Gläsernes Rathaus: Informationsfreiheitssatzung für Leipzig (Antrag 94/10)

Beschlussvorschlag:

  1. Die Stadtverwaltung wird beauftragt, eine „Satzung zur Informationsfreiheit für die Stadt Leipzig“ zu erstellen und diese bis 30.06.2011 dem Stadtrat zur Abstimmung vorzulegen.
  2. Es soll darüber hinaus geprüft werden, in welchen Bereichen und auf welche Art und Weise das Informationsrecht der Bürger durch eine aktive Informationspflichten seitens der Stadt ergänzt werden kann.

Begründung:

Sächsische Kommunen sind aufgrund ihrer Satzungshoheit (§ 4 Abs. 1 SächsGemO) befugt, Informationsfreiheitssatzungen für Angelegenheiten ihrer jeweiligen eigenen Wirkungskreise zu erlassen. Mit einer solchen Satzung wird jedem interessierten Bürger Zugang zu allen Vorgängen in der Kommune, die öffentlich gemacht werden können, ermöglicht. Die Vorgänge in der kommunalen Verwaltung werden so für jeden Bürger transparent und nachvollziehbar.

Die Satzung gewährt jeder Person einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Ein begründetes Interesse ist dabei nicht notwendig, wie es bisher der Fall war. Eine amtliche Information ist jede Aufzeichnung, welche amtlichen Zwecken dient. Sie erfasst alle Formen von - bei der Behörde vorhandenen - Aufzeichnungen, insbesondere Schriften, Tabellen, Diagramme, Bilder, Pläne, Karten sowie Tonaufzeichnungen. Auf die Art ihrer Speicherung kommt es nicht an. Sie können elektronisch (Magnetbänder, Magnetplatten, Disketten, CD-ROMs, DVDs), optisch (Filme, Fotos auf Papier), akustisch oder anderweitig gespeichert sein. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil des Vorgangs sind, gehören nicht dazu.

Die Art der Information reicht von Auskünften über Akteneinsicht bis zu anderer Verfügbarmachung der Information, wie die Übersendung von Kopien oder z. B. das Hören eines Tonbandes. Damit gewährt die Informationsfreiheit den Bürgern Einsicht in alle öffentlichen Informationen, welche nicht zurückgehalten werden müssen zum Schutz von besonderen öffentlichen Belangen, zum Schutz von behördlichen Entscheidungsprozessen, dem Schutz personenbezogener Daten und dem Schutz des geistigen Eigentums und Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen.

Dies stellt einen Paradigmenwechsel dar. Das Prinzip, dass behördliche Informationen grundsätzlich nicht öffentlich sind, kehrt sich um in das Prinzip, dass behördliche Informationen grundsätzlich öffentlich zugänglich sein müssen. Diese Abkehr vom Amtsgeheimnis führt dazu, dass Informationsgesuche Dritter künftig nicht einfach pauschal zurückgewiesen werden können. Stattdessen muss grundsätzlich Zugang zu den gewünschten Informationen gewährt werden. Die Behörde, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist, entscheidet über die Anträge und muss diese einzelfallbezogen prüfen und darlegen. Sie trägt weder die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit der Information noch hat sie eine Informationsbeschaffungspflicht.

Der Antrag kann schriftlich, mündlich oder in elektronischer Form gestellt werden. Er muss hinreichend bestimmt sein und insbesondere erkennen lassen, auf welche Informationen er gerichtet ist. Einzige Voraussetzung für die Gewährung des Informationszuganges ist somit die Stellung eines möglichst konkreten Antrags. Weitere Formalia sind nicht zu beachten. Die Kosten für die Zurverfügungstellung der Informationen kann die Kommune dem Antragsteller berechnen, das Angebot soll kostendeckend sein. Bekannte Einwände wie die Gefahr von Missbrauch oder Veröffentlichung von vertraulichen Informationen sind nicht nur durch die Praxis in Bund, Ländern und Kommunen, wo ein solches Gesetz/Satzung schon verabschiedet wurde, widerlegt, es stehen hier ja auch die oben genannten gesetzlichen Regelungen entgegen.

Das bundesdeutsche Informationsfreiheitsgesetz ist 2006 in Kraft getreten. Auf Länderebene wurden Informationsfreiheitsgesetze in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und NRW erlassen; 2006 schlossen sich Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland an, 2007 Thüringen, 2008 Sachsen-Anhalt, 2009 Rheinland-Pfalz. Wo auf Länderebene keine Informationsfreiheitsgesetze existieren, haben dennoch die einzelnen Kommunen die Möglichkeit, die Informationsfreiheitssatzung zu beschließen. So erfolgt z. B in zehn Kommunen in Bayern, wie Passau und Coburg. Auch in München, Nürnberg und Göttingen wurden entsprechende Anträge gestellt.

Informationsfreiheit ist ein demokratisches Kontroll- und Mitgestaltungsrecht für alle Bürger. Wo Transparenz und Bürgernähe in der Verwaltung fehlen, besteht ein Demokratiedefizit. Dieses gilt es zu beseitigen. Eine aktive Bürgergesellschaft setzt das Interesse und das Engagement der Gemeindebürger an allen Entscheidungen der Gemeindepolitik voraus. Engagement kann aber nur auf der Basis umfassender Information gedeihen. Es gilt das Prinzip: Was der Bürgermeister weiß, wissen auch die Stadträte. Und was die Stadträte wissen, wissen auch die Bürger. Dieses Prinzip führt zu einem offenen Klima in der Kommune und beugt Konflikten vor.

Beschluss der Ratsversammlung vom : 23.03.2011
Status : beschlossen

 

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