Dringliche Anfrage: Vorläufiger Jahresabschluss 2017 und Gründe für die Haushaltssperre


Dringliche Anfrage vom 11. Mai 2018 zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 20. Juni 2018

Aus Äußerungen des Kämmerers gegenüber den Medien ist zu entnehmen, dass ein deutlich positiv über der Erwartung liegender Jahresabschluss der Stadt für das Wirtschaftsjahr 2017 zu verzeichnen ist. Unverständlich ist für uns, dass dem Stadtrat über ein viertel Jahr nach Kassenschluss für das Jahr 2017 immer noch keine offiziellen Informationen über das voraussichtliche Jahresergebnis 2017 vorliegen. Sollte dieses entsprechend der Medienberichterstattung so positiv sein, wie kolportiert, dann wäre bei gleichbleibend positiver Konjunktur und wachsender Bevölkerungszahl auch für 2018 mit einem durchaus guten Ergebnis zu rechnen.

Dagegen verhängte der Finanzbürgermeister am 27. April 2018 eine Haushaltssperre. Begründet wurde dies in einer lapidaren und wenig inhaltsreichen Pressemitteilung, um die finanzielle Stabilität und Handlungsfähigkeit der Stadt zu gewährleisten, da angesichts anhaltender Kostensteigerungen bei gesetzlichen Pflichtaufgaben und dem erheblichen Mittelbedarf für dringende Investitionen in die soziale Infrastruktur andernfalls eine Schieflage im Haushalt drohe.

Angesichts des erst vor drei Monaten verabschiedeten Nachtragshaushalts der Stadt, in dem man bereits hätte gegensteuern können, kommt dieser Schritt für viele überraschend.


Wir fragen daher an, wie dramatisch es tatsächlich um den städtischen Haushalt steht:

  1. Wie hoch ist das vorläufige Rechnungsergebnis für 2017 und warum wurde der Stadtrat bislang nicht darüber informiert?
  2. Wie haben sich die Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommenssteuer sowie die Schlüsselzuweisungen aus dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) im vergangenen Jahr im Vergleich zu den Erwartungen entwickelt?
  3. Welche Veränderungen sind seit dem erst im Januar beschlossenen Nachtragshaushalt eingetreten und warum?
  4. Inwiefern haben sich die Erwartungen beim Ergebnishaushalt seit dem Beschluss des Nachtragshaushaltes geändert und warum?
  5. Welche genauen Gründe waren letztlich ausschlaggebend für die ausgesprochene Haushaltssperre?


Beantwortung der Dringlichen Anfrage in der Ratsversammlung am 16. Mai 2018

Bürgermeister Bonew: Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Bürgermeister! Sehr verehrte Damen und Herren Stadträte! Den implizierten Vorwurf einer mangelnden Information des Stadtrates ist grundlegend zu widersprechen. Über die Absicht, eine Haushaltssperre zu verhängen, sowie die dieser Absicht zugrunde liegenden Ursachen und Entwicklungen wurden von mir sowohl der Stadtrat als auch der Fachausschuss Finanzen sowie die finanzpolitischen Sprecher der Fraktionen in-formiert.
Ferner ist der erwähnten Pressemitteilung eindeutig zu entnehmen, dass die Haushaltssperre vordergründig angesichts einer angespannten Liquiditätssituation der Stadt Leipzig verhängt wurde, an der sich auch durch Überschüsse im Ergebnishaushalt leider nichts ändert. Insbesondere die erheblichen Anstrengungen im investiven Bereich setzen die Verfügbarkeit liquider Mittel voraus, da Auftragnehmer nicht zahlungswirksame Erträge wie etwa Buchsteigerungen der Beteiligungsunternehmen erfahrungsgemäß als Zah-lungsmittel nicht akzeptieren. - Ganz deutlich: Mit der Wertsteigerung unseres Eigenbetriebs Stadtreinigung in der Bilanz der Stadt Leipzig in Höhe von 586.000 Euro zum Stichtag 31.12.2017 können wir keine Handwerkerrechnung für den Einbau einer Schultoilette bezahlen.
Wie der Finanzbericht zum 31.12.2017 erläutert, verzeichnet die Stadt Leipzig mitnichten einen Fi-nanzmittelüberschuss. Als einzig positive Entwicklung in diesem Bereich ist zu vermelden, dass das Finanzmitteldefizit geringer als erwartet ausfällt. - Vereinfacht gesagt: Wir leben immer noch vom Eingemachten, allerdings weniger stark als befürchtet. Dennoch wird das Eingemachte naturgemäß weniger. Über den magischen Topf mit dem süßen Brei, der niemals alle wird, verfügt die Stadt Leipzig bedauerlicherweise nicht. Leider ist die Welt doppischer Haushaltsführung komplex, sodass die simple Rechnung „Überschuss gleich mehr in der Kasse“ eben nicht aufgeht.
Zu den Fragen 1 und 2, die seitens des Fragestel-lers im Nachgang wieder zurückgezogen wurden, ist dennoch hier auszuführen, dass der Finanzbericht zum 31.12.2017 bereits seit dem 07.05.2018 im ALLRIS freigeschaltet war und von mir der Fachausschuss Finanzen über die wesentlichen Inhalte noch am selben Tag im Rahmen seiner regulären Sitzung informiert wurde.
Zur Frage 3. Vor dem Hintergrund der neuen Klas-senbildungsverordnung des Freistaates Sachsen ist mit einer Absenkung des Klassenteilers von derzeit 28, was der Regelfall ist, auf bis zu 23 Schülerinnen und Schüler infolge der Förderung der Integration zu rechnen. Die Stadt Leipzig geht gemeinsam mit dem Landesamt für Bildung und Schule davon aus, dass diese Form der Klassenbildung vor allem im Oberschulbereich zum Tragen kommt.
Des Weiteren führt die Integration von Schülerin-nen und Schülern mit Migrationshintergrund aus den Vorbereitungsklassen Deutsch als Zweitsprache dazu, dass neue, zusätzliche Klassen zu bil-den sind, sobald der Klassenteiler im Zusammen-hang mit der Vollintegration dieser Schülerinnen und Schüler erreicht wird.
Die Kapazitätsentwicklung im Bereich der Schulen ist damit von externen Faktoren abhängig, die nicht im Einflussbereich der Stadt Leipzig liegen und auch nicht immer langfristig planbar sind.
Die Umsetzung baulicher Maßnahmen im Regelverfahren benötigt insgesamt mehr Zeit, als die Bedarfe derzeit entstehen, weswegen ab dem Schuljahr 2019/2020 ein Engpass entsteht, vordergründig im Bereich der weiterführenden Schulen. Mit den bisher ergriffenen Maßnahmen zur Planung und Umsetzung von Schulbauvorhaben kann trotz der gemeinsam auch mit dem Stadtrat ergriffenen Beschleunigungsmaßnahmen ein Defizit zwischen vorhandenen Kapazitäten und benötigten Schulplätzen nicht vermieden werden. Es sind zwingend und umgehend weitere Maßnahmen zu ergreifen, um zusätzliche Kapazitäten ans Netz zu bringen.
Für den sofortigen Beginn der Vorbereitung und Umsetzung der zwingend erforderlichen Maßnahmen sind bereits in 2018 nicht unerhebliche Finanzbedarfe erforderlich. Diese Haushaltsmittel werden insbesondere für die Planung und externe Begleitung von Vorhaben benötigt. Darüber hinaus werden für die Ausschreibung der schnellstens zu erfolgenden Neubau- und Sanierungsvorhaben bereits in 2018 Verpflichtungsermächtigungen benötigt. Eine besondere Ratsvorlage zum Thema folgt zeitnah.
Wir haben in etwa prognostizierte Mehrbedarfe al-lein im Schulbau in 2018 liquiditätswirksam von rund 800.000 Euro im Ergebnishaushalt und rund 6,5 Millionen Euro im Finanzhaushalt. Daneben wurden rund 32 Millionen Euro außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen für 2019 ange-zeigt.
Zur Frage 4. Im Nachtragshaushalt wurden die zum Stichtag bekannten Mehrbedarfe - über 700.000 Euro je Position - berücksichtigt. Seitdem sind weitere erhebliche Mehrbedarfe seitens der Fachämter prognostiziert worden. Beispielhaft seien hier genannt: Hilfen zur Erziehung, rund 11,2 Millionen Euro; Schulbau, wie bereits ausge-führt; Kita- und Heimbau, rund 200.000 Euro zusätzliche Planungsmittel. Daneben sind mir aus den Jurysitzungen zur Vergabe der 13 „Leipzig-Kitas“ Mehrbedarfe bekannt, die etwa im 4- bis 5-Millionen-Euro-Bereich liegen.
Zur Frage 5. Bereitstellung der benötigten Kapa-zitäten bei Kitas und Schulen, erhebliche Kostensteigerungen bei gesetzlichen Pflichtaufgaben, angespannte Liquiditätssituation infolge ungeplanter zahlungswirksamer Mehrbedarfe bei gleichzeitig positiven Ergebnissen im Ergebnishaushalt.

Stadtrat Oßwald (SPD): Herr Bonew, Sie haben zutreffenderweise noch einmal den Unterschied zwischen Ergebnishaushalt und liquiditätsmaßgebenden zahlungswirksamen Verpflichtungen dargestellt und von einer sehr angespannten Liquiditätssituation gesprochen, weswegen die Haushaltssperre verhängt worden ist. Im Unterschied dazu wird im Finanzbericht zum 31.12.2017 ausgeführt, dass aufgrund der guten Liquiditätslage zum wiederholten Male die Kreditermächtigung nicht in Anspruch genommen wurde. Das heißt: Der Freiraum, den Sie mit der Ände-rung der Entschuldungskonzeption bekommen haben, wird nicht ausgenutzt, weil, wie Sie ausführen, aufgrund von Verzögerungen im investiven Bereich eine sehr gute Liquiditätslage festzustellen ist und zum wiederholten Mal Nettoschulden - in 2017: 46 Millionen Euro - getilgt werden konnten. Das passt für mich einfach nicht zusammen.

Bürgermeister Bonew: Das ist die dritte Dimen-sion des sächsischen Haushaltsrechts. Man muss die Liquiditätsrechnung der Stadt Leipzig sehen: das liquiditäts- oder zahlungswirksame Ergebnis aus dem Verwaltungshaushalt - da sind wir sehr gut -, aus der Finanzierungstätigkeit - das spielt in 2017 keine Rolle - und aus der Investitionstätigkeit. In Summe haben wir unsere Liquidität im Jahr 2017 um rund 10 Millionen Euro geschmälert. Dennoch sieht es auf den Konten der Stadt Leipzig, was die Zahlungsmittel angeht, sehr gut aus, weil wir im Cashpool, auf den Konten der Stadt Leipzig, das Guthaben der Eigenbetriebe sowie die Verwahrkonten im Liegenschaftsamt haben, die wiederum nicht unsere eigenen Mittel sind.
Solange der Kontosaldo noch so gut aussieht, darf ich keine Kredite aufnehmen, weil die Finanzierung durch Kredite erst nach Abarbeitung der zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel der letzte Schritt ist. Die Rechtsaufsichtsbehörde beobachtet sehr genau, wie die Liquiditätssituation auf den Konten der Stadt Leipzig versus Zahlungsmittelsaldo aus den einzelnen Teilhaushalten ist. Wir dürfen erst dann Kredite aufnehmen, wenn auch Investitionen dagegen stehen. Sprich: Ich darf nicht mit Investitionskrediten kurzfristige Liquiditätsengpässe im Ergebnishaushalt überbrücken. Solange wir im Finanzbericht ausweisen, dass unsere Haushaltsausgabereste steigen und nicht sinken - der Finanzbericht zum 31.12.2017 weist aus, dass unsere Haushaltsausgabereste aus Investitionen um rund 25 Prozent gestiegen sind -, haben wir ein Argumentationsproblem, zu sagen: Für diese nicht pünktlich auf den Weg gebrachten Investitionen nehmen wir jetzt noch Investitionskredite auf. Also: Es ist klar zu trennen zwischen Ergebnishaushalt und Finanzhaushalt. Dann ist zu trennen zwischen den Zahlungsmittelsalden der einzelnen Teilhaushalte und dem Kontoguthaben. Das Kon-toguthaben sieht gut aus. Aber das ist zum großen Teil nicht unser Geld. Das ist das Geld der Eigen-betriebe, und das ist das Geld der Verwahrkonten des Liegenschaftsamtes. Damit arbeiten wir; das dürfen wir. Aber ich darf nicht zusätzlich Investitionskredite aufnehmen, wenn mir nachgewiesen werden kann, dass die Investitionen nicht abflie-ßen. Das ist die Dreidimensionalität unseres Haushaltsrechts.

Stadtrat Morlok (Freibeuter): Herr Bonew, Sie haben deutlich gemacht, dass ein wesentlicher Grund für die Haushaltssperre Mehrbedarfe im Bereich Schulhausbau ist. Dazu meine Fragen:
Erstens. Sind es ausschließlich externe Faktoren, die durch Änderung von Richtlinien und Vorschrif-ten auf die Stadt Leipzig niedergeprasselt sind, sodass sie die Mehrbedarfe vorher nicht erkennen konnte, oder sind diese auf interne Fehleinschätzungen zurückzuführen? Zweitens. Waren diese auf externe Faktoren oder interne Fehleinschätzungen zurückzuführenden Mehrbedarfe dem zuständigen Fachamt der Stadt Leipzig zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Nachtragshaushalts am 31. Januar dieses Jahres bereits bekannt? Oberbürgermeister Jung: Herr Bonew, gegebe-nenfalls unterstützt von Herrn Fabian. Bürgermeister Bonew: Kollege Fabian hat den Oberbürgermeister und mich am 19.04.2018 über eine Klausursitzung des Amtes für Jugend, Fami-lie und Bildung zusammen mit dem Landesamt für Bildung und Schule informiert und hat dort erstmals diese Mehrbedarfe angezeigt. Da verweise ich jetzt auf meine Antwort. Es ist der Klassenteiler und es sind die DaZ-Klassen, die jetzt in die Oberschulen wechseln, die hauptsächlich für diese unterjährigen überplanmäßigen Schulbe-darfe und demzufolge für Auszahlungen sorgen.

Oberbürgermeister Jung: Herr Fabian, wenn Sie das ergänzen möchten, bitte.

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Kollege Bonew hat die externen Faktoren bereits erwähnt. Die seit vergangenem Jahr vorliegende Klassenbil-dungsverordnung hat uns noch einmal neue, zusätzliche Bedarfe beschert. Fakt ist auch, dass trotz sinkender Zahlen von Geflüchteten der Bedarf an DaZ-Klassen weiterhin bestehen bleibt, weil jetzt andere, europäische Migranten nach Leipzig kommen und entsprechende Bedarfe ha-ben. Diese Faktoren haben - das sage ich ganz klar - das Fass zum Überlaufen gebracht.
Schon der Schulentwicklungsplan, den wir 2011 vorgelegt haben, hat gezeigt, dass wir immer höhere Bedarfe als vorhandene Kapazitäten haben. Das haben wir durch Überbelegungen kompensiert; die Schulen wurden bis zu 120 Prozent aus-gelastet. Das haben wir Jahr für Jahr so gemacht. Und weil es dort inzwischen so eng ist, sind wir jetzt in der Situation, zu sagen: Wir wissen, wenn wir jetzt nicht kurzfristig noch zusätzliche Maßnahmen ergreifen, werden wir in zwei Jahren nicht mehr ausreichend Kapazitäten haben.
Hinzu kommt - das weiß der Stadtrat - Viele Baumaßnahmen, die wir bedarfsmäßig angezeigt hatten, wurden nicht zu dem Zeitpunkt umgesetzt, zu dem wir sie benötigt hätten. Das hängt mit vielen Faktoren zusammen wie der Auslastung der Bau-wirtschaft, ungeklärten Grundstücksfragen - Stichwort „Jahrtausendfeld“ - und anderen Problemen.
Also: Die Planung hat immer gezeigt, dass der Bedarf enorm ist. Es ist uns immer gelungen, die entsprechenden Kapazitäten bereitzustellen. Aber durch kurzfristige Neuerungen wie die vom Kollegen Bonew genannten externen Faktoren Klassenbildungsverordnung und DaZ-Klassen hat sich die Situation weiter verschärft. Hinzu kommt eine höhere Planungsunsicherheit, weil die Bildungsempfehlung für Oberschule oder Gymnasium seit kurzem nicht mehr verpflichtend ist. Auch da zeigt sich, dass die Inanspruchnahme von Jahr zu Jahr steigt. Herr Morlok, noch einmal ganz klar: Wir haben keine Planungsfehler gemacht, sondern es gab immer Schwierigkeiten in der Umsetzung. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen - ich schimpfe eigentlich nie über den Freistaat, aber das muss man an dieser Stelle deutlich sagen -, dass es sehr lange gedauert hat, bis uns im Rahmen des Sonderprogramms „Schulhausbau - Kreisfreie Städte“ ausreichend Fördermittel zur Verfügung gestellt wurden, sodass wir planungsmäßig immer wussten, dass es irgendwann nicht mehr ausreichen wird. Jetzt ist der Moment ge-kommen, wo das Fass überläuft. Dafür reicht ja schon ein Tropfen.

Stadtrat Wehmann (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Herr Bonew und Herr Fabian, dazu hätte ich schon noch einige Nach-fragen. Die Themen, die Sie jetzt ansprechen, Herr Fabian, müssen doch schon vor dem 19.04. klar gewesen sein. Das heißt: Dass eine so enge Planung vonseiten der Verwaltung, auch die Umsetzung der Investitionen betreffend, irgendwann nicht mehr aufgehen wird, war doch absehbar. Das halte ich für mehr als problematisch.
Noch einmal zu dem Zahlenwerk, Herr Bonew. Der Nachtragshaushaltsplan, den der Stadtrat am 31.01.2018 verabschiedet hat, weist trotz 30 Millionen Euro für die Kitas in 2018 zumindest im Finanzhaushalt ein besseres Ergebnis aus, nämlich 19 Millionen Euro. Die zusätzlichen Mittel aus dem FAG in Höhe von 12 Millionen Euro waren darin noch nicht aufgelistet. Das macht nach meiner Rechnung gut 30 Millionen Euro. - Darüber hatten Sie ja später berichtet; zumindest habe ich Sie so verstanden.
Sie haben jetzt drei Positionen angeführt, die zu Mehrauszahlungen führen: Schulen mit gut 6 Mil-lionen Euro, Hilfen zur Erziehung mit 11 Millionen Euro und noch mal 3 bis 4 Millionen Euro für die Kitas. Da sind wir wieder im 20-Millionen-Euro-Bereich. Das macht mir - nehmen Sie mir es nicht übel - nicht ganz so viel Angst, weil wir damit wie-der im Bereich des Haushaltsplans 2018 sind. Hinzu kommen die investiven Haushaltsausgabe-reste aufgrund nicht umgesetzter Investitionen. Wir kritisieren hier ja schon seit Jahren, dass deren Abbau de facto nur schleppend vorangeht.
Das politische Signal, das nach außen gesendet wird, ist: Wir sperren den Haushalt. - Wie das intern abläuft, ist eine ganz andere Sache. Das kommt aus meiner Sicht nicht gut an. Ich denke, die Verwaltung ist hier dringend aufgefordert - das steht ja auch in der Dringlichen Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen; das war auch meine Anfrage im Verwaltungsausschuss -, uns noch einmal kon-krete Zahlen vorzulegen, die diese Haushaltssperre tatsächlich untermauern. - Das ist Punkt eins. Punkt zwei betrifft die Abfinanzierung der Haus-haltsausgabereste. Mit Blick auf die Investitionen nur für 2017 und den Rekordinvestitionshaushalt für 2019 mit 269 Millionen Euro ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir hier viele Euro aus dem Finanzhaushalt für Investitionen in Anspruch nehmen müssen, nicht sehr hoch, leider.

Oberbürgermeister Jung: Ich würde zunächst Frau Dr. Lakowa und Herrn Morlok das Wort erteilen, bevor Herr Bonew noch einmal abschließend darauf eingeht.

Stadträtin Dr. Lakowa (Bündnis 90/Die Grünen): Ich habe zwei Fragen. Zum einen: Werden Sie für die Schulen, die jetzt neu gebaut werden sollen, Kredite aufnehmen? Aus unserer Sicht ist nicht schlüssig, dass Sie sagen: Wir dürfen keine Kredite aufnehmen und müssen den Haushalt sperren, wenn infrage steht, wie diese Vorhaben finanziert werden sollen. Zum Zweiten: Wie lange soll aus Ihrer Sicht der Haushalt gesperrt bleiben: bis zum neuen Doppel-haushalt, oder wie ist die Planung? Auf welche Wunder hoffen Sie noch? Für wie lange müssen wir damit rechnen?

Stadtrat Morlok (Freibeuter): Herr Oberbürger-meister! Der Kollege Fabian hat auf zwei Sachver-halte hingewiesen, nämlich auf das Thema DaZ-Klassen und auf das Thema Klassenteiler. Dazu meine Nachfrage: Ab wann war erkennbar an der Einwohnerstatistik, dass aufgrund des Brexit Bür-ger Großbritanniens verstärkt ins EU-Ausland ziehen, darunter auch nach Leipzig? Das ist ja der Grund, der dahintersteht. Und: Mit welchem Datum wurde die Verordnung hinsichtlich des Klassenteilers veröffentlicht, die ja eine weitere Ursache für diesen Mehrbedarf ist?

Bürgermeister Bonew: Sehr geehrter Herr Wehmann, eine Haushaltssperre ist durch den Kämmerer zu erlassen, wenn der Haushaltsausgleich gefährdet ist. Da stellt sich nicht die Frage, ob sie gut ankommt. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Kämmerer gemäß seiner Stellenbeschreibung Entscheidungen treffen muss bezogen auf den Haushalt und nicht bezogen darauf, ob diese in der Öffentlichkeit gut ankommen.
Wir haben noch eine zusätzliche Verbesserung aufgrund der Mittel aus dem FAG, ja. Aber diese 12 Millionen Euro aus dem FAG werden allein schon durch die Risikomeldungen für HzE von rund 11,2 Millionen Euro fast komplett aufgefressen. Im Übrigen: Es sind 11,2 Millionen Euro zusätzlich zu den 5 Millionen Euro, die wir schon im Nachtragshaushalt berücksichtigt haben.
Die Haushaltsausgabereste wachsen. Wenn wir Stand heute alle unsere Haushaltsausgabereste abfinanzieren müssten und Kredite aufnehmen würden, hätten wir dennoch einen Kassenkredit in dreistelliger Millionenhöhe - um mal die Relation darzustellen. So schlimm wie es ist, dass wir die Investitionen nicht pünktlich auf das für die Schule vorgesehene Grundstück bekommen, die Haus-haltsausgabereste verhindern zurzeit, dass die Stadt Leipzig im Kassenkredit ist.
Frau Dr. Lakowa, Sie hatten danach gefragt, ob wir für Schulen, die neu gebaut werden, Kredite aufnehmen werden. - Nein. Zusätzliche investive Maßnahmen dürfen wir, sofern wir keinen zweiten Nachtragshaushalt in diesem Jahr verabschieden wollen - das wäre tödlich für den Begriff „Sofortschule“ -, nur innerhalb der vom Stadtrat be-schlossenen Investitionsobergrenze machen.
Das heißt: Wir suchen zurzeit in den gesamten 293 Millionen Euro nach Projekten, die in diesem Jahr nicht pünktlich umgesetzt werden können, um sie zur Refinanzierungsmöglichkeit für zusätzliche Investitionsobjekte zu machen, weil das die einzige Möglichkeit nach Sächsischer Gemeindeordnung ist, unterjährig neue Investitionsobjekte zu beginnen, ohne einen Nachtragshaushalt verabschieden zu müssen. Neue Kredite aufzunehmen, geht schon gar nicht, weil mit dem ersten Euro eines neuen Kredits wir in der Nachtrags-haushaltspflicht wären.
Die Prämissen, die wir uns verwaltungsintern vor-genommen haben, sind: Wir wollen schnell Schulen planen, und wir suchen so schnell wie möglich nach Finanzierungsmöglichkeiten. Sie haben weiter gefragt, wie lange die Haushalts-sperre gelten soll. - Wir prüfen im Dezernat Finanzen intern monatlich die Einnahmen und Ausgaben. Während das verwaltungsweit nur vierteljährlich erfolgt und wir die Ämter vierteljährlich ab-fragen, schauen wir uns die großen Kosten- und Ertragsblöcke monatlich an. So kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Entwarnung geben. Ich habe bis zum heutigen Tag noch keine finale Anmeldung der Fachämter, was die neuen Schulbaumaßnahmen zahlungswirksam final in diesem Jahr kosten werden. Das Vorgetragene waren nur erste Hochrechnungen. Ich gehe davon aus, dass wir, bevor das nicht vorliegt, überhaupt nicht über die Disposition der Haushaltssperre sprechen können. Die Haushaltssperre wirkt, bis der Finanzbürgermeister sie aufhebt oder bis zum 31.12., wenn das Haushaltsjahr endet.

Oberbürgermeister Jung: Noch ein Satz zum Brexit, Kollege Fabian.

Bürgermeister Prof. Dr. Fabian: Herr Morlok, ich sage hier noch einmal ganz deutlich, damit es auch jeder Stadtrat weiß: Seit spätestens 2011 wissen wir, dass in allen weiterführenden Schulen Jahr für Jahr die Bedarfe höher sind als die verfügbaren Kapazitäten inklusive der neu geschaffenen Kapazitäten, die im Rahmen der Planungen auf den Weg gebracht wurden.
Das Amt für Jugend, Familie und Bildung sowie das LaSuB setzen sich einmal im Jahr zusammen, um die neuen Klassen an den jeweiligen Schulen zu bilden. Das geschieht auf der Grundlage der konkreten Anmeldungen, wobei es im-mer gewisse Planungsunsicherheiten gibt, weil man zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß, wie viele Kinder nicht auf staatliche Schulen gehen, sondern freie Schulen besuchen werden.
Die Klassenbildungsverordnung - ich habe eben noch einmal im Internet nachgeschaut - ist am 1. August 2017 bekannt gemacht geworden. Wir wissen aber immer nur konkret für jedes einzelne Schuljahr, wie viele Kinder mit Förderbedarf tatsächlich angemeldet werden. Insbesondere an den Oberschulen kennen wir nur die aktuellen Zahlen.
Wir haben schon im letzten Jahr festgestellt: Es wird immer knapper. Das wissen wir schon seit vielen Jahren. Für das kommende Schuljahr 2018/2019 haben wir es noch geschafft, alle Schülerinnen und Schüler unterzubringen. Da aber offenbar jetzt wirklich alle Reserven aufgebraucht sind und sich schon andeutet, dass sich manche Baumaßnahmen verzögern werden, haben wir im Rahmen eines Workshops, wie von Herrn Bonew schon erwähnt, noch einmal eine Hochrechnung für 2019 und die folgenden Jahre vorgenommen und sind zu dem Schluss gekommen, dass mit dem, was jetzt auf den Weg gebracht wurde, die Kapazitäten ab 2019 nicht mehr ausreichen werden. Das war aber vorhersehbar und erwartbar. Das hätte schon in diesem Jahr der Fall sein können. Es gibt immer Unschärfen. Das Problem ist: Wenn wir die Schulen bis zum letzten Platz auslasten, können schon ganz geringfügige zusätzlich ent-stehende Bedarfe dazu führen, dass wir vor der Situation stehen, noch mehr machen zu müssen. Deswegen ist meine Devise: Wir müssen uns jetzt genau überlegen, was wir noch machen können. Wir haben verwaltungsintern sowohl kleinere Maßnahmen zur Bedarfsdeckung wie den Umbau einer Hausmeisterwohnung zu einem Klassen-zimmer aufgelistet als auch große Maßnahmen wie zwei sogenannte Sofortschulen im Bereich der weiterführenden Schulen, die schnellstmöglich umgesetzt werden müssen.

Oberbürgermeister Jung: Ich würde darum bitten, die Aussprache zu Schulen und zur Klassenbildung nicht an dieser Stelle zu führen. Sie werden eine umfassende Vorlage dazu erhalten. Dann kann die Diskussion in dem dafür notwendigen Rahmen geführt werden. Jetzt aber geht es um die Anfrage zur Haushaltssperre. Es gibt weitere Wortmeldungen von Herrn Albrecht, Herrn Morlok und Herrn Bär. Ich bitte Sie, wieder zum Thema der Anfrage zurückzukommen. Die Zeit für die Fragestunde ist bereits jetzt ausgeschöpft.

Stadtrat Albrecht (CDU): Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Sehr geehrter Herr Professor Fabian! Die Haushaltssperre wurde hauptsächlich deshalb erlassen, weil wir in Schulen investieren müssen. Deswegen ist dieses Thema hier zu diskutieren. Wir waren schon mal weiter. In der letzten Haushaltsdiskussion hatten wir transparent eine Liste vorliegen, sodass wir wussten, welche Schulen Invest brauchen. Ich rege an, eine solche Prioritätenliste, die aufzeigt, an welchen Schulen welche Planungsmaßnahmen erfolgen und welche Standorte zukünftig ausgebaut werden sollen, wiederum dem Rat vorzulegen. Uns bliebe eine Diskussion über fehlende Gelder erspart, wenn wir eine transparente Liste auf dem Tisch hätten, die vielleicht auch schon die Kosten für die vorgesehenen Maßnahmen beinhaltet.

Stadtrat Bär (SPD): Herr Bonew, ich habe noch eine Verständnisfrage. Wenn die Haushaltssperre hauptsächlich damit begründet wird, dass es einen erheblichen Mittelbedarf für Investitionen in soziale Infrastruktur gibt, und Sie gleichzeitig auf die gestiegenen Haushaltsausgabereste hinweisen, ist dann nicht die Wirkung einer Haushalts-sperre die, dass Sie damit die Abarbeitung des laufenden Haushalts verhindern, was dazu führt, dass es im nächsten Jahr noch mehr Haushaltsausgabereste geben wird? Vielleicht können Sie noch einmal aufklären, ob sich eine solche Maß-nahme eventuell nachteilig auswirken könnte. Oberbürgermeister Jung: Herr Morlok.

Stadtrat Morlok (Freibeuter): Herr Oberbürgermeister, ich denke, Sie stimmen mir sicherlich zu, dass es ein berechtigtes Anliegen des Stadtrats ist, nachzufragen, ob die Sachverhalte, die jetzt zur Haushaltssperre geführt haben, bereits zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Nachtragshaushalts im Januar bereits bekannt waren oder hätten bekannt sein können und, wenn ja, ob sie schon im Rahmen der Nachtragshaushaltssat-zung hätten berücksichtigt werden müssen. Ich bitte Sie, die Zahlen zu meiner Frage hinsichtlich der EU-Ausländer nachzureichen, weil das die Sitzung heute gegebenenfalls überfordern würde.

Oberbürgermeister Jung: So machen wir das. - Herr Bonew.

Bürgermeister Bonew: Nach alldem, was ich in den letzten acht Jahren über die Hürden von Haushaltssperren und die Entstehung von Haushaltsausgaberesten gelernt habe, sehe ich nach mehreren Abfragen in den Fachämtern keinen Zusammenhang. Warum nicht? Wir haben uns bei Haushaltssperre explizit sehr restriktiv auf den Ergebnishaushalt, früher Verwaltungshaushalt ge-nannt, kapriziert. Wir haben die entsprechenden Ämterbudgets erst einmal bei 40 Prozent einge-froren. Einzelfreigaben sind jedoch auf Antrag weiterhin möglich.
Der Investhaushalt war von vornherein durch eine Einzelverfügung mit Inkrafttreten der Haushaltssatzung von mir dahin gehend gesperrt, dass wir Investmittel erst dann freigeben, wenn wir wissen, dass auch die Fördermittel kommen. Das ist geübte Praxis. Dafür haben wir ein sehr kurzes, schlankes Verfahren innerhalb der Verwaltung entwickelt. Nach meiner Kenntnis gibt es kein einziges Investitionsobjekt, das durch eine vorläufige Haushaltsführung oder eine Haushaltssperre in seiner Entfaltung gehemmt wurde. Sollte Ihnen dahin gehend etwas bekannt sein, lassen Sie uns bitte darüber reden. Wir haben das insbesondere mit dem AGM, in Person mit dem ehemaligen Abteilungsleiter Haushalt, der jetzt als Sonderkoordinator für den Schulbau im AGM agiert, explizit abgestimmt, der das sowohl aus Sicht der Kämmerei als auch aus Sicht des AGM einschätzen kann. Ich habe letzte Woche noch einmal mit ihm gesprochen. Es wird da zu keinerlei Verzögerungen kommen. Oberbürgermeister Jung: Herr Bär.

Stadtrat Bär (SPD): Ich glaube, ich bin missverstanden worden. Mir ging es um Folgendes: Wenn Sie durch die Haushaltssperre neue Investitionsmittel gewinnen wollen, führt das dann nicht dazu, dass, weil ja nicht mehr auf den Weg gebracht werden kann, die Haushaltsausgabereste weiter steigen werden?

Bürgermeister Bonew: Nein. Wir können ja keine neuen Investitionsmittel gewinnen, sondern wir brauchen die Liquidität, um innerhalb der vom Stadtrat beschlossenen Obergrenze umschichten zu können. Also: Wir müssen innerhalb der von Ihnen beschlossenen 293 Millionen Euro bleiben und müssen nachweisen, was nicht kommt. Ich gehe nicht davon aus, dass die Haushaltssperre durch das Umschichten bewirkt, dass wir mehr Haushaltsausgabereste produzieren. Das wissen wir aber erst nächstes Jahr; das sage ich Ihnen auch ganz ehrlich.

Oberbürgermeister Jung: Herr Bonew, ich will es einmal zuspitzen: Durch die Haushaltssperre wird dem Bereich Kita und Schule kein einziger Euro entzogen; im Gegenteil. Es wird keinerlei Beeinträchtigungen geben, weil wir damit dafür sorgen, dass es eben nicht dazu kommt.

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