Für vielfältige Männlichkeiten und ein Ende der Gewalt

Foto: Martin Jehnichen

Pressemitteilung vom 29. September 2023

Die Frauenhäuser in Leipzig sind überlastet – so sehr, dass zur Ratsversammlung am 5. Juli Mitarbeiter*innen der Leipziger Frauenhäuser und von Beratungsstellen zu häuslicher Gewalt vor dem Rathaus protestierten, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Über die Aufstockung der räumlichen und personellen Kapazitäten wird nun im Rat diskutiert – die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE haben dazu Anfang September einen gemeinsamen Antrag eingereicht. Die finanzielle und personelle Stärkung des Gewaltschutzes ist unerlässlich. Es bleibt die Frage nach den Ursachen: Woher kommt die Gewalt?

Die hauptsächlich Betroffenen von häuslicher Gewalt sowie Partnerschaftsgewalt sind Frauen. Täter sind dabei in der überwiegenden Mehrheit der Fälle Männer. Dies stellt das Bundesinnenministerium im aktuellen Lagebild Häusliche Gewalt für 2022 erneut fest. Häusliche Gewalt ist dabei im Wesentlichen eine Folge problematischer Rollenvorstellungen und erlernter Verhaltensmuster, die auf männlicher Dominanz und Kontrolle basieren. In diesen Rollenvorstellungen sollen Männer möglichst dominant auftreten, sie sollen Gefühle wie Angst oder Unsicherheit unterdrücken und auf keinen Fall Schwäche zeigen. Wut und Aggression gelten als einzig zulässige männliche Gefühle.

Solche Einstellungs- und Verhaltensmuster, die emotionaler, psychischer und körperlicher Gewalt den Boden bereiten, werden auch als sogenannte „Toxische Männlichkeit“ bezeichnet. Sie schaden nicht nur Frauen und Mädchen, sondern auch Männern selbst. So geben einer jüngst veröffentlichten Befragung von Plan International zufolge 50 Prozent der männlichen Befragten an, sie würden gesundheitliche Probleme nicht beachten – in der Annahme, diese gingen von selbst weg. 63 Prozent geben an, dass sie sich in ihrem Innern manchmal traurig, einsam oder isoliert fühlen. Und 71 Prozent der befragten jungen Männer glauben, persönliche Probleme selbst lösen zu müssen, ohne um Hilfe zu bitten.

Damit Jungen und Männer die Möglichkeit bekommen, ihre Gefühle in vielfältiger Weise auszudrücken, damit sie sich frei und ohne Druck entfalten können, müssen vielfältige Männerbilder abseits des Bildes vom „starken, überlegenen Mann“ gefördert werden. Alle Jungen und Männer müssen die Möglichkeit erhalten, eine eigene Identität im Rahmen eines respektvollen, gleichberechtigten und gewaltfreien Miteinanders zu entwickeln. Deshalb hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Antrag zur Förderung vielfältiger Männerbilder im Stadtrat eingereicht.

Nuria Silvestre, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion: „Wo stehen Männer im Moment? Setzen sie sich für Feminismus ein? Erkennen sie unsere sexistische Kultur? Wir erleben und erleiden das Patriarchat von Geburt an. Dieses System unterdrückt uns alle und ist die Ursache vieler sozialer Probleme. Im Moment bekommen Männer zu wenig Unterstützung und Ressourcen für die eigene Reflexion. Mit dem Antrag wollen wir dazu beitragen, dass diese zur Verfügung gestellt werden.“

 

Foto: Martin Jehnichen

Die Stadt Leipzig wird mit dem Antrag aufgefordert, innerhalb der Fortschreibung des Gleichstellungsaktionsplans das Thema vielfältige Männerbilder aktiv in den Fokus zu nehmen. Außerdem sollen die Themen Gewaltprävention und Täterarbeit von städtischer Seite stärker bearbeitet werden.

Katharina Krefft, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion: „Ein auf Dominanz und Kontrolle aufbauendes Männlichkeitsbild führt zu Gewaltbereitschaft – untereinander, gegen Andere und gegen sich selbst. Hier müssen wir präventiv agieren. Für Jungen und Männer gibt es bisher noch zu wenig Angebote, sich mit positiven Vorbildern und Role Models, mit der eigenen Identität und Sozialisation auseinanderzusetzen – in ihrer ganzen Vielfalt und Verletzlichkeit. Hier muss die Stadt bei der Projektförderung nachbessern und vor allem auch die Informationen auf der städtischen Webseite erweitern.“

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