Antrag: Beachtung der Effekte des Mindestlohns beim Ansatz „Leistungen für Unterkunft und Heizung“

Antrag vom 15.01.2015

Beschlussvorschlag

Der Ansatz „Leistungen für Unterkunft und Heizung“ wird 2015 um 10 % und 2016 um 15 % gekürzt. 

Begründung:

Nicht nur in den westeuropäischen EU-Ländern ist der Mindestlohn seit Jahrzehnten verankert. Auch in den jungen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten Kroatien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien gibt es gesetzliche Mindestlöhne. Es ist daher höchste Zeit, dass Deutschland nachzieht.

Der Mindestlohn führt zu deutlichen Mehreinnahmen in den öffentlichen Haushalten in den Bereichen der Sozialversicherung, Einkommenssteuer u.a..
In Großbritannien wurde der gesetzliche Mindestlohn 1999 eingeführt. Sowohl empirische Studien als auch die Praxiserfahrung im Land zeigen, dass seit Einführung der nationalen Lohnuntergrenze die Beschäftigung zu- und nicht abgenommen hat, insbesondere auch in denjenigen Branchen, in denen Mindestlöhne gezahlt werden. Dies führte zu einer breiten Unterstützung des Mindestlohns in Politik und Bevölkerung. Im internationalen Vergleich liegt der britische Mindestlohn mit 7,61 €/Stunde sogar nur im Mittelfeld. Die unabhängige Kommission für niedrige Löhne ("Low Pay Commission", LPC), die jährlich einen Bericht vorlegt und Empfehlungen zum Mindestlohn abgibt, bestätigt, dass sich nicht nur das Einkommen vieler Arbeiter/-innen erhöht hat seit seiner Einführung, sondern sich außerdem die Beschäftigungssituation in Großbritannien verbesserte, gerade auch im Niedriglohnsektor.

Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns wird zahlreiche Geringverdiener in die Lage versetzen, ihren Lebensunterhalt selbstständig und ohne oder mit deutlich weniger Unterstützung der Stadt und des Staates zu bestreiten. So erhält man zum Beispiel in einem anzunehmenden Fall (Alleinstehend, ohne Kinder bei 40 Stunden Arbeit) einen Netto-Lohn von über 1000 €, in Teilzeit immer noch 250 € Nettolohn mehr. Es gibt eine Schätzung des DGB, dass allein in Leipzig ca. 26.000 Vollzeitbeschäftigte zum Teil deutlich von den Lohnerhöhungen profitieren.

Natürlich wird es weiter zahlreiche Anspruchsberechtigte, besonders die ohne Arbeit und die in Teilzeit arbeiten, geben, was den immer noch verbleibenden sehr hohen Ansatz rechtfertigt. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) besagt, dass die Sozialkassen der Kommunen in Deutschland – und hier dürfte der Osten besonders Nutznießer sein – mit bis zu 3 Mrd. € Entlastung rechnen können.

Insofern ist es in keiner Weise sachgerecht, sogar noch eine Erhöhung des Budgets in Ansatz zu bringen. 


Verwaltungsmeinung:

Ablehnung

Die Auswirkung der Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 € je Stunde auf den Ansatz der Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) wurde bereits in der Haushaltsplanung berücksichtigt. Die Höhe der Einsparungen konnte auf Grund fehlender oder teilweise widersprüchlicher Szenarien der Wirtschaftsforschungs- und Arbeitsmarktinstitute zu diesem Thema zum Zeitpunkt der Planung nur annäherungsweise ermittelt werden. Nach Einschätzung der Verwaltung ergibt sich dadurch eine Einsparung bei den KdU von jährlich ca. 1,1 Mio. €. Der überwiegende Teil des gesamten Einsparpotentials entfällt auf die vom Bund finanzierten Regelbedarfe. Eine Kürzung der KdU für 2015 um 10% und für 2016 um 15% ist aus folgenden Gründen nicht gerechtfertigt.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung e.V. hat ermittelt, dass ca. ein Viertel der Beschäftigten in den neuen Bundesländern ein Einkommen unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns hat. Der Bruttoverdienst dieser Beschäftigten wird durch die Anhebung des Mindestlohns auf 8,50 € je Stunde um 41% steigen (vgl. DIW Berlin; Wochenbericht 39/2013 vom 25.09.2013). Bei der Ermittlung der möglichen Einsparung an KdU wurden diese Aussagen auch für die in der Stadt Leipzig lebenden Bezieher/-innen von ALG II unterstellt. Zum Zeitpunkt der Haushaltsplanung gab es in Leipzig ca. 15.500 abhängig erwerbstätige Personen mit ergänzendem ALG II-Bezug. Nur für einen geringen Anteil dieser Personen wird sich der Mindestlohn auf die KdU auswirken. Das hat zwei Ursachen.

Zum einen werden vom Einkommen leistungsberechtigter Personen zuerst die vom Bund finanzierten Regelbedarfe gedeckt (§ 19 Abs. 3 S. 2 SGB II). Damit hat die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns für die 8.200 Leistungsberechtigten mit einem Einkommen von bis zu 450 € brutto keine Auswirkungen auf die KdU. Nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben und Freibeträgen verbleibt diesem Personenkreis von dem gestiegenen Erwerbseinkommen nur so viel, dass davon gerade der eigene Regelbedarf gedeckt werden kann und weiterhin ergänzender Bedarf an KdU besteht. Nach ersten Erfahrungen des Jobcenters wurden zum Jahreswechsel bei diesen Beschäftigten zum Teil die wöchentlichen Arbeitszeiten abgesenkt. Damit werden die gesetzlichen Bestimmungen zum Mindestlohn eingehalten, die Leistungsberechtigten erzielen aber kein höheres monatliches Einkommen.

Für die 1.800 Leistungsberechtigten mit einem Einkommen von über 1.200 € ist davon auszugehen, dass diese bereits einen Stundenlohn auf dem Niveau des Mindestlohnes erhalten. Ein monatlicher Bruttoverdienst von 1.200 € wird schon bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden und einem Stundenlohn von 8,50 € erzielt. Für diese Gruppe von Beschäftigten ergeben sich ebenfalls keine Einsparungen bei den KdU.

Der gesetzliche Mindestlohn wird sich daher nur bei einem Teil der rund 5.500 Arbeitnehmer/-innen mit einem Erwerbseinkommen zwischen 450 € und 1.200 € überhaupt mindernd auf die KdU auswirken. Das betrifft ca. 1.350 Personen, die häufig in Bedarfsgemeinschaft mit anderen Personen (Partner/-in, Kinder) leben. Auch diese Bedarfsgemeinschaften müssen das gestiegene Einkommen vorrangig zur Deckung ihres gesamten Regelbedarfes einsetzen, bevor das restliche Einkommen auf die KdU angerechnet wird. Nach Einschätzung der Verwaltung benötigen diese Bedarfsgemeinschaften monatlich ca. 70 € weniger an ergänzenden Leistungen für LfU. Damit ergibt sich eine jährliche Einsparung in diesem Bereich von ca. 1,1 Mio. €. 

Votum der Ratsversammlung am 18. März 2015

Ablehnung

Zurück