Bewertungssystematik für die Förderung von Jugendhilfeeinrichtungen im Haushalt 2014 (Anfrage 1024/13)

Anfrage in der Ratsversammlung vom 11.12.2013

Im Oktober 2013 entschied das Verwaltungsgericht Leipzig, dass die Stadt Leipzig ein zeitgemäßes Förderverfahren in der Jugendhilfe unter Berücksichtigung gestiegener Kosten bei den Leistungserbringern finden muss. Im November legte die Stadtverwaltung in interner Sitzung einen Verfahrensvorschlag vor. Darin sind Medienberichten zufolge Kürzungsvorschläge zu Jugendberatungseinrichtungen und Einrichtungen der Medienarbeit beinhaltet.

Wir fragen an:

  1. Wie bewertet der Oberbürgermeister das Urteil und den negativen Ausgang für das Handeln der Stadt im Umgang mit der Jugendhilfe?
  2. Welche Diskrepanzen ergaben sich aufgrund des Gerichtsurteils und die geplante Umsetzung dessen durch die Stadtverwaltung für den im vergangenen Jahr beschlossenen Fachplanung Kinder- und Jugendförderung?
  3. Welche Ziele verfolgt die Stadtverwaltung hinsichtlich der Sicherung und des ggf. Ausbaus der Jugendhilfeangebote vor dem Hintergrund der in den kommenden Jahren steigenden Zahlen von Kindern und Jugendlichen?
  4. Welche Systematik wählte die Stadtverwaltung für die Umsetzung des Gerichtsurteils? Wird den Fachpolitikern und Gremien dazu noch Mitwirkung ermöglicht?
  5. Welche andere Herangehensweisen sind ebenfalls möglich? Warum wurden sie verworfen?
  6. Welches sind die Kriterien, nach denen die Jugendberatungseinrichtungen und die Einrichtungen der Medienarbeit bewertet wurden? Wie erklären Sie nach dieser Herangehensweise das Ergebnis?
  7. Wurde im Rahmen der Fördermittelantragstellung Kritik gegenüber den langjährigen Leistungserbringern und städtische Qualitätserwartungen formuliert oder wurden sie hinsichtlich der Anforderungen der Stadt Leipzig an zu leistende Arbeit beraten?
  8. Welche Konsequenzen wird das Urteil über die Haushaltsfragen hinaus für die Stadt Leipzig haben?

Antwort der Verwaltung in der Ratsversammlung hier als Protokollauszug: 

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian antwortet, die Förderpraxis in der Kinder- und Jugendförderung werde auf der Grundlage der im Teilfachplan „Kinder- und Jugendförderung“ formulierten fachlichen Schwerpunkte weiterentwickelt.

Das in der Anfrage erwähnte Gerichtsurteil stehe nicht im Konflikt zum Teilfachplan „Kinder- und Jugendförderung“. Die im Fachplan beschriebene fachliche Umsteuerung der Förderung sei weiterhin Schritt für Schritt geplant.

Ziel der Jugendhilfeangebote sei die Umsetzung des Fachplanes „Kinder- und Jugendförderung“.

Die Systematik enthalte neben der Einzelfallprüfung aller Anträge die Bildung von Planungsraumbudgets auf der Grundlage demografischer und sozioökonomischer Kennzahlen. Die Systematik sei im Unterausschuss Finanzen des Jugendhilfeausschusses vorgestellt und erörtert worden. Diese Diskussion werde weitergeführt. Das Förderkonzept werde durch Fachvertreter der einzelnen Leistungsbereiche im Rahmen der Arbeit der Fach-AG und unter Einbeziehung des Jugendhilfeausschusses weiterentwickelt.

Die bisherige Herangehensweise mit der Orientierung an der Förderung des Vorjahres und gegebenenfalls einer prozentualen Kürzung aller Angebote zum Erhalt der bestehenden Jugendhilfelandschaft entspreche nicht den Intentionen des Fachplanes und sei im Gerichtsurteil kritisiert worden.

Jugendberatungsstellen seien wichtige und stadtweit ausgerichtete Angebote in Leipzig. Daher solle die Initiative vom Jobcenter und von der Agentur für Arbeit zur Einrichtung eines „Hauses u 25“ – Arbeitstitel – als zentralem Anlaufpunkt für Hilfen aus einer Hand durch die Bereitstellung einer zentralen Jugendberatungsstelle in diesem Haus unterstützt werden. Es sei vorgesehen, die medienpädagogischen Angebote in Leipzig auch 2014 weiterzuführen.

In der Umsetzung des Fachplanes „Kinder und Jugendförderung“ würden im Rahmen der Arbeit der Koordinatoren für Jugend und Bildung in den einzelnen Planungsräumen alle Träger und Leistungsempfänger begleitet und beraten. Wenn Veränderungen notwendig seien oder wenn Qualitätserwartungen nicht erfüllt würden, werde dies mit den jeweiligen Trägern besprochen und es würden gemeinsam Lösungswege erarbeitet.

Die Verwaltung gehe davon aus, dass die geplante und gemeinsam mit den Trägern durchzuführende Umsteuerung in den Planungsräumen entsprechend der dort vorhandenen Bedarfslage entwickelt werde und vor dem Hintergrund des Gerichtsurteils auch umsetzbar sei.

Stadträtin Nagel (Fraktion DIE LINKE) merkt an, nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtes sei es jetzt möglich, eine über Jahre verschleppte oder aus finanziellen Gründen nicht durchführbare Erhöhung von Personal- und Sachkosten vorzunehmen. Man müsse aber auch darüber sprechen, dass dies zur Folge habe, dass fünf Projekte der Jugendhilfe geschlossen werden müssten. Der Bürgermeister habe mehrmals den Fachplan angesprochen, den der Stadtrat vor anderthalb Jahren mit großer Mehrheit beschlossen habe. Daher frage sie, Nagel, ob und wie es möglich sein werde, den Fachplan trotz der vorgesehenen Schließungen weiterhin zu erfüllen.

Im Förderverfahren erlebe man, dass oftmals ad hoc neue Kürzungsvorschläge gemacht würden. Die Medienprojekte seien jetzt wieder ausgenommen worden; dafür aber seien neue Offene Treffs vorgeschlagen. Stadträtin Nagel fragt, ob dies nicht eine Situation sei, die für neue Verunsicherung bei den Trägern führe, und ob es nicht besser wäre, wenn man aus dem Etat Geld entnehmen könnte, um den Bestand zu erhalten und die steigenden Kosten zu refinanzieren. Dies wäre doch ein verantwortungsvoller Umgang der Verwaltung mit der Landschaft der Jugendhilfeträger in Leipzig.

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian wiederholt seine Bemerkung, dass man sich bisher bei den Fördervorschlägen und –entscheidungen jeweils am Vorjahr orientiert habe. Zumindest im Jugendhilfeausschuss habe bis dato Einigkeit darüber bestanden, dass die existierenden Angebote nicht angetastet, sondern wie bisher weitergeführt werden sollten. Das habe dazu geführt, dass bei Kostensteigerungen in einzelnen Angeboten Leistungseinschränkungen erfolgten. Trotzdem sei von der Verwaltung und auch von vielen freien Trägern geäußert worden, dass man sich grundsätzlich überlegen müsse, wie das zur Verfügung stehende Budget umgesetzt werden soll. Hinsichtlich einer Umsteuerung und einer Veränderung von Prioritäten bestehe wohl Konsens. Die Frage sei nur, wie diese Umsteuerung erfolgen soll. In dieser Hinsicht habe es in den vergangenen Wochen einige Irritationen gegeben, weil einige Veränderungen nach Vorliegen des Gerichtsurteils „mit heißer Nadel“ gestrickt worden
seien.

Derzeit sei die Situation so, dass die medienpädagogischen Angebote fortgeführt werden könnten, wenn die 100.000 €, die der erweiterte Finanzausschuss am vergangenen Sonnabend beschlossen habe, auch von der Ratsversammlung beschlossen würden. Allerdings sei zu erwarten – und das halte er, Fabian, auch für fachlich vertretbar –, dass die Jugendberatungsstellen mit dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit zusammengeführt werden. Man werde nicht umhin kommen, hier nachzusteuern. Im nächsten Jahr werde man dies für das Jahr 2015 auf der Basis einer breiter geführten Diskussion als in diesem Jahr tun müssen. Sicherlich seien sich alle darüber einig, dass man nicht beliebig immer wieder drauflegen könne. Auch aus der fachlichen Perspektive müssten Anpassungen möglich sein.

Die Kinder- und Jugendförderung sei stets in einem Gesamtzusammenhang zu sehen. Im aktuellen Fachplan liege ein Schwerpunkt auf der Familienbildung. Diese müsse weiterentwickelt werden. Im Moment müsse da aber finanziell nichts draufgelegt werden. Seit diesem Jahr gebe es Familienhebammen, und das PAAT-Projekt werde weiter fortgeführt. Das seien ganz konkrete Maßnahmen der Familienbildung, insbesondere für diejenigen Familien, die von den klassischen Familienangeboten nicht erreicht würden. Hier solle bei der aufsuchenden Arbeit ein Schwerpunkt gesetzt werden. Dies seien flankierende Maßnahmen, die er, Fabian, fachlich im Gesamtkontext Familienbildung sehe. Insofern müssten die verschiedenen Budgets immer mit dem abgeglichen werden, was in anderen Budgets passiere.

Der Stadtrat habe entschieden, dass nochmals 704.000 € für Schulsozialarbeit draufgelegt werden. Daher könne er, Fabian, sagen, dass sowohl der Stadtrat als auch die Verwaltung ihrer Verantwortung, eine angemessene Kinder- und Jugendförderung in Leipzig zu gewährleisten, nachkommen.

Stadträtin Krefft (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) staunt darüber, dass Bürgermeister Prof. Dr. Fabian die Anfrage beantwortet habe, als wäre nichts gewesen. Da sei eine 10-prozentige Kürzung zurückgenommen worden, und alle seien erleichtert gewesen, weil so die Möglichkeit geboten worden sei, in Ruhe zu überlegen, wie die Jugendhilfe in Leipzig finanziert werden könne. Dann aber seien in Umsetzung des Gerichtsurteils Kürzungen in Höhe von 450.000 € vorgenommen und Angebote komplett eingestellt worden. Jetzt aber tue der Bürgermeister so, als wäre das ein völlig normaler Prozess und als wäre das irgendwo vorbesprochen worden. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Die Fragen seien nicht wirklich beantwortet worden. Der Bürgermeister sei darüber hinweggegangen, dass es sich um eine ganz erhebliche Bombe handele.

Stadträtin Krefft fragt, ob Bürgermeister Prof. Dr. Fabian ihr zustimme, dass es für diejenigen, die davon betroffen seien, auch um die Existenz gehe. Da könne man nicht im November plötzlich erklären, ab dem neuen Jahr sei Schluss. Bei einer be-stätigten Jugendhilfeplanung, die umgesetzt werden soll, werde plötzlich gesagt, man habe jetzt 450.000 € weniger. Sie, Krefft, finde einen solchen Umgang nicht richtig, sondern höchst unwürdig. Der Unterausschuss des Jugendhilfeausschusses bespreche doch diese Themen, und da dürfe man nicht einfach diese Prozesse so stören.

Stadträtin Krefft möchte wissen, wie begründet werde, dass das Urteil sofort umgesetzt werden solle. Es sei ihr völlig neu, dass Urteile sofort umgesetzt würden. Gewöhnlich werde ein Zeitraum vorgegeben, in dem dem Urteil Genüge getan werden müsse. In dieser Zeit könne man sich Wege überlegen, um Einrichtungen nicht einfach schließen zu müssen. Sie frage, warum dies an dieser Stelle nicht geschehen sei.

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian stimmt der Feststellung von Frau Krefft zu, dass Urteile nicht von heute auf morgen umgesetzt werden müssen. Er habe auch eingeräumt, dass dieser Prozess nicht glücklich gelaufen sei und dass man sich im kommenden Jahr in einem weiteren Diskurs damit auseinandersetzen müsse. Nach der aktuellen Planung sei es jedoch so, dass es mit Ausnahme der Kinder- und Jugendberatung, die sinnvollerweise zusammengeführt werde, kaum noch Kürzungen gebe. Im Moment werde das Urteil auch nicht 1 : 1 umgesetzt, sondern es werde ein Weg gefunden – endgültig werde der Jugendhilfeausschuss entscheiden –, um die bestehende Landschaft aufrechtzuerhalten.

Stadträtin Hollick (Fraktion DIE LINKE) fragt, ob Bürgermeister Prof. Dr. Fabian ihr recht gebe, dass seine Formulierung, man könne den Jugendhilfeetat nicht beliebig erhöhen, nicht sehr angemessen gewesen sei. Dem Bürgermeister müsste doch am besten bekannt sein, dass fast alle, die in Jugendhilfeeinrichtungen arbeiten, nicht nach Tarif bezahlt werden, sondern sich selbst bis zum Letzten ausbeuten.

Im vergangenen Jahr habe der Stadtrat den Jugendhilfeplan verabschiedet. Dort
seien die sieben Koordinatorenstellen enthalten gewesen. So kurzlebig könne ein Plan doch nicht sein. Da müsste doch auch Bürgermeister Prof. Dr. Faber erklären, dass die Stadt das jetzt streichen müsse, weil sie das Geld dafür nicht bekomme. Der Bürgermeister gebe ihr sicherlich dahin gehend recht, dass angesichts der Kürzungen die Arbeit nicht wie bisher weiterlaufen könne.

Weiter fragt Stadtrat Hollick den Bürgermeister, ob dieser es nicht sehr konstruktiv gefunden habe, dass der stellvertretende Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses es ermöglicht habe, Wege zu finden, um fünf Offene Freizeittreffs doch zu erhalten.

Auf die von Frau Hollick zuletzt gestellte Frage antwortet Bürgermeister Prof. Dr. Fabian, die Verwaltung sei Herrn Ulrich für die Rolle, die er hier gespielt habe, und speziell dafür außerordentlich dankbar, dass er einen Weg gefunden habe, das im Rahmen des zur Verfügung stehenden Budgets die Jugendhilfeförderungslandschaft so aufrechterhalten bleiben könne.

Er, Fabian, finde es jedoch auch richtig zu sagen, dass der Fördereretat für die Kinder- und Jugendförderung nicht beliebig erhöht werden könne. Dieser Etat sei in den Jahren 2005 bis 2013 kontinuierlich aufgestockt worden. Flankierend dazu sei auf der Grundlage eines Stadtratsbeschlusses schon vor Jahren zusätzliche Schulsozial-arbeit eingeführt worden, die im Haushalt an anderer Stelle abgebildet sei. Dies müsse man ebenso hinzurechnen wie die Tatsachen, dass jetzt wieder 704.000 € für Schulsozialarbeit ausgegeben werden, dass die Stadt 4.000 Stellen im Rahmen des DAT-Projektes finanziere und dass es ein Programm Familienhebammen gebe. Dies müsse man doch im Gesamtkontext sehen. Daher meine er, Fabian, dass man hier nicht von Kürzungen sprechen könne, sondern dass es einen erheblichen Aufwuchs im Bereich der Kinder- und Jugendförderung und insbesondere für Kinder und Jugendlichen aus benachteiligten Familien gebe.

Ungeachtet dessen müsse man immer wieder fachlich überlegen, ob bestimmte Angebote in der bisherigen Form weitergeführt werden sollen und ob es nicht auch Schwerpunktverlagerungen vor aktuellen Anforderungen geben müsse. Sicherlich seien die meisten Fachleute mit ihm einer Meinung, dass man nicht 20 Jahre lang sagen könne, die Landschaft sei so richtig und müsse erhalten bleiben, auch wenn sich die Welt generell und auch in der Stadt Leipzig verändere.

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