Eilverfahren gegen OBM wegen Nichtaufnahme eines Fraktionsantrags in die Tagesordnung der Ratsversammlung vollumfänglich erfolgreich - Grüne begrüßen nachhaltige Stärkung der Rechte des Stadtrates!

Pressemitteilung vom 10. Oktober 2017

I . Gegenstand des Verfahrens:

Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte unter begleitender Federführung der Rechtsanwaltskanzlei Pohle&Klatt aus Leipzig gegen Oberbürgermeister Burkhard Jung ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Leipzig eingeleitet weil dieser sich weigerte, den Antrag unserer Fraktion „Transparentes Verwaltungshandeln“ wie beantragt auf die Tagesordnung der Ratsversammlung zu setzen.

Der Antrag der Fraktion, mit dem der OBM aufgefordert wird, alle Informations- und Beschlussvorlagen inkl. aller relevanter Anlagen, die für den Stadtrat zur seiner Meinungsbildung, auch zur Abwägung aller Chancen, Risiken und Varianten erforderlich sind, vollständig offenzulegen, war bereits Gegenstand einer 1. Lesung in der Stadtratsversammlung und von dort an den Ausschuss „Allgemeine Verwaltung“ verwiesen worden. Dieser sprach sich mehrheitlich für seine Annahme in 2. Lesung aus. Das Urteil sollte auch in gewisser Weise richtungsweisend dafür sein, welche Kompetenzen die Ratsfraktionen besitzen, ob sie dem OBM Empfehlungen, Aufforderungen oder Vorschläge mittels Antrag unterbreiten dürfen.

II. Inhalt der Entscheidung

Das Verwaltungsgericht hat angeordnet, dass der OBM verpflichtet wird, den Antrag auf die Tagesordnung der Stadtratssitzung vom 18. Oktober 2017 zu setzen. Der Oberbürgermeister muss somit eine Nachtrags-Tagesordnung veranlassen und den Antrag zur Behandlung aufnehmen. --> Beschluss

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat sich in beeindruckender Weise sehr umfassend und tiefgehend mit der Rechtsmaterie beschäftigt.

Im Ergebnis gab es unserer Klage vollumfänglich Recht – nicht in einem einzigen Argumentationspunkt folgte es den ablehnenden Argumenten des OBM, sondern wies diese sogar mehrfach zurück.

Neben der Bestätigung der Einhaltung der Ordnungsmäßigkeit der Verfahrensfragen durch die Fraktion (formelle Rechtmäßigkeit) hat es sich sehr umfassend mit den aufgeworfenen inhaltlichen Fakten befasst (Urteil ab Seite 5 Mitte).

Festgestellt wurde eingangs, dass es sich um eine „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft“ – und dies ist erfahrungsgemäß wohl die ganze Palette der Lebenswirklichkeiten der Menschen – handeln muss. Eine weitere Einschränkung (z. B. örtlich oder sachlich) hat das Gericht nicht nur nicht vorgenommen, sondern ausdrücklich die uneingeschränkte Befassungskompetenz des Stadtrates in der gesamten Breite der Themen hervorgehoben. Allerdings dürfe es sich nicht um eine bloße „politische Stellungnahme“ handeln.

Der Kernsatz der Urteilsbegründung ist aber wohl der, „... dass eine inhaltliche Prüfungskompetenz des Bürgermeisters für die Verhandlungsgegenstände der Tagesordnung nicht anzunehmen ist“. (Seite 5 Mitte). Damit wird ihm sehr deutlich das Recht abgesprochen, darüber zu befinden, womit sich der Stadtrat beschäftigt bzw. ggf. auch beschließt, wenn die obigen Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind.

Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft dazu:

„Das bedeutet faktisch eine große Stärkung der Selbstbefassungsrechte des Stadtrates und dürfte wegweisenden Charakter für die Ratsarbeit in ganz Deutschland haben. Noch nie hat ein Gericht unserer Kenntnis nach eine solch klarstellende Ausweitung der Rechte eines demokratisch gewählten (Gemeinde-) Rates vorgenommen. Es ist ein richtungsweisender Schritt zu mehr Mitwirkungsmöglichkeiten aller demokratisch gewählten Stadtratsfraktionen in der Zukunft.“

Stadtrat Tim Elschner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und verwaltungspolitischer Sprecher der Fraktion weiter:

„Es ist eine klare Eindämmung der Selbstverstetigungstendenzen der Verwaltungen. Eine klare Grundhaltung wurde erkennbar: Souverän in unserem Land sind und bleiben die Volksvertretungen – nicht die ausführenden Organe. Zugleich ist es ein klarer Hinweis darauf, dass die zunehmend wahrnehmbaren Abschottungstendenzen der Verwaltungen keine rechtliche Grundlage haben.

III. Fazit

Oberbürgermeister Jung sollte das Urteil zum Anlass nehmen, seine Grundeinstellung zum „Souverän“ Stadtrat neu und sehr selbstkritisch zu überdenken.

Unsere Fraktion erwartet vom Oberbürgermeister unserer Stadt, dass er sich gegenüber seinen Bürger*innen zu Offenheit und Transparenz verpflichtet sieht und die Kommunalpolitik in die Entscheidungsprozesse bestmöglich einbezieht. Dies ist gegenwärtig beides nicht der Fall.

Er ist nunmehr endlich gefordert seine zahlreichen Ankündigungen zu mehr Transparenz in die Tat umzusetzen. 

Hier der Beschluss des Verwaltungsgerichts im Wortlaut.

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