Bündnisgrüne Stadtratsfraktion kritisiert rückwärtsgewandte Arbeitsmarktpolitik des CDU-Finanzbürgermeisters

Pressemitteilung vom 4. Juli 2025
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Leipziger Stadtrat übt scharfe Kritik an den Äußerungen des Ersten Bürgermeisters und Finanzbürgermeisters Torsten Bonew zur Arbeitszeitdebatte und fordert eine differenzierte Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Arbeitszeit, Produktivität und gesellschaftlichem Wohlstand.
In einem Interview mit dem Stadtmagazin Kreuzer (Ausgabe 05/25) hatte der CDU-Finanzbürgermeister erklärt, er würde Berufseinsteiger, die keine 40-Stunden-Woche mehr schaffen, "zum Betriebsarzt schicken" und behauptete, dass „Deutschland keine Leistungsgesellschaft“ mehr sein. Zudem äußerte er, beim Begriff "Work-Life-Balance" bekäme er "Pickel im Gesicht". Die ursprüngliche Anfrage wurde in der Ratsversammlung am 25. Juni 2025 nur sehr ausweichend beantwortet. Zudem vermochte es auch der Oberbürgermeister nicht, sich von den persönlichen Äußerungen seines Stellvertreters zu distanzieren.
In der mündlichen Ausführung auf unsere Nachfragen bestätigte dieser seine persönliche Sicht einmal mehr mit Äußerungen wie "dass wir in unserem Land zu wenig arbeiten" und "dass wir hart am Rand sind, unseren gesellschaftlichen Wohlstand durch zu wenig Arbeit zu verspielen" und bezog sich dabei auf angebliche Aussagen aus einem Gutachten der Wirtschaftsweisen.
Chantal Schneiß, Stadträtin und Sprecherin für Arbeitnehmer*innenrechte der Fraktion:
"Die Aussagen des Finanzbürgermeisters zeugen von einem erschreckend rückwärtsgewandten Verständnis moderner Arbeitswelt und ignorieren die Komplexität dieser völlig. Wir möchten mit un-seren Nachfragen die Faktenlage klären und eine konstruktive Debatte über zukunftsfähige Arbeitsmodelle anstoßen."
Die bündnisgrüne Fraktion weist darauf hin, dass aktuelle Gutachten der Wirtschaftsweisen keines-wegs eine Verlängerung der Arbeitszeit als Lösung für wirtschaftliche Probleme empfehlen, sondern vielmehr strukturelle Faktoren wie Bürokratie, schleppende Digitalisierung und hohe Energiepreise als Ursachen identifizieren.
Besonders kritisch sieht die Fraktion die fehlende Berücksichtigung der Care-Arbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird.
"Die Realität vieler Familien in Leipzig ist geprägt von der Herausforderung, Beruf und Familie zu vereinbaren. Starre 40-Stunden-Modelle sind mit der Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen oft nicht vereinbar, insbesondere angesichts begrenzter Kita-Öffnungszeiten und fehlender Betreuungsangebote in Randzeiten", betont Schneiß.
Die Fraktion fordert von der Stadtverwaltung unter anderem Auskunft darüber, wie viele Mehrarbeitsstunden die Beschäftigten in den letzten Jahren geleistet haben, wie sich Krankheitsquoten entwickelt haben und welche konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ergriffen wurden.
"Wer die Haushaltsprobleme der Stadt durch längere Arbeitszeiten lösen will, hat die wirklichen Ursachen nicht verstanden. Wir brauchen strukturelle Antworten auf strukturelle Probleme – und eine moderne Arbeitswelt, die Menschen nicht ausbrennt, sondern ihre Potenziale fördert“, so Chantal Schneiß abschließend.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erwartet eine umfassende Beantwortung der Anfrage in der nächsten Ratsversammlung am 27. August und wird das Thema weiter kritisch begleiten.