristig weiter, so dass weitere Informationen zum Thema vielfältige Männerbilder sowie Unterstützung und Ressourcen zur Auseinandersetzung mit Männlichkeit angeboten werden.
Begründung:
Männer stehen in unserer Gesellschaft häufig unter Druck – dem Druck, Leistung zu erbringen, erfolgreich zu sein, keine Schwäche zu zeigen und sich gegenüber Anderen im Wettbewerb durchzusetzen. Vielerorts wird noch immer ein solch rigides Männerbild propagiert. Gleichzeitig steigt die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt[1], unter der vor allem Frauen und Kinder leiden. Die Schutzhäuser und Hilfsangebote sind überlastet.
Die hauptsächlich Betroffenen von häuslicher Gewalt sowie Partnerschaftsgewalt sind Frauen. Täter sind dabei in der weit überwiegenden Mehrheit der Fälle Männer.[2] Häusliche Gewalt ist im Wesentlichen eine Folge problematischer Rollenvorstellungen und erlernter Verhaltensmuster, die auf männlicher Dominanz und Kontrolle basieren. Einstellungs- und Verhaltensmuster, die emotionaler, psychischer und körperlicher Gewalt den Boden bereiten, werden auch als sogenannte „Toxische Männlichkeit“ bezeichnet. Toxische Männlichkeit bezeichnet ein Rollenverständnis, in welchem Männer möglichst dominant auftreten sollen, Gefühle wie Schwäche, Angst oder Unsicherheit nicht zeigen dürfen, stattdessen Wut und Aggression als einzig zulässige männliche Gefühle gelten. Sowohl Frauen als auch nicht der dominant-männlichen Norm entsprechende Personen werden hier als untergeordnet angesehen.
Diese Vorstellungen von Männlichkeit haben nicht nur negative Auswirkungen auf Frauen und Mädchen, sondern auch gravierende Folgen für die Gesellschaft insgesamt sowie für Männer selbst. So geht das Aufwachsen mit diesem Männlichkeitsbild für Männer häufig mit negativen gesundheitlichen Folgen einher.[3] In einer aktuellen Umfrage von Plan International geben 50 Prozent der männlichen Befragten an, sie würden gesundheitliche Probleme nicht beachten – in der Annahme, diese gingen von selbst weg. 63 Prozent geben an, dass sie sich in ihrem Innern manchmal traurig, einsam oder isoliert fühlen. Und 71 Prozent der befragten jungen Männer glauben, persönliche Probleme selbst lösen zu müssen, ohne um Hilfe zu bitten.[4] Ein rigides Männlichkeitsbild führt darüber hinaus zu Gewaltbereitschaft, mit sich selbst, untereinander und gegen andere – in Form von Trans-, Queer- und Frauenfeindlichkeit, Gewalt gegenüber Kindern sowie Diskriminierung und Rassismus.
Um dieser Art von problematischen Rollenvorstellungen, Einstellungen und Verhaltensmustern vorzubeugen und damit Gewalt zu verhindern, müssen wir präventiv agieren. Genau dazu verpflichtet uns die Istanbul-Konvention, die die Bundesregierung ratifiziert hat: Jeder Mensch hat das Recht darauf, gewaltfrei zu leben. Gewalt schränkt die Betroffenen in ihrer Freiheit, persönlichen Entfaltung und Lebensgestaltung ein. Neben der auskömmlichen Finanzierung von Gewaltschutz, wird es jedoch nie ausreichen nur Mittel und Personal in den Aufbau von Schutzhäusern zu stecken.
Es ist von entscheidender gesellschaftlicher Bedeutung, vielfältige Bilder von Männlichkeit zu fordern und zu fördern, damit Gewalt, Unterdrückung und emotionale Belastung abnehmen und ungleiche Geschlechterverhältnisse ausgeglichen werden. Außerdem müssen Angebote der Täterarbeit in der Stadt Leipzig ausgebaut werden.[5]
In manchen Kontexten wird als Gegenentwurf zu den benannten problematischen Männlichkeitsvorstellungen von "gesunder Männlichkeit" oder "positiver Männlichkeit" gesprochen. Wichtig ist bei diesen Gegenentwürfen, dass Männer ihre Gefühle ausdrücken können und mit anderen in Mitgefühl und Respekt interagieren, sich für Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Eine so gefasste „positive Männlichkeit“ ermutigt Männer dazu, eine größere Breite von emotionalen Ausdrucksformen zu entwickeln und jene Vorstellungen von Männlichkeit zu überwinden, die mit Dominanz, Kontrolle und Macht-ausübung einhergehen.
Zu Beschlusspunkt 1)
Mit Projekten, Maßnahmen und Kampagnen zur Förderung positiver Männlichkeit soll unsere Stadt beispielsweise folgende Themen behandeln:
- Erziehung: Informationen für Eltern und Erziehungsberechtigte, um vielfältige Männerbilder bei Kindern zu fördern. Erziehungstipps und Ressourcen, die Eltern dabei unterstützen, ihre Kinder in einer respektvollen, unterstützenden und gleichberechtigten Umgebung aufwachsen zu lassen.
- Bildung: Sensibilisierung der jüngeren Bevölkerung durch die Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen, sowohl im formellen als auch im informellen Bildungsbereich. Diese Maßnahmen sollen es ermöglichen, mit Kindern und Jugendlichen über verschiedene, vielfältige Männlichkeitsmodelle zu sprechen. Programme anbieten, die Jungen und Männer positiv in die Gesellschaft integrieren und gesunde Beziehungen fördern, die frei von Missbrauch und Gewalt sind.
- Kultur: Förderung der Schaffung von Werken und Räumen in städtischen Kultureinrichtungen, die dieses Thema behandeln und Vorschläge machen, die die gesamte Gesellschaft erreichen und die Debatte über Probleme der hegemonialen Männlichkeit eröffnen.
- Sport: Der Sportsektor ist ein soziales Umfeld, in dem die Rolle der stereotypischen Männlichkeit stark präsent ist. Daher sollte in Zusammenarbeit mit Sportorganisationen an Schulungen und Sensibilisierungskampagnen gearbeitet werden.
- Positive Vorbilder: Mit einer Kampagne zur Förderung positiver Vorbilder kann unsere Stadt dazu beitragen, gesündere und vielfältigere Rollenbilder zu schaffen, die das Wohlbefinden von Männern und Menschen allgemein fördern und zur Veränderung problematischer sozialer und kultureller Normen im Zusammenhang mit Männlichkeit beitragen. Hier knüpfen wir auch an den Ratsbeschluss VII-A-07081 für eine Kampagne gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum an.
Zu Beschlusspunkt 2)
Die Gestaltung einer Unterseite auf der Internetpräsenz unserer Stadt in Bezug auf positive Männlichkeit sollte darauf abzielen, Informationen, Ressourcen und Unterstützung für Männer und die Gesellschaft insgesamt bereitzustellen. Hier sind einige sinnvolle und informative Elemente, die in den Aufbau der Webpage einbezogen werden könnten:
- Männer-Rubrik: Eine einladende und ansprechende Website, die zu problematischen Männlichkeitsvorstellungen sowie zu vielfältigen Männerbildern informiert und die Besucher*innen der Seite ermutigt, mehr darüber zu erfahren. Eine kurze Zusammenfassung der Ziele der Stadt in Bezug auf vielfältige Männerbilder und wie diese die Gemeinschaft insgesamt positiv beeinflussen können.
- Ressourcen und Unterstützung: Eine umfassende Liste von Ressourcen und Unterstützungsangeboten für Männer, die sich mit eigenen Männlichkeitsvorstellungen auseinandersetzen möchten, Hilfe oder Beratung benötigen. Links zu lokalen Organisationen, die sich mit Männerfragen und Geschlechtergerechtigkeit beschäftigen sowie solchen, die Beratung für gewaltausübende Männer anbieten.
Veranstaltungen und Workshops: Eine Liste von geplanten Veranstaltungen, Workshops oder Kampagnen, die sich mit vielfältigen Männerbildern befassen. Möglichkeiten für die Besucher, sich für diese Veranstaltungen anzumelden oder weitere Informationen zu erhalten.
[1] „Die Zahlen von polizeilich registrierter Häuslicher Gewalt steigen nahezu kontinuierlich an, in den letzten fünf Jahren um 13 Prozent.“ aus: Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 11.07.2023, https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/07/lagebild-hg.html
[2] „Ganz überwiegend trifft Gewalt im häuslichen Kontext Frauen: 80,1 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt und 71,1 Prozent der Opfer Häuslicher Gewalt insgesamt sind weiblich. Von den Tatverdächtigen bei Partnerschaftsgewalt sind 78,3 Prozent Männer, im Gesamtbereich der Häuslichen Gewalt 76,3 Prozent.“ siehe ebd.
[3] https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/was-ist-toxische-maennlichkeit/
[4] Spannungsfeld Männlichkeit – So ticken junge Männer zwischen 18 und 35 Jahren in Deutschland, Befragung von Plan International von März 2023, Seite 6: https://www.plan.de/fileadmin/website/04._Aktuelles/Umfragen_und_Berichte/Spannungsfeld_Maennlichkeit/Plan-Umfrage_Maennlichkeit-A4-2023-NEU-online.pdf
[5] Zur Rolle und Bedeutung der Täterarbeit siehe: https://www.bpb.de/themen/gender-diversitaet/femizide-und-gewalt-gegen-frauen/524191/taeterarbeit-in-die-krise-rein/